Der Konflikt de Gaulles mit seinen angelsächsischen Verbündeten dauerte bis kurz vor Beginn des Landungsunternehmens. Die Aversion zwischen dem Vertreter der France libre und den Angelsachsen war allgemein bekannt, aber nicht deren politische Dimension. Dabei spielten Formfragen eine Rolle, aber vor allem ging es um das gegenseitige Mißtrauen im Hinblick auf weiterreichende Zielsetzungen. Tatsächlich erwog Washington bis 1944, mit einem Repräsentanten des Vichy-Regimes zusammenzugehen, der konzilianter gewesen wäre als der General. Ein weiterer Grund für solche Pläne war die Angst, nach der Invasion in Frankreich keine ausreichende Hilfe zu finden, denn die Sympathie der Bevölkerung schien unsicher. Mehr als fünfzigtausend Franzosen fielen militärischen Aktionen der Alliierten zum Opfer, davon zwanzigtausend dem, was ausdrücklich „Terrorbombardement“ genannt wird. Die Empörung in einigen normannischen Städten war so groß, daß die Einwohner abgeschossene englische und amerikanische Piloten lynchten.
Das sind unschöne Details im Bild der Befreiung, aber die eigentliche Beschädigung droht durch das Wirken der Résistance. De Gaulle hat immer die Nichtigkeit der Kollaboration behauptet unter Hinweis auf die „Selbstbefreiung“ Frankreichs. Einwände gegen diese Lesart konnten allerdings nie ganz zum Schweigen gebracht werden. Schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es erbitterte Auseinandersetzungen um den Widerstand der Franzosen und in den siebziger Jahren einen „Historikerstreit“ über die These, daß sich die „vierzig Millionen Pétainisten“ (Henri Amouroux) ganz willig mit Vichy arrangierten, jedenfalls kein massenhafter Kampf gegen die deutschen Besatzer geführt wurde. Der allgemeine Attentismus hätte den Heldenmut der Résistance in umso hellerem Licht strahlen lassen können. Aber dem steht das Wissen um die problematischen Züge des Widerstands entgegen. Die langwierige und mit großer Erbitterung geführte Auseinandersetzung um den Tod Jean Moulins hat der Öffentlichkeit immerhin deutlich gemacht, wie kompliziert die Frontverläufe waren.
Das größte Problem war die Heterogenität der Résistance. Es gab den Widerstand der ersten Stunde, der vor allem von Anhängern de Gaulles und Nationalisten wie dem berühmten Hélie de Saint Marc geleistet wurde („Es ist die Linke, die die Résistance ausgebeutet hat, aber es sind Männer der Rechten, die sie geschaffen haben“, François de Grossouvre). Die zweite, kommunistische Fraktion der Résistance trat erst verzögert auf den Plan. Das hing damit zusammen, daß der PCF bei Beginn des Krieges die Verteidigungsanstrengungen Frankreichs sabotiert hatte, weil der Angreifer Deutschland mit der Sowjetunion verbündet war, nach der Besetzung hielt man still und ging teilweise sogar zur Zusammenarbeit über. Erst im Juni 1941 wurde diese Taktik radikal geändert, und jetzt kam den Kommunisten ihre subversive Erfahrung im Untergrund zugute. Sehr schnell dominierten sie die anderen Gruppen des Widerstands und versuchten ihren Führungsanspruch durchzusetzen. Das führte zu scharfen, teilweise blutigen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Formationen der Résistance, die nur durch die gemeinsamen Gegner geeint wurden: Wehrmacht und deutsche Polizei, Kollaborateure, Administration und bewaffnete Organe des Vichy-Regimes sowie paramilitärische Einheiten, vor allem die Milice.
Der Maquis konnte die deutsche Position nie aus eigener Kraft gefährden. Ohne die Invasion im Juni 1944 wäre er zur Befreiung des Landes außerstande gewesen. Heute glaubt man, daß der Widerstand höchstens 200.000 Mann umfaßte, etwa drei Prozent der waffenfähigen Bevölkerung. Nach der Landung mußten die Alliierten rasch erkennen, wie gering deren militärischer Wert war, daß sie jedenfalls nicht als reguläre Einheiten verwendet werden konnten. Das Hauptinteresse der kommunistischen Résistance richtete sich sowieso nicht auf den militärischen Kampf, sondern auf den inneren Umsturz. Das und die Macht der verbündeten Sowjetunion bewogen de Gaulle, dem PCF erhebliche Spielräume zu öffnen. So erklärt sich nicht nur die kommunistische Regierungsbeteiligung, sondern auch die Bereitschaft, den Kommunisten bei der „Säuberung“ freie Hand zu geben.
Der Begriff „Säuberung“ sollte nicht an stalinistische Praktiken, sondern an die Zeiten der Jakobinerherrschaft erinnern. Dementsprechend wurden Wohlfahrtsausschüsse gebildet und mit oder ohne Unterstützung des Mobs Schuldige und Unschuldige abgeurteilt. Sehr oft kam es auch zu Mordaktionen, wobei private oder politische Rechnungen aus der Vorkriegszeit mit beglichen wurden, oder zu Massakern, denen mehrere hundert Menschen zum Opfer fallen konnten. Wie groß die Zahl der Toten dieser „wilden Säuberung“ war, ist bis heute umstritten: Während man unmittelbar nach Kriegsende von sehr hohen Ziffern ausging – der Innenminister Adrien Tixier soll 1945 von 105.000 Toten gesprochen haben, der sozialistische Abgeordnete Mitterrand drei Jahre später von 97 000 – hat sich mit wachsendem Abstand die Neigung durchgesetzt, diese Angabe zu reduzieren. De Gaulle nannte in seinen Memoiren mit verblüffender Exaktheit 10 842 Getötete (vielleicht auf Grund einer Schätzung der Gendarmerie), der Historiker Robert Aron geht in seiner mehrbändigen Darstellung der Säuberung (Histoire de l’ épuration, 2 Bände, Paris 1967) immerhin von 40000 Toten aus.
Verglichen damit sind 767 legal hingerichtete Kollaborateure eine verhältnismäßig kleine Zahl, dazu kamen allerdings noch 13 000 Personen, die zu Zwangsarbeitsstrafen verurteilt wurden, mehr als 24 000, die Gefängnishaft zu verbüßen hatten und fast 50 000, die ihre bürgerlichen Ehrenrechte verloren (dégradation nationale), was sehr oft zu Berufsverbot und zur Vernichtung der bürgerlichen Existenz führte. Bis zum Januar 1945 wurden mindestens 200.000 Menschen in Lagern interniert, vielleicht waren es aber auch 600.000 bis 700.000. Jean Paulhan, ein Mitglied der Résistance, äußerte, daß zwischen 1,5 und 2 Millionen Franzosen in irgendeiner Weise unter der épuration gelitten haben. Zu diesen Leiden gehörten neben den Exekutionen und Morden auch zahllose Akte von Brandstiftung, Raub und Plünderung, Mißhandlung, Vergewaltigung oder das berüchtigte öffentliche Kahlscheren von „Deutschenliebchen“.
Viele Historiker vertreten die Auffassung, in der Säuberung habe sich eine durch die nationale Demütigung von 1940 und den Siegestaumel von 1944 bewirkte „Psychose“ (Robert Aron) ausgewirkt. Vielleicht kommt man der historischen Wirklichkeit noch näher, wenn man der Argumentation Dominique Venners folgt, der in seiner „Kritischen Geschichte der Résistance“ (Histoire critique de la Résistance, Paris: Pygmalion 1995) darauf hinweist, daß die Säuberung mit ihren Proskriptionslisten und Schauprozessen, mit der Sensationsgier des Pöbels und dem systematischen Terror eher an die Zeit des römischen Bürgerkriegs erinnere. Dabei betont er, daß die Entwicklung schon unter dem Vichy-Regime ihren Anfang genommen habe mit der Verdrängung, Festsetzung, Folterung, Deportation oder Tötung von politischen Gegnern und Franzosen jüdischer Herkunft. Aber das nimmt dem Schrecken der Jahre 1944 / 45 nichts von seiner Realität. Der Enthusiasmus, der den Einzug de Gaulles in Paris begleitete und die zahllosen Volksfeste, mit denen man noch im kleinsten Dorf die Ankunft der Alliierten feierte, waren nur die eine Seite. Dominique Ponchardier, einer der Helden des Widerstands, notierte melancholisch: „Die Befreiung bietet keinen schönen Anblick.“