Die Freikorps – Retter der Republik

von Olaf Haselhorst -- PDF der Druckfassung aus Sezession 118/ Februar 2024

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Über die Frei­korps der Wei­ma­rer Repu­blik sei alles gesagt, meint die uni­ver­si­tä­re Geschichts­for­schung, und das Urteil (selt­sam genug für eine wis­sen­schaft­li­che Zunft) steht längst fest: Die Ange­hö­ri­ge der Frei­korps sei­en Reak­tio­nä­re, bru­ta­le Lands­knech­te gewe­sen, sie sei­en ver­ant­wort­lich für Exzes­se und Mas­sa­ker und zeich­ne­ten sich durch die Unfä­hig­keit aus, im zivi­len Leben zurechtzukommen.

Sie ver­kör­per­ten nach den einst breit rezi­pier­ten Theo­rien von Klaus The­we­leit (Män­ner­phan­ta­sien, 2 Bde., Frank­furt a. M. 1977/78) den faschis­ti­schen Män­ner­typ, der gekenn­zeich­net sei von der Unfä­hig­keit zu mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Die­se Per­so­nen hät­ten durch erlit­te­ne Prü­gel und mili­tä­ri­schen Drill ein sekun­dä­res Ich in Form eines »Kör­per­pan­zers« erwor­ben, der von mili­tä­ri­scher Stramm­heit, Steif­heit und Unter­kühlt­heit gekenn­zeich­net sei. Als Vor­läu­fer der Natio­nal­so­zia­lis­ten hät­ten vie­le Frei­korps­kämp­fer spä­ter in den Rei­hen von SA und SS gestanden.

Ent­ge­gen die­sem »Kon­sens« der Wis­sen­schaft hat der Mili­tär­his­to­ri­ker René Hoff­mann nun zwei Arbei­ten vor­ge­legt, die das Gegen­teil zei­gen. Unter Berück­sich­ti­gung zahl­rei­cher Quel­len und wis­sen­schaft­li­cher Lite­ra­tur bele­gen sei­ne detail­rei­chen Unter­su­chun­gen, daß die jun­ge Wei­ma­rer Demo­kra­tie ihr Über­le­ben den Frei­wil­li­gen­ver­bän­den ver­dank­te. Sie doku­men­tie­ren Selbst­ver­ständ­nis und Wahr­neh­mung der Frei­korps­sol­da­ten und zeich­nen ein aus­ge­wo­ge­nes Bild der Sol­da­ten, wozu die vom Autor aus­ge­wer­te­ten und in der For­schung lan­ge gern igno­rier­ten Ego-Doku­men­te der Zeit­zeu­gen beitragen.

Wor­um geht es? Hoff­manns Unter­su­chung über die poli­ti­sche Ein­bin­dung der Frei­korps (Frei­korps im Spiel der Poli­tik. Zur Geschich­te der deut­schen Frei­korps 19181920, Ber­lin 2023) ist ein guter Über­blick über die Ein­sät­ze die­ser Frei­wil­li­gen­ver­bän­de und über das unaus­ge­setz­te Miß­trau­en gegen­über die­sen kampf­star­ken und cha­ris­ma­tisch geführ­ten Trup­pen, die der Repu­blik zwar skep­tisch gegen­über­stan­den, aber den­noch für sie kämpften.

Nach der fried­li­chen Regie­rungs­über­nah­me der Mehr­heits­so­zia­lis­ten im Novem­ber 1918 sahen sich die neu­en Macht­ha­ber weni­ger bedroht durch über­zeug­te Mon­ar­chis­ten als durch links­extre­me Befür­wor­ter einer Revo­lu­ti­on, wie sie Lenins Bol­sche­wi­ki in Ruß­land gera­de vor­ge­macht hat­ten. In dem dro­hen­den deut­schen Bür­ger­krieg hol­te sich die Regie­rung von Fried­rich Ebert in einem Pakt mit dem Gene­ral­stabs­chef Wil­helm Groe­ner die Unter­stüt­zung des Hee­res. Die­ses Über­ein­kom­men wer­tet Hoff­mann als eigent­li­chen Grün­dungs­akt der Repu­blik, denn es dien­te der Bewah­rung der inne­ren Ord­nung, der Ver­hin­de­rung von rus­si­schen Ver­hält­nis­sen sowie dem Schutz der in Wei­mar zusam­men­ge­tre­te­nen Nationalversammlung.

Aus von der Front zurück­keh­ren­den Trup­pen wur­den Frei­wil­li­gen­ver­bän­de auf­ge­stellt, die nach dem Prin­zip von Befehl und Gehor­sam orga­ni­siert und auf eine star­ke Füh­rer­per­sön­lich­keit aus­ge­rich­tet waren. Dies geschah im Auf­trag und mit Unter­stüt­zung der Regie­rung zur Auf­recht­erhal­tung der inne­ren Ord­nung sowie zur Abwehr äuße­rer Bedrohungen.

Obwohl von der Regie­rung als Ord­nungs­kraft vehe­ment umwor­ben, setz­ten vie­le SPD-Poli­ti­ker und vor allem die Par­tei­pres­se ihre anti­mi­li­ta­ris­ti­sche Agi­ta­ti­on und Het­ze gegen Offi­zie­re fort. Dies konn­te, wie der Autor deut­lich her­aus­ar­bei­tet, bei den Sol­da­ten kaum Ver­trau­en in Ver­tre­ter der jun­gen Demo­kra­tie wecken. Der neue SPD-Wehr­mi­nis­ter Gus­tav Noske (»Einer muß der Blut­hund wer­den«) sag­te dies­be­züg­lich: »Wird das Offi­ziers­korps wei­ter so beschimpft, so kann sich kei­ner dar­über wun­dern, wenn es einen Ekel vor der Revo­lu­ti­on und Regie­rung bekommt.« Noske bil­de­te mit sei­ner eher mili­tär­freund­li­chen Ein­stel­lung eine Aus­nah­me in der SPD.

Der »Dank des Vater­lan­des« blieb heim­keh­ren­den Sol­da­ten oft ver­wehrt. Ihnen wur­den auf der Stra­ße durch den Pöbel Orden und Schul­ter­stü­cke abge­ris­sen, sie wur­den ver­spot­tet, nicht sel­ten ver­prü­gelt, man­che gar ermor­det. Es ist ein gro­ßes Ver­dienst des Ver­fas­sers, in bei­den Büchern die Dop­pel­bö­dig­keit der Poli­tik gegen­über den Sol­da­ten mit einer Rei­he von Bei­spie­len trans­pa­rent zu machen. Die spä­te­re Abwen­dung vie­ler Frei­kor­p­s­an­ge­hö­ri­ger von der Wei­ma­rer Repu­blik beruh­te auf die­sem von nicht weni­gen als Ver­rat und Miß­brauch emp­fun­de­nen Verhalten.

Der unter den Paro­len »Nie­der mit Ebert – Schei­de­mann – Noske!« und »Nie­der mit der Natio­nal­ver­samm­lung!« aus­ge­bro­che­ne »Spartakus«-Aufstand in Ber­lin woll­te, was Hoff­mann zu Recht her­vor­hebt, die jun­ge Demo­kra­tie besei­ti­gen und die Sowje­ti­fi­zie­rung Deutsch­lands her­bei­füh­ren. Vor die­sem Hin­ter­grund erteil­te Noske den Frei­korps fol­gen­den Befehl: »Jede Per­son, die im Kampf gegen die Regie­rungs­trup­pen mit der Waf­fe in der Hand ange­trof­fen wird, ist sofort zu erschießen.«

Die Gar­de-Kaval­le­rie-Schüt­zen­di­vi­si­on, am 16. Dezem­ber 1918 per Regie­rungs­er­laß legi­ti­miert, ver­hin­der­te in den Janu­ar­kämp­fen – wie Hoff­mann aus­drück­lich betont: als ein­zi­ger repu­blik­treu­er Ver­band vor Ort – die spar­ta­kis­ti­sche Macht­über­nah­me und gewähr­leis­te­te die Bil­dung einer demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Reichs­re­gie­rung. Die Mor­de an Karl Lieb­knecht und Rosa Luxem­burg erfolg­ten mit Bil­li­gung von Ebert und Noske.

Bei Kriegs­en­de stan­den deut­sche Trup­pen tief in Ruß­land. Ihre schnel­le Rück­füh­rung in die Hei­mat war gefähr­det durch die nach­drän­gen­de Rote Armee, die die Revo­lu­ti­on nach Mitteleu­ropa tra­gen woll­te, und durch pol­ni­sche Kämp­fer, die aus der Kon­kurs­mas­se der drei gro­ßen Rei­che Deutsch­land, Ruß­land und Öster­reich-Ungarn mög­lichst viel Ter­ri­to­ri­um für ihren neu­en Staat her­aus­tren­nen woll­ten. Die neu­ent­stan­de­nen bal­ti­schen Repu­bli­ken konn­ten, auf sich allein gestellt, dem Ansturm aus dem Osten nur wenig entgegensetzen.

So ent­stan­den mit Ein­ver­ständ­nis von Entente und Reichs­re­gie­rung aus deut­schen Frei­wil­li­gen Frei­korps, die mit aller­lei Ver­spre­chun­gen – die let­ti­sche Regie­rung sag­te etwa den Erwerb der Staats­bür­ger­schaft und Land zum Sie­deln zu – ange­wor­ben wur­den. Im Okto­ber 1919 stan­den rund 50 000 Mann im Bal­ti­kum unter Waf­fen. August Win­nig, SPD-Ober­prä­si­dent von Ost­preu­ßen, erklär­te spä­ter, durch die Frei­korps sei der »Ein­marsch der Roten Armee nach Ost­preu­ßen ver­hin­dert wor­den«. Ihrem Ein­satz sei die Unab­hän­gig­keit von Lett­land und Litau­en zu ver­dan­ken. Als die Sie­ger auf­grund des Kampf­erfol­ges der Frei­korps die Ver­sailler Nach­kriegs­ord­nung gefähr­det sahen, ver­lang­ten sie von der Reichs­re­gie­rung ihre Auf­lö­sung. Wer sich der Anord­nung wider­setz­te und im Bal­ti­kum blieb, wur­de als »Rechts­bre­cher« und »Söld­ner« geschmäht.

Obwohl die Frei­wil­li­gen das Ver­trau­en in die Regie­rung ver­lo­ren hat­ten, bewahr­ten sie dem Vater­land die Treue. Indem sie die Nati­on schütz­ten, sicher­ten sie das Über­le­ben der Repu­blik, urteilt Hoff­mann und bekräf­tigt: Gera­de in den bedroh­ten deut­schen Ost­pro­vin­zen Ost­preu­ßen, Pom­mern und Schle­si­en stand die Bevöl­ke­rung hin­ter den Frei­korps. Denn sie waren der ein­zi­ge Garant gegen Über­grif­fe aus dem Aus­land. Ent­las­se­ne Ange­hö­ri­ge fan­den hier auf den gro­ßen land­wirt­schaft­li­chen Gütern Arbeit, die ihnen in ande­ren Tei­len des Rei­ches auf­grund des Ein­flus­ses der SPD-nahen Gewerk­schaf­ten oft ver­wei­gert wurde.

Der Putsch­ver­such des Gene­ral­land­schafts­di­rek­tors Wolf­gang Kapp mit Unter­stüt­zung der Mari­ne-Bri­ga­de Ehr­hardt im März 1920 schei­ter­te laut Hoff­mann an der feh­len­den Bereit­schaft der Put­schis­ten, Gewalt anzu­wen­den. Die preu­ßi­schen Beam­ten ver­wei­ger­ten sich. Der spä­ter aus­ge­ru­fe­ne »Gene­ral­streik«, der nur in eini­gen Ber­li­ner Arbei­ter­vier­teln befolgt wur­de, bekam bald eine gegen die ver­fas­sungs­ge­mä­ße Ord­nung gemünz­te Stoß­rich­tung, die in den Ruhr­kampf führ­te. Die »Rote Armee« im Ruhr­ge­biet hoff­te nach dem Kapp-Putsch auf die Gunst der Stun­de und rief den Auf­stand aus. Die KPD pro­kla­mier­te: »Wir kämp­fen nicht für die Regie­rung Ebert-Noske, son­dern für die Dik­ta­tur des Pro­le­ta­ri­ats.« Wie­der ret­te­ten Frei­korps­ver­bän­de durch ihren Ein­satz die demo­kra­ti­sche Regierung.

Wesent­li­chen Anteil an der Nie­der­schla­gung des Ruhr-Auf­stan­des hat­te die Mari­ne­bri­ga­de von Loe­wen­feld, über deren Auf­bau, Glie­de­rung, Ein­sät­ze, Auf­lö­sung und Nach­le­ben Hoff­mann eine Detail­stu­die vor­ge­legt hat (Die Mari­ne­bri­ga­de von Loe­wen­feld. Frei­korps­ge­schich­te und Deu­tungs­vor­macht, Ber­lin 2023), in der er auch auf die Erin­ne­rungs­kul­tur ein­geht. Die Arbeit zeigt, wie ideo­lo­gisch gefärb­te Urtei­le aus DDR-Medi­en (»Revan­chis­ten­auf­marsch«, »Arbei­ter­mör­der fei­ern ihren Ter­ror«) bis heu­te Ein­fluß auf die Deu­tung der his­to­ri­schen Ereig­nis­se haben, was sich unter ande­rem in – bis­her ver­geb­li­chen – Ver­su­chen zeigt, die Bot­tro­per Loe­wen­feld­stra­ße umzubenennen.

René Hoff­mann revi­diert in sei­nen bei­den Stu­di­en die bis­he­ri­ge Deu­tung der Frei­korps der Jah­re 1918 bis 1920. Deut­lich an der Dar­stel­lung wird: Nur wenn der His­to­ri­ker dem Prin­zip »sine ira et stu­dio« ver­pflich­tet ist, kann er his­to­ri­schen Ereig­nis­sen und Per­so­nen gerecht wer­den. Hoff­mann ist dies ein­drucks­voll gelungen.

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