Marcus Jay Ludwig: Bin ich rechts?

von Thomas Schmitt --

»Die verwirklichte linke Welt ist eine leere Hölle.« Ein Satz, der wohl allen Freunden verdichteter Sprachkunst ein Lächeln entlockt. ­

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Mar­cus Jay Lud­wig ist Publi­zist, Roman­au­tor und betreibt seit über vier Jah­ren einen Blog, in dem er, zumeist aus­ge­hend vom tages­ak­tu­el­len Irr­sinn, fun­dier­te Kri­tik am gro­ßen Gan­zen übt. Als stu­dier­ter Ger­ma­nist bil­det die Sprach­kri­tik einen Schwer­punkt sei­ner Texte.

Wer bestimmt, was »man« gera­de noch sagen darf oder lie­ber blei­ben las­sen soll­te? In wel­chen Hän­den liegt die Deu­tungs­macht zur Eta­blie­rung des Jar­gons des Erwünsch­ten, des­sen flie­ßen­der Gebrauch den Gold­stan­dard der soge­nann­ten Zivil­ge­sell­schaft markiert?

Das vor­lie­gen­de Buch Bin ich rechts? Und wenn doch, geht das wie­der weg? ver­sam­melt 14 teils über­ar­bei­te­te und aktua­li­sier­te Bei­trä­ge zu ver­schie­de­nen The­men, die Lud­wig in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­öf­fent­licht hat. An ers­ter Stel­le steht der neu­ver­faß­te, titel­ge­ben­de Essay »Bin ich rechts?«, dem auf knapp 60 Sei­ten eine prä­zi­se Beschrei­bung der Kern­ele­men­te einer rech­ten und einer lin­ken Welt­an­schau­ung gelingt.

Obwohl Essay streng­ge­nom­men das fal­sche Wort ist, han­delt es sich hier­bei doch um eine fik­ti­ve Rede, eine vom Autor häu­fig gebrauch­te Text­sor­te zur Dar­stel­lung sei­nes Den­kens. Zugleich ist die­ser Text ein typi­sches Bei­spiel für Lud­wigs sti­lis­ti­sche Her­an­ge­hens­wei­se an sei­nen Unter­su­chungs­ge­gen­stand. Gekonnt ver­bin­det er Sub­stanz mit gele­gent­li­cher humo­ris­ti­scher Schnodd­rig­keit. So bezieht er sich gleich zu Beginn auf die »Pro­fes­so­rin für Post­co­lo­ni­al Diver­si­ty Dings­bums« als typi­sche Ver­tre­te­rin des pro­gres­si­ven Milieus.

Lud­wig glei­tet aber nie ins Kla­mau­ki­ge ab, son­dern benutzt die­ses Stil­mit­tel zur Beto­nung sei­ner ana­ly­ti­schen Arbeit, die er prä­zi­se auf den Punkt zu brin­gen weiß: »Das Lebens­pro­jekt der Lin­ken ist Vor­wärts­kon­struk­ti­on, Abschüt­teln des Gewor­de­nen, plan­vol­les Design des Neu­en Men­schen. Das des Rech­ten ist Wachs­tum und Ver­wur­ze­lung, Hei­mi­schwer­den in der Geschich­te, Über­win­dung der Fremd­heit im Eige­nen. Der Rech­te will end­lich ankom­men, der Lin­ke will end­lich fortkommen.«

Es bie­tet sich an, die­sen Text par­al­lel zu den ers­ten bei­den Kapi­teln aus Maxi­mi­li­an Krahs her­vor­ra­gen­dem Buch Poli­tik von rechts zu lesen. Die Her­an­ge­hens­wei­se ähnelt sich, wobei durch­aus unter­schied­li­che Akzen­te gesetzt wer­den. Eine genaue Lek­tü­re bei­der Autoren garan­tiert ein gesi­cher­tes argu­men­ta­ti­ves Fun­da­ment fern aller pole­mi­schen Plat­ti­tü­den für jede »Was ist rechts/Was ist links«-Debatte, der man sich stel­len will.

In sei­nen Bei­trä­gen seziert Lud­wig die Mecha­nis­men hin­ter den gro­ßen The­men der ver­gan­ge­nen Jah­re: Coro­na, Migra­ti­on, Islam und Wokis­mus. Die Haupt­ur­sa­che für die Miß­stän­de der heu­ti­gen Zeit, so wird in nahe­zu allen Tex­ten des Ban­des deut­lich, loka­li­siert der Autor in der men­ta­len Beschaf­fen­heit des deut­schen Vol­kes zu Beginn des 21. Jahr­hun­derts. Im wich­tigs­ten Bei­trag, »Das sehens­wer­te Leben: Ein paar Wor­te über radi­ka­le Bür­ger­lich­keit«, sin­niert Lud­wig melan­cho­lisch über den bür­ger­li­chen Tugend­kanon ver­gan­ge­ner Tage, der die­ses Land zu dem gemacht habe, was es einst mal war. Bür­ger­li­ches Dasein als Kampf gegen den dem Men­schen inne­woh­nen­den Hang zur Form­schwä­che, als Pflicht­erfüllung, Leis­tungs­be­reit­schaft und Dienst am Ganzen.

Soweit die Ver­beu­gung vor der Ver­gan­gen­heit. Doch in einem, so Lud­wig, müs­se sich der radi­kal Bür­ger­li­che des 21. Jahr­hun­derts von sei­nem his­to­ri­schen Vor­bild unter­schei­den. Es sei nicht mehr die Zeit für Mäßi­gung und Zurück­hal­tung, der neue Bür­ger brau­che den unbe­ding­ten Wil­len zur Kon­se­quenz. Der Grund hier­für lie­ge in der Rea­li­tät unse­rer Gegen­wart: »Appell und Appease­ment haben sich sel­ten bewährt in Zei­ten von Glau­bens­krieg und Kollektivwahn.«

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Mar­cus Jay Lud­wig: Bin ich rechts? Und wenn doch, geht das wie­der weg? Bochum: Edi­ti­on Flü­gel und Pran­ke 2023. 336 S., 18 €

 

Die­ses Buch kön­nen Sie auf antaios.de bestellen.

 

 

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