Marcus Jay Ludwig ist Publizist, Romanautor und betreibt seit über vier Jahren einen Blog, in dem er, zumeist ausgehend vom tagesaktuellen Irrsinn, fundierte Kritik am großen Ganzen übt. Als studierter Germanist bildet die Sprachkritik einen Schwerpunkt seiner Texte.
Wer bestimmt, was »man« gerade noch sagen darf oder lieber bleiben lassen sollte? In welchen Händen liegt die Deutungsmacht zur Etablierung des Jargons des Erwünschten, dessen fließender Gebrauch den Goldstandard der sogenannten Zivilgesellschaft markiert?
Das vorliegende Buch Bin ich rechts? Und wenn doch, geht das wieder weg? versammelt 14 teils überarbeitete und aktualisierte Beiträge zu verschiedenen Themen, die Ludwig in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat. An erster Stelle steht der neuverfaßte, titelgebende Essay »Bin ich rechts?«, dem auf knapp 60 Seiten eine präzise Beschreibung der Kernelemente einer rechten und einer linken Weltanschauung gelingt.
Obwohl Essay strenggenommen das falsche Wort ist, handelt es sich hierbei doch um eine fiktive Rede, eine vom Autor häufig gebrauchte Textsorte zur Darstellung seines Denkens. Zugleich ist dieser Text ein typisches Beispiel für Ludwigs stilistische Herangehensweise an seinen Untersuchungsgegenstand. Gekonnt verbindet er Substanz mit gelegentlicher humoristischer Schnoddrigkeit. So bezieht er sich gleich zu Beginn auf die »Professorin für Postcolonial Diversity Dingsbums« als typische Vertreterin des progressiven Milieus.
Ludwig gleitet aber nie ins Klamaukige ab, sondern benutzt dieses Stilmittel zur Betonung seiner analytischen Arbeit, die er präzise auf den Punkt zu bringen weiß: »Das Lebensprojekt der Linken ist Vorwärtskonstruktion, Abschütteln des Gewordenen, planvolles Design des Neuen Menschen. Das des Rechten ist Wachstum und Verwurzelung, Heimischwerden in der Geschichte, Überwindung der Fremdheit im Eigenen. Der Rechte will endlich ankommen, der Linke will endlich fortkommen.«
Es bietet sich an, diesen Text parallel zu den ersten beiden Kapiteln aus Maximilian Krahs hervorragendem Buch Politik von rechts zu lesen. Die Herangehensweise ähnelt sich, wobei durchaus unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Eine genaue Lektüre beider Autoren garantiert ein gesichertes argumentatives Fundament fern aller polemischen Plattitüden für jede »Was ist rechts/Was ist links«-Debatte, der man sich stellen will.
In seinen Beiträgen seziert Ludwig die Mechanismen hinter den großen Themen der vergangenen Jahre: Corona, Migration, Islam und Wokismus. Die Hauptursache für die Mißstände der heutigen Zeit, so wird in nahezu allen Texten des Bandes deutlich, lokalisiert der Autor in der mentalen Beschaffenheit des deutschen Volkes zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Im wichtigsten Beitrag, »Das sehenswerte Leben: Ein paar Worte über radikale Bürgerlichkeit«, sinniert Ludwig melancholisch über den bürgerlichen Tugendkanon vergangener Tage, der dieses Land zu dem gemacht habe, was es einst mal war. Bürgerliches Dasein als Kampf gegen den dem Menschen innewohnenden Hang zur Formschwäche, als Pflichterfüllung, Leistungsbereitschaft und Dienst am Ganzen.
Soweit die Verbeugung vor der Vergangenheit. Doch in einem, so Ludwig, müsse sich der radikal Bürgerliche des 21. Jahrhunderts von seinem historischen Vorbild unterscheiden. Es sei nicht mehr die Zeit für Mäßigung und Zurückhaltung, der neue Bürger brauche den unbedingten Willen zur Konsequenz. Der Grund hierfür liege in der Realität unserer Gegenwart: »Appell und Appeasement haben sich selten bewährt in Zeiten von Glaubenskrieg und Kollektivwahn.«
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Marcus Jay Ludwig: Bin ich rechts? Und wenn doch, geht das wieder weg? Bochum: Edition Flügel und Pranke 2023. 336 S., 18 €
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