Ronald Friedrich Schwarzer: Durch Habsburgs Lande

von Konrad Gill --

Welche enorme geographische Größe das Habsburgerreich in seiner Blüte erreichte, dürfte bekannt sein.

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Dem­entspre­chend fin­den sich bis heu­te die Zeug­nis­se von des­sen Kunst­schaf­fen und Besied­lung (und der deut­schen Spra­che) in man­chem, auch uner­war­te­tem, Win­kel Euro­pas. Der vor­lie­gen­de Band von kur­zen Reise­essays zeigt, wo in nah und fern bis heu­te Tritt­sie­gel des roten Löwen des Hau­ses Habs­burg und des Dop­pel­ad­lers ihrer Kai­ser­tü­mer zu fin­den sind – von Por­tu­gal bis in die Tatra, vom Rhein bis nach Apulien.

Der exzen­tri­sche Autor, sei­nes Zei­chens Juwe­len­händ­ler, Kunst­samm­ler und Haus­herr einer unbe­dingt emp­feh­lens­wer­ten Musen­zu­flucht an der Wien, ist oben­drein auch lei­den­schaft­li­cher Pil­ger­fah­rer, Wan­de­rer und Spu­ren­su­cher his­to­ri­scher Ein­flüs­se und Resi­du­en der Habs­bur­ger­herr­schaft in Euro­pa. Aus letz­te­rem und einer Serie von Rei­se­be­rich­ten in der Zeit­schrift Der Eck­art ist das vor­lie­gen­de Buch entstanden.

Die Samm­lung voll­kom­men unter­schied­li­cher Orte, die den­noch alle einen Bezug zum Macht­zen­trum in Wien bzw. zur Fami­lie Habs­burg hat­ten oder haben, ergibt kei­nen reprä­sen­ta­ti­ven Rei­se­füh­rer und ist his­to­risch und geo­gra­phisch alles ande­re als voll­stän­dig. Eher will der Band ein Lek­tü­re­kom­pa­gnon für Vor­ge­bil­de­te sein. Daß das so gut gelingt, liegt nicht zuletzt am Humor des Autors. Mit bei kon­ser­va­ti­ven und reak­tio­nä­ren Autoren lei­der sel­te­nem Witz und drol­li­gen Anek­do­ten führt er durch Habs­burgs Lan­de. Er lebt also noch, der alt­ös­ter­rei­chi­sche Humor! Mal sub­ti­le, mal her­be Sei­ten­hie­be auf eine trist-dum­me Gegen­wart wer­den geboten.

Hier schreibt ein Ästhet, der offen­sicht­lich dar­un­ter lei­det, daß »die Ver­gan­gen­heit« (»wel­che?« fra­gen nur schlau­mei­ern­de Bunt­bür­ger, denn es ist lei­der fast egal gewor­den) jeden ästhe­ti­schen, sitt­li­chen und lebens­wert­be­zo­ge­nen Ver­gleich mit dem Heu­te ein­deu­tig gewinnt, sofern Kon­sum­ver­füg­bar­keit und Bequem­lich­keit nicht als Höchst­wer­te gese­hen wer­den. Frei­lich sind Schwar­zers Streif­zü­ge »nost­al­gisch«! Aber Nost­al­gie ist ange­sichts immer schnel­ler und immer häu­fi­ger weg­bre­chen­der jahr­hun­der­te­al­ter Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten eine legi­ti­me Zuflucht und ein not­wen­di­ger Trost.

Indes erschöpft sich das Buch nicht im Kul­tur­pes­si­mis­mus oder in der Beschwö­rung alt­österreichischer Herr­lich­keit. Wer an der­lei weni­ger Inter­es­se hat, kann es ohne wei­te­res als Rei­se­füh­rer zu teils halb­ver­ges­se­nen Orten in Euro­pa lesen, teils auch wohl­be­kann­ten Orten neue Aspek­te abge­win­nen. Eini­ge der Tex­te wecken sofor­ti­ge Auf­bruch­s­im­pul­se, dort muß man hin! Wer kennt schon die Stifts­bi­blio­thek in Vor­au, das Städt­chen Leutschau in der Zips oder die meis­ter­li­chen Fres­ken des Tho­mas von Vil­lach in St. Andre­as zu Thörl in Kärn­ten? Der wirk­lich welt­ge­wand­te und weit­ge­reis­te ­Schwar­zer weiß um die Rei­ze und Schät­ze des Eige­nen und Nahen und notiert augen­zwin­kernd: »Die Stein­häu­ser der Alm [der Jagd­hausalm im Defer­eg­gen­tal in Ost­ti­rol] wer­den schon 1212 urkund­lich erwähnt – ihr Anblick erspart die kost­spie­li­ge Rei­se nach Tibet.«

Ein paar Feh­ler haben sich ein­ge­schli­chen, auch mögen »in Öster­reich welt­be­kann­te« Orte wie Sem­me­ring und Aus­see nicht in den Augen jedes Lesers glei­che Auf­merk­sam­keit ver­die­nen wie die Wun­der des Escori­al, Vene­digs oder des Cas­tel del Mon­te (die und deren Geschich­te der Autor so gerafft wie anschau­lich präsentiert).

Ob es in Zei­ten arger Bedro­hung Euro­pas und der Chris­ten­heit aus aller­lei Rich­tun­gen – nicht zuletzt von innen – sinn­voll ist, mit Begrif­fen und Geis­tes­hal­tung aus dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg gegen evan­ge­li­sche Chris­ten zu kei­len, um den eige­nen vor­kon­zi­lia­ren Katho­li­zis­mus »ker­nig« zu prä­sen­tie­ren, darf zudem in Zwei­fel gezo­gen wer­den. All dies trübt den­noch kaum den Gewinn, ja: den Lese­genuß aus die­sem geist­rei­chen und humor­vol­len Schatz­käst­lein alt­eu­ro­päi­scher Rei­se- und Schauenslust.

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Ronald Fried­rich Schwar­zer: Durch Habs­burgs Lan­de, Wien / Leip­zig: Karo­lin­ger 2023. 121 S., 23 €

 

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