In Thüringen wird die Partei mit deutlichem Abstand zugleich stärkste Kraft und kann dort mit einem Drittel der Stimmen nun als Machtfaktor mit einer Sperrminorität in Haushaltsfragen oder verfassungsändernden Initiativen operieren.
Trotz einer historischen Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl (jeweils 73,5%) konnte die AfD mit dem hohen Mobilisierungsgrad mithalten und festigt sich somit in beiden Bundesländern als Volkspartei, die vor allem auf eigene treue Wählermilieus bauen kann und zugleich aus den verbliebenen Wählerreservoirs der Altparteien Zuwächse erhält.
In Thüringen gewinnt die AfD im Vergleich zur Landtagswahl 135.000 Stimmen absolut hinzu, in Sachsen 120 000. In beiden Bundesländern liegt das Erststimmenergebnis sogar noch höher als das Zweitstimmenergebnis, was zusätzlich die regionale Verankerung unterstreicht. Allerdings sei hierbei angemerkt, daß das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht flächendeckend mit Direktkandidaten angetreten ist und es somit zu einer Direktstimme für den AfD-Kandidaten und BSW-Zweitstimme gekommen sein könnte.
Zentrum vs. Peripherie
Die AfD kann in allen Wahlkreisen prozentuale Zugewinne verzeichnen. Dabei gewinnt die Partei vor allem in den Regionen hinzu, wo es 2019 zu einem eher durchschnittlichen Ergebnis kam. Verhältnismäßig schwächer fallen die Zuwächse in den Hochburgen und den Diasporas (urbane Zentren und Umland) aus.
Grundsätzlich gilt: Umso ländlicher und weiter von den städtischen Zentren entfernt ein Wahlkreis ist, umso stärker fällt das AfD-Ergebnis aus. Die Städte sind die letzten Stimmenreservoirs der Altparteien, und anstatt linke Parteien haben die dortigen Wähler die CDU über die Ziellinie geschoben.
Aufbau von politischen Vertrauenskapital
Doch neben den wachsenden Balken am Wahlabend oder den blau eingefärbten Landeskarten ist die Tatsache, daß die AfD nun den Transformationsweg von einer Protestpartei hin zu einer volksverbundenen und organischen Milieupartei geht.
In ihren thematischen Kernthemen wie der Migration oder der Inneren Sicherheit kann die AfD inzwischen die höchsten Kompetenzwerte unter den Wählern verzeichnen. Selbst in der „Vertretung ostdeutscher Interessen“ oder auch der sozialen Sicherheit trauen die Wähler der Partei inzwischen Problemlösungskompetenz zu. Statt Affekt, Ressentiment und Protestimpuls baut die Partei nun politisches Vertrauenskapital auf, dass sich schlussendlich mit der Verwurzelung in sozialen Milieus koppelt.
Diese Mixtur aus milieuspezifischer Rückbindung, Repräsentation von konkreten Lebensentwürfen (Haus, Hof, Garten, Familie, produktive Arbeit) und exklusiver politischer Ideen verdichtet sich nun noch stärker zu einer AfD deren Selbstverständnis nicht mehr nur das Korrektiv einer alten CDU ist, sondern die Impulsgeber einer rechten politischen Wende mit eigenen Ideen und politischen Entwürfen sein möchte.
Dieser Vertrauensvorschuß in der politischen Kompetenzzuschreibung wird mittelfristig jedoch auch vom Wähler eingefordert werden und muss sich dann auch in der programmatischen und weltanschaulichen Substanz der Partei widerspiegeln.
Es überrascht daher auch nicht, dass das Protestmotiv weder in Sachsen noch in Thüringen mehr eine entscheidende Rolle spielt, sondern die AfD inzwischen mehrheitlich aus Überzeugung statt nur aus Verdruss über die Altparteien gewählt wird. Auch die Wählerwanderungssalden zeigen klar, daß das AfD-Elektorat inzwischen als stabile und gesicherte Festung steht.
Verluste an das BSW (Thüringen: 13.000 und Sachsen: 23.000 fielen verhältnismäßig moderat aus. Die AfD-Stammwählerschaft ist somit auch für neue parteipolitische Angebote nur schwierig zu knacken.
In den soziodemographischen spiegelt sich ebenfalls das Bild einer klassischen Volkspartei wider. Erstmals wurde die AfD in Thüringen auch bei weiblichen Wählern zur stärksten Kraft. Knapp vor der CDU. In Sachsen ist man bei den Frauen zweitstärkste Kraft, mit deutlichem Abstand zum drittplatzierten BSW.Während die Altersstruktur der Wählerschaft in Sachsen relativ ausgeglichen verteilt ist, sind in Thüringen vor allem die klaren Spitzen bei den Jungwählern zwischen 18–30 Jahren zu erkennen. Hier wird deutlich, dass die AfD das frühere Mobilisierungsdefizit bei Jungwählern komplett ins Gegenteil gedreht hat. Stärkste Kraft bei den Jungwählern in der Alterskohorte 18–24 Jahren sind ein deutliches Ausrufezeichen.
Über die Jugend ein Milieu formen
Es bleibt aber bei der nüchternen Bestandsaufnahme, dass die Jungwählermobilisierungen zwar ein wichtiger symbolischer Erfolg für die Partei sind, aber aufgrund der demographischen Übermacht der Ü60-Generation die Jugend mittelfristig nur wenig elektorales Gewicht auf die Waage bringen wird. Dennoch läßt sich mit dem Rückhalt der Jugend ein dynamisches soziopolitisches Milieu bauen, welches dem Ausbau kulturhegemonialer Vorposten dienen kann.
Insbesondere in den urbanen Zentren, den Universitäten und Bildungseinrichtungen gilt es über die repräsentative Hoheit über die Jugend seinen Stempel aufzusetzen.
Über die soziogeographischen Faktoren auf Wahlkreisebene lassen sich weitere AfD-Wählertypologien herleiten. Politikwissenschaftler haben über die Strukturdaten bereits dargestellt, dass der stärkste Korrelationsfaktor für ein starkes AfD-Ergebnis eine hohe Dichte von Menschen ohne Universitätsabschluss ist.
Anders als noch 2019 haben hohe Wahlbeteiligungen keinen entscheidenden Einfluss mehr auf ein starkes AfD-Wahlergebnis. Die hohe Mobilisierung von Nichtwählern bleibt aber absolut betrachtet weiter auf hohem Niveau und zentraler Faktor für die Wählerzugewinne. Dieses mal konnten jedoch auch CDU und BSW hohe Nichtwählerzuwächse verzeichnen.
Auch aus diesen strukturellen Gründen sind die Erfolge im Osten zunächst nur schwer auf den Westen übertragbar, der eine viel höhere urbane Dichte und somit auch einen höheren Anteil von AfD-schwachen Sozialgruppen wie Beamten und Akademikern aufweist. Wer wie Tino Chrupalla in der Pressekonferenz zur Wahlnachlese, die blaue Welle in den Westen tragen will, muss langfristig kulturelles Kapital aufbauen und vor allem metapolitischen Boden beackern.
Sowohl in Thüringen und Sachsen waren Zuwanderung, Innere Sicherheit und Kriminalität die wahlentscheidenden Themen. Diese Politikfelder bilden nach wie vor das Fundament der AfD-Wählermobilisierung worüber sich nun auch deutlich sichtbar programmatisches Profil und Kompetenzvertrauen aufbauen. Weniger bedeutsam für die AfD-Wähler waren die Themen Ukraine-Russland sowie die Frage nach „sozialer Sicherheit“. Der Fokus auf Kernkompetenzen bringt Wahlerfolge.
Die AfD hat dabei immer wieder einen strategischen Positionsvorteil, dass sie ihre Forderungen und Botschaften auf den Gebieten von Migration und Innere Sicherheit weitgehend exklusiv für sich selbst beanspruchen kann. Auf diesem Feld kann sie einen viel authentischeren und empathischen Zugang zu ihrer Wählerschaft finden, wenn sie die Migrationspolitik nicht nur mit einem ökonomischen Verteilungsproblem verknüpft, wie es linke Parteien tun, sondern sie explizit auch die Dimension kultureller Differenzen sowie ethnischer Spannungen und Konflikte anspricht.
Die Brandmauer als taktisches Wählerinstrument
Der Wahlabend in Thüringen und Sachsen hat schließlich eine Entwicklung manifestiert, die in anderen europäischen Ländern bereits zur politischen Normalität gehört. Das Zeitalter linker und sozialdemokratischer Volksparteien ist an ein Ende gekommen.
Lediglich die Christdemokratie kann noch mit letzter Kraft einen Teil der „politischen Mitte“ zusammenhalten. Mehr als die Hälfte der CDU-Wähler gaben an, dass sie die CDU nur wählen „damit die AfD nicht zu viel Einfluss bekommt“. Brandmauerpolitik durch die Wähler. Somit ist die Christdemokratie auch im Osten kaum noch ein politisch integrativer Faktor mehr, sondern vielmehr taktisches Instrument um strukturelle AfD-Mehrheiten zu verhindern.
Die linken Parteien erlebten derweil ein absolutes Wahldesaster. Grüne und SPD die in Sachsen und Thüringen ohnehin noch nicht sonderlich stark waren, mussten bereits auf niedrigen Niveau weitere Verluste hinnehmen. In Thüringen flogen die Grünen aus dem Landtag und in Sachsen gelang nur sehr knapp der Wiedereinzug. Die FDP hat sich inzwischen zur Kategorie der „sonstigen Parteien“ gesellt.
Generationenverlust bei der Linkspartei
Bemerkenswert war jedoch der Zerfall der Linkspartei, die nahezu eine ganze politische Wählergeneration aus DDR/Ost-Nostalgikern und PDS-Anhängern verliert, die ihr über Jahrzehnte die Treue im Osten hielten. Bei den über 70-jährigen verliert die Linke fast ein fünftel ihrer Kernwählerschaft. Zugleich kann das BSW genau auf dieser Alterskohorte seinen Wahlerfolg bauen. Sowohl in Sachsen als auch Thüringen kann das BSW sehr deutlich Wähler der Linkspartei mobilisieren.
Viele Funktionäre in der AfD waren lange Zeit darüber besorgt, dass das BSW vor allem im Osten auf die eigene Anhängerschaft zugreifen könnte. Womöglich mag das auch für einen gewissen Teil der potentiellen AfD-Wähler zutreffen, die vor allem in den Spitzen von über 20% in den Umfragen noch sichtbar waren. Die AfD-Stammwählerschaft bleibt jedoch weitgehend unangetastet.
Die AfD hat die nächste Etappe zur politischen Macht genommen. Mit Ergebnissen von über 30% muß selbstverständlich auch ein Gestaltungswille zum Ausdruck kommen, der jetzt noch durch die Brandmauerpolitik auf Grenzen stößt. Beide Landesverbände werden sich auf den Ausbau und die Festigung ihrer sozialen Trägermilieus fokussieren und entsprechende politische Nachhaltigkeitsstrukturen im Vorfeld, Gegenöffentlichkeit und regionaler Graswurzelarbeit schaffen müssen.
Ein AfD-Landesverband ist sich dieser Aufgabenstellung bereits bewußt, beim anderen dürfte der Weg noch etwas länger sein.
Gelddrucker
Richtig gute Ergebnisse. Der große Durchbruch, vor allem im Westen, wird allerdings erst dann gelingen, wenn die Bevölkerung breit über den Bevölkerungsaustausch aufgeklärt wird, mit seriösen Hochrechnungen, welche besagen, wann gewisse Volksgruppen hier die Mehrheit haben werden.
Ein von 90% der Europäer unerwünschtes Szenario und das Hauptargument aller rechten Parteien in Europa.
Noch sind die rechten Parteien in Europa die Lösung für ein Problem, dessen sich die meisten nicht bewusst sind.