Im Umkreis (2): Weihestätte der deutschen Jägerschaft

von Uwe Wolff -- PDF der Druckfassung aus Sezession 119/ April 2024

Die Boden­stei­ner Klip­pen sind für den Fami­li­en­aus­flug eine ech­te Her­aus­for­de­rung. Wer hier mit Kin­dern wan­dert, braucht kei­nen Escape-Room oder das betreu­te Kra­xeln in der Bould­er- oder Kletterhalle.

Die Anrei­se führt über Bocke­nem vor­bei an einem Tier­fried­hof und dem »Wohn­mo­bil- und Cam­ping­park Amber­gau« in tie­fe Wald­ein­sam­keit. Hier liegt die Wei­he­stät­te der deut­schen Jäger­schaft. Ein in den Fels gemei­ßel­tes Reli­ef zieht die Kin­der in den Bann. Es zeigt den hei­li­gen Huber­tus, Schutz­pa­tron der Jäger und mei­nes ehe­ma­li­gen Schü­lers und der­zei­ti­gen Arbeits­mi­nis­ters Huber­tus Heil.

Der statt­li­che Huber­tus kniet nicht vor der IG-Metall, son­dern einem kapi­ta­len Bock. Die­ser trägt ein Kreuz zwi­schen sei­nem Geweih. Nein, das Reli­ef wur­de nicht von »Jäger­meis­ter Braun­schweig« gespon­sert. Und der Jäger mit dem Gesicht ­Ste­fan ­Geor­ges kippt kei­nen Kräu­ter­li­kör. Er beugt die Knie und betet an. Nicht den Hirsch, son­dern den Herrn des Lebens. In der Abge­schie­den­heit des Hain­ber­ges hat sich ein Wun­der ereignet.

Eine alte Inschrift bringt es auf den Punkt: »soli­tu­do sola beati­tu­do«. Etwas frei über­setzt: Das ein­fa­che Leben in der Abge­schie­den­heit ist der ein­zi­ge Weg zur Glück­se­lig­keit! Ernst Wie­chert hat es in Das ein­fa­che Leben (1939), einem Roman der Inne­ren Emi­gra­ti­on, beschrieben.

Die Fami­lie befin­det sich im ehe­ma­li­gen Jagd­re­vier der Bischö­fe von Hil­des­heim. Ich habe zwei Jah­re Zivil­dienst geleis­tet und kann selbst im Film kein Blut sehen. Hala­li und Huber­tus­mes­se blie­ben mir fremd. Aber ich weiß, daß gera­de die­se Gegend mit ihren zahl­rei­chen Wild­schwei­nen der ord­nen­den Hand des Jägers bedarf. Auch das Leben in Abge­schie­den­heit ist Bedro­hun­gen ausgesetzt.

Hier im Amber­gau wird eine Vari­an­te der alten Legen­de erzählt. In alter Zeit, als an Sonn- und Fei­er­ta­gen die Men­schen noch zur Kir­che gin­gen, ritt Huber­tus mit lau­tem Getö­se zur Jagd. Er presch­te als wil­der Jäger durch die Rei­hen der Kir­chen­be­su­cher und tön­te wäh­rend der Eucha­ris­tie in sein Horn. Die Hun­de­meu­te jaul­te wie beses­sen. Kako­pho­nie galt als Musik der Teu­fel. Engel sin­gen dage­gen in Har­mo­nie. Der Fre­vel erreich­te am Kar­frei­tag sei­nen Höhe­punkt, als ­Huber­tus sei­nen Speer auf einen Zwölf­ender warf.

Legen­den ver­brei­ten Opti­mis­mus. Jene Lang­schlä­fer, die mit aus­ge­beul­ter Jog­ging­ho­se zur Zeit des Got­tes­diens­tes den nächs­ten Super­markt besu­chen und den sieb­ten Tag mit ihren Kin­dern dad­delnd am iPho­ne ver­brin­gen, kön­nen erlöst wer­den. Wenn der Herr es will. Im Fall von Huber­tus woll­te er es. Der Speer ver­wan­del­te sich noch im Flug in ein leuch­ten­des Kreuz und lan­de­te zwi­schen dem Geweih. Heu­te jagt die deut­sche Bischofs­kon­fe­renz den Platz­hir­schen des Zeit­geis­tes hinterher.

Die Huber­tus­höh­le neben dem Reli­ef war ursprüng­lich kei­ne Stät­te für zechen­de Fürst­bi­schö­fe, son­dern eine Ein­sie­de­lei. Wer hält heu­te noch die Stil­le aus? Über­all tau­schen Men­schen elek­tro­nisch ver­sand­te Nich­tig­kei­ten aus und über­se­hen die Wun­der am Weges­rand. Orte wie die­sen besucht die Fami­lie selbst­ver­ständ­lich ohne GPS mit einer topo­gra­phi­schen Kar­te. Wan­dern und Schau­en gehö­ren zusam­men. Heu­te gehört die Stät­te zu den wirk­lich gehei­men Plät­zen im süd­li­chen Nie­der­sach­sen. Mit­te der drei­ßi­ger Jah­re wur­de sie als Wei­he­stät­te der Deut­schen Jäger­schaft entweiht.

Der Gau­jägermeister von Braun­schweig, Fried­rich ­Alpers, stand neben dem Reichs­jä­ger­meis­ter Her­mann Göring vor dem Reli­ef. Groß prang­te das Sym­bol der brau­nen Jäger: Der Kopf des Hir­sches mit einer ­Swas­tika zwi­schen dem Geweih. Kreuz und Haken­kreuz zu ver­ei­nen war das Ziel der Deut­schen Chris­ten in der Kir­che Luthers. ­Göring hielt 1936 und 1937 auf dem Hain­berg die Fest­re­den über Arten­viel­falt und Öko­lo­gie nach dem Reichs­naturschutzgesetz (1935).

Das ehe­ma­li­ge Gast­haus im alten Forst­haus wur­de unlängst reno­viert und kann für Ver­an­stal­tun­gen aller Art gemie­tet wer­den. Die Infor­ma­ti­ons­ta­feln ver­schwei­gen die Vergangen­heit des ­Ortes. Auf dem Fel­sen über dem hei­li­gen Huber­tus und dem Hirsch haben sich eini­ge Fürst­bi­schö­fe anläß­lich ihres Besu­ches mit Namen ver­ewi­gen las­sen. Eine Inschrift lau­tet »memen­to mori«. Tyran­nen hal­ten sich für unsterblich.

In der Krea­tur war dem Jäger Huber­tus der Herr der Welt erschie­nen. Fan­gen wir wie­der an, unse­ren Kin­dern und Enkel­kin­dern von sei­nen Wun­dern zu erzäh­len! Über­all vor der Haus­tür begeg­net uns Geschich­te. Über­all lockt der Wald­gang. Der wah­re Wald­gän­ger aber ent­zieht sich dem Bund mit dem Zeit­geist – damals wie heute.

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