Schule und Elternhäuser haben mittlerweile zwei bis drei Generationen als Egoisten aufwachsen lassen, selbst wenn dieser Egoismus als vielfältiger Individualismus positiv konnotiert wird. „Die Fahne ist mehr als der Tod!“ – Solche Losungen würden heute von den „Kids“ – glücklicherweise – überhaupt nicht verstanden.
Wenn jetzt unter Jugendlichen sehr verzögert AfD-Sympathien deutlich werden, hat das weniger mit gelebter Radikalität als mit empfundener Abneigung gegenüber staatsbürgerkundlicher Indoktrinierung an den Schulen zu tun, ebenso mit wachsender Distanz gegenüber den Figuren, die sie dort betreiben.
Womit denn ließe sich gegenwärtig wirksamer provozieren als mit einem auch nur verbalen Bekenntnis zur AfD. Die sogenannten Juniorwahlen unterlagen einem innerschulischen Wahlgeheimnis. Wer die AfD ankreuzte, wußte, daß der Sozialkundelehrer konsterniert sein wird und wehklagend die Welt nicht mehr versteht. So drückten die Jungen flott mal genau dort, wo’s dem System spürbar wehtut, um dann still darüber zu feixen, welche Echauffiertheit im Lehrerzimmer losbricht.
Wurde ja auch Zeit, denn seit 2015 sind bald zehn Jahre vergangen, in denen die Schuljugend ihrem Hedonismus und mehr noch den Screens verhaftet blieb, an der Schule sediert wurde oder – nachvollziehbar – Karrieren vorbereitete, die artig elterliche Entwürfe kopierten. Alternative Angebote hatte es längst gegeben, etwa diese beeindruckende Erklärung im Video. Ich hatte sie damals kommentarlos Schülern gezeigt. Einen Moment lang waren sie berührt, aber die Sache brauchte Zeit …
Nur bekommen die Jungen endlich mit, daß ihre Lebenswelt draußen völlig, vermutlich irreversibel verändert ist. Zugewanderte Volksgruppen kaufen ihnen spürbar den Schneid ab. Da gilt’s Entscheidendes nachzuholen, angefangen mit Kraft und Ausdauer, wenn man darwinistisch noch plaziert bleiben will.
Wenn aber Faschismus Vorschub geleistet wird, dann durch eine Herrschaftsrhetorik der „Demokraten“, die sogleich reflexartig alles als faschistisch diffamiert, was prinzipiellen Widerspruch wagt – zuvörderst gegenüber einer jahrzehntelang fehllaufenden Migrationspolitik, aber neuerdings auch grundsätzlich gegenüber dem vorverordneten Menschenbild und den damit zusammenhängenden Fehlstellungen in Bildung und Wirtschaft.
Auf deutlichen oppositionellen Einspruch reagiert die Exekutive hochnervös. Sie bemerkt die enorme Diskrepanz zwischen den Toleranz-Vielfalt-Buntheit-Phrasen und der schwindenden Presse- und Meinungsfreiheit nicht, weil ihre Meinung ja omnipräsent und offiziell überall durchzuschalten ist. Sie bemerkt nicht einmal ihre Selbstentblößung, wenn sie innerhalb der von ihr vielbeschworenen Demokratie die Opposition einfach verbieten lassen möchte.
Wunschvorstellung für die Berliner Republik: Ohne Opposition regiert der Block munter durch. Erinnert nicht das tendenziell an Faschismus? Mindestens so dem Ansatz nach?
Im Deutschland-Monitor stellten bereits 40 Prozent der Befragten die Gewährleistung der Pressefreiheit, 39 Prozent die der Meinungsfreiheit in Frage. Das sind verheerende Werte in einem Land, dessen Führung vollmundig vom Pluralismus der Meinungen tönt.
Wo die Demokratie noch lebendig erscheint, dort ist sie es aus ideologischer Anfeuerung und meist mit irgendwie direkt oder indirekt honorierter Anhängerschaft, also als Inszenierung.
Rock gegen rechts und Jamels rockender Förster: Daß diverse Bands und Künstler betont alternativen Selbstverständnisses vom Staat als AgitProp-Gruppen eingespannt und honoriert werden, entbehrt nicht unfreiwilliger Komik. Wenn sich zudem die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns beim Wahlvolk über ihren Freund Roland Kaiser anbiedert, paßt das, so wie Kitsch immer auch politisch einzusetzen ist, rührt er doch Volkes Seele an. Wie herzerwärmend: Schnulzen-Kaiser und Landesmutter Schwesig im Duett.
Das ist das freundliche Gesicht der Vereinnahmung. Was aber erklärt die Hysterie? Insbesondere die staatstragende „Zivilgesellschaft“, also der Gesamtkomplex all der mit öffentlichen Geldern finanzierten Polit-Vereine, fürchtet offenbar Wende-Ereignisse, in deren Ergebnis mindestens deren Einkünfte ausgedünnt würden oder zugunsten sinnvollerer Verwendung wegfielen, sobald der ideologische Starkstrom abgestellt wäre.
Kaum jemand überblickt mehr diesen – im Wortsinne – „deep state“, der in der Vielgestalt von Vereinen und Projekten als Stütze gegenwärtiger Herrschaft fungiert. Die AfD hat hingegen kein sie tragendes Netzwerk aufzubieten; sie agiert riskant mit eigenen Kräften, die ihre berufliche und somit finanzielle Existenz gefährden.
Die AfD ist alles andere als eine radikale, sie ist nicht mal eine besonders charismatisch wirkende Partei. Zudem spielt sie absolut nach Regeln. Ihr wesentlicher Verdienst liegt darin, Probleme überhaupt zu benennen und in sich personell wie intellektuell Kräfte zu sammeln. An politischer Wirksamkeit innerhalb der sogenannten Demokratie wird sie von allen anderen geradezu panisch gehindert.
Diese Verhinderung brüskiert ihre Wähler, die registrieren, daß mit der Verunglimpfung der Partei sie selbst als Menschen gemeint sind. Die Botschaft: Ihr solltet besser nicht sein! Das kränkt die Leute, dann aber weckt es ihren Zorn. Bei geringer Anhängerschaft wohl zu vernachlässigen, bei zwanzig bis dreißig Prozent AfD-Wählern jedoch nicht. Beschimpft man, diskreditiert man Millionen Menschen, generiert man so auch Millionen Gegner.
Faschismus-Vorwürfe dienen der Pathologisierung. Es geht nicht darum, den diffamierten Gegner nur als politisch verwachsenen Krüppel zu bezeichnen, nein, er soll ausgegrenzt, in Quarantäne befohlen, als gefährlich und ansteckend markiert werden, durchaus als andersartig und widerlich – im Sinne von widernatürlich. Übrigens: Ist nicht auch das tendenziell mindestens Gedanken-Faschismus?
Denn andererseits wird laufend dargestellt, was als natürlich gelten darf. Wenn man nämlich zu den „Anständigen“ gehört, wenn man die vorformulierten Bekenntnisse nachspricht, dann ist man nicht nur opportun, sondern guter Bürger fürs Bürgerfest des Bundespräsidenten. Was für infantil anmutende Muster doch!
Zwischen den nächsten Weihnachts- und Osterferien soll der Film „Schindlers Liste“ von mehreren Kinobetreibern für Schüler kostenlos gezeigt werden. Als Motiv dafür müssen wiederum die Wahlerfolge der AfD herhalten. Es wird also suggeriert: Wer AfD wählt, befördert ganz direkt die Gefahr eines nächsten Holocaust. Darüber hinaus die üblichen Worthülsen:
‘Wir hoffen sehr, dass junge Menschen, die diesen Film über eines der finstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte auf der Leinwand intensiv erlebt haben, ein größeres Verständnis dafür entwickeln werden, wie erbarmungslos die Folgen von Haß sein können und dass man sich ihm entschlossen entgegenstellen muss und wie sehr aktives Handeln, Empathie, Toleranz, Menschlichkeit und Verzicht auf Vorverurteilung zählen‘, erklären die Kinobetreiber.
Haß? Kein Haß ist gegenwärtig präsenter als der gegenüber der AfD und rechten Kritikern. Niemanden trifft „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ mehr als sie.
Zweifellos ist „Schindlers Liste“ ein famoser Spielberg-Film. Darauf zu verweisen, daß einem Hollywood-Streifen – inklusive fragwürdiger, aber dramatisch hochwirksamer Rührseligkeiten – nicht die gleiche Geltung wie einer Dokumentation zukommen kann, genügte heute für den Verdacht politischer Blasphemie.
Die Faschismus-Vorwürfe durchweg vorbringen, kennen glücklicherweise keinen Faschismus, sie haben sich nie mit den tieferen Ursachen und auslösenden Zusammenhängen dieses dramatischen Phänomens befaßt, ja, man dürfte gar erwarten, sie ordneten sich selbst willfährig in eine stark vormundschaftliche Gesellschaft ein, denn sie verstehen sich schon jetzt darauf, beflissen und kritiklos den Forderungen der Zentrale zu entsprechen und sehen es sogar als couragiert an, andere zu denunzieren.
Es fehlt ihnen das Bedürfnis, nach den genauen Gründen der Entstehung des historischen Faschismus zu fragen, u. a. in Unterscheidung vom Nationalsozialismus. Sie deuten ihn als spontan auftretende Mutation der Gesellschaft. Aber er hatte Ursachen, und die anzuschauen braucht es Mut, u. a. weil dabei jeder auch in einen Spiegel blickt.
Mich bewegt:
Phänomenal, zu welchem Faschismus-Alarm das von der AfD artikulierte Korrekturbedürfnis bei all den bessergestellten, ideologieerweckten und selbstgerechten Demokraten führt. – Wer über Faschismus mitreden will, sollte sich jedoch gründlich historisch bilden oder über “Viva la muerte!” meditieren.
Zudem frage ich mich beinahe, ob man den so permanent wie aggressiv vorgetragenen Vorwurf, “Faschist” zu sein, nicht souverän annehmen sollte, wenn es als “faschistisch” gilt, für dringlich erforderte Veränderungen einzutreten, die selbsterklärte “Demokraten” weder vornehmen können noch wollen. –
Franz Bettinger
Glänzender Artikel!
HB fragt sich, ob man den so permanent wie aggressiv vorgetragenen Vorwurf, Faschist zu sein, nicht besser souverän annehmen sollte. Davon rate ich ab. Das würde missverstanden und wäre den Dummköpfe da draußen schwer zu vermitteln. Den Begriff F zu definieren ist das Schwierigste, was ich kenne. Nicht also den Begriff F sollte man souverän annehmen; wohl aber den Begriff Rechts. Rechts ist, um es zum x-ten Mal zu wiederholen, das Eigene hegen & verteidigen, sowie Unterschiede zu erkennen und anerkennen.