Ein Wahlsieg für die Reconquista

Am 29.9 wurde Geschichte geschrieben. Die FPÖ hat mit über 28,9% der Stimmen den ersten Platz errungen. Erstmals in der Geschichte der 2. Republik steht keine der beiden (ehemaligen) Volksparteien am Siegerpotest. Ein altes Kapitel der Republik endet.

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

Her­bert Kickl hat dazu das bis­he­ri­ge Rekord­ergeb­nis von Jörg Hai­der von 26,91 % im Jahr 1999 klar über­trof­fen. Die FPÖ färb­te zahl­rei­che Bun­des­län­der und Gemein­den blau. Die Mehr­heit der Erwerbs­tä­ti­gen, der Jugend und vor allem der Arbei­ter (50%) wähl­te Her­bert Kickl. Die letz­ten Hoch­bur­gen der Sys­tem­par­tei­en sind wie immer die Pen­sio­nis­ten. Wei­te­re Details des Ergeb­nis­ses habe ich in die­sem Video zusammengefasst:

Die Lage für den blau­en Befrei­ungs­schlag war denk­bar gut. Die ÖVP ist in einer unbe­lieb­ten Koali­ti­on mit den Grü­nen ver­strickt. Karl Neham­mer reicht nicht annä­hernd an das For­mat von Sebas­ti­an Kurz her­an. Die lin­ke Oppo­si­ti­on ist dazu gespal­ten. Nach einem zähen par­tei­in­ter­nen Rin­gen setz­te sich der Salon­mar­xist Babler gegen den Sozi­al­pa­trio­ten Dosko­zil durch. Dazu bestehen mit der neu erstark­ten KPÖ, der Sati­re­par­tei “Bier” und der Lis­te “GAZA” Kon­kur­renz­pro­jek­te im eige­nen Wäh­ler­mi­lieu. Das Ergeb­nis sind, für die SPÖ kata­stro­pha­le 21,1%

Die FPÖ konn­te vor allem von Nicht­wäh­lern und ehe­ma­li­gen ÖVP-Wäh­lern pro­fi­tie­ren. In der his­to­risch größ­ten Wan­de­rung von ÖVP zu FPÖ wech­sel­ten rund 443.000 ehe­ma­li­ge Sebas­ti­an Kurz Wäh­ler die Sei­ten. Die Volks­par­tei ist wie­der dort, wo sie vor der Ära des geschass­ten Aus­nah­me­po­li­ti­kers war und wohl in Zukunft blei­ben wird: hin­ter den Frei­heit­li­chen. Nur die Insze­nie­rung eines Kopf-an-Kopf-Ren­nens durch mut­maß­lich fri­sier­te Umfra­ge­wer­te, hat wohl über­haupt die ÖVP auf 26,3% gehievt. Ein Minus von 11,2% im Ver­gleich zu 2019 wiegt den­noch schwer.

Zusam­men mit der FPÖ könn­te den­noch eine sta­bi­le Mehr­heit gebil­det wer­den. In die­ser Blau­schwar­zen Koali­ti­on müss­te sich die ÖVP jedoch mit der Rol­le des Juni­or­part­ners zufrie­den­ge­ben. Eine Zusam­men­ar­beit mit Her­bert Kickl hat jedoch sowohl Neham­mer als auch Babler aus­ge­schlos­sen. Wie die AfD in Thü­rin­gen, so wird wohl auch in der Alpen­re­pu­blik die stärks­te Kraft durch eine Koali­ti­on der Ver­lie­rer von der Macht ferngehalten.

Eine gro­ße Koali­ti­on zwi­schen ÖVP und SPÖ hät­te eine knap­pe Mehr­heit und wird der­zeit von den meis­ten Beob­ach­tern erwar­tet. Vor­her kommt es aber zu zähen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen, die der FPÖ zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten zur Ent­lar­vung des geg­ne­ri­schen Par­tei­en­kar­tells bie­ten. Ein Anstieg in den Umfra­ge­wer­ten über 30% ist wahr­schein­lich und wird als wei­te­rer Unstern über der Ver­hin­de­rungs­ko­ali­ti­on der Ver­lie­rer schweben.

Nur wenn in SPÖ und ÖVP jeweils Palast­re­vol­ten statt­fin­den und die der­zei­ti­ge Spit­ze durch koali­ti­ons­be­rei­te Kan­di­da­ten ersetzt wür­de, wäre eine Koope­ra­ti­on mit der FPÖ denk­bar. Davon ist wohl nicht auszugehen.

Die­ses Ergeb­nis ist jedoch nicht das schlecht mög­lichs­te. Wäre die FPÖ auf Platz 2 gelan­det, hät­te sich die Kata­stro­phe von 2017 wie­der­ho­len kön­nen. Im schlimms­ten Fall wäre man, unter tau­send Distan­zie­run­gen, Abgren­zun­gen und mit einer Opfe­rung Her­bert Kick­ls als Juni­or­part­ner in die Regie­rung gegan­gen. Ein zwei­ter Platz hät­te den libe­ra­len Geg­nern Kick­ls, die dem Kurs von Nor­bert Hofer  nachträu­men, Muni­ti­on in die Hand gegeben.

Nor­bert Hofer, der nach sei­nem Erfolg bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len 2017 neben Stra­che die FPÖ domi­nier­te, woll­te die Par­tei, ähn­lich wie heu­te Le Pen „ent­dä­mo­ni­sie­ren“.  Unter sei­nem Ein­fluss distan­zier­te man sich von der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung, feu­er­te Funk­tio­nä­re auf Zuruf der Pres­se und beauf­trag­te eine selbst­kri­ti­sche “His­to­ri­ker­ko­mis­si­on” zur Auf­ar­bei­tung der Par­tei­ge­schich­te. Dazu bie­der­te sich Nor­bert Hofer bei libe­ra­len Medi­en an. Wäh­rend er über die IBÖ gar nicht genug her­zie­hen konn­te, bekun­de­te er öffent­lich Ver­ständ­nis für „Black Lives Mat­ter“ und „Fri­days for Future“.

Die­se mut­lo­se Defen­si­ve war die Achil­les­fer­se der schwarz­blau­en Koali­ti­on. Die Leis­tun­gen des Vize­kanz­lers Stra­che gegen den UN-Migra­ti­ons­pakt und des Innen­mi­nis­ters Kickl gegen den Asyl­wahn ste­hen für sich. Doch im ent­schei­den­den Moment sieg­te die Mut­lo­sig­keit. Der Ibi­za­skan­dal feg­te Stra­che aus dem Amt. Die ÖPV for­der­te in der Fol­ge den Rück­tritt Kick­ls (wohl­ge­merkt kam ihnen skein Wort der Kri­tik gegen Nor­bert Hofer über die Lippen).

Die Par­tei opfer­te Kickl nicht und ver­ließ die Regie­rung. Das ret­te­te die FPÖ. Der lang­jäh­ri­ge Stra­te­ge im Hin­ter­grund trat nach vorn.  Er brach­te die Par­tei zurück auf einen muti­gen Kurs, frei von Distan­zie­rung und Defen­si­ve. In der Coro­na­kri­se bewähr­te sich Kickl als Freund der Stra­ße. Anders als die AfD-Spit­ze soli­da­ri­sier­te er sich mit der Pro­test­be­we­gung und trat sogar als Red­ner auf. Kickl zeich­net sich durch stra­te­gi­sche Bril­li­anz und cha­rak­ter­li­che Sta­bi­li­tät aus. Im Jahr 2019 wür­dig­te ich das in die­sem Video, indem ich bereits die Bedeu­tung Kick­ls für die Par­tei vorhersah:

Nach 5 Jah­ren der “Kick­lkur” macht der Ver­gleich sicher. Die FPÖ ist eine stär­ke­re, sou­ve­rä­ne­re, krea­ti­ve­re und sta­bi­le­re Par­tei als je zuvor. Sie wählt ihre Begrif­fe und Pro­gramm­punk­te selbst. Distan­zie­run­gen auf Zuf­ruf der Pres­se fin­den nicht mehr statt. Auch die durch­schau­bar pri­mi­ti­ven Atta­cken vor der Wahl, von der RTL-Repor­ta­ge bei der IB-Demo bis zu einem angeb­li­chen “SS-Lied”, das bei einer Beer­di­gung gesun­gen wur­de, ver­puff­ten ohne Effekt.

Der Wahl­er­folg der FPÖ wiegt dop­pelt, weil er nicht durch Distan­zie­rung und Anbie­de­rung erkauft wur­de. Noch in der letz­ten Wahl­kampf­re­de vor einem rot-weiß-rot erleuch­te­ten Ste­phans­dom for­der­te Her­bert Kickl uner­schro­cken Remi­gra­ti­on – weni­ge Tage, nach­dem Trump das Wort in einem Post ver­wen­det hat­te. Sowohl Bloom­berg als auch die Washing­ton Post muss­ten kon­ze­die­ren ein­ge­ste­hen, dass die­ser Begriff von Öster­reich aus auch den eng­lisch­spra­chi­gen Raum beein­flusst. Vie­les davon ist auf Her­bert Kick­ls Mut zurückzuführen.

Die­ser Sieg stärkt Her­bert Kick­ls Stra­te­gie und die Idee der Remi­gra­ti­on. Anders als das fata­le Schei­tern Éric Zemm­ours, das in Frank­reich den Kurs von Le Pen legi­ti­mier­te, bedeu­tet der 29.9. in Öster­reich auch einen Sieg der Recon­quis­tastra­te­gie. Ich füh­le mich auch in der Ent­schei­dung bekräf­tigt, kei­ne “iden­ti­tä­re Par­tei” zu grün­den, son­dern mein Enga­ge­ment wei­ter als Orga­ni­sa­tor, Akti­vist und Autor auf den meta­po­li­ti­schen Raum zu fokussieren.

Es besteht die Hoff­nung, dass der Sieg der FPÖ auch in Deutsch­land und der Schweiz Schu­le macht. Man kann Wah­len ohne Distan­zie­rung und mit Remi­gra­ti­on gewin­nen.  Jene, die ent­täuscht sind, dass die Sie­ge in Thü­rin­gen und Öster­reich nicht direkt zu poli­ti­scher Macht füh­ren, soll­ten die kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on in Ungarn stu­die­ren. Orb­ans umfas­sen­de Wahl­sieg 2010 bau­te para­do­xer­wei­se auf eine Wahl­nie­der­la­ge 2006 auf. Hät­te er damals eine knap­pe Mehr­heit gewon­nen, gäbe es heu­te wohl kei­ne Oster­ver­fas­sung und kei­nen “natio­na­len Block”.  Sein Erfolg war mög­lich, weil er in dem Moment poli­ti­sche Macht erlang­te, als der meta­po­lit­sche Boden berei­tet war. Genau das muss die FPÖ jetzt tun. Der muti­ge, sou­ve­rä­ne Kurs muss fort­ge­setzt wer­den. Alter­na­tiv­me­di­en müs­sen gestärkt­wer­den, patrio­ti­sche Frei­räu­me, Gegen­kul­tur und Theo­rie­bil­dung müs­sen geför­dert wer­den. Dass Her­bert Kickl nach sei­nem Wahl­sieg das ers­te Inter­view kei­nem Main­stream­m­e­di­um, son­dern dem Alter­na­tiv­sen­der Auf1 gab, ist ein Grund für Optimismus.

Ent­schei­dungs­trä­ger in der FPÖ haben in den letz­ten 5 Jah­ren den Par­la­ments­pa­trio­tis­mus abge­legt und den “Wahl­fe­tisch” über­wun­den. Die Wahl ist kein “magi­scher Akt”, der aus dem Nichts poli­ti­sche Macht pro­du­ziert. Sie ist eine Etap­pe in einem gro­ßen meta­po­li­ti­schen Rin­gen um den Dis­kurs, die Stra­ße, die Köp­fer und die Her­zen. “Das Herz sagt ja”, lau­te­te eine der über­ra­schend krea­ti­ven Wahl­slo­gans der Sie­ger­kam­pa­gne. Mein Herz sagt mir, dass wir nun die 1.403.497 Wäh­ler der FPÖ mobi­li­sie­ren und akti­vie­ren müs­sen.  Die Iden­ti­tä­re Bewe­gung steht in den Start­lö­chern. Nach einer Pha­se des tak­ti­schen Inne­hal­tens wol­len wir in den kom­men­den Mona­ten ent­schei­den­de Taten set­zen, die der Idee der Remi­gra­ti­on end­gül­tig zum Durch­bruch ver­hel­fen sollen.

Der 29.9 war erst der Anfang. Ein neu­es Kapi­tel der Repu­blik beginnt.

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

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