Ritter von Kuehnelt-Leddihn – einer von uns

PDF der Druckfassung aus Sezession 119/ April 2024

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

»Kueh­nelt-Led­dihn führt wie Don Qui­jo­te oder Dono­so Cor­tés gegen den Zeit­geist einen ver­geb­li­chen Kampf. Er ist uni­ver­sell gebil­det, his­to­risch und logisch fun­diert, spricht vie­le Spra­chen und hat die Län­der der Erde bereist. Eine ein­sa­me Stech­pal­me, die im Humus des alten Öster­reich ver­wur­zelt ist. Ein Beleg dafür, daß es heu­te weder Schu­len noch Eli­ten, son­dern nur noch ­Soli­tä­re gibt.«

Kei­ne Wür­di­gung von Erik Maria Rit­ter von Kueh­nelt-Led­dihn (1909 – 1999) kann auf die­ses Zitat aus Ernst Jün­gers Sieb­zig ver­weht II ver­zich­ten (7. Mai 1975). Als »Soli­tär«, »Ori­gi­nal«, wenn nicht gar als eine Art schil­lern­de Legen­de des rech­ten Spek­trums ist er allen in Erin­ne­rung geblie­ben, die ihn noch ken­nen­ler­nen durf­ten. »Ein­sam« war der poly­glot­te und weit­ge­reis­te gebür­ti­ge Stei­rer nur inso­fern, als er ein hart­nä­cki­ger Par­tei­gän­ger ver­lo­re­ner Sachen war, die ihm als schön, gut und wahr erschie­nen und dar­um unab­hän­gig von Tri­umph, Nie­der­la­ge und Mach­bar­keit ewi­ge Gül­tig­keit hatten.

Sei­ne Vor­trä­ge pfleg­te er ger­ne mit den Wor­ten »Right is right, and left is wrong« ein­zu­lei­ten, wobei er davon, was er als »rechts« klas­si­fi­zier­te, sehr genaue Vor­stel­lun­gen hat­te. Es gab hier wohl­ge­merkt kein »Spek­trum«, in dem sich gegen­sätz­li­che Ansich­ten gleich­wer­tig und gleich­be­rech­tigt gegen­über­stan­den. »Rechts« ist das »Rich­ti­ge«, und je rech­ter eine Sache ist, um so rich­ti­ger – und ratio­na­ler! – ist sie auch (und umge­kehrt). Ana­log betrach­te­te er »links« als das (buch­stäb­lich!) sata­ni­sche Prin­zip des Fal­schen, Ver­kehr­ten, Ver­dreh­ten, Schlech­ten und letzt­end­lich Bösen.

Anders als die ­Wischi­wa­schi-Kon­ser­va­ti­ven von damals und heu­te wuß­te Kueh­nelt-­Led­dihn, daß Poli­tik stets eine »Ideo­lo­gie« als Fun­da­ment braucht. »Durch den Schleim, den uns die ›Män­ner der Mit­te‹ brin­gen wol­len, wird sich der Feind mühe­los sei­nen Weg bah­nen«, schrieb er. »Wir müs­sen des­halb wie­der Zeu­gen einer Über­zeu­gung wer­den.« Sei­ne eige­ne nann­te er uner­schro­cken »katho­lisch, rechts­ra­di­kal, stock­li­be­ral, anti­de­mo­kra­tisch«, wobei hier etli­che Begrif­fe zu klä­ren wären. Der »Humus« sei­ner Ansich­ten war in der Tat das Öster­reich der Habs­bur­ger, des­sen Unter­gang er als Kind noch erlebt hatte.

Kueh­nelt-Led­dihn ent­stamm­te einer Fami­lie höhe­rer kai­ser­li­cher Beam­ter, »die Män­ner jose­phi­nisch-auf­ge­klärt, die Frau­en tief katho­lisch« (Chris­ti­an Zeitz). Sein Vater war ein Natur­wis­sen­schaft­ler, der in sei­ner Frei­zeit Roma­ne schrieb. Kueh­nelt-Led­dihns publi­zis­ti­sche Lauf­bahn begann im Alter von sech­zehn Jah­ren als Kor­re­spon­dent des Lon­do­ner Spec­ta­tor. Er stu­dier­te Jura, Theo­lo­gie und Ost­eu­ro­pa­kun­de in Wien und Buda­pest, pro­mo­vier­te in den Fächern Staats­wis­sen­schaft und Volks­wirt­schafts­leh­re. Er lern­te flie­ßend Japa­nisch mit Hil­fe des Mili­tär­at­ta­chés und spä­te­ren Erobe­rers von Sin­ga­pur, Tomoy­u­ki Yamas­hi­ta, der von 1927 bis 1929 in Öster­reich und Ungarn sei­nen Dienst versah.

1930 besuch­te er im Auf­trag einer unga­ri­schen Zei­tung die Sowjet­uni­on. Sei­ne Ein­drü­cke ver­ar­bei­te­te er in dem 1933 erschie­ne­nen Roman Jesui­ten, Spie­ßer, Bol­sche­wi­ken, der im sel­ben Jahr unter dem Titel Gates of Hell ins Eng­li­sche über­setzt und zum Best­sel­ler wur­de. 1935 arbei­te­te er in Eng­land an einer eli­tä­ren jesui­ti­schen Schu­le, 1937 besuch­te er die natio­nal­spa­ni­sche Front. Im sel­ben Jahr zog er nach Washing­ton, D. C., um an der George­town Uni­ver­si­ty Geo­po­li­tik zu unterrichten.

Zu Kriegs­be­ginn im Sep­tem­ber 1939 hielt sich Kueh­nelt-Led­dihn im Deut­schen Reich auf, zog es aber vor, in die USA zurück­zu­rei­sen, wo er auch die nächs­ten acht Jah­re »ein­ge­schach­telt« ver­brach­te. 1947 kehr­te er nach Öster­reich zurück und sie­del­te sich mit sei­ner Fami­lie in Lans in Tirol an. Den Ver­ei­nig­ten Staa­ten blieb er jedoch eng ver­bun­den, unter ande­rem als Vor­trags­rei­sen­der und als Stamm­au­tor der Natio­nal Review von Wil­liam F. Buckley.

So kommt es, daß sämt­li­che Vor­trä­ge von Kueh­nelt-Led­dihn, die auf You­Tube zu fin­den sind, in eng­li­scher Spra­che sind. In Deutsch­land fan­den sich sei­ne Bei­trä­ge regel­mä­ßig in der Zeit­schrift Cri­ticón, oft in pro­duk­ti­ver und respekt­vol­ler Aus­ein­an­der­set­zung mit ande­ren Autoren wie Armin Moh­ler, der das Chris­ten­tum im schar­fen Gegen­satz zu Kueh­nelt-Led­dihn als grund­sätz­lich »lin­ke« Idee wertete.

Der rote Faden des umfang­rei­chen schrift­stel­le­ri­schen Wer­kes Kueh­nelt-Led­dihns (dar­un­ter auch Kri­mi­nal- und Sci­ence-fic­tion-Roma­ne) ist der Angriff auf jeg­li­che Gleich­heits­ideo­lo­gie, die die­ser erklär­te »Erz­feind aller Kol­lek­ti­vis­men« als unver­ein­bar mit der »Frei­heit« betrach­te­te, die aber immer »mora­lisch«, also idea­ler­wei­se reli­gi­ös-christ­lich »gebun­den« sein müs­se. Sei­ner Ansicht nach soll­te die poli­ti­sche Haupt­fra­ge nicht sein, wer regiert, son­dern wie regiert wird, und die bes­te und gott­ge­fäl­ligs­te Regie­rung sei jene, die ihre Macht wei­se beschrän­ke und dem ein­zel­nen inner­halb der Gren­zen des Gemein­wohls soviel Frei­heit wie mög­lich lasse.

Kueh­nelt-Led­dihn war also im Kern ein »klas­si­scher Libe­ra­ler«, der wie Carl Schmitt Demo­kra­tie und Libe­ra­lis­mus als Gegen­sät­ze zeich­ne­te. Der Grund dafür sei die »ega­li­tä­re« Basis der Demo­kra­tie, die in sich stets den Keim zur Dik­ta­tur und zur Des­po­tie der Mas­se tra­ge und in ihren Extrem­for­men die brau­ne und rote Tyran­nei, den natio­na­len und den inter­na­tio­na­len Sozia­lis­mus, her­vor­ge­bracht habe. Die schreck­li­che Mut­ter der Demo­kra­tie und damit auch des Tota­li­ta­ris­mus sei die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on, die Kueh­nelt-Led­dihn als Urka­ta­stro­phe der Moder­ne betrach­te­te. So ist auch Hit­ler in sei­nem Rechts-links-Sche­ma als Mann der extre­men Lin­ken, neben de Sade, Robes­pierre und Mar­cu­se, Sta­lin und Pol Pot, eingeordnet.

Die­se Vor­stel­lung vom »lin­ken« Natio­nal­so­zia­lis­mus kur­siert heut­zu­ta­ge als »libe­ral­kon­ser­va­ti­ves« Argu­men­ta­ti­ons­kli­schee, aller­dings ohne die anti­de­mo­kra­ti­sche und bei­na­he mathe­ma­ti­sche Ablei­tung, mit der Kueh­nelt-­Led­dihn sei­ne The­se begrün­de­te. In sei­nem Kon­zept stand die hybri­de Ratio (links) gegen den Geist (rechts), und dar­aus abge­lei­tet Mate­ria­lis­mus gegen Spi­ri­tua­li­tät, Imma­nenz (Anthro­po­zen­trik) gegen Tran­szen­denz (Theo­zen­trik), Quan­ti­tät gegen Qua­li­tät, Uni­for­mis­mus (Näm­lich­keit) gegen Plu­ra­lis­mus (Ver­schie­den­heit), Zen­tra­lis­mus gegen Föde­ra­lis­mus, das Kol­lek­tiv gegen die Per­sön­lich­keit (nicht »das Indi­vi­du­um«), Mas­sen­hee­re (Sol­da­ten) gegen Berufs­hee­re (Krie­ger), Klas­sen gegen Stän­de, Natio­na­lis­mus gegen Patrio­tis­mus, Pla­nung und Uto­pis­mus gegen orga­ni­sches Wachs­tum, die Fra­ter­ni­tät des »Big Brot­her« gegen den Patri­ar­cha­lis­mus des Vaters im Him­mel, Macht durch Furcht, Angst und Gewalt gegen Auto­ri­tät, Sozia­lis­mus und Staats­ka­pi­ta­lis­mus gegen freie Marktwirtschaft.

Auch den »Indi­vi­dua­lis­mus« sor­tier­te Kueh­nelt-Led­dihn links ein, da »Sand­korn und Sand­hau­fen« schließ­lich zusam­men­ge­hö­ren. »Libe­ral« und »rechts« hin­ge­gen sei das, was er »Per­so­na­lis­mus« nann­te. Aus die­sem Sche­ma folg­te auch sei­ne Ein­stu­fung des Natio­na­lis­mus als erz­lin­kes Pro­jekt, denn auch er for­de­re eine »hori­zon­ta­le« und kei­ne »ver­ti­ka­le« Gesellschaftsordnung.

Der Begriff »iden­ti­tär« ist bei Kueh­nelt-­Led­dihn als eine grup­pen­be­zo­ge­ne Form des Ega­li­ta­ris­mus aus­schließ­lich nega­tiv besetzt. Dabei leug­ne­te er kei­nes­wegs die Bedeu­tung des eth­no­kul­tu­rel­len Volks­tums: Im Gegen­teil soll­te sei­ner Vor­stel­lung nach ein Reich, wie das Vor­bild der Donau­mon­ar­chie oder noch bes­ser des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches, wort­wört­lich »reich« sein – »an Spra­chen, Völ­kern, Gebräu­chen, Tra­di­tio­nen, auch an Stän­den, Glau­bens­ge­mein­schaf­ten, Land­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen.« Wenn das Natio­nal­ge­fühl jedoch zu einem »Ismus« ent­ar­tet, dann ent­steht die Gefahr des iden­ti­tär-ega­li­tä­ren »Wahns«, »der dem Aben­teu­er der Begeg­nung mit dem Anders­ge­ar­te­ten abhold ist.

Der ande­re wird auto­ma­tisch der Feind. Miso­gy­nie und Mis­and­rie haben die­sel­ben psy­cho­lo­gi­schen Wur­zeln, eben­so der Ras­sis­mus und der Klas­sen­haß.« Kueh­nelt-Led­dihn argu­men­tier­te also in die­ser Hin­sicht sehr ähn­lich wie die »eth­no­plu­ra­lis­ti­schen« Neu­en Rech­ten, deren heu­ti­ge Erben den Begriff »iden­ti­tär« als Selbst­be­zeich­nung verwenden.

Kueh­nelt-Led­dihns Ide­al war die christ­li­che Mon­ar­chie oder, wenn das nicht mög­lich ist, zumin­dest eine aris­to­kra­ti­sche Repu­blik, wie sie sei­ner Ansicht nach den ame­ri­ka­ni­schen Grün­der­vä­tern vor­ge­schwebt hat­te. In sei­nem pseudo­nym erschie­ne­nen Buch The Men­ace of the Herd or Pro­crus­tes at Lar­ge ver­such­te er 1943 aus­ge­rech­net einem ame­ri­ka­ni­schen Publi­kum zu erklä­ren, daß der größ­te Feind der »liber­ty« die »demo­cra­cy« sei, gestützt auf Zita­te von Jef­fer­son, Washing­ton und Hamil­ton. Die­se Grund­idee führ­te er exem­pla­risch in sei­nem Haupt­werk Gleich­heit oder Frei­heit? aus, das erst­ma­lig 1952 in eng­li­scher Spra­che erschie­nen war und von Kueh­nelt-Led­dihns Gat­tin ins Deut­sche über­setzt wurde.

Aus die­ser Per­spek­ti­ve steht die wah­re Rech­te gegen den »Gleich­heits­wahn«, den nivel­lie­ren­den »iden­ti­tä­ren Her­den­trieb« und die Mas­sen­ge­sell­schaft, statt des­sen aber auf der Sei­te der »›roman­ti­schen‹ Lie­be zur Viel­falt«, die jedoch sitt­lich gebun­den und gerecht – also: antie­ga­li­tär – geord­net und geglie­dert sein muß. So ent­warf er das »pla­to­ni­sche« Bild einer Ide­al­rech­ten, nach des­sen Maß­stab er Geschich­te und Gegen­wart mei­nungs­stark beurteilte.

Erik Maria Rit­ter von Kueh­nelt-Led­dihn starb vor 25 Jah­ren, am 26. Mai 1999.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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