Alice Weidel ist der Meinung, daß die AfD keine rechte Partei sei. Schon 2016 hatte die „sympathische, gebildete, eloquente, selbstbewußte“ (ja, man staune gern über diese Attribute!) Weidel geäußert, sie sehe sich nicht im „rechten Eck“.
Damals war sie bloß Mitglied des Bundesvorstands der AfD. Dieser Kurzbericht eines Mainstreammediums ist auch deshalb noch heute lesenswert, weil darin (Qualitätspresse!) bei allem Lob für Frau Weidel auf einen gewissen „Bernd Höcke“ rekurriert wird. Seither ist das ja der bescheuertste und billigste unter allen Pfeilen, die man auf Höcke abschießen kann.
Seit drei Jahren ist Frau Weidel Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion. Im Sommer 2024 hatte sie sich erneut in einem Interview dagegen verwehrt, „in die rechte Ecke“ gestellt zu werden.
Und sie legte nun nach. Im Gespräch mit der liberalkonservativen „Cato“ (Ausgabe Oktober/November 2024) fragt sie der Interviewer Ingo Langner:
Im Parteiprogramm der AfD habe ich nichts Rechtsextremes gefunden und noch nicht einmal etwas Rechtes. Aber vielleicht gibt es ja eine geheime Agenda.
Weidel:
Nein, eine Geheimagenda gibt es nicht. Das AfD-Programm ist kein rechtes Programm, es ist ein absolut freiheitliches Programm und vernünftig für die Bundesrepublik Deutschland. Ich kann daran überhaupt nichts Rechtes erkennen.
Langner:
Sie sind also keine rechte Politikerin?
Weidel:
Das ist für mich in der heutigen Zeit keine echte Kategorie.
Das, mit Verlaub, ist ein Rückschritt. Ist Weidel etwas entgangen, hat sie etwas nicht mitbekommen? Ist sie dort steckengeblieben, wo „rechts“ noch als toxisch und als „No go“ galt? Ist sie, die doch so schlagfertig ist, in dieser Frage träger als ihre eigene Partei? Und: Ist ihr der Millionenerfolg von Maximilian Krah entgangen?
Echte Männer sind rechts, echte Männer haben Ideale, echte Männer sind Patrioten, dann klappt es auch mit der Freundin.
Das Wording „rechts“ hat eine lange Geschichte. In den Achtziger, Neunziger und Nullerjahren war es als Attribut völlig out. Außer den wirklich Krassen wollte niemand für rechts gelten. Das war uncool, galt als inhuman und war jenseits aller Moden – wenn man von der Skinhead-Szene und dem absieht, was damals als krasser Rechtsrock mit den härtesten der harten Provokationen spielte.
Die heftigsten Konservativen artikulierten sich damals mit folgendem Disclaimer: „Ich bin ja nicht rechts, aber….“, und selbst völlig unabhängige Geister notierten ihr Bekenntnis lieber in einer Fremdsprache:
Right is right and left is wrong!
Das stammt von Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn, er proklamierte es vor Jahrzehnten, und es war ihm ziemlich egal, wie die Gegner ihn bewerteten.
Seine Vorträge pflegte Kuehnelt-Leddihn gerne mit den Worten »Right is right, and left is wrong« einzuleiten, wobei er davon, was er als »rechts« klassifizierte, sehr genaue Vorstellungen hatte. »Rechts« ist das »Richtige«, und je rechter eine Sache ist, um so richtiger – und rationaler! – ist sie auch (und umgekehrt). Analog betrachtete er »links« als das (buchstäblich!) satanische Prinzip des Falschen, Verkehrten, Verdrehten, Schlechten und letztendlich Bösen.
So Martin Lichtmesz in seinem Jubiläumsbeitrag in der Sezession 119 (April 2024).
Und bitte, wie kann man die Seiten auch verwechseln? Recht, Gerechtigkeit, richtig einerseits: linkisch, gelinkt werden andererseits. Es ist auch biblisch verbrieft, unter anderem im wohl schönsten, philosophischsten Buch des Alten Testaments; nämlich Kohelet/Prediger, 10,2:
Der Verstand des Gebildeten wählt den rechten Weg, der Verstand des Ungebildeten den linken.
Kohelet ist übervoll von solchen rechts/links-Zuweisungen, und das Buch ist dabei äußerst subtil!
Selbst die weltanschaulich unverdächtige wikipedia verrät uns, warum rechts richtig ist:
Das indogermanische reg als sprachgeschichtliche Wurzel hat die Urbedeutung geradeaus, aufrichten, recken, geraderichten und wurde auch für das Gute, Wahre und Vollkommene angewandt. Die Verwendung derselben Wortwurzel für die Richtung „rechts“, richtig und das Recht existiert auch im Englischen (right) wie auch in der Folge des lateinischen Verbs dirigere im Franzöischen (droit), im Spanischen (derecha), in den nordöstlichen slawischen Sprachen (polnisch prawo, tschechisch pravo, russisch право), in den südslawischen Sprachen (desno) und im Persischen (rast).
Das neuhochdeutsche link(s) geht zurück auf mittelhochdeutsch linc, lenc; die ursprüngliche Bedeutung war „ungeschickt“ (vgl. „linkisch“). Jemanden linken, eine Linke drehen heißt: betrügen
Nun Lichtmesz weiter und am Ritter entlang:
Die schreckliche Mutter der Demokratie und damit auch des Totalitarismus sei die Französische Revolution, die Kuehnelt-Leddihn als Urkatastrophe der Moderne betrachtete. So ist auch Hitler in seinem Rechts-links-Schema als Mann der extremen Linken, neben de Sade, Robespierre und Marcuse, Stalin und Pol Pot, eingeordnet.
Rechts steht für Persönlichkeit, Vertikalität, Transzendenz, Freiheit, Subsidiarität und Vielfalt, links steht für Kollektivismus, Horizontalismus, Materialismus, Gleichheit-Nämlichkeit, Zentralismus und Einfalt (in beiden Sinnen des Wortes).
„Rechts“ als rechtschaffenes Attribut zu reklamieren ist ein formidables Beispiel für das, was man “Geusenwort” nennt: Als Geusenwort oder Trotzwort wird in der Linguistik ein Wort bezeichnet, das ursprünglich als Fremdbezeichnung der Diffamierung einer bestimmten Volks- oder Personengruppe diente (wie „punk“ oder „schwul“), von dieser aber positiv umgedeutet wird und dann als selbstbewußte Eigenbezeichnung dient.
Das Attribut „rechts“ hat entlang dieser Strategie in den vergangenen Jahren definitiv Boden gutgemacht: Das Pejorative (Abwertende) wird umgedeutet in eine positiv konnotierte Selbstbezeichnung.
Ein halbes Jahrhundert trennen von Kuehnelt-Leddihns aristokratische Selbstbezichtigung von unseren heutigen Befindlichkeiten. Und doch schließt sich der Kreis: Rechts bleibt richtig. Im sogenannten Ostdeutschland hat man es begriffen.
Es ist eine Mischung aus Theorieschwäche (außer Kuehnelt-Leddihn haben wir so viele Vordenker!) und mangelndem Schwung, hier zurückzuweichen. Sie, Weidel, tut es doch ohne Not, vor allem in einem Blatt wie Cato. Sie gleicht einem Feldherrn, dessen Armee gerade ein Areal erobert hat, und der dann befiehlt, den Besiegten die Waffen zurückzugeben, weil sich herausstellte, daß sie aus Versehen mit offenen Schnürsenkeln kämpften.
Le Chasseur
"Und bitte, wie kann man die Seiten auch verwechseln? Recht, Gerechtigkeit, richtig einerseits: linkisch, gelinkt werden andererseits. Es ist auch biblisch verbrieft, unter anderem im wohl schönsten, philosphischsten Buch des Alten Testaments; nämlich Kohelet/Prediger, 10,2:
Der Verstand des Gebildeten wählt den rechten Weg, der Verstand des Ungebildeten den linken."
Da kann man ja nur von Glück sagen, dass sich die Abgeordneten der Französischen Nationalversammlung 1789 auf die richtigen Plätze gesetzt haben. Man stelle sich vor, die Linken hätten sich rechts hingesetzt. https://unterrichten.zum.de/wiki/Historische_Stichworte/links_und_rechts