Christoph Fackelmann, Till Kinzel (Hrsg.): Lepanto-Almanach

Der Lepanto-Almanach erschien Ende letzten Jahres in einem Doppelband (2023/24) im gleichnamigen Verlag, herausgegeben wird er von Christoph Fackelmann und Till Kinzel.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Letz­te­rer dürf­te Sezes­si­on-Lesern als uner­müd­li­cher Kom­men­ta­tor der Schrif­ten Nicolás Goméz ­Dávil­as (auch im vor­lie­gen­den Band fin­det sich dazu ein inter­es­san­ter Auf­satz: Dávila ist demo­kra­ti­scher, als man glau­ben mag) ein Begriff sein, ers­te­rer sicher noch nicht.

Das könn­te sich nach der Lek­tü­re des aktu­el­len Lepan­to-Alma­nachs ändern. Doch zunächst zur Anla­ge die­ses Wer­kes: Es ist wesent­lich mehr als ein fach­wis­sen­schaft­li­cher (theo­lo­gi­scher, ger­ma­nis­ti­scher) Sam­mel­band, ver­sam­melt es doch nicht nur Auf­sät­ze zu den jeweils ins Zen­trum gestell­ten The­men (Band 1: Rein­hold Schnei­der, Band 2: Poe­sie, Band 3: Bil­den­de Kunst, in die­sem Band: Ger­trud von le Fort), son­dern ent­hält Rezen­sio­nen, Tex­te zu aktu­el­len The­men in christ­li­chem Licht (Trans­hu­ma­nis­mus, Pro­pa­gan­da usw.) und Autoren­por­träts, die man am liebs­ten aus­schnei­den und zu einem klei­nen Nach­schla­ge­werk zusam­men­bin­den wür­de, sowie lite­ra­ri­sche Kostproben.

Der Lepan­to-Alma­nach ver­steht sich in der rück­bli­cken­den Nach­fol­ge der gro­ßen christ­li­chen Zeit­schrif­ten der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts, Hoch­land und Der Bren­ner. Ent­spre­chend neh­men sich die Auf­sät­ze einen ange­mes­sen hohen Ori­en­tie­rungs­punkt und Zeit zum Luft­ho­len, um ihren Gegen­stän­den gerecht wer­den zu kön­nen, was in ande­ren kon­ser­va­ti­ven Publi­ka­tio­nen oft jour­na­lis­ti­scher Knapp­heit oder poli­ti­scher Ver­eindeu­ti­gungs­not zum Opfer fal­len muß.

Man braucht kein Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler oder Theo­lo­ge zu sein, um sich für die­sen Alma­nach zu erwär­men, denn jar­gon­haf­te Theo­rie­spra­che ent­fällt kom­plett. Natür­lich ist so ein dickes Buch kei­ne Mas­sen­pu­bli­ka­ti­on. Ich glau­be, das Geheim­nis, wes­halb die­ser Alma­nach so gut les­bar ist, liegt unter ande­rem dar­in, daß die Autoren die Spra­che und Denk­wei­se der von ihnen ver­ehr­ten Gewährs­leu­te erlernt haben – von Han­na-Bar­ba­ra Gerl-Fal­ko­vitz wis­sen das schon man­che, doch die übri­gen Bei­trä­ger ste­hen ihr kaum nach.

»Tra­di­ti­ons­her­me­neu­tik« nennt Chris­toph Fackel­mann den geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Ansatz, der hier ver­folgt wird. Die Aus­drucks­wei­se, die Inten­ti­on und die ein­füh­len­de Über­lie­fe­rungs­treue von bei­spiels­wei­se Wer­ner Ber­gen­gruen, Rein­hold Schnei­der, Josef Pie­per oder eben ­Ger­trud von le Fort, C. S. Lewis oder Kar­di­nal New­man sind nun ein­mal ästhe­tisch schön! Kein Ver­gleich mit sozi­al­ge­schicht­li­cher oder dekon­struk­ti­vis­ti­scher Lite­ra­tur­wis­sen­schaft, kein Ver­gleich mit öku­me­nisch-plu­ra­lis­ti­scher oder »Critical-trust«-Theologie.

Von daher möch­te ich Fackel­manns zen­tra­len Auf­satz »Holz­we­ge der Lite­ra­tur­ge­schich­te?«, den längs­ten im hier ange­zeig­ten Band, her­vor­he­ben. Inhalt­lich geht es ihm um das Ver­hält­nis der moder­nen Lite­ra­tur­ge­schich­te zum deut­schen »Renou­veau catho­li­que« in der ers­ten Hälf­te des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts. Klingt nach nor­ma­ler lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­cher For­schung – und fängt auch so an, wenn er deut­lich macht, daß »auch die Beru­fung auf ›vor­mo­der­ne‹ Aus­drucks­for­men […] eine spe­zi­fi­sche Ges­te der ›Moder­ne‹ sein« kann. Dann aber haut er dem über­mäch­ti­gen Para­dig­ma der »Sozi­al­ge­schich­te« und des­sen imma­nen­ter Fortschritts­ideologie (»die Anfor­de­run­gen der Gegen­wart«, »Trans­for­ma­tio­nen der Aus­sa­ge­sys­te­me«) mit einer Fra­ge den Boden unter den Füßen weg:

»Wes­halb kann eine Lite­ra­tur mit ›klas­si­scher‹, d. h. einer geschicht­s­tie­fen Über­lie­fe­rung ver­pflich­te­ter Ästhe­tik und einem ›nor­mier­ten‹, also von Glau­bens­wahr­hei­ten über­zeug­ten welt­an­schau­li­chen Gefü­ge nicht (mehr) anspruchs­vol­le, wür­di­ge und wirk­mäch­ti­ge poe­ti­sche Tex­te hervorbringen?«

Mit die­ser Fra­ge im Kopf kann der Leser anfan­gen, die Wer­tun­gen der herr­schen­den Lite­ra­tur­kri­tik in Schul­ma­te­ria­li­en, Feuil­le­tons und Buch­be­spre­chun­gen ein­mal dar­auf­hin anzu­schau­en, ob nicht über­all die­se »Fortschritts­topoi und evo­lu­tio­nis­ti­schen Pro­zeß­vor­stel­lun­gen« pla­ziert wer­den, um bestimm­te Lite­ra­tur zu ent-kano­ni­sie­ren und, sehr belieb­te Metho­de, »kri­tisch zu historisieren«.

Zu Fran­cis Thomp­sons »Ori­ent-Ode«, die Theo­dor Hae­cker sei­nem (wun­der­ba­ren) Büch­lein Der Christ und die Geschich­te 1935 in deut­scher Über­set­zung bei­gesellt hat, schreibt Fackel­mann etwas, das über die Inter­pre­ta­ti­on die­ses Gedichts weit hin­aus­geht und a for­tio­ri für Getrud von le Forts Hym­nen an die Kir­che (1924) und das Gros des »Renou­veau catho­li­que« gilt:

»Inner­halb der geschicht­li­chen Zeit ist ihr Ort [der Wir­kung Got­tes, Anm. CS] aber das Indi­vi­du­um und des­sen Gabe der Frei­heit; hier ist ›Höher­ent­wick­lung‹ (see­lisch-sitt­li­cher Art) mög­lich und auf­ge­ge­ben, nicht aber auf der Ebe­ne der Sozie­tät (des ›Sys­tems‹).«

Ger­trud von le Fort (1876 – 1971), Kon­ver­ti­tin, Hoch­land-Autorin, enorm pro­duk­ti­ve Roman­schrift­stel­le­rin, hat in ihrer poe­to­lo­gi­schen Schrift Vom Wesen christ­li­cher Dich­tung 1968 neben dem »christ­li­chen Leben des Urhe­ben­den« vor allem die »see­li­sche Erschüt­te­rung« – statt der »mora­li­schen Ver­ur­tei­lung« – zur ästhe­ti­schen Trieb­fe­der erklärt, dies gel­te wohl nicht nur für den Autor, son­dern auch für den Leser, faßt Fackel­mann zusammen.

»Das Geop­fer­te ist unser Reich­tum, und das Ent­schwun­de­ne unser hei­li­ger Über­fluß!« Mit die­ser Wid­mung le Forts an einen Freund aus dem Jah­re 1944 schi­cke ich mich an, den Lepan­to-Alma­nach zur ein­ge­hen­den Lek­tü­re jenen zu emp­feh­len, die unter allerkun­digs­ter Anlei­tung her­aus­fin­den wol­len, wie man end­lich wie­der Her­me­neu­ti­ker sein kann.

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Chris­toph Fackel­mann, Till Kin­zel (Hrsg.): ­Lepan­to-Alma­nach. Jahr­buch für christ­li­che ­Lite­ra­tur und Geis­tes­ge­schich­te, Rück­ers­dorf: Lepan­to 2023. 602 S., 20,90 €

 

 

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Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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