Philipp Oswalt: Bauen am nationalen Haus

von Claus-M. Wolfschlag --

Die Erosion demokratischer Strukturen ist längst im Gange. Die nur entfernt demokratisch legitimierte EU-Kommission formuliert in tiefste Verästelungen der Mitgliedsstaaten eindringende Gesetzesvorschläge.

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Lob­by­grup­pen bela­gern Par­la­men­te. Von Mil­li­ar­dä­ren finan­zier­te NGOs neh­men poli­ti­schen Ein­fluß. Big-Tech-Unter­neh­men wie Apple, Alpha­bet (Goog­le) und Micro­soft hal­ten allein fast 500 Mil­li­ar­den Dol­lar an Bar­geld, wor­aus jähr­li­che Zins­ein­nah­men von etwa 24 Mil­li­ar­den Dol­lar resul­tie­ren. Das über­steigt den Haus­halt vie­ler Staaten.

Die Fir­men­zen­tra­le von Ama­zon in Seat­tle ist ein voll­ver­glas­ter Hoch­haus­block im »Inter­na­tio­na­le Style«. Die Staats­ge­bäu­de der EU oder die Euro­päi­schen Zen­tral­bank in Frank­furt am Main fol­gen grund­sätz­lich moder­nis­ti­schen Gestal­tungs­richt­li­ni­en. Die wah­re Macht resi­diert in Käs­ten aus Glas, Stahl und Beton.

Doch die­sem The­ma möch­te sich ein Phil­ipp Oswalt, Pro­fes­sor für Archi­tek­tur­theo­rie und Ent­wer­fen an der Uni­ver­si­tät Kas­sel, gar nicht wid­men. Er wit­tert Gefah­ren für die Demo­kra­tie ein­zig in der dunk­len deut­schen Ver­gan­gen­heit. Oswalt bekennt, daß er schwer unter der Belas­tung des Natio­nal­so­zia­lis­mus lei­det. Und um des­sen Wie­der­kehr einen Rie­gel vor­zu­schie­ben, strei­tet er seit Jah­ren wider archi­tek­to­ni­sche Rekonstruktionen.

Schon der Titel sei­nes Büch­leins, Bau­en am natio­na­len Haus, ver­rät, daß »natio­nal« für ihn und die damit ange­spro­che­ne Leser­schaft vor allem als Nega­tiv­be­griff ver­stan­den wird. Jeder posi­ti­ve Rück­griff auf die Natio­nal­ge­schich­te vor 1945 wird von Alarm­si­re­nen beglei­tet. Vor der »Stun­de Null« erkennt Oswalt pars pro toto nur »von Deut­schen zu ver­ant­wor­ten­des Unrecht und Gewalt«. Sei­en es die pol­ni­schen Tei­lun­gen, die Kolo­ni­al­krie­ge oder der Ers­te Welt­krieg. Erst das Jahr 1945 habe einen »demo­kra­ti­schen Auf­bruch« gebracht, des­sen Hin­ter­grund in außen­po­li­ti­schen Macht­in­ter­es­sen Oswalt aber nicht beleuchtet.

Damit geht der Ver­fas­ser des Vor­worts, der Schrift­stel­ler Max ­Czol­lek, völ­lig kon­form. Czol­lek gen­dert in sei­nem Vor­wort nicht nur nach Belie­ben (so ist inner­halb eines Sat­zes von »Vertreter*innen einer Iden­ti­täts­po­li­tik«, aber nur von »Demo­kra­tie­fein­den« die Rede), son­dern fabu­liert im »anti­deut­schen« Jar­gon noch dar­über, daß es kei­ne deut­sche Geschich­te gebe, die sich von deren »Gewalt­ge­schich­te« tren­nen las­se. So als ob Gewalt nicht zur Geschich­te aller Län­der der Erde gehört.

So merkt man in Oswalts Gedan­ken­kon­struk­ten, daß bei ihm kaum Pro­blem­be­wußt­sein über die man­geln­de Ästhe­tik deut­scher Stadt­bil­der exis­tiert. Auch in der moder­nis­ti­schen Archi­tek­tur wird kein grund­sätz­li­cher Reform­be­darf erkannt. Kri­tik­punk­te an der tech­ni­schen Aus­füh­rung von Rekon­struk­tio­nen wir­ken her­bei­ge­sucht. Oswalts Aus­ein­an­der­set­zung mit Archi­tek­tur geschieht somit weit­ge­hend auf einer ideo­lo­gi­schen Ebene.

Hier­zu gehört der Wunsch, posi­ti­ve Bezug­nah­men zur düs­te­ren Geschich­te vor 1945 weit­ge­hend zu ver­mei­den. Kup­peln, Säu­len und Stuck sind nicht erwünscht. Allen­falls »kri­ti­sche« Rekon­struk­tio­nen bei weit­ge­hen­der Abs­trak­ti­on fin­den Oswalts Gna­de, da in ihnen ein Bruch mit der Ver­gan­gen­heit deut­lich gemacht wer­de. Orna­men­tik wird als nicht zeit­los abge­wer­tet. Wes­halb aber soll Archi­tek­tur in rei­nen Grund­for­men ohne Zeit­ko­lo­rit dann noch als zeit­ge­nös­si­sche Archi­tek­tur betrach­tet werden?

Über­ra­schend ist nichts an die­sem Buch, das nur Oswalts alte Kämp­fe gegen das Ber­li­ner Stadt­schloß, die Pots­da­mer Gar­ni­son­kir­che und die Neue Frank­fur­ter Alt­stadt noch ein­mal auf­kocht. Die Gar­ni­son­kir­che in Pots­dam wird ein­mal mehr zum »Ort von Tätern«, als wür­den sol­che Pau­scha­li­sie­run­gen durch stän­di­ges Wie­der­ho­len wah­rer. Oswalt behaup­tet eine »Spal­tung und Pola­ri­sie­rung der Stadt­ge­sell­schaft« durch das Pro­jekt, obwohl außer klei­nen links­ra­di­ka­len Split­ter­grup­pen die Pots­da­mer längst ihren Frie­den mit der Gar­ni­son­kir­che gemacht haben.

Rele­vant ist an die­sen nun wirk­lich ewig­gest­ri­gen Kopf­ge­bur­ten nicht viel, was die für Oswalt sperr­an­gel­weit offen­ste­hen­de befreun­de­te Medi­en­bla­se natür­lich nicht dar­an hin­dert, das Buch ordent­lich in ihre Schlag­zei­len zu hie­ven. Dabei pas­sie­ren die für Lin­ke typi­schen Dop­pel­stan­dards. Denn Oswalt, der sich erneut über rechts­ge­rich­te­te Stadt­schloß-Spen­der erregt, hat­te einst kei­ner­lei Pro­ble­me damit, selbst eine links­ra­di­ka­le Musik­com­bo wie »Fei­ne Sah­ne Fisch­fi­let« zu unterstützen.

Den Abriß des nur weni­ge Jahr­zehn­te exis­ten­ten DDR-»Palastes der Repu­blik« beklagt er, die Spren­gung des jahr­hun­der­te­al­ten Ber­li­ner Schlos­ses durch das SED-Sys­tem an sel­ber Stel­le ist ihm kei­ne Zei­le glaub­haf­ter Kri­tik wert. Oswalt wirft Kri­ti­kern moder­nis­ti­scher Archi­tek­tur ein »Schwarz-Weiß-Den­ken« vor, das er gegen­über rechts­ge­rich­te­ten Per­so­nen regel­mä­ßig selbst prak­ti­ziert. So wim­melt es nur so von Stel­lung­nah­men gegen »rechts­po­pu­lis­ti­sche Glo­ba­li­sie­rungs­kri­tik« und neo­kon­ser­va­ti­ve Ten­den­zen in der Archi­tek­tur, zum Bei­spiel bei Chris­toph Mäckler.

Wäh­rend Oswalt unter ande­rem stän­dig gegen »rechts­ra­di­ka­le AfD-Poli­ti­ker« wet­tert, jam­mert er dann aber über Kri­tik an sei­nen und sei­nes­glei­chen Posi­tio­nen. Kurz: Neue Erkennt­nis­se lie­fert die­se wirk­lich als reak­tio­när zu bezeich­nen­de Schrift nicht.

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Phil­ipp Oswalt: Bau­en am natio­na­len Haus. Archi­tek­tur als Iden­ti­täts­po­li­tik, Ber­lin: Beren­berg 2023. 144 S., 22 €

 

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