Peter Köpf, Zana Ramadani: WOKE

von Felix Dirsch --

Die zentrale Kulturkampf-Vokabel der 2020er Jahre ist schnell gefunden: Der blasse Anglizismus »woke« ist das Zauberwort, das die Gemüter erhitzt.

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Die Grä­ben sind frei­lich nicht so ein­deu­tig zu zie­hen, wie man das von vie­len Kon­tro­ver­sen kennt. Die Lin­ke strei­tet sich um Posi­tio­nie­rung: Wäh­rend pri­mär an sozia­ler Gerech­tig­keit inter­es­sier­te Ver­tre­ter die­ser Rich­tung den post­mo­dern ange­hauch­ten »Lifestyle«-Kontroversen kri­tisch gegen­über­ste­hen, ist der pro­gres­si­ve Haupt­strom an Uni­ver­si­tä­ten, in Medi­en und in Par­tei­en begeis­tert, sich nicht mit läs­ti­gen All­tags­pro­ble­men her­um­schla­gen zu müs­sen, son­dern über die Zahl der Gen­der-Ster­ne dis­ku­tie­ren zu können.

Peter Köpf und Zana Rama­da­ni gehö­ren dem (CDU-nahen) Estab­lish­ment an. Sie begrün­den ihre ein­deu­ti­ge Hal­tung gegen­über den »Selbst­ge­rech­ten« (Sahra Wagen­knecht) mit einem ent­lar­ven­den Argu­ment: Woke­ness sei ein Segen für die Rech­ten, die im Rah­men ihrer Ableh­nung punk­ten könn­ten. Über­treibt man das eine Extrem, ver­fällt die Gesell­schaft dia­lek­tisch ins ande­re, so die Befürch­tung. Rama­da­ni und Köpf wol­len sich offen­sicht­lich gegen die fast unver­meid­li­che Aus­gren­zung absichern.

Man kann zumin­dest ehren­wer­te Grün­de für die eige­nen Urtei­le vor­wei­sen. Das, was heu­te als »woke« bezeich­net wird, hat­te einst als Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­be­we­gung begon­nen. Man­che Impul­se sind auch für Kri­ti­ker begreif­lich. Damit ist es schon eine Zeit­lang vor­bei. Die so hete­ro­ge­ne LGBTQIA+-Gemeinde, deren jetzt schon schwer über­schau­ba­res Kür­zel-Sam­mel­su­ri­um wei­ter zuneh­men dürf­te, ist selbst bei eige­nen Leu­ten ob der noto­ri­schen Into­le­ranz berüch­tigt. Man kann sich wegen der öffent­li­chen Unter­stüt­zung selbst­be­wußt geben.

Nicht nur wäh­rend des berüch­tig­ten »Pri­de Month« wer­den Lesun­gen von Drag­queens vor einem Publi­kum gehal­ten, das ab dem vier­ten Lebens­jahr den Ergüs­sen lau­schen darf. Dog­ma­tis­mus und zwang­haf­te Hal­tung cha­rak­te­ri­sie­ren die neue Ortho­do­xie, deren Frei­heits­feind­lich­keit schwer­lich zu über­bie­ten ist. Die Autoren refe­rie­ren die wich­ti­gen Debat­ten rund um aller­lei hys­te­ri­sche Über­emp­find­lich­kei­ten: Ein The­men­be­reich ist die Infla­ti­on der Iden­ti­tä­ten. Wer­den die alten Säue zum bana­len All­tag, treibt man neue durchs Dorf: Ist die Gleich­stel­lung von Homo­se­xu­el­len weit­ge­hend ver­wirk­licht, wird der Trans­kult initi­iert, der fes­te Iden­ti­tä­ten wie­der in Fra­ge stellt.

Das gefällt indes­sen nicht allen Kämp­fern an der Eman­zi­pa­ti­ons­front – und eben­so­we­nig allen Kämp­fe­rin­nen: Längst hat die neue Trans-Ortho­do­xie die alten Instru­men­te der Aus­gren­zung gegen ergrau­te Vor­den­ker der eige­nen Rich­tung ange­wen­det. Neben Ali­ce Schwar­zer müs­sen auch ande­re Femi­nis­tin­nen der frü­hen Stun­de, mitt­ler­wei­le gern als TERFs dif­fa­miert, mit Shit­s­torms rechnen.

Das Geschlech­ter­durch­ein­an­der wird in vie­len Facet­ten erör­tert. Man­ches ist erhei­ternd, ande­res wie­der­um nicht. Der Spaß hört zumin­dest da auf, wo jun­ge Men­schen, öfters durch ver­harm­lo­sen­de Bericht­erstat­tung ange­stif­tet, durch geschlechts­an­glei­chen­de Ope­ra­tio­nen und ent­spre­chen­de Medi­ka­men­te (wie Puber­täts­blo­cker) teil­wei­se lebens­lan­ge Fol­gen von sol­chen Ein­grif­fen zu tra­gen haben.

Wei­te­re Berei­che wie Ras­sis­mus, Diver­si­ty und Anti­se­mi­tis­mus wer­den erör­tert. Am Ende kom­men die Autoren zu dem Schluß, daß die ohne­hin stei­gen­den gesell­schaft­li­chen Bruch­li­ni­en durch die »mora­li­sie­ren­de Min­der­heit« ver­mehrt wür­den. Die Schrift ent­hält man­ches zustim­mungs­fä­hi­ge Urteil. Sie fügt aber den vie­len aktu­el­len Publi­ka­tio­nen zum The­ma, von denen sum­ma­risch die Namen Susan­ne Schrö­der, Alex­an­der Wendt, Esther Bock­wyt und Sus­an Nei­man anzu­füh­ren sind, nichts Sub­stan­ti­el­les hinzu.

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Peter Köpf, Zana Rama­da­ni: WOKE – Wie eine mora­li­sie­ren­de Min­der­heit unse­re Demo­kra­tie bedroht, Köln: Qua­dri­ga 42023. 288 S., 22 €

 

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