Nicht weniger als 46 Millionen US-Amerikaner beziehen sich auf ihre deutsche Abstammung – 13 Millionen mehr als die Briten und 21 Millionen mehr als die Engländer. Wer weiß das noch? Die Marginalisierung hat einen Grund: Deutsche waren nicht Teil der kolonialen Elite. Deutsche Einwanderer waren oft arme Bauern gewesen in den fruchtbaren Gegenden des Mittelwestens. Sie haben hart gearbeitet und selten den Weg in die Politik gesucht.
Der Historiker Christoph Bathelt begibt sich auf kurzer Strecke auf die Spuren der Deutschen in den USA. Dieses auch von persönlichem Engagement getragene Buch lädt sowohl zu kurzweiligem Schmökern als auch zu konzentrierterem Studium ein. Wer wanderte aus, warum und wohin?
Die allerersten deutschen Siedler landeten 1608 in Virginia, ein größerer Trupp (dreizehn Familien, Pietisten aus Krefeld) siedelte sich Ende des 17. Jahrhunderts in Pennsylvania an. Benjamin Franklin beobachtete die Siedler mit Argwohn – auch, weil sie partout keine Sklaven halten wollten.
Nach einer Hungersnot (Winter 1708/09) durch Mißernten strömten Hunderte Familien aus dem Pfälzer Wald gen Westen – etliche darunter konnten nicht anlanden und wurden nach Irland weitergeschickt. Dort, in der Gegend um Limerick, wurden sie zu »Irlandpfälzern«. Eine andere große Auswanderergruppe stammte aus Hessen und speziell (im 19. Jahrhundert) aus Gießen.
Bathelt versteht es gut, zwischen zahlreichen kuriosen Anekdoten einen roten Faden beizubehalten. Er geht auch auf die »Mühlenberg-Legende« ein, wonach nur durch das Fernbleiben des Frederick Mühlenberg 1794 verhindert worden sei, daß Deutsch als offizielle Amtssprache von Pennsylvania eingeführt wurde. Ja: Mühlenberg setzte sich stark für eine Assimilierung der Deutschen ein – aber die berüchtigte Abstimmung hat es nie gegeben. Letztlich verschwand die deutsche Sprache dennoch fast ganz aus dem öffentlichen Leben in den USA.
Eine Sonderrolle nahm Texas mit seinen Siedlungsprojekten New Braunsfels und Fredericksburg ein. Zur Jahrhundertwende waren nahezu 100 000 Texaner deutschsprachig! Bis heute spricht man vom »German Belt«. Bathelt weist auf zahlreiche Prominente deutscher Zunge hin, die erst in Amerika Karriere machten: etwa auf den Wiener Komponisten und Dirigenten Max Steiner († 1971), der die Filmmusik überhaupt »erfunden« hat; auf das musikalische Wunderkind Erich Wolfgang Korngold († 1957) und auf den berüchtigten Andernacher Schriftsteller Heinrich Karl Bukowski, der unter dem Namen Charles Bukowski (1920 – 1994) mit seinen hemdsärmeligen Suff-Romanen Weltruhm erlangte.
Und: »Die Geschichte der Deutschen in Hollywood böte Stoff für eine eigene Abhandlung: Ernst Lubitsch, Billy Wilder, Hedy Lamarr, Peter Lorre …« Der deutsche Diplomat Oftried Hans von Meusebach hatte einen einzigartigen Vertrag mit den Komantschenkriegern geschlossen – was für eine Sternstunde! Bathelt berührt auch »Kritisches«. Mehr oder weniger wortlos präsentiert er eine Grafik, in der die IQ-Werte innerhalb der USA mit der historisch deutschen Besiedlung verglichen werden. Man muß das Resultat wohl kaum ausbreiten … Dieses kleinformatige Büchlein ist so klug wie unterhaltsam – überhaupt kann man diese ganze Reihe der Eckartschriften (nun bereits Band 255!) gar nicht hoch genug loben!
Ein großes Lob gebührt der Österreichischen Landsmannschaft, daß sie dieses Bildungsgut so sorgsam fördert. Wer einst die Initiative-Taschenbücher von Herder (ab 1974) sammelte und später ein kaplaken-Abo zeichnete, täte gut daran, sich auch um die Eckartschriften zu bemühen – denn in allen Fällen geht es um Wesentliches, nämlich um seriöse Publikationen ohne Verfallsdatum.
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Christoph Bathelt: Der Traum vom Neuanfang. Deutsche Auswanderer in den USA (= Eckartschrift 255), Wien: ÖLM 2023. 111 S., 11,50 €
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