»Bronze Age Pervert«, kurz BAP, ist das Internet-Pseudonym des gebürtigen Rumänen Costin Alamariu. 1980, im Alter von zehn Jahren, wanderten er und seine Familie in die USA aus.
Dort erwarb er einen Bachelor-Abschluß in Mathematik am MIT, studierte Philosophie und wurde 2015 mit seiner Schrift »The Problem of Tyranny and Philosophy in the Thought of Plato and Nietzsche« (Das Problem der Tyrannei und der Philosophie in den Werken Platons und Nietzsches) zum Doktor der Philosophie promoviert. Seitdem beschränkt sich sein Wirken auf das Internet. Im echten Leben ist er weitestgehend abgetaucht und ständig unterwegs, auch um, wie er sagt, seine Lokalisierung durch Behörden zu verhindern.
2013 legte BAP ein Twitter-Konto an, das derzeit 147 000 Follower hat. Er selbst sagt, der Suizid Dominique Venners habe ihn dazu veranlaßt, »öffentlich aktiv« zu werden. Über seine Szene hinaus bekannt wurde BAP 2018 mit seinem Buch Bronze Age Mindset. Zu seiner eigenen Verwunderung erreichte es in kürzester Zeit Platz 100 der weltweiten Amazon-Bücher-Bestenliste. Kurz nach der Veröffentlichung startete BAP seinen Podcast »Caribbean Rhythms« (Karibische Rhythmen). Folgen erschienen und erscheinen auch heute noch im Zwei-Wochen-Takt. »Caribbean Rhythms« hat über 6000 zahlende Abonnenten.
BAPs Philosophie ist vor allem durch Friedrich Nietzsche geprägt. Aus diesem Grund werden bei ihm viele klassisch-rechte und konservative Positionen über Bord geworfen. Das stellt in der Nachkriegsrechten, vor allem in der sogenannten Anglosphäre, ein Novum dar. Es ist wahrscheinlich der erste Grund für seinen Erfolg. Der andere Grund dürfte sich in seinem exzentrischen Auftreten finden lassen. Allein der Name läßt vermuten, daß es sich hier um einen »Internet-Troll« handelt.
Und diese Vermutung ist auch korrekt, nur ist BAP eben kein klassischer Troll, sondern ein sehr intelligenter und belesener. Er pflegt einen äußerst provokanten Stil. Er setzt damit bewußt nicht auf Anschlußfähigkeit, sondern auf Exklusivität. Er verfaßt seine »Posts« in grammatikalisch äußerst schlechtem Englisch, streut Beleidigungen ein und trägt seine Monologe mit stark gekünsteltem russischen Akzent vor. Einmal schummelte er gefälschte Audio-Beschreibungen in eine Museumsausstellung, in denen er die Hörer beleidigte. BAP rechtfertigt diese Tabubrüche damit, die Rechte so wieder zur subversiven Kraft machen zu wollen, wie sie es in der Zwischenkriegszeit bereits einmal war.
Aber sein »Trolling« hat noch einen anderen Zweck: Es läßt linke Journalisten verzweifeln. Deren bewährtes Mittel ist ja bekanntlich, sich laut zu empören, wenn ihnen rechte Inhalte begegnen, um sie so zu verbannen. BAP macht sich hier die eigentliche, unzensierte Internet-Ökonomie zunutze: daß nämlich derjenige verliert, der als erstes die Fassung verliert, weil er sich damit lächerlich macht. Das ist es, was Linke eigentlich fürchten, wenn sie vor der »Verrohung des Diskurses« warnen. BAP reißt ihnen ihre »rebellische Maske« vom Antlitz und zeigt seinen Followern die langweiligen Spießbürger darunter.
Der »Bronze Age Pervert« ist ein interessantes und vielleicht sogar zukunftsweisendes Phänomen und ein Beispiel dafür, daß sich der Wind langsam dreht. Er erreicht als Einzelperson Zielgruppen, die für die Rechte sonst als unerreichbar gelten.
Großen Teilen der deutschen Rechten sind Sie nach wie vor unbekannt. Die meisten deutschen Rechten, die von »Bronze Age Pervert« erfahren, denken, es handle sich dabei um einen »Lifestyle«-Coach, der es nicht wirklich ernst meint. Um solche Vorurteile direkt aus dem Weg zu räumen, möchte ich Sie gleich zu Beginn des Gesprächs danach fragen, welche Literatur Sie inspiriert und geprägt hat – kurz: zu dem gemacht hat, der Sie heute sind.
BAP: Es gibt in meinem Buch Bronze Age Mindset keine »Lifestyle«-Ratschläge. Jedenfalls nicht das, was man gemeinhin darunter versteht: Dieses Zerrbild wurde von Schwätzern verbreitet. Das Buch ist eine intensive Beschäftigung mit Nietzsche – nicht als akademische Abhandlung, sondern persönlich und direkt. Als »Philosoph« aufzutreten und Debatten über Philosophie zu führen mag seine Berechtigung haben, aber oft bedeutet es einfach nur, daß man sich die jeweilige Philosophie nicht angeeignet hat, daß man sie nicht »verdaut« hat.
Obwohl ich mich nur als »Verbreiter« Nietzsches sehe, kann ich mit Stolz behaupten, einer der wenigen zu sein, die Nietzsches Erbe der europäischen Rechten von vor 1940 fortsetzen. Tatsächlich würde ich sogar so weit gehen, von mir zu sagen, derjenige Autor zu sein, der dieses zuvor verfälschte und zensierte Erbe überhaupt wiederbelebt und einem breiteren Publikum, insbesondere jungen Leuten, zugänglich gemacht hat.
Ich möchte Schopenhauer und Nietzsche als meine Hauptinspirationsquellen bezeichnen, obwohl ich auch schon immer Platon las, sogar als kleiner Junge – und Altgriechisch lernte, um Homer zu lesen. Die Bibel und ihre Bilder haben mich nie begeistert, Homer hingegen schon. Neben Nietzsche und Schopenhauer wäre noch La Rochefoucauld zu nennen. Auch er hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck. An Historikern war ich vor allem von Jacob Burckhardt und Ernst Kantorowicz beeindruckt, insbesondere von seinem Buch über Friedrich II. Aber auch Romanautoren haben mich geprägt – immerhin enthält mein Buch belletristische Elemente, und mein zweites Buch wird ein Roman werden. Zu nennen wären Yukio Mishima, Louis-Ferdinand Céline und Ernst Jünger, aber auch Joseph Conrad und Stendhal. Das sind meine Favoriten.
Folgende Bücher sehe ich als perfekt an – ohne auch nur einen Satz, der fehl am Platz ist: Götzen-Dämmerung und Ecce Homo von Nietzsche, Der Seemann, der die See verriet und Schnee im Frühling von Mishima, Der Zwerg von Pär Lagerkvist, Reise ans Ende der Nacht von Céline, In Stahlgewittern von Jünger und Nostromo von Conrad. Ich liebe Schopenhauers gesammelte Aufsätze aus den gleichen Gründen, aus denen Nietzsche sie liebte. Ich stimme mit Schopenhauer darin überein, daß sich die Wahrheit über die Welt oft eher in der Fiktion zeigt als in abstrakten Texten.
Sie haben mehrfach geäußert, sich nicht als »rechts« zu verstehen. Weshalb nicht? Und was ist Ihre Kritik am Begriff des Rechten?
BAP: Das Problem mit dem Begriff »rechts« liegt darin, daß die amerikanische Rechte etwas fundamental anderes ist als die europäische. Und ich habe kein Interesse, mit dieser Art Konservatismus in Verbindung gebracht zu werden. Zwar können diese Konservativen eine Zeitlang gute Verbündete sein, weil wir uns die gleichen Gegner teilen, nämlich Linke und Rote.
Allerdings glaube ich, daß sie uns in bestimmten, kritischen Momenten immer das Messer in den Rücken rammen werden. Es ist mir also überhaupt kein Anliegen, das zu befördern, was man in Amerika unter »rechts« versteht: nämlich übermäßige Religiosität (in einer Art, die ich für Pharisäertum halte), einen Fokus auf den »freien Markt« (oftmals nur ein lauwarmer und unehrlicher Fokus) und außenpolitische Militanz.
Letztere hat vielleicht im Kalten Krieg Sinn ergeben, weshalb auch viele Rechte nach 1945 mit den USA zusammenarbeiteten, insbesondere in der Dritten Welt, aber die amerikanische Rechte liefert seit 1990 nur Fehlschläge – wirtschaftliche Fehlschläge, außenpolitische Fehlschläge und Blamagen – und versteckt sich dabei immer hinter ihrer Religiosität und dieser rührseligen, öffentlichen Frömmigkeit. Sie sind unbedeutende politische Akteure ohne Visionen.
Solche »Rechte« lehnen die Avantgarde ab, die »Dekadenz« und absurden Humor. Statt dessen pflegen sie diese langweilige Bildersprache der »gesunden Werte«, die den Anschein erweckt, sie sei von Anfang an darauf ausgelegt, von Feinden ausgelacht und parodiert zu werden.
Wenn man sich hingegen die Geschichte der wahren Rechten seit 1890 anschaut, wird man sehen, daß es sich dabei um die echte Avantgarde handelte, die den Mantel der Dekadenz an sich riß und so verführen konnte. So zum Beispiel Céline, Mishima oder der George-Kreis, den ich übrigens auch bewundere, und viele andere, die ich noch nennen könnte – das war die Avantgarde, das waren die »Dekadenten« ihrer Zeit, die sich nie der Wahnvorstellung der »gesunden Werte« hingaben, die heute so groß und beliebt geworden ist.
Aber ja – eigentlich bin ich rechts, echt rechts. Die Bücher und die Propheten, denen ich folge, sind Propheten der Rechten. Im Endeffekt ist mir aber egal, wie es genannt wird.
Aus Ihren Überzeugungen ging 2018 Ihr Buch Bronze Age Mindset hervor, mit dem Sie internationale Bekanntheit erlangten. Was sind die Gründe für das große Interesse an Ihrem Buch und Ihrer Person?
BAP: Das Buch Bronze Age Mindset – der Titel ist humoristisch und basiert auf der Internetsprache, die wir zu dieser Zeit verwendeten – war vor allem erfolgreich, weil es lustig ist. Immerhin sehen das meine Leser so. Es ist einzigartig, was Genre und Aufbau betrifft, eine Mischung aus Schwelgen, persönlichen Anekdoten und Nietzsches Gedanken, die die entscheidende Wahrheit unserer Zeit sind, erzählt von jemandem, der lange darüber nachgedacht hat und, wie gesagt, sie »verdaut« und sich angeeignet hat, sie also nicht in theoretischer oder abstrakter Form abhandelt. Niemand mag Abhandlungen. Ich hatte zwar zuvor darüber nachgedacht, ein theoretisches und »philosophisches« Traktat zu verfassen, habe es dann aber doch aus den genannten Gründen bleibenlassen.
Ich nahm mir vor, ein Buch zu schreiben, das sehr persönlich sein sollte, das die Wahrheit vermitteln sollte, so wie sie sich mir eröffnet. Ich glaube, daß ich allerlei Leute damit geprägt habe, in verschiedensten Lebenslagen und politischen Lagern, eben weil das Buch eine Wahrheit über unsere Zeit offenlegt: daß wir in einem klaustrophobischen Gefängnis leben. Ich glaube, viele Leute haben das intuitiv ihr ganzes Leben lang gespürt, konnten aber nie wirklich verstehen, inwieweit oder warum es ein Gefängnis ist, sahen aber wiederum viele Linke und Rechte, die jenes Gefängnis nur dekorieren wollten – bunten Schmuck an die Gitterstäbe hängen und so weiter.
Die Tatsache des »besetzten Raums«, zentral in meinem Buch, läßt sich nicht mehr übersehen, wurden einem erst mal die Augen dafür geöffnet. Dieses Gefühl habe ich mannigfaltig erklärt, seine Ursprünge beleuchtet und auch Auswege aufgezeigt, indem ich historische Beispiele von Männern und Frauen untersuchte, die ihrerzeit ausbrachen. Ich glaube, daß das der Grund für das große Interesse an meinem Buch ist.
Und noch etwas: Es gibt viele andere Kommentatoren und Experten, die nur über Neuigkeiten reden oder Dinge, über die andere bereits reden. Und weil mir schnell langweilig wird, versuche ich, mich und andere zu unterhalten, mit meinen eigenen speziellen Interessen und meinem Wissen, völlig unabhängig von meinen Schauspielaspekten (die mein Alleinstellungsmerkmal sind). Es gibt wenige Leute, die völlig unterschiedliche Dinge in ein und derselben Sendung glaubwürdig besprechen können. Ich meine aber: Wie lang hält man es schon aus, immer wieder das gleiche zu besprechen?
Was unterscheidet den »Wirbel« um Sie von dem, der im Zuge der Wahl Donald Trumps 2016 die sogenannte Alt-Right umgab? Worin unterscheiden Sie sich von ihr und ihren Akteuren?
BAP: Die »Alt-Right« ist ein falscher Begriff und was 2015/16 geschah, wurde tatsächlich kurz vorher angelegt, als wir online aktiv waren, nämlich 2014/15. Vieles wird heute hinsichtlich der »Alt-Right« verfälscht. Irgendwann muß das mal aufgearbeitet und richtiggestellt werden. Denn keine der Gestalten, die 2016/17 unter der Bezeichnung »Alt-Right« auftraten, hatte irgend etwas mit der geistigen und gefühlsmäßigen inneren Revolution der mittleren 2010er Jahre zu tun.
Die meisten waren Opportunisten, die die mediale Aufmerksamkeit genossen, die man uns damals wegen der Neuartigkeit unserer Ideen und wegen Trump schenkte – der übrigens nie wirklich mit uns in Verbindung stand und noch weniger mit den Social-Media-Kaspern, die sich an ihn anhängen wollten. Die meisten dieser Leute hatten nicht einmal eigene Ideen.
Also, um die Frage zu beantworten: Ich bin nicht »Alt-Right«. Ich bin Nietzscheaner. Meine einzige Verbindung zu den Entwicklungen der mittleren 2010er (die sich übrigens bis heute fortsetzen, nur auf anderem Weg) ist die Tatsache, daß auch ich das Internet benutze, um »verbotene Ideen« zu verbreiten. Und ja, ich weiß, daß man Nietzsche an den Universitäten »lehrt« – ich meine aber etwas grundsätzlich anderes.
Wo wir schon einmal bei US-Wahlen sind: Trump entpuppte sich für viele Rechte als herbe Enttäuschung, aber daß die halbe Bevölkerung des »mächtigsten Landes der Erde« für eine rechte Politik – den Bau der »Trump-Mauer« – begeistert werden konnte, machte Hoffnung. Sehen Sie in den USA und Europa auch heute ähnliche Tendenzen? Steht uns, im »Westen«, in den nächsten Jahren eine echte politische Wende bevor?
BAP: Ich schrieb kürzlich einen Artikel über Milei, über exakt diesen Sachverhalt. Ja, ich glaube, daß diese Art von »störenden« Kandidaten auch weiterhin auftauchen wird, unabhängig vom persönlichen Scheitern von Männern wie Trump und Bolsonaro, die, ehrlich gesagt, viel zu alt und zu »patriotisch« sind, um zu tun, was getan werden muß. Trotzdem habe ich die Hoffnung, daß eine Wiederwahl Trumps im Herbst eine Art Wende in Amerika herbeiführen wird. Immerhin wird die Hysterie ins Unendliche gesteigert – es wird Spaß machen, dem zuzuschauen! Jeder sollte diesen Moment des Potentials für solche »Störungen« begrüßen.
Diejenigen, die sich heute noch um bestimmte Maßnahmen der Politik oder um öffentliche Moral sorgen, sind größtenteils fehlgeleitet – eine Ausnahme bildet da natürlich die Massenmigration, die aufgehalten und umgekehrt werden muß, sonst sieht die europäische Zivilisation einer düsteren Zukunft entgegen. Die Maßnahmen zur Umkehr variieren allerdings von Land zu Land. Zwar unterstütze ich Leute wie Trump für ihr »Störungs«-Potential, aber ich sehe auch, daß etwa Dänemark die Massenmigration durch seine professionelle »sozialdemokratische« Politik umkehren kann, was ich ebenso begrüße.
Der konkrete politische Weg ist mir eigentlich ziemlich egal. Ich werde da auch oft mißverstanden: Für mich ist Politik rein pragmatisch und instrumentell. Auch in meinem Buch schrieb ich, daß Trump höchstwahrscheinlich nicht erfolgreich sein wird, daß es aber viel stärker auf die »Energien« ankomme, die er freisetzen werde.
Um die Frage zu beantworten: Die Krisen unserer Zeit werden anhalten, weil wir von Schwachköpfen regiert werden. Irgend etwas ist defekt an unserem System der »Eliten-Auswahl«, am »meritokratischen« System moderner, fortschrittlicher Staaten. Ein defektes Auswahlsystem sorgt dafür, daß lauter Dummköpfe und Opportunisten in die Regierung und an Schlüsselpositionen gespült werden. Es gibt auch wirklich intelligente Leute, die in Regierungen und Unternehmen erfolgreich sind, insbesondere in der Technikbranche, aber es sind zu wenige, und ihre Umwelt ist gegen sie gerichtet – die meisten »Tech-Milliardäre« haben tatsächlich keine wirkliche Macht.
Solange das globale Regime des Schwachsinns vorherrscht, werden Kandidaten wie Trump, Bolsonaro und Milei auftauchen – und ich begrüße das, unabhängig von ihren persönlichen Verfehlungen oder ihren hin und wieder unausgereiften Maßnahmen.
Welche welthistorischen Trends beobachten Sie darüber hinaus im allgemeinen?
BAP: Eine ziemlich umfassende Frage – in kurzfristiger, mittelfristiger oder langfristiger Zukunft? Die Antworten sind meist sehr unterschiedlich. Ich versuche, in allen drei Zukunftsaspekten zu denken – manchmal beobachte ich dabei unterschiedliche Trends, je nach Aspekt. Als Komödiant und Autor interessiert mich aber vor allem die langfristige Zukunft, denn ich kann nur auf eine geistige Veränderung Einfluß nehmen: eine Veränderung der Mentalität, der Wünsche und Ansichten der Leser. Und das auf das echte Leben zu übertragen ist ziemlich kompliziert.
Ich antworte trotzdem: Ich glaube, daß das langfristige Fehlen von »Humankapital« zum Scheitern der meisten großen Staaten führen wird. Damit verbunden ist die Tatsache, daß diese großen Staaten ihre jeweiligen Nationalidentitäten größtenteils ausgesaugt und homogenisiert haben, sie zu etwas gemacht haben, das sie vorher nicht waren, und sie dadurch geschwächt und verfälscht haben. Ich glaube, daß trotz der geschwellten Brust vieler »konservativer« Akademiker, Intellektueller und Experten traditionelle Gruppen wie Nationalgruppen, ethnische Gruppen und Religionen keine langfristige Zukunft haben.
Insbesondere moderne Religionen sehe ich als unehrlich an: Ich glaube nicht, daß heute noch irgend jemand an etwas glaubt, außer an die materielle Realität. Jedenfalls benimmt sich niemand so. Einige denken, zwei Jahrhunderte der Skepsis am Glauben ließen sich ungeschehen machen, indem man einfach laut genug schreit. Aber die, die am lautesten religiös schreien, haben meistens die primitivsten Gründe dafür, seien es politische, sexuelle oder Gründe der Nützlichkeit.
Ich sehe eine Verslumung als ein fast unausweichliches Schicksal für einen Großteil der Welt an. Biologisch gesehen ist das sowieso eine natürliche Folge des unkontrollierten Wachstums der Menschheit. Ich beobachte also einen Trend zu wackeligen, scheiternden Megastaaten, die eine riesige Verslumung des Lebens überwachen. Vielleicht wird es Ausnahmen in einigen Teilen der Welt geben, mit Singapur-artigen Refugien, wobei selbst das bei dem derzeitigen »Humankapital« und dem fehlenden politischen Willen fraglich ist. Innerhalb dieser Slum-Welt wird es jedoch für kleine Gruppen von Männern neue Möglichkeiten geben, die ich auch in meinem Buch beschreibe – ein neuer Templerorden wäre denkbar –, um Netzwerke zu erschaffen, sogar innerhalb der verfallenen Zivilisationen oder an ihren Rändern. Vielleicht nicht von der Größe Singapurs, aber wenigstens kleine Festungen, in denen das Licht des Wissens und des Potentials für die Zukunft bewahrt wird.
Zusammenfassend könnte man also sagen: Ich beobachte Trends der Zersetzung großer Staaten und zentraler Macht, aber ich sehe darin auch neue Chancen. Ich glaube also nicht, daß moderne Staaten gerettet werden können, unterstütze aber Freunde, die das so sehen. Es ist auch möglich, daß mit dem Fall der heutigen Staaten Nachfolgeregime entstehen, die den Erhalt der europäischen Zivilisation und Exzellenz ernst nehmen.
Irgendwann fällt jedes System, und auch das derzeitige System wird irgendwann nachgeben. Was danach passiert, weiß ich nicht. Es könnte die Slum-Welt sein, es könnten aber auch bessere Regime in einigen Teilen der Welt entstehen. Die große Frage, die Länder und Regionen wie Europa, Rußland, Amerika und Japan vereint, ist, ob sie den globalen Süden außerhalb ihrer Grenzen halten können.
Übrigens: Ein weiterer, interessanter Trend, der mir neulich auffiel, ist, daß es scheinbar eine Art »biologischer Weggabelung« bei Jugendlichen gibt, jedenfalls in Amerika und Europa. Die meisten Zoomer sind genetische und biologische Wracks, aber eine kleine Minderheit ist extrem beeindruckend in jeder Hinsicht – Aussehen, Geist, Intelligenz, Kreativität.
Wie stehen Sie zu Deutschland, zu seiner Rolle in der Geschichte und in der Politik? Worauf müßten wir, die wir an einer politischen Wende in Deutschland arbeiten, abzielen, Ihrer Meinung nach?
BAP: Ich glaube, Deutschland war einmal dazu bestimmt, die europäische Zivilisation anzuführen, wie es Rom einst tat, und daß durch Deutschland (und Frankreich) Europa die Welt anführen würde. Das war Nietzsches Vision, inklusive einer neuen europäischen Herrscherschicht, die nationale und dynastische Einschränkungen überwinden würde. Die EU ist eine absurde Parodie dieser Vision.
Einige Leute sagen, Deutschland hätte den Ersten Weltkrieg gewinnen sollen. Ich halte diesen Krieg für eine unvermeidliche Katastrophe. Neulich habe ich erfahren, daß Nietzsche eine teilweise Erholung in der Nervenheilanstalt durchmachte, aber dennoch dort festgehalten wurde – nicht weil er unheilbar krank war, sondern weil er den Kaiser kritisierte, den Schwachkopf Wilhelm II.
Und das ist nicht einmal ein moralisches Urteil meinerseits, sondern eine Feststellung der Tatsache, daß dieser dumme Herrscher es fertigbrachte, Frankreich und Rußland in ein Bündnis zu treiben. Überhaupt ergab die deutsche Militarisierung keinen Sinn – Deutschland hätte Europa durch seine überlegene Demographie, Wirtschaft und seinen unnachahmlichen Intellekt übernommen. Es ist schade, daß die »Nietzscheaner« nicht das Ruder übernehmen konnten, bevor der Erste Weltkrieg ausbrach.
Ja, ich glaube, daß durch eine Aneinanderreihung von unglücklichen Unfällen Europas eigentliches Schicksal als Herrin der Welt – unter einer vereinten europäischen Aristokratie, vielleicht mit Deutschland als Zentrum, sicher als intellektuelles und spirituelles Zentrum –, dieser deutsche Hellenismus abgebogen wurde, das halte ich für ein großes Unglück für die Welt.
Ob das noch mal möglich sein wird, weiß ich nicht, ich hoffe es aber. Meine deutschen und europäischen Freunde sind zuversichtlich, aber die Zeiten haben sich seit 1890 oder 1900 eben geändert. Kurzfristig ist es jedenfalls wichtig, die Massenmigration zu stoppen – wodurch auch immer, sogar wenn man dazu »cucken« muß wie in Dänemark – und einen Prozeß der friedlichen Rückführung aus Deutschland und Europa einzuleiten.
Mittelfristig ist es wichtig, die Herrschaft des »EU-Menschen« zu brechen, einer besonders verächtlichen Version von Nietzsches »letztem Menschen«, der nicht nur Europa beherrscht, sondern auch große Teile seiner Bevölkerung ausmacht. Das sind Wesen ohne Geist, perfekt dargestellt im Film L’auberge espagnole – da kann man den Charakter und die Mentalität dieses Typus wunderbar erkennen. Jeder, der in Europa Zeit verbracht hat, kennt diesen Menschenschlag, er ist sehr häufig anzutreffen. Solange das der prägende Geist europäischer und deutscher Kultur ist, wird nichts Großes geschehen.
Mittelfristig muß dieser Menschentypus in den Hintergrund rücken. Ich schrieb mein Buch teilweise aus diesem Grund – um einen anderen Menschenschlag aufzuwecken. Beim Anblick solcher Menschen fällt mir kein Sinn ein, den ihr Lebens haben könnte, Existenz, ja, aber darüber hinaus kein Grund. Daraus rühren keinerlei Gewaltphantasien, eher ein nüchterner Blick: Der »EU-Mensch« hat nicht einmal selbst irgendeinen Grund für seine Existenz – effektiv schafft er sich damit also selbst ab, löscht sich selbst aus. Das Heilmittel dagegen kann nicht sein, »Familienwerte« oder die Religion wiederzubeleben, denn das begrüßt er selbst ja auch. Es bedarf einer erweckenden, anderen Vision der Zukunft, kompromißlos.
Wir haben zwar zu Anfang bereits festgestellt, daß Sie eigentlich keine Lifestyle-Tips geben. Dennoch möchte ich Sie zum Schluß fragen: Was kann und soll der einzelne tun, der heute die gleiche tiefe Unzufriedenheit mit den Zuständen fühlt wie wir?
BAP: Den vierten Teil von Bronze Age Mindset schrieb ich mit dieser Frage im Hinterkopf. Ich würde sagen: Es kommt auf die Interessen und den Charakter an. Ich glaube, der Ansatz der »Infiltration« ist wichtig für diejenigen, die es können und zu denen er paßt. Er bietet ein relativ normales Leben und normalen Erfolg für diejenigen, die sich das wünschen. Ich rede von der Infiltration, der Durchdringung verschiedener staatlicher Bürokratien, nicht nur des Sicherheitsapparats auf allen Ebenen, inklusive Staatsanwälten und Richtern, sondern auch anderer Organe staatlicher Bürokratie.
Der Grund, warum Trump seine Agenda in Amerika nicht friedlich durchsetzen kann, ist die dauernde Sabotage und Befehlsverweigerung der permanenten Bürokratie, die ihr eigener Regierungszweig geworden ist. Ich wünsche mir auch die Infiltration des Militärs, wo auch immer das möglich ist – in Amerika ist es derzeit sehr schwierig und unangenehm. Ich denke, ein erfolgreicher Militärputsch in einer mittelgroßen Nation, nicht etwa Burkina Faso, sondern auf dem Niveau von Portugal oder Südkorea, der eine vernünftige Regierung an die Macht bringt, könnte Nachahmer in anderen Ländern auf den Plan rufen – aber das steht uns keineswegs bevor.
Ich selbst war nie geeignet für so etwas, habe daraus aber auch nie einen Hehl gemacht. Ich mag Störungen des öffentlichen Friedens, Unruhestiftung, aber Gerüchte, daß ich jemals eine Mafia anführen könnte, sind absurd. Ich denke aber trotzdem, daß informelle und geheime Netzwerke geschaffen werden müssen. Ich möchte eigentlich das Wort »Mafia« nicht verwenden, aber die Mafia entstand aus einem Mangel an guten Regierungen und der unparteiischen Anwendung von Gesetzen heraus. Demnach wird sich also ein oder werden sich mehrere Geheimorden von Männern bilden, also wirklich geheime, die nicht auf den sozialen Medien beworben werden.
Ich denke, daß sich inzwischen jeder zumindest mit zwei oder drei Freunden zusammentun kann. Natürlich muß auch hier aussortiert werden, aber solche Kleinstgruppen sind im Prinzip immun gegen staatliche Durchdringung und können extrem effektiv sein. Damit meine ich übrigens nichts Ominöses – eine kleine Gruppe von hochrangigen Beamten in verschiedenen Regierungsbereichen kann, ganz legal und rechtens, allerlei Dinge erreichen.
Dann gibt es noch Leute wie mich, die einfach kein normales Leben leben können oder literarische, artistische oder komödiantische Ambitionen haben. Das wäre für mich »geistige Kriegsführung«. Damit meine ich keine Propaganda, keine Predigten oder »belehrende Kunst«, sondern ehrliche Kunst, die die Leute an eine potentielle, goldene Zukunft erinnert, die sie zur Wahrheit inspiriert.
Humor ist da der beste Verbündete, denke ich. Man sollte sich auf die Dekadenz einlassen und dabei die Wahrheit predigen, so wie Céline es tat und wie Houellebecq es heute noch tut. Mishima war kein »tugendhafter Minnesänger« – er reiste in die Tiefen des modernen Lebens, in seinen Kern und noch weiter, und war so in der Lage, die Bedeutung des Schicksals seines Volks zu bewahren – und die Flamme des Lebens der Menschheit überhaupt, für die kommenden Generationen.