Willmy: Operation Donnerschlag

von Karl Sternau --

Lukas Willmy geht in seiner Dissertation der Frage nach, warum es zur Operation »Donnerschlag« der Royal Air Force (RAF) kam, der 1945 Städte wie Dresden, Pforzheim und Würzburg zum Opfer fielen.

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Zu die­sem Zeit­punkt war in der Füh­rung der RAF schon lan­ge klar, daß das »Mora­le Bom­bing« die deut­sche Zivil­be­völ­ke­rung nicht bre­chen wür­de. Den­noch wur­den die Ter­ror­an­grif­fe in den letz­ten Kriegs­mo­na­ten zu einem bis­lang unbe­kann­ten Aus­maß gesteigert.

Um die­ses Vor­ge­hen nach­voll­zie­hen zu kön­nen, beginnt Will­my bei der Kolo­ni­al­ge­schich­te des Empires. Um ein besetz­tes Gebiet mit weni­gen Sol­da­ten unter Kon­trol­le zu hal­ten, führ­te die bri­ti­sche Armee Straf­ex­pe­di­tio­nen durch. So soll­ten durch extrem abschre­cken­de Kol­lek­tiv­stra­fen Auf­stän­de und Gue­ril­la-Aktio­nen ver­hin­dert werden.

Als Bei­spiel führt der Autor das »Mas­sa­ker von Amrit­sar« von 1919 an, bei dem fried­li­che Demons­tran­ten ohne Vor­war­nung nie­der­ge­schos­sen wur­den. Mit über 370 toten Män­nern, Frau­en und Kin­dern ver­fehl­te das Blut­bad sei­ne Wir­kung in der indi­schen Bevöl­ke­rung nicht. Win­s­ton Chur­chill distan­zier­te sich damals öffent­lich von die­sem grau­sa­men Vor­ge­hen – was Will­my als »klu­gen poli­tik­tak­ti­schen Schach­zug« charakterisiert.

Tat­säch­lich sprach sich der spä­te­re Pre­mier­mi­nis­ter Groß­bri­tan­ni­ens in der Fol­ge­zeit immer wie­der für die Nut­zung von Mili­tär­tech­nik und Straf­ex­pe­di­tio­nen zum Ein­spa­ren von Sol­da­ten aus. Sowohl im Bri­tisch-Soma­li­land als auch im Irak wur­de dafür schon die Luft­waf­fe ein­ge­setzt. Das Kon­zept der »Air Con­trol« war gebo­ren. Die­se Stra­te­gie der kos­ten­spa­ren­den Gebiets­kon­trol­le aus der Luft wur­de in der »Tren­chard-Dok­trin« gebündelt.

Die nach Hugh Tren­chard, dem dama­li­gen Kom­man­deur der RAF, benann­te Leit­li­nie blieb bis 1945 maß­geb­lich, was von der For­schung, so Will­my, bis­her nicht hin­rei­chend erkannt wor­den sei. Sie besagt, daß für das Ziel der Pazi­fi­zie­rung im Fal­le des Wider­stands eine har­te Lek­ti­on nötig sei. Die­se muß so stark sein, daß sie für lan­ge Zeit im Gedächt­nis bleibt (»Mora­le Effect«).

Bereits nach Kriegs­be­ginn 1939 warb die Luft­waf­fe intern dafür, die Bevöl­ke­rung im Ruhr­ge­biet zu bom­bar­die­ren, um im Sin­ne ­Tren­chards Angst und Schre­cken zu ver­brei­ten. Pre­mier­mi­nis­ter Cham­ber­lain bestand aber dar­auf, nur mili­tär­stra­te­gi­sche Ein­sät­ze zu flie­gen. Dies änder­te sich am 10. Mai 1940, als Chur­chill das Amt über­nahm. Noch vor dem deut­schen Luft­schlag auf Rot­ter­dam sprach sich der neue Pre­mier für die Bom­bar­die­rung des Ruhr­ge­biets aus. Die deut­schen Luft­an­grif­fe auf Lon­don nutz­te Chur­chill – wie spä­ter Coven­try – als »ein­wand­frei­en Anlaß« für die Stra­te­gie der Massenbombardements.

Um das Kriegs­recht for­mal ein­zu­hal­ten, kon­zen­trier­te sich die RAF in der Pha­se bis Früh­jahr 1942 auf Infra­struk­tur in der Nähe von Wohn­ge­bie­ten wie Bahn­hö­fe. Dabei wur­den »Fehl­wür­fe« oder das Abla­den der Bom­ben bei schlech­ter Sicht (etwa in der Nacht) über dem Stadt­ge­biet expli­zit begrüßt. Selbst­ver­ständ­lich wur­de dar­über in der Öffent­lich­keit geschwie­gen und sogar geziel­te Des­in­for­ma­ti­on ver­brei­tet, die »bis in die heu­ti­ge Zeit hin­ein nachwirkt«.

Der Autor zeigt auf, daß es auch weit vor der berüch­tig­ten »Area Bom­bing Direc­ti­ve« Plä­ne für das offe­ne Bom­bar­die­ren der Zivil­be­völ­ke­rung gab. Das deut­sche Volk reagier­te auf die­se Stra­te­gie des »Mora­le Bom­bing« trotz der Ein­äsche­rung gan­zer Groß­städ­te nur apa­thisch, und es kam nicht zu Auf­stän­den gegen das NS-Regime. Der Ober­kom­man­die­ren­de des Bom­ber Com­mand, Arthur Har­ris, glaub­te ent­ge­gen dem offen­sicht­li­chen Miß­er­folg wei­ter an eine Kriegs­ent­schei­dung aus der Luft.

Charles ­Por­tal, Ober­be­fehls­ha­ber der RAF, war hier mehr Rea­list und stimm­te 1944 für Angrif­fe auf die deut­sche Treib­stoff­ver­sor­gung, wie sie von der US Air Force erfolg­reich betrie­ben wur­den. Will­my betont aber, daß Por­tal genau­so wie Har­ris »Tren­char­dist« blieb und nur Geg­ner eines exklu­si­ven »Moral Bom­bing« war. Der Por­tal-Plan, eine »augen­schein­lich über­se­he­ne Quel­le«, bil­de­te sogar eine wich­ti­ge Grund­la­ge für die spä­te­re Ope­ra­ti­on »Don­ner­schlag«. Der Ober­be­fehls­ha­ber der RAF for­der­te eine har­te Lek­ti­on noch wäh­rend des Krie­ges, die die Deut­schen so ein­schüch­tern soll­te, daß man in der Besat­zungs­zeit davon pro­fi­tie­ren könne.

Die­se Ansicht setz­te sich trotz Kri­tik des Hee­res durch, und die RAF plan­te den »spek­ta­ku­lä­ren Mas­sen­tod aus der Luft«, wofür man kul­tu­rell bedeu­ten­de, bis­her unbe­schä­dig­te Städ­te aus­wähl­te. Es wur­de ent­schie­den, einen geeig­ne­ten Zeit­punkt kurz vor Kriegs­en­de abzu­war­ten. Ende Janu­ar 1945 gab Chur­chill per­sön­lich den Befehl, »Don­ner­schlag« zu ver­wirk­li­chen, um die Deut­schen zu pazi­fi­zie­ren. Erst Ende März 1945 ging er vor­sich­tig auf Distanz, weil er die Öffent­lich­keit und eine Sowje­ti­sie­rung der Deut­schen fürchtete.

Die archi­va­lisch fun­dier­te Her­aus­ar­bei­tung der Moti­ve und der Ent­schei­dungs­trä­ger hin­ter der völ­ker­rechts­wid­ri­gen Ope­ra­ti­on »Don­ner­schlag« ist das Haupt­ver­dienst des Buches. Ins­ge­samt lesen sich die über 500 Sei­ten Haupt­text auf­grund häu­fi­ger Wie­der­ho­lung und vie­ler eng­li­scher Zita­te lei­der nicht sehr flüs­sig. Den­noch wird die zukünf­ti­ge For­schung vor allem wegen der unge­zähl­ten, oft­mals unbe­ach­te­ten Archiv­quellen im gewal­ti­gen Fuß­no­ten­ap­pa­rat nicht an die­sem Werk vorbeikommen.

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Lukas Will­my: Ope­ra­ti­on Don­ner­schlag. Impe­ria­le Auf­stands­be­kämp­fung aus der Luft und das »Mora­le Bom­bing« deut­scher Städ­te durch die bri­ti­sche Roy­al Air Force 1945, Göt­tin­gen: Wall­stein 2024. 600 S., 45 €

 

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