Dort geht es darum, daß sich eine Frau ins gesellschaftliche Abseits schraube, falls sie die Option »Vollzeitmutter« erwäge.
Frau Bonelli betritt insofern (fast; man denke an Eva Herman und Birgit Kelle) Neuland. Es fehlen Frauen, die so fröhlich von ihrem Dasein als Mutter berichten!
Es ist ziemlich objektiv ums X‑fache wertvoller, sich dem eigenen Nachwuchs zu widmen, statt Maßprothesen anzupassen, eine universitäre Karriere zu betreiben, die im Mittelbau und einer irrelevanten Promotion strandet, fremde Kinder anzulernen, die REWE-Kasse zu bedienen oder Karosserien zu inspizieren, während die Kleinen in der Krippe auf Mama warten.
Bist du lieber Ganztagsmutter oder gehst du für Lohn arbeiten? – Diese Frage ist keineswegs neu. Die Debatte zwischen »Rabenmutter« und »Heimchen am Herd« läuft seit vielen Jahrzehnten, und stets war sie extrem polarisiert. Victoria Bonelli ist mit Leib und Seele Vollzeitmutter – und lesend glaubt man ihr sofort, daß daran nichts gemogelt oder schöngeredet ist. Sie schwebt glaubhaft auf Wolke sieben! Frau Bonelli ist Mutter von fünf Söhnen und Ehefrau (eines deutlich älteren Mannes) – und wünscht sich noch mehr Kinder. Warum, obwohl es wirklich anstrengend ist? Hier kann man es lesen, und es ist überaus ermunternd!
Natürlich ist Victoria Bonelli ein besonderer Fall. Sie hat diesen Titel deshalb so vorteilhaft landen können, weil ihr Mann, der Psychiater und Familientherapeut Raphael Bonelli, ein angesehener (und, darf man sagen: »rechtsoffener«?) »Influencer« ist.
Frau Bonelli hat als »Einserabiturientin« ihre potentielle Karriere als Frau Dr. ad acta gelegt – nun: nach einem Bachelor-Abschluß. Hier beschreibt sie uns heiter die Sorgen und Nöte einer jungen Fünffachmutter. Junge Frauen werden sich durch die Lektüre hoffentlich extrem angespornt fühlen – und das ist ernst gemeint! Nichts geht über Frauenpower, die in solche Bahnen gelenkt wird!
Und doch fühlt man sich als Leserin gelegentlich seltsam bekleckert: Muß der Ehemann dauernd »schmunzeln«, »freudig lächeln« oder hilfreich beiseite stehen? Dieser »Traummann«, der »beste Ehemann von allen«?
»Ich schwärme für seine vielen Talente, für seine Männlichkeit, seine Brillanz und besonders für sein großes Herz.« Das ist einerseits herzzerreißend, andererseits auch etwas – wie man heute sagt: too much?
Muß das »Hoppe, hoppe, Reiter«-Spiel (wer kennt es nicht?) so detailliert pädagogisch ausgebreitet werden? Ungewollt sendet Frau Bonelli in ihrem (grundsätzlich höchst begrüßenswerten) Familienrausch auch peinliche Entmannungsbotschaften aus. Insofern ist ihr Buch eine Gratwanderung. Daß sie übrigens gar nicht Vollzeitmutter, sondern zudem Autorin ist – geschenkt.
»Für mich ist Hingabe die höchste Form der Selbstverwirklichung«, schreibt Frau Bonelli. Man darf dies bejubeln – und wird ihr in diesem Sinne das Allerbeste wünschen. Aber merke, frei nach Nietzsche: Nicht die hohe Gesinnung, sondern das lange Durchhalten macht die Frau. Insofern ist zunächst alles richtig mit diesem Buch. Sie hält noch Jahrzehnte hoffentlich durch!
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Victoria Bonelli: Vollzeitmutter. Der wichtigste Beruf der Welt, Wien: edition a 2024. 223 S.,
24 €
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