In seinem aktuellen Buch richtet er sein Hauptaugenmerk auf Roma-Frauen und Roma-Kinder, die innerhalb des Gebietes der Europäischen Union zur Prostitution gezwungen werden. Diese Dokumentation ist nichts für schwache Nerven. Kapitelweise werden hier einzelne Länder abgeschritten, hier und da werden Einzelschicksale dokumentiert.
Die Zahl der Roma-Frauen und ‑Kinder innerhalb des Gewerbes ist überdurchschnittlich, aber konkret ähnlich schwierig zu ermitteln wie die Zahl dieser Volksgruppe überhaupt. Eine Vielzahl der Romnja geben sich lieber als Rumäninnen, Bulgarinnen, Spanierinnen oder Südamerikanerinnen aus – denn das Volk, das man einst Zigeuner nannte, ist nirgendwo gut angesehen. »Sicher ist, daß ihre Zahl kontinuierlich wächst«, sagt Paulus, »denn für die Zukunft zu planen, ist vielen Roma ziemlich fremd. Und so kommen sie eben, die Kinder.«
Beispiel Bulgarien: Rund 325 000 Roma sind registriert, nach Schätzungen sind es tatsächlich gegen 750 000. Paulus läßt eine Sozialpädagogin des Hilfsprojekts FLORIKA zu Wort kommen: Es sei der Traum vieler Roma-Jungen, Zuhälter zu werden – es seien die einzigen ihnen bekannten Männer, die gut gekleidet sind und schicke Autos fahren.
Die Mädchen erhalten Lese- und Rechnen-Unterricht durch eine Hilfsorganisation, blühen aber so richtig auf, als der Tanzlehrer kommt. Eine Tanztournee durch Deutschland – wäre das nicht eine gute Idee? Bloß nicht, sagt die Mitarbeiterin, »sie würden beim Anblick des Wohlstands in Deutschland alles klauen, was ihnen in die Finger kommt.«
Bei FLORIKA wird auch über die Taktiken und Tricks der Menschenhändler aufgeklärt – daher werden die Helferinnen oft gehaßt und verjagt; Prostitution ist nun mal eine sichere Einnahmequelle. In das Roma-Viertel Stolipinowo, einen Stadtteil von Plowdiw, hat kaum ein Plowdiwer je einen Fuß gesetzt, und selbst die Polizei umgeht den Distrikt lieber – ein Streifenwagen fährt zu den Wellblechbaracken, die Beamten steigen aus, um eine Schlägerei zu schlichten und, zack, sind sämtliche Reifen des Polizeiautos abmontiert. Innerhalb von Stolipinowo, eine Sonderregel, werden übrigens nur männliche Stricher akzeptiert.
Beispiel Rumänien: Hier leben 620 000 registrierte Roma, geschätzt zwei Millionen. Seit 2014 wird Prostitution geduldet, seither hat sich der schon länger boomende Sextourismus noch mal verstärkt. Paulus besucht eine Psychologin, die rund um Bukarest drei Schutzhäuser für Mädchen leitet, die der Sexsklaverei in Wien, Zürich, Hamburg oder Berlin entkommen sind. 750 junge Frauen, Durchschnittsalter 14, konnte sie seit 1999 in ihren Häusern aufnehmen, 82 Prozent von ihnen konnten in ein Leben ohne Zwangsprostitution reintegriert werden. Tropfen auf den heißen Stein!
Beispiel die (wiewohl nicht EU-Mitglied) Republik Moldau, wo besonders viele Kleinkinder als »vermißt« gelten. Ganze Kontingente von »Heimkindern« wurden dort als »vermißt« gemeldet – »die Pädokriminellen-Szene weiß, wo sie ihre Opfer findet.«
Beispiel Slowakei: Laut Paulus machen Roma fast zehn Prozent der Bevölkerung aus. Für feierwütige Briten ist Bratislava mit seinen zahlreichen Bars, »Saloons« und Puffs längst zu »Partyslava« geworden, mit einem Manko: »Wie ernüchtert viele Briten waren, als sie nach den Orgien feststellen mußten, daß ihre Brieftaschen samt Geld und Kreditkarte verschwunden waren.«
Beispiel Ukraine, die so gern zur EU gehören würde. Hier haben wir rund 400 000 Roma, die großteils in Ghettos oder einfach im Wald leben. Ukrainische Romnija sind eine überaus begehrte Handelsware. Die Vielzahl der ausgehungerten, blutig gekratzten, von Läusen geplagten, Klebstoff schnüffelnden Roma-Straßenkinder war bereits vor Kriegsbeginn ein großes Problem.
Im Raum Donezk und Odessa befinden sich laut Paulus schreckliche Kinderpornographiestätten, die vor allem aus den Roma-Zusammenhängen ihr Futter beziehen. Hier entstehen nicht nur »LO«-Filme (»Lolita«, also junge Kinder betreffend), sondern auch SM‑, Trash‑, und Snuffilme. Will man das ausbuchstabiert haben? Es geht letztlich um den gefilmten Tod der Opfer.
Das Buch von Manfred Paulus ist erschütternd. In seiner Konklusion allerdings wirkt der Autor wankelmütig: Wieder und wieder betont er, wie schlimm »antiziganistische« Vorurteile wirkten. Dutzendemal allerdings gesteht er auch zu, daß »dies & das« leider tief in der Roma-Tradition verankert sei.
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Manfred Paulus: Verkaufte Menschen. Roma in der Prostitution, Wien: Promedia 2024. 232 S., 25 €
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