Manfred Paulus: Verkaufte Menschen

Der mittlerweile pensionierte Kriminalhauptkommissar Manfred Paulus (*1943) ermittelte lange Jahre in den Bereichen Rotlichtkriminalität und Menschenhandel.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

In sei­nem aktu­el­len Buch rich­tet er sein Haupt­au­gen­merk auf Roma-Frau­en und Roma-Kin­der, die inner­halb des Gebie­tes der Euro­päi­schen Uni­on zur Pro­sti­tu­ti­on gezwun­gen wer­den. Die­se Doku­men­ta­ti­on ist nichts für schwa­che Ner­ven. Kapi­tel­wei­se wer­den hier ein­zel­ne Län­der abge­schrit­ten, hier und da wer­den Ein­zel­schick­sa­le dokumentiert.

Die Zahl der Roma-Frau­en und ‑Kin­der inner­halb des Gewer­bes ist über­durch­schnitt­lich, aber kon­kret ähn­lich schwie­rig zu ermit­teln wie die Zahl die­ser Volks­grup­pe über­haupt. Eine Viel­zahl der Romnja geben sich lie­ber als Rumä­nin­nen, Bul­ga­rin­nen, Spa­nie­rin­nen oder Süd­ame­ri­ka­ne­rin­nen aus – denn das Volk, das man einst Zigeu­ner nann­te, ist nir­gend­wo gut ange­se­hen. »Sicher ist, daß ihre Zahl kon­ti­nu­ier­lich wächst«, sagt ­Pau­lus, »denn für die Zukunft zu pla­nen, ist vie­len Roma ziem­lich fremd. Und so kom­men sie eben, die Kinder.«

Bei­spiel Bul­ga­ri­en: Rund 325 000 Roma sind regis­triert, nach Schät­zun­gen sind es tat­säch­lich gegen 750 000. Pau­lus läßt eine Sozi­al­päd­ago­gin des Hilfs­pro­jekts FLORIKA zu Wort kom­men: Es sei der Traum vie­ler Roma-Jun­gen, Zuhäl­ter zu wer­den – es sei­en die ein­zi­gen ihnen bekann­ten Män­ner, die gut geklei­det sind und schi­cke Autos fahren.

Die Mäd­chen erhal­ten Lese- und Rech­nen-Unter­richt durch eine Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on, blü­hen aber so rich­tig auf, als der Tanz­leh­rer kommt. Eine Tanz­tour­nee durch Deutsch­land – wäre das nicht eine gute Idee? Bloß nicht, sagt die Mit­ar­bei­te­rin, »sie wür­den beim Anblick des Wohl­stands in Deutsch­land alles klau­en, was ihnen in die Fin­ger kommt.«

Bei FLORIKA wird auch über die Tak­ti­ken und Tricks der Men­schen­händ­ler auf­ge­klärt – daher wer­den die Hel­fe­rin­nen oft geh­aßt und ver­jagt; Pro­sti­tu­ti­on ist nun mal eine siche­re Ein­nah­me­quel­le. In das Roma-Vier­tel Sto­li­pi­no­wo, einen Stadt­teil von Plow­diw, hat kaum ein Plow­di­wer je einen Fuß gesetzt, und selbst die Poli­zei umgeht den Distrikt lie­ber – ein Strei­fen­wa­gen fährt zu den Wellblech­baracken, die Beam­ten stei­gen aus, um eine Schlä­ge­rei zu schlich­ten und, zack, sind sämt­li­che Rei­fen des Poli­zei­au­tos abmon­tiert. Inner­halb von Sto­li­pi­no­wo, eine Son­der­re­gel, wer­den übri­gens nur männ­li­che Stri­cher akzeptiert.

Bei­spiel Rumä­ni­en: Hier leben 620 000 regis­trier­te Roma, geschätzt zwei Mil­lio­nen. Seit 2014 wird Pro­sti­tu­ti­on gedul­det, seit­her hat sich der schon län­ger boo­men­de Sex­tou­ris­mus noch mal ver­stärkt. Pau­lus besucht eine ­Psy­cho­lo­gin, die rund um Buka­rest drei Schutz­häu­ser für Mäd­chen lei­tet, die der Sex­skla­ve­rei in Wien, Zürich, Ham­burg oder Ber­lin ent­kom­men sind. 750 jun­ge Frau­en, Durch­schnitts­al­ter 14, konn­te sie seit 1999 in ihren Häu­sern auf­neh­men, 82 Pro­zent von ihnen konn­ten in ein Leben ohne Zwangs­pro­sti­tu­ti­on reinte­griert wer­den. Trop­fen auf den hei­ßen Stein!

Bei­spiel die (wie­wohl nicht EU-Mit­glied) Repu­blik Mol­dau, wo beson­ders vie­le Klein­kin­der als »ver­mißt« gel­ten. Gan­ze Kon­tin­gen­te von »Heim­kin­dern« wur­den dort als »ver­mißt« gemel­det – »die Pädo­kri­mi­nel­len-Sze­ne weiß, wo sie ihre Opfer findet.«

Bei­spiel Slo­wa­kei: Laut Pau­lus machen Roma fast zehn Pro­zent der Bevöl­ke­rung aus. Für fei­er­wü­ti­ge Bri­ten ist Bra­tis­la­va mit sei­nen zahl­rei­chen Bars, »Saloons« und Puffs längst zu »Par­tys­la­va« gewor­den, mit einem Man­ko: »Wie ernüch­tert vie­le Bri­ten waren, als sie nach den Orgi­en fest­stel­len muß­ten, daß ihre Brief­ta­schen samt Geld und Kre­dit­kar­te ver­schwun­den waren.«

Bei­spiel Ukrai­ne, die so gern zur EU gehö­ren wür­de. Hier haben wir rund 400 000 Roma, die groß­teils in Ghet­tos oder ein­fach im Wald leben. Ukrai­ni­sche Rom­ni­ja sind eine über­aus begehr­te Han­dels­wa­re. Die Viel­zahl der aus­ge­hun­ger­ten, blu­tig gekratz­ten, von Läu­sen geplag­ten, Kleb­stoff ­schnüf­feln­den Roma-Stra­ßen­kin­der war bereits vor Kriegs­be­ginn ein gro­ßes Problem.

Im Raum Donezk und Odes­sa befin­den sich laut Pau­lus schreck­li­che Kinder­pornographiestätten, die vor allem aus den Roma-Zusam­men­hän­gen ihr Fut­ter bezie­hen. Hier ent­ste­hen nicht nur »LO«-Filme (»Loli­ta«, also jun­ge Kin­der betref­fend), son­dern auch SM‑, Trash‑, und Snuf­fil­me. Will man das aus­buch­sta­biert haben? Es geht letzt­lich um den gefilm­ten Tod der Opfer.

Das Buch von Man­fred Pau­lus ist erschüt­ternd. In sei­ner Kon­klu­si­on aller­dings wirkt der Autor wan­kel­mü­tig: Wie­der und wie­der betont er, wie schlimm »anti­zi­ga­nis­ti­sche« Vor­ur­tei­le wirk­ten. Dut­zen­de­mal aller­dings gesteht er auch zu, daß »dies & das« lei­der tief in der Roma-Tra­di­ti­on ver­an­kert sei.

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Man­fred Pau­lus: Ver­kauf­te Men­schen. Roma in der Pro­sti­tu­ti­on, Wien: Pro­me­dia 2024. 232 S., 25 € 

 

Die­ses Buch kön­nen Sie auf antaios.de bestellen.

 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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