Sechziger Ost. Harte Brüche. Klischees

Meine Generation, die in den Sechzigern im Osten Geborenen, schaffte es meist nicht in die Chefetagen.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Aus uns wur­den nur ganz aus­nahms­wei­se Ent­schei­dungs­trä­ger, wir gelang­ten eher sel­ten in die ers­te Rei­he. Über die har­ten Brü­che hin­weg hat­ten wir unse­re eige­nen Geschi­cke zu bestim­men, bestimm­ten jedoch kaum über ande­re. So lebt es sich nicht nur ein­fa­cher, son­dern häu­fig redlicher.

Als ich 1990, nach­dem hin­ter der DDR gera­de die Türen zuge­fal­len waren, mei­ne ers­te Leh­rer­stel­le antrat, begrüß­te der neue, der Wen­de­ge­win­ner-Schul­rat uns letz­te Ost-Absol­ven­ten mit kal­tem Unver­ständ­nis: Wir soll­ten uns mit unse­ren Abschlüs­sen – ich etwa mit einem Diplom der Karl-Marx-Uni­ver­si­tät Leip­zig – kei­ne gro­ßen Hoff­nun­gen machen, es kämen jetzt ganz ande­re Päd­ago­gen an die Schulen.

Wer kam? Jene, die unse­re neu­en Vor­bil­der sein soll­ten, West­leh­rer, die „drü­ben“ noch nicht ver­sorgt waren – schon etwas ält­lich, umso mehr aber berufs­ju­gend­lich wir­kend und vor allem „eher links“, also Sozi­al­de­mo­kra­tie-light, dabei neben­her so ein biß­chen christ­lich, geprägt jeden­falls von der acht­und­sech­zi­ger Päd­ago­gik poli­ti­scher Men­schen­lie­be: freie Unter­richts­for­men, any­thing goes, för­dern statt for­dern, einen Klas­sen­satz Gud­run Pau­se­wang dabei und einen Anti-Atom­kraft-Auf­kle­ber auf dem Gebrauchtwagen.

Ähn­lich pseu­do­coo­le Figu­ren flu­te­ten gleich­falls die gewen­de­ten Ämter, also das, was hin­fort „öffent­li­cher Dienst“ zu hei­ßen hat­te – dort dann mehr CDU-light, kar­rie­re­ori­en­tier­te Jung­pro­mo­vier­te, die Refe­rats­lei­ter, Minis­te­ri­al­di­rek­to­ren und Staat­s­e­kre­tä­re wur­den, wäh­rend wir irri­tier­ten DDRler mit Exis­tenz­ret­tung beschäf­tigt waren und inner­lich in eine Art Reser­va­ti­on streb­ten, gera­de als Zeit­zeu­gen von Wen­de und Wie­der­ver­ei­ni­gung noch viel zu dicht dran und daher gar nicht rea­li­sie­rend, was da gera­de 1989/90 gesche­hen war. Alle spra­chen von Auf­bruch, wäh­rend wir eher schlecht als recht mit den Abbrü­chen zurecht­zu­kom­men ver­such­ten. Daher wähl­ten vie­le PDS, die dama­li­ge Regio­nal­par­tei Ost.

Wich­tig waren Juris­ten, aber mit Juris­pru­denz kann­ten wir uns am wenigs­ten aus. Daß das Leben ver­recht­licht wur­de, soll­te im neu­en Rechts­staat uns alten Unrechts­staat­lern Sicher­heit geben, aber dafür muß­ten wir erst Füh­lung ent­wi­ckeln. Lega­li­tät ist nun mal nicht gleich Moralität.

For­mu­lier­ten wir unse­re Irri­ta­ti­on, hieß es, wir soll­ten mal nicht jam­mern, denn nun hät­ten wir doch die D‑Mark und die Frei­heit noch dazu; jetzt könn­ten wir mal Ver­ant­wor­tung über­neh­men und end­lich was leisten.

Daß wir mit unse­rer Erzie­hung und Prä­gung mit­un­ter mehr zu leis­ten ver­stan­den als unse­re West-Vor­bil­der, beka­men wir, zunächst all­zu ver­zagt, erst nach etwa zehn Jah­ren mit. Als Leh­rer hat­ten wir dann gleich­falls ver­stan­den, daß eine Haupt­schu­le längst kei­ne Haupt­schu­le, eine Real­schu­le kei­ne Real­schu­le und vor allem das Gym­na­si­um über­haupt kein Gym­na­si­um mehr war.

Wir erkann­ten ver­spä­tet: Die uns über­neh­men­de Bun­des­re­pu­blik erwies sich als ein Schein­rie­se. Auf­ge­wach­sen mit kla­rem Feind­bild und Karl-Edu­ard von Schnitz­ler, hat­ten wir eine Art kraft­vol­les Ade­nau­er-Deutsch­land erwar­tet, aber das war offen­bar schon lan­ge vor der DDR unter­ge­gan­gen. Über­haupt: Daß aus Fein­den im Kal­ten Krieg nun sofort Freun­de wer­den soll­ten, stimm­te uns skeptisch.

Gewin­ner und Ver­lie­rer zu erken­nen, das war ein­fa­cher und rea­lis­ti­scher. Wir waren die befrei­ten Ver­lie­rer, kum­pel­ten daher ost­al­gisch eher unter­ein­an­der her­um (“Lebt denn der alte Holz­mi­chel noch?”) – und ver­stan­den uns schnel­ler mit den Ver­lie­rern West als mit den erfolg­rei­chen Loka­to­ren von dort. Zu akzep­tie­ren war: Die Gewin­ner West waren gene­rös; sie bezahl­ten uns eine Men­ge, wenn sie dabei nur ihren eige­nen Schnitt machen konnten.

Die neu­en admi­nis­tra­ti­ven Ent­schei­dungs­trä­ger schie­nen tat­säch­lich „eher links“, vor allem aber eher weich – und sie dünn­ten aus, was hüben wie drü­ben noch an Sub­stanz vor­han­den sein moch­te. Der erreich­te bun­des­deut­schen Kom­fort war ihnen von Kind­heit an all­zu selbst­ver­ständ­lich; was zu sei­ner Sicher­stel­lung nötig war, har­te und aus­dau­ern­de Arbeit, das hat­ten sie – von ihren Eltern ent­frem­det und eher Ver­brau­cher als Bür­ger – längst vergessen.

Wir aber hat­ten mit dem eige­nen Wan­del zu tun: Phä­no­me­nal zunächst, wie das Leben auf dem Lan­de erstarb: Unse­re Dör­fer fie­len ins Schwei­gen, alles Leben­di­ge erlosch: Stil­le­gungs­flä­chen wur­den prä­miert, den Rest bewirt­schaf­te­ten effi­zi­en­te Agrar-Genos­sen­schaf­ten, die dank neu­er Tech­nik und indus­tri­el­ler Land­wirt­schaft kaum noch Leu­te brauchten.

Zuerst mach­te die Post dicht, dann der Kon­sum-Dorf­la­den, nach­dem er gera­de noch Marl­bo­ro-Man an die Schei­ben geklebt hat­te; wegen des Gebur­ten­ein­bruchs schloß dann die Schu­le, schließ­lich – zu teu­er gewor­den – die Knei­pe. Die Kir­che, letzt­ma­lig zur Wen­de schein­le­ben­dig, hat­te sich in den Neun­zi­gern gleich­falls erle­digt. Übrig blie­ben der Ziga­ret­ten­au­to­mat und die Feu­er­wehr, die tra­gi­ko­mi­sche Ern­te­fes­te aus­rich­te­te, obwohl nie­mand mehr irgend­was erntete.

Daß unse­re eins­ti­ge Indus­trie – ja, inn­ef­fi­zi­ent, ja, all­zu dre­ckig und maro­de, wie man uns bestän­dig erklär­te – über die Treu­hand meist in eine tris­te Bra­che über­ging, paß­te dazu. Blie­ben die „Leucht­tür­me“ der Inno­va­tio­nen, Dres­den, Leip­zig, Jena, blieb das selt­sam bizar­re Par­ty-Ber­lin – ja, „arm, aber sexy“, wie sein schwu­ler Bür­ger­meis­ter es wer­be­wirk­sam poin­tier­te. Ost-Ber­lin wur­de Kult. Das hieß: Prenz­lau­er Berg und Fried­richs­hain wur­den vom – wie­der­um eher lin­ken und eher grü­nen – Neu­bür­ger­tum aus Kreuz­berg und Neu­kölln gentrifiziert.

Aber auf dem Lan­de war‘s ein schö­ner Tod. Wer noch Geld hat­te, putz­te als Bau­markt­kun­de Haus und Anwe­sen raus und zog sich dann dar­in zurück, zumal rund­um ohne­hin nichts mehr lief. Eben­so hübsch­ten sich kraft Soli­zu­schlag unse­re Klein- und Mit­tel­städ­te auf, ahm­ten Kulis­sen von kunst­ge­werb­lich-pit­to­res­kem West­charme nach, ver­wal­te­ten Armut und Arbeits­lo­sig­keit und began­nen ruhig zu vergreisen.

Gewon­nen hat­ten ein paar Auf­stei­ger, all die Amts­lei­ter samt Entou­ra­ge, dazu die von der öffent­li­chen Hand geatz­te Ver­eins­bos­se des Sozi­al­be­reichs, letzt­lich – ver­dien­ter­ma­ßen – enga­gier­te Frei­be­ruf­ler wie Steu­er­be­ra­ter, Ärz­te, Advo­ka­ten. Deren Resi­den­zen nah­men sich wie Süd­staa­ten­vil­len mit­ten in der stil­len Tris­tesse aus.

Wir lern­ten zurecht­zu­kom­men; wir kamen zurecht. Wie immer, indem wir uns nicht ganz vorn anstell­ten. „Wer­det ihr auch abge­wi­ckelt?“ Das war so unter­ein­an­der eine der neu­en Fra­gen. Erst­mal also ABM. Wenigs­tens was. Haupt­sa­che nicht „abge­wi­ckelt“ werden.

Zunächst sorg­ten wir für unse­re viel­fach aus ihren Beru­fen gefal­le­nen Eltern, die noch per­ple­xer waren als wir selbst, dann küm­mer­ten wir uns um das Mini­mum eige­ner Sicher­heit. Mehr als Selbst­be­wußt­sein und Cool­neß brach­ten wir, erst ver­zö­gert bemerkt, fach­li­che Kom­pe­ten­zen mit, und wir konn­ten alle immer­hin sicher lesen, schrei­ben und rech­nen. Daß wir allein schon damit ech­te Vor­tei­le hat­ten, war so ja nicht zu erwar­ten gewesen.

Die prag­ma­ti­sche Men­schen­kennt­nis geht, so Kant, „auf das, was er, als frei han­deln­des Wesen, aus sich sel­ber macht oder machen kann und soll.“ – Man will hof­fen, dies möge sich auch ganz all­täg­lich ver­ste­hen las­sen, die­ser Gedan­ke, daß der Mensch „sein eige­ner letz­ter Zweck ist“, und eben nicht zuerst das, was irgend­wer, etwa die Poli­tik, von ihm erwar­tet oder was allein mate­ri­el­len Gewinn verheißt.

Die neu­er­dings als wich­tig gel­ten­den Prä­sen­ta­ti­ons­tech­ni­ken ahm­ten wir unge­lenk nach, wuß­ten aber doch, daß die bes­te Prä­sen­ta­ti­on nach wie vor ech­tes Kön­nen ist – jeden­falls dort, wo es wirk­lich noch dar­auf ankommt. Ab den Nuller­jah­ren beherrsch­ten wir die bun­des­deut­schen Codes eben­so wie die über­kom­me­nen, an denen wir uns Ost­ler gegen­sei­tig erkann­ten. Immer wie­der ent­span­nend, jeman­den vom eige­nen Stam­mes­ver­band zu tref­fen, dem man das eige­ne Her­kom­men nicht erst umständ­lich erklä­ren mußte.

Aber Schluß mit den bösen Kli­schees. Nach­dem mei­ne Gene­ra­ti­on etwa ab den Nuller­jah­ren end­lich wie­der bei Bewußt­sein war, lern­te sie, was noch jede Alters­ko­hor­te zu ler­nen hat­te: Daß abseits der Show letzt­lich doch wei­ter mit Molt­ke gilt: Mehr Sein als Scheinen!

Damit jedoch, daß schon ab Mit­te der Zeh­ner­jah­re, ganz so wie in der End-DDR, die Pene­tranz der poli­ti­schen Phra­se alles domi­nie­ren wür­de, war gar nicht zu rech­nen gewe­sen. Plötz­lich wie­der totes Voka­bu­lar mit ver­schro­be­ner Seman­tik, die über­haupt nicht mein­te, was ihre Zei­chen vor­ga­ben: „Tole­ranz“ und „Viel­falt“ etwa, dazu „Welt­of­fen­heit“, „Bunt­heit“, „Acht­sam­keit“. Damit staf­fier­te sich die Herr­schaft aus, zog Regen­bo­gen­flag­gen auf, hielt aber erleb­bar gar nichts mehr vom Dis­kurs mit Anders­den­ken­den, nichts von Offen­heit und Argu­men­ta­ti­on auf Augenhöhe.

Der Polit-Kar­rie­rist Stein­mei­er per­so­ni­fi­zier­te die neue Repu­blik – etwas brä­sig, ganz in Wort­hül­sen ein­ge­schlun­gen, dabei aber der Zere­mo­nien­meis­ter der selbst­er­klärt Anstän­di­gen. Komisch nur, daß sich selbst Grö­ne­mey­er und aller­lei Anti-Rechts-Bands hin­ter so einer doch medio­kren Figur ver­sam­mel­ten und sich dabei wei­ter­hin „eher links“ und „alter­na­tiv“ wähnten.

Die als Anpas­ser zum Estab­lish­ment hiel­ten, zu dem, was die Ber­li­ner Repu­blik unter Demo­kra­tie ver­stand, gal­ten plötz­lich als die „Cou­ra­gier­ten“, gera­de dort, wo kei­ner­lei Cou­ra­ge nötig war, wäh­rend Kri­ti­ker denun­ziert wur­den, als „ras­sis­tisch“, „gesi­chert rechts­extre­mis­tisch“, min­des­tens als „Ver­dachts­fäl­le“. –

Ver­blüf­fend, wie ein­fach Herr­schaft funk­tio­niert, damals wie heu­te – nach klas­si­schem Freund-Feind-Sche­ma des all­seits geschmäh­ten Carl Schmitt. Fehlt nur das pas­sen­de Sta­si-Wort von der not­wen­di­gen „Zer­set­zung“ des Geg­ners, von dem es damals wie heu­te heißt, er wäre schwer zu bekämp­fen, höchst per­fi­de und all­über­all. Kuri­os: Am här­tes­ten agie­ren jene, die ansons­ten die gan­ze Welt umar­men wol­len, also, „eher links“, die Grünen.

Wir in den Sech­zi­gern Gebo­re­nen, heu­te auch dem Alter nach Sech­zi­ger, kom­men klar. Daß uns die Leh­rer vorm Abitur streng ver­hie­ßen, wir wür­den – mit dann enor­mer Ver­ant­wor­tung – die „sozia­lis­ti­sche Eli­te des anbre­chen­den neu­en Jahr­tau­sends“, hat­ten wir selbst mit FDJ-Blu­se so nicht geglaubt. Aber eben­so­we­nig konn­ten wir erwar­ten, wel­cher neue „Erfah­rungs­raum“ da ab 1990 vor uns lag. Famo­se Kon­tin­genz! Man weiß wirk­lich nie, was man kriegt, aber dar­aus hat man zu gestal­ten. Oder wenigs­tens irgend­wie sei­ne Haut zu ret­ten, zumal kein sat­tes Erbe zu erwar­ten war.

Gera­de mit uns­rer Erfah­rung war klar, wor­auf es der der Herr­schaft gegen­über ankam: Distanz! Nicht wie­der sich ver­ein­nah­men und hin­äf­fen lassen.

Eben nicht den Phra­sen und Trans­pa­ren­ten Glau­ben schen­ken und vor allem wis­sen, daß Poli­tik meist ein zwei­fel­haf­tes Geschäft ist. Weil sie die Defek­te des Men­schen einer­seits offen­bart, sie aber gleich­zei­tig ver­schlei­ern will, gerät sie unwei­ger­lich zur Pein­lich­keit. Wenn die ver­meint­lich „Anstän­di­gen“ schrei­en „Wir sind mehr!“, dann kann etwas Ent­schei­den­des nicht stimmen.

Wobei am pein­lichs­ten jene wir­ken, die das Hohe­lied auf den guten Men­schen und sei­ne Ver­nunft sin­gen, obwohl sie an sich zual­ler­erst selbst mit­be­kom­men müß­ten, daß der Mensch solch ein Glanz­stück nicht ist. Das vor allem erklärt die intui­tiv siche­re Ableh­nung der sich selbst zu Vor­bil­dern gerie­ren­den Grü­nen durch die soge­nann­ten ein­fa­chen Menschen.

Erfri­schend des­il­lu­sio­niert behaup­tet: Selbst die AfD wird weder den Osten noch über­haupt den Men­schen erlö­sen. Sie wird – lei­der wahr­schein­lich –  den Weg aller Par­tei­en gehen, jenen der Stel­len­jä­ger und Pfründ­ner­ge­mein­schaf­ten und mut­maß­lich einer Anpas­sung, die aktu­ell „Melo­ni­sie­rung“ heißt.

Wes­halb soll­te sie die ein­zi­ge poli­ti­sche Kraft sein, die – zumal in der „Demo­kra­tie“ – in ganz ande­rer Rich­tung unter­wegs ist? Das Sys­tem schafft sich sei­ne Oppor­tu­nis­ten, es schleift ab, gleicht an und nor­miert. Als Oppo­si­ti­on wird man der „Alter­na­ti­ve“ zeit­wei­lig etwas Alter­na­ti­ves zutrau­en dür­fen und kann sich dabei all die neu­en Selbst­pro­fi­lie­rer schon mal kri­tisch anschauen.

Wer von ihnen wirk­lich red­lich und befä­higt ist, wird sich zwangs­läu­fig ver­schlei­ßen. Übrig blei­ben die, die in Par­tei­en immer übrig­blei­ben, die lau­en Mit­tel­mä­ßi­gen, für die es wunsch­ge­mäß ein Stück nach oben geht, wo sie sich aber meist als Kari­ka­tu­ren ihrer selbst aus­neh­men, da sie ihr natür­li­ches Wesen gegen die begehr­te Rol­le tauschten.

Offi­zi­el­le Poli­tik ver­mei­det den Blick auf die Nacht­sei­te des Men­schen. Daher die Ver­stel­le­rei. Sie macht dem Wäh­ler Kom­pli­men­te, sug­ge­riert ihm, er wäre ein Ver­nunft­we­sen, und sie ver­klärt sich selbst. Das fas­zi­nie­rend Dunk­le taugt nicht für Fly­er und Grins­ge­sicht-Pla­ka­te. Kann man ver­ste­hen, den­noch darf man die­sen Ver­kür­zun­gen nicht glauben.

Mehr denn je gilt: Wer wirk­lich etwas kann, geht eher nicht in die Poli­tik. Die not­wen­di­ge Arbeit war­tet anders­wo. Poli­tik ist kei­ne Arbeit, sie lebt von der Arbeit ande­rer, trägt fei­nen Zwirn und bewegt sich in dicken Karos­sen. Eben­so­we­nig kön­nen Sit­zun­gen als Kämp­fe gel­ten, denn gekämpft wird nicht in ergo­no­mi­schen Parlaments-Drehsesseln.

Stim­men und Zuspruch wach­sen, bis eine Par­tei in Ver­ant­wor­tung kommt; danach fällt bei­des, kommt nur dar­auf an, wie tief.

Ja, aber was denn dann? Wie­der­ho­lend pro­vo­kant: Bei sich blei­ben. Das Mög­li­che in sei­nem über­sicht­li­chen Radi­us ver­su­chen, Ver­ant­wor­tung für die Aller­nächs­ten über­neh­men, dort aber ver­bind­lich. Wei­ter hell­wach sein, auf­merk­sam nach­sin­nen, sich ori­en­tie­ren, durch­aus die ganz lan­gen und ergie­bi­gen Tex­te lesen als Tik­Tok-Kla­mauk für Ant­wor­ten halten.

Und bloß nicht dem Men­schen gram sein, nur weil er immer wie­der irre­geht. Das genau ist sei­ne und so auch die eige­ne Natur. Wer in oder mit der Poli­tik Erlö­sung erhofft, sitzt einem tra­gi­schen Trug­schluß auf. Von jeher und mit oder ohne Reli­gi­on gilt es, aus Höhe­rem und Ewi­ge­rem her­aus zu leben, gera­de wenn man tief im All­tag steckt.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (60)

Laurenz

28. Oktober 2024 15:58

@HB ... Jedem, den das im Westen bisher interessierte, erzählen Sie hier ja nichts Neues. Das hat etwas mit Deutscher Naivität zu tun. Kein Schwein in der DDR schaute danach, was er sich mit der BRD ins Haus holt. Verhandeln hatte in der DDR ja keiner lernen müssen. Die DDR hätte sich x-fach teurer, inklusive u.a. kulturellen Inhalten, verkaufen können. Hatte aber anscheinend erstmal keinen interessiert. Das Dorfsterben ist keine individuelle Geschichte der einstigen Neuen Länder, sondern betrifft ganz Europa. Das hat vor allem etwas mit der Organisation von Arbeit zu tun. Diese drückt den politischen Willen aus, den man wiederum hätte verhandeln können. Die sozialistische Sau-Wirtschaft der damaligen DDR & der BRD heute, konnte & kann jeder Trottel an einfachen Zahlen & Zuständen festmachen. Weder in der Sowjetunion, noch in der DDR schaute einer zum Genossen Deng, der quasi ohne politische Veränderung China ökonomisch erfolgreich neu organisierte. Das haben die Deutschen in der einstigen DDR verkackt & die Deutschen der BRD verlernt. Immer wieder gut: Oliver Kirchner... https://www.youtube.com/shorts/imF3MT0cnng?feature=share

Der Gehenkte

28. Oktober 2024 16:28

Ich denk noch: Hoffentlich kommt jetzt nicht wieder so ein Klugscheißer-Wessi, so ein Laurenz, und kleckert gleich auf diese großartig atmosphärische Beschreibung, ohne eigenes Verständnis- und Einfühlungswille, sein Besserwissen drauf, um Bosselmanns Diktum ja letztlich nur zu bestätigen und zu demonstrieren, daß sich auch 35 Jahre danach noch nichts geändert hat ... aber da war es schon zu spät. 

Majestyk

28. Oktober 2024 16:40

Wendeverlierer und Ausverkauf bezweifelt kaum jemand, ich selber kenne eine Type, die mit Versicherungsverträgen auszog und dann später hier im Ort mit Ferrari einen auf dicke Hose machte. Was hatte ich den in seiner arroganten Art gefressen! Es gab aber auch die positiven Beispiele. Mein Vetter war als Ingenieur auch eine Weile drüben - oder prominente Namen wie Kurt Biedenkopf oder Lothar Späth, die versucht haben, in Mitteldeutschland was aufzubauen.
Wendeverlierer gab es aber auch im Westen, hier im Umkreis gab es damals manchen Betrieb, der auf einmal Produktion verlagerte; im Osten lockten ja auch zahlreiche Subventionen. Nicht jeder Westdeutsche hat sich im Wilden Osten eine goldene Nase verdient, und wir sind auch nicht alle faul oder doof, durften uns aber am Aufbau Ost beteiligen, während für unsere Kommunen auf einmal kein Geld mehr da war. Ich würde mir wünschen, wenn nach 35 Jahren auch mal einfache Westdeutsche eine Stimme bekommen würden und auch unsere Befindlichkeiten einmal zählen würden. Und irgendwie bin ich es auch leid, immer mit Negativbeispielen über einen Kamm geschoren zu werden. Ich mußte schließlich auch Merkel, Gauck, Gysi, Wagenknecht, Monchi oder Illner ertragen. Ich denke, wir sind quitt, und mit dem Westdeutschland, in dem ich aufgewachsen bin, hat das beste Deutschland aller Zeiten sowieso nichts mehr zu tun.

Laurenz

28. Oktober 2024 16:45

@Der Gehenkte ... Labern Sie doch nicht. Ich kannte als Jugendlicher jedes Politbüro-Mitglied mit Namen & hatte als junger Mann jeden Pfennig zusammengekratzt, um in die DDR reisen zu können. Wer kann das im ignoranten Westen schon von sich behaupten? Das hatte vor allem damit zu tun, daß für mich die Deutsche Teilung quasi unerträglich war & ich heute noch beim Gedanken daran Disziplin üben muß, um nicht in einer Wutattacke materielle Destruktivität zu üben.

Andreas J

28. Oktober 2024 17:17

"Daß wir mit unserer Erziehung und Prägung mitunter mehr zu leisten verstanden als unsere West-Vorbilder, bekamen wir, zunächst allzu verzagt, erst nach etwa zehn Jahren mit." Zwar ist das nicht repräsentativ, aber jeder "ostsozialisierte" Mensch, denn ich kennengelernt habe, hatte überdurchschnittlich viel „Biss“, Disziplin und (so würde ich es nennen) Gemeinsinn. Kein Wunder, dass es besonders für Ostdeutsche ein rotes Tuch ist, wie sich viele „Schutzsuchende“ aufführen. Schon die ersten Minuten beispielweise folgender Doku lassen meiner Meinung nach erkennen, wo dieses Fundament gelegt wurde:https://www.bpb.de/mediathek/video/197820/was-sie-voneinander-wissen-beobachtungen-in-zwei-schulklassen-in-der-ddr-und-der-bundesrepublik/

May vT

28. Oktober 2024 17:54

Der allerletzte Absatz Ihres Artikels, Heino Bosselmann, der gefällt mir besonders gut. Als Christ merke ich an, daß es gerade die Liebe und die Hoffnung sind, die wir im Bezug zum Mitmenschen, trotz aller Widrigkeiten, nie aufgeben dürfen.

Le Chasseur

28. Oktober 2024 18:16

@Majestyk
"Ich mußte schließlich auch Merkel, Gauck, Gysi, Wagenknecht, Monchi oder Illner ertragen. Ich denke, wir sind quitt"
Wirklich ertragen mussten Sie nur Merkel (den anderen fünf Genannten konnte und kann man entrinnen, indem man die Fernbedienung zur Hand nimmt und den Sender wechselt), die im westdeutschen Hamburg geboren wurde und die von einer westdeutschen Partei zur Kanzlerkandidatin gekürt wurde und deren Partei in Westdeutschland die besten Ergebnisse einfuhr.

Ingelore

28. Oktober 2024 18:49

Lieber Herr Bosselmann, ich habe Ihren Artikel mit Aufmerksamkeit und viel Sympathie gelesen; eine tolle Beschreibung der Stimmung und der Situation nach der Wende. Diese ganze abgehobene, alternative, intellektuelle, anti-autoritäre, grüne, Anti-Atomkraft-Hippie-Szene mit dem blasierten Steinmeier-Oberhäuptling und seiner Weltrettungsagenda regt mich auch schon lange auf. Das Problem ist, dass die meisten Westler nicht kritisch genug mit der eigenen Entwicklung ab 68 umgehen und sich in keiner Weise davon distanzieren können. Sie sehen sich immer noch als die Friedensapostel, die "love" und "peace" in die Welt gebracht haben. Ihr Fazit finde ich auch großartig. Etwas anderes kann man als Ost- und als Westler und als Christ sowieso nicht tun. Mir persönlich sind die Ostler von der Mentalität sehr viel näher, auch wenn ich jetzt gesteinigt werden sollte. Ich kenne einige aus dem Osten, die mir ausführlich die Welt erklären, aber nicht so viele, die so viel von sich persönlich zeigen.

Majestyk

28. Oktober 2024 18:55

@ Der Gehenkte:
Hier ist der Klugscheißer-Wessi. Haben Sie mir was mitzuteilen? 
Was sich seit 35 Jahren nicht geändert hat, daß ziemlich viele immer noch ihrer heißgeliebten DDR hinterher trauern, wo ja alles so viel besser war. Und vor allem hat sich seit 35 Jahren nicht geändert, daß man auf ostdeutsche Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen hat. Mich hat noch nie jemand nach meinen Befindlichkeiten befragt, geschweige denn, daß mich je jemand gefragt hätte ob ich das alles so will. Sie war dann halt da die Wiedervereinigung. Soll auch Westdeutsche gegeben haben, die vorher ahnten, daß das Probleme geben könnte nach 40 Jahren komplett anderer Prägung.
Ich habe in 35 noch nie jemanden Ossi genannt und mir hängt es zu den Ohren raus permanent als Wessi degradiert zu werden als sei man von einer niederen Art oder mir die Welt erklären zu lassen als sei ich zu blöde mir den Schnürsenkel zu binden.
Der Ossi ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es andersrum!
Der Spruch sagt eigentlich alles. Wer grenzt sich denn von wem ab? Was ist das für ein Zeichen von fehlendem Respekt. Komisch, ich kann suchen wie ich will, ich finde kein einziges Motivbild im Netz mit einem gegenteiligen Spruch.
Ost, Ost, Ostdeutschland  Ja, Mei! Wenn Ihr uns Wessis halt nicht verknusen könnt, dann macht halt Euer eigenes Ding und den Namen dieser Seite zum Programm.

Monika

28. Oktober 2024 19:22

@Der Gehenkte 
Ich mag sehr die atmosphärischen Beschreibungen von Herrn Bosselmann. Sie lassen Welten in meinem Kopf entstehen. So war es, so könnte es gewesen sein. Vor allem: Was ist nicht Kostbares verloren gegangen in diesen kurzen sog. Wendejahren. Umgekehrt gibt es diese atmosphärischen Erfahrungen ja auch. Wer als Wessi nach der Wende mehrmals in die ehemalige DDR reiste, konnte auch die Veränderungen bis zur Anpassung an den West-Standard erfahren. 2015 sah ich in Erfurt die ersten verschleierten Frauen auf der Krämerbrücke. Ein chinesischer Tourist rannte in der Hohen Domkirche mit seiner Kamera hinter den Altar. Da verlor ich allmählich mein altes Deutschland. Und @Der Gehenkte:
Einen Herrn Laurenz überlese ich inzwischen einfach.

Majestyk

28. Oktober 2024 19:26

@ Le Chasseur:
Und wo wurde Merkel geprägt? 
Ach ne, Prägung spielt ja keine Rolle, habe ich neulich gelernt.
Fernsehen im eigentlichen Sinne schaue ich übrigens fast gar nicht, von Fußball dann und wann vielleicht abgesehen. Westfernsehen gibt es ja nicht mehr.
 

Laurenz

28. Oktober 2024 19:37

Die eklatanten Defizite, die der Westen nun dem einstigen DDR-Bürger, ökonomisch & identitätspolitisch, in die Suppe gespuckt hat, kann man natürlich in so einem üblichen HB-Artikel verbriefen. Aber der Komödiant Olaf Schubert, drückt das schlicht & trivial genauso gut aus & wird natürlich extrem gut dafür bezahlt. https://www.youtube.com/shorts/xIbyX8CH6lM?feature=share

Gracchus

28. Oktober 2024 19:53

Den Schluss kann ich zwar unterschreiben. Nur liegt, denke ich selbstkritisch, in der Haltung begründet, dass den Deutschen das politische Gespür abgeht. 
"Denn der Zwang, fleißig zu sein, läßt keine Musse für das politische Gespür; das entfaltet sich nur in der Stille und in der Faulheit. Der Gott des Fleißes wurde angebetet. Und die Politik ging zum Teufel." (Rosenstock-Huessy)
Ob Arbeit oder nicht - Politik erfüllt nunmal eine wesentliche Aufgabe, nämlich die Entscheidung über Krieg und Frieden. Jeder Friedensschluss kann eine Art Erlösung - natürlich keine endgültige - bedeuten. Also sehe ich als Riesenfehler, wenn sich im politischen Bereich vor allem Unfähige tummeln. Wer wie die Bauern bei den 7 Samurai (Glorreiche Sieben) von Banditen überfallen und um die Ernte gebracht wird, hat wenig von seinem Fleiß. Die Fleißbereitschaft nutzt auch nichts, wenn u. a. durch eine demolierende Wirtschaftspolitik immer mehr Stellen wegfallen. 

Le Chasseur

28. Oktober 2024 19:55

@Majestyk
"Westfernsehen gibt es ja nicht mehr."
Ist auch nicht die Schuld der Ostdeutschen. Die überwiegende Mehrheit der Intendanten, Programmchefs etc. kommt aus Westdeutschland.
Auch die deutschen Medienmogule, die mitgeholfen haben, Merkel an die Macht zu bringen und dort zu halten (Springer, Mohn, Burda etc.), kommen aus Westdeutschland.

Gracchus

28. Oktober 2024 20:03

@Majestyk: nicht zu vergessen die aktuellen Nervensägen Sebastian Krumbiegel und Sascha-Ilko Kowalczuk (nebst Gattin). 
 

hinzundkunz

28. Oktober 2024 20:10

Wieder so ein wunderbar realistischer Text des Berufsverbotsopfers Herr Bosselmann, den eben kein Karriereleiterkraxler, sondern nur ein Dissident - wann und wo auch immer - mit Spuren der leichten Melancholie und Abgeklärtheit angesichts des "Nicht-Glanzstücks" Mensch verfassen kann.
Der Kritiker darf eben nie wirklich an die Macht kommen - wenn er einer bleiben will:  Aus den urchristlichen (passiven) Märtyrern erwuchsen später Inquisitoren und Religionskrieger, aus französischen Feudalisten Anhänger der Jakobiner, aus NS-Anhängern 1945, je nachdem, Demokraten oder Kommunisten, aus DDR-"Überzeugten" 1989 Schonimmerkritischgewesene, aus radikal regierungskritischen und pazifistischen 68ern Zensurbefürworter und Bellizisten und aus Kritikern der Berufsverbote in den 70ern aktuell Verfechter von Entlassungen Oppositioneller, einfach so, auch ohne "Radikalenerlass".
So immerdar. Aus" Höherem" heraus zu leben ist eine gute Idee. Vielleicht sollte man doch in ein Hochhaus umziehen.

Laurenz

28. Oktober 2024 20:11

@Le Chasseur @Majestyk ... Die historischen Springer- & Mohn-Büttel wurden vor nicht ganz 90 Jahren vom NKWD im Hotel Lux (Moskau) wohnend zu tausenden in der Lubjanka gemeuchelt, weil Stalin keinen Bock auf linke Akademiker hatte. Das ist derselbe Grund, warum viele Handwerker im DDR-Politbüro saßen. Stalin vertraute denen, insoweit er vertrauen konnte. Die Kultur-Marxisten haben sich entstalinisiert & Trotzki hat wieder das Sagen.

Blue Angel

28. Oktober 2024 20:40

Ganz herzlichen Dank Herr Bosselmann für Ihre, hier plagiiere ich den Gehenkten, wirklich großartig atmosphärische Beschreibung. Und nochmal besonders für Ihr Fazit.
Auch im Westen gab es Menschen, die hofften, es könnte etwas Besseres aus der Widervereinigung entstehen, etwas, das bei runden Tischen in allen Städten und Dörfern, in Ruhe diskutiert und evaluiert wird, um dann basisdemokratisch abgestimmt zu werden: Eine Art Vervollkommnung aus den besten Resten der Hälften inform einer *echten* Verfassung. 
Und gleichzeitig waren die Befürchtungen, daß die Haie, Opportunisten und Abzocker wieder schneller sein und alles zunichte machen würden, mehr als berechtigt. Wie diese Übernahme, insbesondere mit den kriminellen Aspekten der sog. "Treu"hand, abgelaufen ist, war einfach zum Fremdschämen...

Adler und Drache

28. Oktober 2024 21:52

Abends schaue ich hin und wieder eine Folge der Serie "Ein Gentleman in Moskau", die auf Amazon verfügbar ist (jaaa ... ich weiß!). Ganz wunderbar charmant, gleichzeitig eine Lektion für das, was gemeinhin "Haltung" genannt wird, und außerdem in gewisser Weise ein Pendant zu HB's letzten beiden Absätzen. 
Es gibt Kräfte, die sich austoben, und Kräfte, die überdauern. Die einen werden gezählt, gewogen und für zu leicht befunden - mögen wir zu letzteren gehören!

Laurenz

28. Oktober 2024 21:59

@Blue Angel ... Diese kleinbürgerliche moralstrotzende Empörung ist vielleicht berechtigt, änderte aber nichts am Wahlverhalten der Bürger, auch nicht in den damals Neuen Ländern. Im gesamten Ostblock wurde die komplette Industrie an Oligarchen verschenkt. Große Teile des Ostblocks wurden erst durch EU-Beitritt zum Empfänger Deutscher Steuerkohle, quasi zu einer DDR 2. Klasse. Die Treuhand-Emissionen (vom Bund garantiert), also die Schuldenaufnahme betrug bis zu Schließung 1994 (also vor 30 Jahren) 256 Milliarden Deutschmark, damals kein Pappenstiel. Die Treuhand wurde um viele Milliarden betrogen, was auch mit der Eile des Kohl-Regimes, die DDR-Vermögenswerte zu konvertieren, sprich zu privatisieren, verursacht. Ich selbst habe mal in jungen Jahren auf einer Schickimicki-Partei in Bad Homburg einen etwa gleichaltrigen Mann kennengelernt, der später die Treuhand um 400 Mio. Deutschmark betrogen hatte. Der lebte dann wohl bis zur Verjährung in der Schweiz. Es gab keinen politischen Willen, die Schweiz dazu zu zwingen, diese Großkriminellen auszuliefern, was leicht möglich gewesen wäre. Obwohl meine Emotionen den Ihren gleichen, lehne ich im Denken dieses ganze Moralgequatsche ab. Es gibt nur politische Macht & sonst existiert nichts, schon gar kein Erlöser, der mir bekannt wäre.

RMH

28. Oktober 2024 22:34

"Mich hat noch nie jemand nach meinen Befindlichkeiten befragt," 
@Majestyk, I.
damit geht es ihnen so, wie allen Boomern & beginnenden Gen-X Jahrgängen auch. Man war Masse, wurde selektiert & die meisten haben es dann doch irgendwie ins vermeintlich Bürgerliche geschafft & dürfen sich eben für ihre dafür gemachten Verrenkungen jetzt beschimpfen lassen, dass sie an allem Schuld seien etc. Aber darum geht es bei Bosselmann nicht. Dass er 1990 eine Lehrerstelle bekam, während massenweise ausgebildete Lehrer in den 80er bis in die 90er Jahren gar keinen job bekommen haben, fehlt in seiner Retrospektive, kannte er wohl nicht.  Im Westen war man dagegen immer nur Schwemme. Lehrerschwemme, Juristenschwemme, Architektenschwemme etc., es gab sogar mal ne "Schwemme" bei Krankenpflegern. Eigentlich sollte man statt Boomer & GenX Gen. Schwemme genannt werden. Alles vergessen. 

RMH

28. Oktober 2024 22:35

II. Und so wie diese Jahrgänge Masse waren, werden sie jetzt eben bald auch in Massen abgeräumt. Aber wie gesagt, darum geht es beim Artikel meiner Auffassung nach nicht, es geht in einem  Aspekt (von mehreren Apekten), um die unendliche Verarsche, die Herr B. im Leben mitmachen musste. Erst in der DDR & dann noch mal mit zunehmender Verstärkung im verein. Deutschland. Im Punkt, dass ganze Leben lang verarscht worden zu sein, könnte dann die gemeinsame Basis der Generationen Hüben wie drüben sein. Setzt aber Reflektionsvermögen voraus & das darf man in der Tat bei vielen bemängeln (keine Ahnung, ob DDRler sein einen zum Reflektierteren macht. Hab in den neuen Ländern viel zu tun gehabt & dort genauso Maulaffen kennengelernt, wie hier. Sehe deutlich weniger Unterschiede, aber was solls, als Gen. Schwemme ist man es gewohnt, dass es auf die eigene Meinung letztlich nicht ankommt).

ede

29. Oktober 2024 00:26

1 Also nun je, Mayestik & RMH. Osten ist nicht gleich Osten (AfD wählt auch nur 1/3).
Der Typ Bosselmann z.B., ich kenne welche, mein Onkel, einfaches Parteimitglied, Arbeiter, oder zwei NVA Offiziere aus meinem Sportverein. Durch die Wende gebeutelt, aber herzensgut (vielleicht auch deswegen?).
Auch im Osten gab es zwar keine Schwemmen als solche, aber verschiedene Generationen schon. Der Heino war 90 so Anfang, Mitte 20, da haben die meisten die schimmlige Ödnis und noch weniger die Verhörkeller zur Kenntnis genommen.
Ich selbst bin eine Generation älter und habe die Wende gänzlich anders erlebt als Bosselmann.
Noch Ende 89 bin ich der örtlichen CDU beigetreten. Die haben noch total vorsichtig und devot einen Brief an ihren Blockflötenchef schreiben wollen. Kohl fand ich großartig (heute immer noch). In fast jedem Kaff gab es "Runde Tische". Da war ich auch beteiligt.

Fonce

29. Oktober 2024 00:45

Ich habe eher den Eindruck, dass Deutschland ab den 90er Jahren den Bach runter ist, weil das Land ab 1989 von Ossi-Ideologen unterwandert wurde. Der Eurokommunismus ist erst durch diesen Ossi-Dünger so richtig aufgeblüht. Das was Bosselmann fabuliert ist eine diametrale Verdrehung dieser Realität: Er redet es sich schön um die grausame Wahrheit seiner Herkunft zu verdrängen.

ede

29. Oktober 2024 00:48

2 Über berufliche Zukunft habe ich mich nicht im geringsten gesorgt. Gut, ich bin Ingenieur, aber im Nachhinein war das schon etwas euphorisch naiv.
Zunächst wollte ich einen Campingplatz aufmachen. Da habe ich so 80 Campingplätze im Westen mit einem Fragebogen angeschrieben, so wegen Kennzahlen und Tips etc. Ca. die Hälfte hat geantwortet, und um die 10 haben konkrete Hilfe oder sogar Beteiligung angeboten. Das ist doch großartig!
Es kam dann doch anders. Im Mai 90 wurde ich in den Gemeinderat und zum stellv. hauptberuflichen Bürgermeister gewählt. So, da saß ich nun in meinem Büro, bekam Gehalt und überlegte, was ich eigentlich zu tun hatte. Es passierte Mai, Juni wenig, außer DMark-Einführung und lange Schlangen Kirchenaustritte. Mein BM machte erstmal Urlaub.

ede

29. Oktober 2024 01:19

3 Jedenfalls bestand die gesamte Verwaltung ausschließlich aus Vollossis, und daran hat sich die nächsten Jahre auch nichts geändert. Ein weiteres gemeinsames Merkmal war völlige Ahnungslosigkeit. Der Haushaltsplan bestand aus 1 DIN A4 Seite Ausgaben in Summe 100k (heute so 70 Mio).
Ach ja, das Wahlergebnis der Kommunalwahl. Ich habe so mit 2 bis höchstens 5% für die SED gerechnet. Es wurden über 10. Das hat mich doch deprimiert.
Erstmal. 
Denn es stellte sich heraus, daß Teile "meiner" CDU zusammen mit Teilen des Wahlgewinners SPD heimlich meine Wahl verhindern wollten. Der Plan ging schief, weil sie nicht damit gerechnet hatten, daß mich die SED-, nunmehr PDS-Vertreter komplett wählen würden. Das war schon lehrreich für mich.
Ob man die Wende hätte wesentlich anders gestalten können, hat mich zu keiner Zeit auch nur eine Minute beschäftigt. Wozu denn? Die Bundesrepublik war doch prima.

Liselotte

29. Oktober 2024 01:41

@HB: auch ich möchte mich anschließen, dies ist ein atmosphärischer Text.
@RMH, "Generation Schwemme": da sagen Sie was. Genau das war/ist die Dynamik. - Die Industrie in der Kleinstadt in BaWü, wo ich aufgewachsen bin, brach inzwischen auch weg, wenn auch nicht gleich in den 90ern. Aber eben weg. Für die DDR war es so brutal, weil mit der D-Mark von einem Tag auf den Anderen ALLES unter den Hammer kam, entsprechend alles auf einmal wegbrach.

Florian Sander

29. Oktober 2024 01:45

Ja, die Treuhand. Symbol westdeutscher Arroganz, aber eben noch mehr als das: Eben gerade NICHT links. Linke allein taugen nicht als rechtes Feindbild. Denn die Treuhand war vor allem eines: Aalglatter, eiskalter Neoliberalismus im Siegestaumel des Westens, die Demaskierung des Kapitalismus ab dem Moment, in dem er sich nicht mehr sozial darstellen musste. Der Geist, dem so mancher westdeutsche Rechtsliberale auch in "unseren" Kreisen, dessen Hauptrhetorik daraus besteht, über den "(Öko-)Sozialismus" zu wettern, immer noch hinterher trauert: Kohl, Thatcher, Reagan. Letztlich: Ebenso globalistisch, ebenso antinational, ebenso antideutsch wie die Linksgrünen. Aber irgendwie war es ja "die gute alte Zeit". Und früher war doch alles besser, nicht wahr?

Carsten Lucke

29. Oktober 2024 02:49

@ Blue Angel  20.40
Ihr schöner Verschreiber - "Widervereinigung" - bringt das Thema und die Reaktionen hier ziemlich genau auf den Punkt! Oder war's gar Absicht?

das kapital

29. Oktober 2024 03:39

Lustiger Ost-West-Dialog gleich am Anfang. Es gibt sie, die authentischen Ostgewächse in der öffentlichen Diskussion, angefangen mit Uwe Steimle, Uwe Tellkamp, Susanne Dagan und Antje Hermenau. Die bewahren auch ostdeusche Kultur und Identität ein Stück weit vor der westlichen Überformung und Verein-nahmung. Der Westen war sich überhaupt nicht im Klaren, wie sehr der Osten die industrielle und kulturelle Mitte Deutschlands war. Weimar liegt nicht im Westen, sondern im kulturellen Herzen Deutschlands. Leipzig hatte im 19. Jahrhundert mehr Verlage, als Berlin. Die Leipziger Buchmesse und Industriemesse wären immer noch auf Platz 1, wenn nicht aus der Not der Teilung heraus Frankfurt und Hannover erfolgreich geworden wären. /// 1989 war auch ein Stück weit "orangene Revolution", die teils von außerhalb mit angeschoben worden ist. Die USA hatten eben nicht nur die Zielrichtung , dem deutschen Volke zu dienen, sondern die Schwäche der UdSSR maximal auszunutzen. Dass die nicht unsere Freunde sind, kann nach Nordstreamsprengung und Inflation Reduction Act jedem klar sein.Die Menschen wollten nicht mehr Kolonie sein. Sie haben aber nur den Kolonialherren gewechselt.

Ein gebuertiger Hesse

29. Oktober 2024 07:34

"Nicht wieder sich vereinnahmen und hinäffen lassen."
Hinäffen? Toll, habe ein neues Wort gelernt! Sehr gelungener Aufsatz auch im Ganzen: Man SIEHT beim Lesen den Ort, von dem die Rede ist.

RMH

29. Oktober 2024 07:40

@das Kapital, auch sie verfallen wieder in das ewige "Ostdeutschland"- Meme. Ich fahre als Franke in Bayern genau nach Norden, um nach Thüringen zu kommen, bin damit geographisch also quasi auch "Osten". Die Betonung auf Ostdeutschland = DDR, war der sprachliche Trick der DDR gewesen (und in der BäheRDäh bließ man ins gleiche Horn und nannte sich entsprechend konsequent Westdeutschland, auch um eine Zugehörigkeit zu einem "freien Westen" zu betonen, was auch immer das gewesen sein soll) um es vergessen zu machen, dass das wahre Ostdeutschland woanders war. Jeder, der sich damals in den alten Ländern ein bisschen mit Geschichte befasst hat, politisch ein bisschen in das Umfeld der REP geraten war etc., dem war genau das bekannt, was Sie schildern. Dass in der DDR einst eben Kerndeutschland lag und daher sollten sich die Ossis evtl. besser Kernis nennen. Dass Chemnitz Karl-Marx Stadt auch deshalb genannt wurde, weil es eben als sächsisches Manchester galt etc. Ich erinnere mich noch gut an eine Ausgabe der Parteizeitschrift "Der Republikaner", in der Ende 88 oder Jan/Februar 89 groß getitelt wurde "Kommt jetzt die Wiedervereinigung?". Darüber wurde gelacht - November 89 war es dann soweit, es ging los. Am Ende war es RICHTIG, trotz aller Rumpeleien, persönlicher Härten etc. Härter hat es all die getroffen, die ab Winter 44/45 ihre Heimat komplett & unwiderbringlich verloren haben & dann sowohl in der DDR als auch in BRD gelandet sind, sehr zur "Freude" der dortigen Einheimischen.

Joerg

29. Oktober 2024 08:57

Ein sehr schöner Text.

Mitleser2

29. Oktober 2024 09:20

Ein wenig off-topic: War gerade in Nordgriechenland, abseits des Tourismus. Was ich da gesehen habe ... Ich will damit gar nichts an den Problemen der DDR-Bürger nach der Wende relativieren. Aber dort sieht man den wirklichen Niedergang, ohne die westdeutschen Milliarden. In den Dörfern steht gefühlt jedes zweite Haus leer. Aber da steht kein Schild "zu verkaufen". Es wurde verlassen und verfällt. Genauso mit Kleinindustrie und Gewerbe. Geschäfte muss man suchen, es gibt nur vereinzelt Tante-Emma-Läden. Mittelalte und alte Männer sitzen beim Kaffee seit dem Morgen. Und alles ist völlig vermüllt. Nur in den (wenigen) größeren Städten sieht es plötzlich anders aus, da gibts auch Malls mit englischer Musik, Und da werden schon mal die Töchter zum Shoppen mit dem Mercedes abesetzt. Aber die Menschen sind superfreundlich und wirken entspannt. Und keine Migranten. Ich weiß aber nicht, was ich letztlich daraus lerne.

Ein gebuertiger Hesse

29. Oktober 2024 09:24

AT Carsten Lucke:@ Blue Angel 
'Ihr schöner Verschreiber - "Widervereinigung" - bringt das Thema und die Reaktionen hier ziemlich genau auf den Punkt! Oder war's gar Absicht?'
Das war no way ein Verschreiber. Sie hören doch auf die Stimmen, die hier sprechen. Und die hier klingen.

Monika

29. Oktober 2024 09:31

Aktuell ist die Biographie von Angela Merkel unter dem Titel FREIHEIT auf dem Markt. Freiheit und Merkel, das passt zusammen wie Islam und Frieden. Ich habe nie verstanden, wie diese Frau sich 16 Jahre an der Macht halten konnte. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Deutschen letztlich keinerlei Interesse an Parteipolitik haben, denn "Wer wirklich was kann, geht eher nicht in die Politik", der Klischeedeutsche arbeitet lieber was Richtiges und will in Ruhe gelassen werden. Er erwartet von der Politik nichts. Wenn diese scheitert, allerdings alles. Das ist fatal. Dann ist er außer sich, wo er bei sich bleiben sollte. Und dann kommt zusammen, was nicht zusammen gehört. ( Siehe Thüringen) .

Laurenz

29. Oktober 2024 09:32

@Liselotte ... Die Deutschmark ... war nicht das Problem. Das Problem war Kohl, der von Ökonomie 0 Ahnung hatte, angeblich über den Pfälzischen Wochenmarkt promoviert hatte. Kohl hatte alle seine Kumpels aus der Jugendzeit zu Staatssekretären gemacht & sich eben auf Leute verlassen, die uns ausgenommen haben, wie eine Weihnachtsgans. Man hätte die DDR-Industrie anders umbauen können. Aber dazu brauchte man Leute, die das können. Als linker Kabarettist hatte Volker Pispers das genau analysiert. Vor der Wende war die DDR der Billiglohnsektor der BRD. Aber auch bei Pispers war von Berufswegen nur die Fresse groß.@RMH ... Ihr besten Beiträge der letzten 2 Jahre.@Fonce ... Nur Merkel rasierte die gesamte Prominenz der Union quasi in einem Staatsstreich weg. Im BRD-System funktioniert das fast ohne Gulag & Knast. Aber sonst täuschen Sie Sich. Fast das gesamte Großkapital war schon immer marxistisch. (Ausnahmen, wie Elon Musk bestätigen die Regel.) Siehe WEF, ein reiner Kultur-Marxisten-Verein. Stalin hatte aber alle Kumpels des Großkapitals in der Sowjetunion über die Wupper schwimmen lassen. Die kurze Freiheit der Bonner Republik war also notwendig, um Stalins Konstrukt, den Warschauer Pakt innerhalb von 45 Jahren in die Tonne zu hauen. Nach diesem Untergang waren Freiheit & Wohlstand der Bürger überflüssig geworden. Es ging beim Marxismus nie um die Ob-Frage, sondern nur darum, wer herrscht.

KlausD.

29. Oktober 2024 09:39

Bei alledem sollte man jedoch nicht vergessen, daß die Wiedervereinigung (besser: Übernahme) nicht auf deutschem Mist gewachsen ist. Das System des real existierenden Sozialismus hatte den Kampf auf dem Weltmarkt, vor allem wirtschaftlich, verloren, die Konkursmasse wurde vom Sieger, dem real existierenden Kapitalismus übernommen. Wobei die Menschen in der DDR noch vergleichsweise gut wegkamen, wurde ihr Sturz doch, zumindest finanziell, generös abgefedert. Anders als z.B. in Russland, wo von einem Tag auf den anderen alles weg war.
Gut, die DDR selbst hätte sicher noch etliche Jahre durchgehalten, aber war auch hier alles am Niedergehen, die Wirtschaft sowie die Infrastruktur lebten von der Substanz, historische Innenstädte, Burgen, Schlösser verfielen, riesige Braunkohletagebaue fraßen sich in die Landschaft, Umweltschutz spielte keine Rolle … So gesehen kam die Wende noch zur rechten Zeit.
Die Veränderungen der letzten 10 Jahren in unserem so schönen Land sowie die düsteren Vorhersagen für die nächste Zukunft sind jedoch ein anderes Thema.

Monika

29. Oktober 2024 09:56

Harte Brüche. Niemand hat sie so gut beschrieben wie Wolfgang Hilbig. In einem Spiegel-Interview vom 13.10.2002 "LEBEN HABE ICH NICHT GELERNT" spricht Hilbig über seine Heimatlosigkeit ( er wurde 1985 plötzlich in den Westen übergesiedelt) und, dass er im Westen einen Knacks bekommen hätte. "Ich war zwischen den beiden Ländern. Ich merkte, " die DDR gehört nicht mehr zu mir, der Westen aber auch nicht." Hilbig hat das durch Alkohol kompensiert. Beschrieben ist das in seinem Roman "Provisorium". 1997 sagte er in einer Rede: "Der Beitritt zur Bundesrepublik hat uns zu den DDR-Bürgern werden lassen, die wir nie gewesen sind, jedenfalls nicht, solange wir dazu gezwungen waren. " Die Wiedervereinigung bezeichnete er als " Unzucht mit Abhängigen ". Das wurde ihm übel genommen, er hatte es aber als Witz gemeint. ff

Valjean72

29. Oktober 2024 09:56

Ein wirklich schöner, atmosphärischer Text. Als gebürtiger Oberpfälzer bin ich ja eigentlich ein Wessi – oder sollte einer sein – und obwohl ich ein oberpfälzisch-bayerischer Patriot bin, liegen meine Sympathien eher bei den Mitbürgern Neufünflands als bei den gelernten Alt-BRD’lern.
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RMH: «Die Betonung auf Ostdeutschland = DDR, war der sprachliche Trick der DDR gewesen»
 
Die DDR hatte mE sich nie als Ostdeutschland begriffen, dazu war die Amputation der deutschen Gebiete östlich von Oder/Neisse noch viel zu frisch und folglich im Bewusstsein der Mehrheit der DDR-Bürger.
 
Das Pendant zu «Made in West Germany» war «Made in GDR»
 
Vor vielleicht 25-30 Jahren wurde Kurt Masur von Günter Jauch interviewt und als Jauch ihn fragte, wie er das als Sachse so sehe, entgegnete ihm Masur mit bestimmendem Ton: «Ich bin kein Sachse, ich bin Schlesier!» 

Monika

29. Oktober 2024 10:01

Hilbig hatte als Schriftsteller starke Selbstzweifel. Im PROVISORIUM heißt es: " Wie konnte er sich vor ein Publikum hinstellen, wenn er nichts als dieser hohle Scharlatan war, der keinerlei Halt in sich selber hatte." Deshalb zum Schluss die Frage: Wie kann man bei sich bleiben, wenn man keinerlei Halt in sich selber hat ? Das würde ich heute auch im allgemeinen Sinne als Deutsche Frage verstehen.

Laurenz

29. Oktober 2024 10:20

@KlausD. ... nicht auf deutschem Mist gewachsen ... Man muß Ihnen hier deutlichst widersprechen. Die gesamte politische Front Deutschlands, bis auf wenige Ausnahmen, war sich hier einig, das politische Ziel der USA, den Warschauer Pakt Geschichte werden zu lassen, also ein kurzes Zeitfenster dafür zu nutzen, die Verfassungs-Projekt in die Tat umzusetzen. Willy Brandt war nur als Verkäufer gut, als Politiker ein totaler Versager. Als Staubsauger-Verkäufer, der vernachlässigte Hausfrauen betreut, wäre er erfolgreicher gewesen. Aber, Brandt war für seine Verhältnisse vor dem Schöneberger Rathaus bewegter, als in seinem ganzen Leben zuvor. https://youtu.be/5S43UG3QNCI Kohl hatte es voll verkackt, als Er Russisch-Ostpreußen nicht von Jelzin zurückkaufte. Man hätte auch die Rückgabe aller anderen Deutschen Ostgebiete mit den Amis verhandeln können, weil den Amis das völlig scheißgeal ist. Aktuell nicht, weil die Polen besser spuren als wir.

Le Chasseur

29. Oktober 2024 10:54

@Laurenz
"Aktuell nicht, weil die Polen besser spuren als wir."
Die Polen spuren nicht, die Polen erhoffen sich mit Rückendeckung aus London und Washington ihre Träume von Großpolen erfüllen zu können. Sie wollen sich bspw. ein großes Stück aus dem ukrainischen Kadaver einverleiben und Anrainerstaat des Schwarzen Meeres werden.

das kapital

29. Oktober 2024 11:19

@ RMH Meine Mutter ist in Polen geboren, als es gerade noch nicht polnisch war. Deshalb weiss ich ganz genau, wo dass wahre historische Ostdeuschland liegt und werde mit Sicherheit nicht in irgendwelche Meme verfallen. Ob Königsberg in Ostpreußen oder in der Neumark, Breslau, Danzig, Allenstein oder Stettin. Ich erinnere gerne daran, wo das historische Ostdeutschland liegt, aus dem etwa 10 Millionen Deutsche vertrieben worden sind. /// Mitteldeutschland als Ost-deutschland zu bezeichnen war nach dem Kriege eine historische Lüge in Ost und West. Heute aber ist es gesamtgesellschaftliche Realität. Das ist kein "Meme" mehr, sondern völkerrechtliche Realität. Die 10 Millionen Vertriebenen und ihre Nachfahren werden sich nicht wie die Hamas an die polnische Grenze stellen, dort Tunnel graben und täglich hundert Raketen und Drohnen auf Warschau niederprasseln lassen. Einmal Warschau komplett zerstören hat nun wirklich gereicht. /// Wichtig ist aber die Pflege des kulturellen Erbes der Deutschen jenseits von Oder und Neiße. Da ist der Staat dürftig bis abartig aufgestellt und auch die privaten Initiativen halten sich in Grenzen.

Le Chasseur

29. Oktober 2024 12:01

@Fonce
"Der Eurokommunismus ist erst durch diesen Ossi-Dünger so richtig aufgeblüht."
Wie bitte soll das zugegangen sein?
Waren Obama und Sarkozy etwa ostdeutsche Agenten? https://www.ft.com/content/f6f4d6b4-ca2e-11e3-ac05-00144feabdc0

Majestyk

29. Oktober 2024 12:10

@ Danke an alle die auf mich reagiert haben, insbesonders vielen Dank an ede für die geschilderten Eindrücke
Mir geht es gar nicht um Schuld oder Verantwortung, sondern um:
Hoffentlich kommt jetzt nicht wieder so ein Klugscheißer-Wessi
Hätte ich hier Jammer-Ossi geschrieben wäre die Hölle los gewesen. Was sollen solche pauschalen Vorwürfe nach dieser langen Zeit? Ich bin viel in Thüringen, ich mag die Leute dort. Ich finde es auch normal, wenn Deutsche sich auch als Bayern, Sachsen oder Schwaben identifizieren. Soll auch so sein. Aber sich im Jahr 34 noch über eine von Fremden gezogene Grenzlinie definieren? 
Wie will man eigentlich Identitätspolitik betreiben und die Deutschen dazu bringen sich wieder als ein Volk zu verstehen, welches es auch zu erhalten gilt, wenn manche Deutsche immer noch an einer Grenzlinie festhalten die fremde Mächte zu einem Frontverlauf gemacht haben und die anderen Deutschen jenseits dieser nicht mal mehr existenten Grenze innerlich wie Gegner betrachten?
Ich lehne zunächst natürlich auch die implizierte Pauschalverurteilung von "Westdeutschen" ab, noch schlimmer finde ich aber, daß solche Beispiel zeigen, daß manche die Wiedervereinigung immer noch nicht verdaut haben und immer noch so denken als wäre Deutschland geteilt. 

Majestyk

29. Oktober 2024 13:00

@ Laurenz:
Ich deute die Milliardenkredite im Rückblick als Versuch die DDR am Leben zu erhalten, weil diese als Werkbank diente und die Teilung eine gesonderte Stellung und Einfluß im westlichen Block garantierte.
Jene Stellung war für mich immer Hauptziel der CDU. Ich meine auch mich zu erinnern, daß Leute wie Gehlen die Sowjets noch schlechter darstellten als diese tatsächlich waren, um die eigene Notwendigkeit zu betonen. Selbst einige Amis haben Gehlen und Co. mißtraut, vor allem wegen dessen Unfähigkeit, weswegen es ja auch u.a. zur Operation Campus kam.
Die Unfähigkeit einen wirklichen Kontinuitätsbruch vorzunehmen ist für mich ein entscheidender Geburtsfehler der Bundesrepublik. Hätte man die Stunde Null wirklich genutzt um neu anzufangen, vielleicht hätte es später gar nicht diese Rebellionsgrundlage für die 68er gegeben?
Stalins Angebot war natürlich ein hölzernes Pferd, aber irgendwie wirkt die bundesdeutsche Politik nicht so als habe man ernsthaft versucht die Teilung zu überwinden.
@ das kapital:
Für jeden ist Erinnerungskultur da, jede noch so kleine Randgruppe wird gefördert, Stämme in Afrika unterstützt, nur die Vertriebenen sind seit den 90ern völlig in Vergessenheit geraten. Ich war letztes Jahr zum ersten Mal in Görlitz, mit Ausflügen in die Umgebung. Als Nichtvertriebener kann man nicht mal erahnen was verloren ging und wie sehr dieser Verlust an Heimat innerlich nachwirken muß.
Das macht wütend. Dieser Staat verrät sein Erbe.

Blue Angel

29. Oktober 2024 13:20

Ein Freudscher, Carsten Lucke. Mein Unterbewußtsein weigert sich wohl weiterhin, diesen Euphemismus als Wirklichkeit zu verbuchen.
Florian Sanders (sinngemäß) "Eiskalter Neoliberalismus ab dem Moment, wo er sich nicht mehr als sozial darstellen mußte" - Richtig: Die BRD war ein Lockschaufenster für die Bewohner der Warschauerpaktstaaten und, wie man u. a. am von Mitleser2 geschilderten Beispiel sieht, nicht nur für diese.
Letzteres zeigt auch, daß auf die Versuchungen des Katzengolds hedonistischer Materialismus für die meisten zuverlässig der Katzenjammer folgt. Die EU war/ist die "Möhre", mithilfe derer die "Esel" in´s Joch und die nato gelockt werden. Funktioniert das mal nicht wie geplant, gibt´s Farbenrevolution oder Putsch "von der Stange" (erprobt seit 1953 im Iran).
Majestyk, Deutschland ist weiterhin geteilt aber anders als hier angesprochen: In die "Unterkönige" der Herrschaft und deren Gefolge gegen den gesamten Rest, ob west- oder mitteldeutscher Herkunft. Oder auch in "anywheres" gegen "somewheres", "außen" gegen "Innen". 
 

Blue Angel

29. Oktober 2024 13:31

Majestyk, volle Zustimmung zu Ihrem letzten Absatz, den Verrat am Erbe betreffend.
Was die 68er betrifft sehe ich das heute etwas anders (als in jungen Jahren, wo ich als "zu spät Geborener" die 68er regelrecht angehimmelt hatte). M. E. war auch diese Bewegung hauptsächlich von außen befeuert und diente schon damals der Zersetzung der Identität unseres Landes. Daß es keine echten Grundlagen für angezettelte "Revolutionen" braucht, zeigt aktuell ja u. a. ein Teil der hysterisierten (nicht nur) Jugend, der aufgrund irrationaler CO2-Panik völlig durchdreht. Natürlich entspringt auch diese oktroyierte Panik einer herrschaftlichen Agenda (schwarz auf weiß nachlesbar in öffentlichen Verlautbarungen der entsprechenden Institutionen). 

Fonce

29. Oktober 2024 13:51

@Le Chasseur:Bei der Willkommenskultur hat sich "Proletarier aller Länder vereinigt euch" als Ossi-Dünger aus Merkels Unterbewusstsein ins Volk manifestiert. Damit haben wir den kleinsten gemeinsamen Nenner, der die Ossi-Sache auf den Punkt bringt.
Dass jetzt alle Ossis plötzlich Rechtsextreme (resp. Konservaltive) geworden sind, hat mit dem Phänomen zu tun, dass alle Linksextremen schliesslich Rechtsextreme werden. Das ist der übliche Verlauf der Dinge, wie aus der Landwirtschaft beim Schweine-Zyklus bekannt. Das ist ein Beispiel für die fundamentale Analogie, die sich durch alle Dinge hindurch zieht.

Morgner

29. Oktober 2024 14:06

Danke Herr Bosselmann für Ihren wunderbar tiefgründigen Text zum demnächst 35jährigen Jahrestag des Mauerfalls. Und ebenso herzlichen Dank an die Sezession für die Veröffentlichung.
Nur aus dem Innenraum der ehemaligen DDR lässt sich der Text wirklich verstehen. Die für mein Empfinden großartige Schilderung hat beim Lesen schon fast Vergessenes so plastisch, schon fast filmisch wiedererstehen lassen,  dass ich nur mit etlichen Ausrufen der Bestätigung kommentieren konnte. Ohne alle Nostalgie darf ich es als tröstlich bezeichnen, wenn ähnlich Ostsozialisierte (ich geboren 1953 in Thüringen) das damalige Lebensgefühl gleich erlebten.
Denn, der Um- bzw. besser Abbruch alles Gewohnten (entschuldigt liebe Wessi-Foristen, "drüben" haben sich im grossen und Ganzen nur die Postleitzahlen geändert)  und das Ankommen im komplett neuen System hat bei mir fünf Jahre gebraucht.  Danach gab es etliche tolle Jahre, bevor erkennbar wurde - man kommt uns schon wieder mit Propaganda und undurchsichtiger Politik daher. Aber insgesamt hab ich kein Jammern parat. Ab meiner Lebensmitte in ein neues Gesellschaftssystem "einzuheiraten" war Lernen auf die sehr harte Tour und ja, es war enorm bewusstseinserweiternd und hat mich stärker gemacht. Und zwar bezüglich des mickrigen DDR-SelbstBewusstseins ohne jedes Talent zur Show.
Lieber Herr Bosselmann, herzlichst danke!
Die
 

Blue Angel

29. Oktober 2024 14:17

Fonce, die "Willkommenskultur" war kein "Ossi-Dünger" oder Projekt, sondern Teil der herrschaftlichen Zersetzungsstrategie (nicht nur) unseres Landes (sie betraf/betrifft ja auch andere mehrheitlich von Kaukasiern bewohnten Länder im westlichen Machtbereich).
Daß Frau Merkel (ein nachrangiger) Teil dieses Herrschaftsapparates war/ist, trifft dagegen m. E. zu. Mit ihrer mitteldeutschen Sozialisierung hat das m. E. weniger zu tun als mit grundsätzlichen, charakterlichen Mängeln (allen voran maßlose Eitelkeit).
"Daß alle Linksextremen zu Rechtsextremen werden", interpretiere ich anhand der eigenen Biografie dahingehend, daß viele Jugendliche verführbar für utopistische Einflüsterungen sind (dadurch oft linksextrem, meist aber nicht mal das, sondern schlicht irrational) und und im Laufe des Erwachsenwerdens dann zur Vernunft kommen, das Eigene zu schätzen lernen und zu Pragmatikern werden (also "rechtsextrem").

Majestyk

29. Oktober 2024 14:32

@ Blue Angel:
"anywheres" gegen "somewheres"
Eben, deswegen sollten sich somewheres nicht auch noch in Ost vs. West spalten und 2024 immer noch gedanklich an der innerdeutschen Grenze festhalten. Hat was von Haussklave gegen Feldsklave. So bedient man nur "Teile und herrsche!" Die Energie muß sich aber gegen die anywheres richten
An den 68ern verkläre ich nichts, habe ich nie. Ich wußte schon als Kind, daß Leute, die Autos von Arbeitern anstecken, nicht meine Freunde sein können. Worauf ich hinaus wollte, daß man so den 68ern Ansatzpunkte gegeben hat, denn entnazifiziert war an den Funktionseliten mal gar nichts, das war alles im Ansatz stecken geblieben und eher ein Papierkonstrukt.
Bei der ausländischen Beeinflußung bin ich voll bei Ihnen. Der ganze rote Terror (der arabische ebenso), die Aktivisten, eigentlich alles, was dem Land schadete, wurde von außen gesteuert oder beeinflußt. Ich denke diesbezüglich aber über den deutschen Tellerrand hinaus. Ist hier nicht ganz so erwünscht, wie mir scheint, aber was war ein Clinton anderes als ein 68er? Der ganze Migrantismus, die Destabilisierung und Verdummung richten sich gegen den Lebensraum von Europäern und werden betrieben von miteinander vernetzten Linken, die eben nicht mehr in Nationen und Völkern denken. Hier sind die Rechten, die sich auch gerne mal gegenseitig beharken, im Nachteil.
Der neoliberale Hegemonieanspruch hat seine Wurzeln bei Gramsci und Co. Deswegen verstehen sich linke Europäer und linke Amerikaner wunderbar.

Majestyk

29. Oktober 2024 14:45

@ Blue Angel:
Nachsatz. Ich finde gerade der Klimaschwindel oder die Pandemiesimulation müßten eigentlich mehr Leute zum Nachdenken bringen, was noch so alles gelogen sein könnte.
Von den aktuellen Manipulationen ist aber keine so mächtig wie die Fachkräftemangellüge, die für mich so durchschaubar ist, daß ich mich immer wundere, daß selbst Oppostionspolitiker auf Basis dieses Schwindels argumentieren. Mal ganz abgesehen davon, daß man keine angeblich aussterbende Art durch Kreuzung rettet. 
Auch hier agieren anywheres aus Politik, Wirtschaft, Finanzwelt, Medien und Kulturbetrieb konzertiert gegen somewheres, denen man Raum nimmt und gleichzeitig deren Atem besteuert.

gustl

29. Oktober 2024 14:46

Ganz schwacher Text. Die permanente Wir-Form ist anmaßend, und auch sonst dreiste Verallgemeinerungen.

Ekstroem

29. Oktober 2024 14:54

Danke, werter Herr Bosselmann für den schönen und wahren Text. Die letzten beiden Absätze sind unterstreichenswert. Selbst bin ich ein Wossi - eine Kreuzung aus Ossi (bis 1986) und Wessi, dazu Berliner. Ich habe beide Welten, Ost und West, erfahren und bin dankbar dafür, nicht in eine der Attitüden (Ossi oder Wessi) zu verfallen. Jeder von uns ist viel mehr.

brueckenbauer

29. Oktober 2024 14:55

HB ist ein empfindsamer Mensch, der über gewisse Ereignisse in seinem Leben nicht hinwegkommt und sie immer und immer wieder abspult. Nicht gut für seine eigene psychische Gesundheit (Traumatherapie?). Gut, es gibt immer wieder Leute, die noch nie was über die Wendezeit gelesen haben, für die braucht man solche "atmosphärischen" Artikel. Was politische Beratung angeht, halte ich mich aber lieber an Wolfgang Prabel - solche robusten, tatkräftigen Ossis "mit Überblick" gibt es nämlich auch! Könnte Sezession nicht den Herrn Prabel engagieren? 

brueckenbauer

29. Oktober 2024 15:15

Eine wirkliche Gefahr ist die, dass empfindsame Menschen sich hinter einem Kollektiv verstecken: Wir Frauen/wir Schwule/wir Schwarzen haben nicht genug Leute in den Chefetagen! Und genauso HB: "Meine Generation, die in den Sechzigern im Osten Geborenen, schaffte es meist nicht in die Chefetagen."
Von meiner Generation, den in den Fünfzigern im Westen Geborenen, schafften es die meisten auch nicht in irgendwelche Chefetagen. Normale Jugendliche wie wir träumten auch gar nicht von Chefetagen. HB damals wahrscheinlich auch nicht. "Mehr Chefetagen für unser Kollektiv" ist die Sprache des Ressentiments, die er sich nachträglich angewöhnt hat.

das kapital

29. Oktober 2024 16:16

@ Majestyk ganz klar dieser Staat verrät das Erbe des echten deutschen Ostens. Das der echten deutschen Mitte aber ooch. /// Immerhin steht am Marktplatz in Bremen immer noch "Gedenket der Brüder, die das Schicksal der deutschen Teilung tragen." Gestatte ich mir immer noch, nicht nur auf die SBZ / DDR zu beziehen, sondern auch auf die verlorenen Gebiete. Eine völlig geschichtsblinden Regierung schafft aber lieber das Kreuz des Westfälischen Friedens ab, statt des 300. Geburtstags von Immanuel Kant aus Königsberg zu würdig zu gedenken. Und beseitigt auch gerne mal Bismarckzimmer und -porträts im Auswärtigen Amt. Bloss keine Traditionen erhalten. Her mit dem kulturellen Vakuum für die Hirnlosen. Das Museum für Flucht usw. durfte nur ja nicht die Vertreibung der Deutschen eigenständig zeigen, sondern alles nur im "ganz großen Zusammen-hang". Ausnahmsweise wird jetzt mal gelegentlich fast 80 Jahre später daran gedacht, dass etwa 10 Millionen Deutsche ihre kulturellen Wurzeln jenseits von Oder und Neiße haben. Das Museum zur Bewahrung des echten deutschen Osten wartet aber noch auf seine Gründer.

Morgner

29. Oktober 2024 16:30

@brückenbauer: HB schreibt konkret, wer denn plötzlich alte und neue Chefetagen besetzte. Und ich kann das nur bestätigen - es war unter den Ostlern allgemein schnell im Gespräch, dass ihnen großflächig westdeutsche Chefs, manche geeignet, etliche nicht, vor die Nase gesetzt wurden.
Auch das ist oben beschrieben. Und - dass es sich so ruhiger und oft redlicher gelebt hat.
Wo nehmen Sie das Wort Traumatherapie dann eigentlich her?
Ich traue mich kaum zu schreiben, dass ich manchesmal einen gewissen getrübten Ton erkenne. Warum? Das steht mir nicht zu beurteilen.
 

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