Die Frage nach Stadt oder Land bleibt virulent. Denn nun sind unsere älteren Kinder in dem Alter, wo sie sich entscheiden wollen. Die Älteste hat längst zugeschlagen, in der Nähe. Die Familie baut dort mit großem Einsatz einen günstig erworbenen Vierseithof aus. Es wird ein Paradies.
Im Osten gibt es immer noch (und wird es auf lange Sicht immer geben, das macht die Demographie) Häuser auf dem Land für lau. Mein mittelschönes Elternhaus in Offenbach mit kleinem Garten wurde jüngst auf 600.000 € taxiert – dafür bekommt man hier Villen mit Landbesitz! Ich habe immer noch sämtliche Kataloge zu mitteldeutschen Grundstücksauktionen abonniert und bin daher im Bilde. Ich werbe sehr & vehement für das Leben im ländlichen Mitteldeutschland! Denn: Schöner geht es nicht.
Man soll sowas ja nicht „nach Bauchgefühl entscheiden“, sondern besser rationale Listen anfertigen. Ich habe es hiermit versucht.
(Nebenbei: Wir hatten damals auch eine solch biedere Liste angelegt. Zum damaligen “Muß” zählten u.a.: Viel Wald (wollte Kubitschek), schwimmbares Wasser (wollte ich) in gangbarer Nähe, ein hübscher Dialekt, Schule/Musikschulen/Supermarkt etc. per Fahrrad erreichbar, möglichst Sachsen, keinesfalls Hauptstraße, kein Windrad sichtbar etc pp. Als wir auf Schnellroda stießen, paßte null komma nichts davon. Damals hieß die Adresse auch noch Hauptstraße, und den Geiseltalsee gab es nicht. Und doch hatten wir impulsiv zugeschlagen. Zum Glück!)
PRO-Stadt:
- Kürzere Strecken zur Arbeit, Schule, Musikschule, Bar, Schwimmhalle, zur Oper, Leihbücherei, Kino, Theater, guten Geschäften;
- Bessere Anbindung durch Bahnhof und Autobahnnähe;
- Städtische Wege mit dem Fahrrad zu erledigen inklusive die Autos an den Ampeln zu überholen und sich dabei ein bißchen durch Menschen, Werbung, Geräusche reizüberfluten zu lassen tut was für die Synapsen und kann energetisch aufladen.
PRO-Land:
- Die Leute sind nicht links (Speckgürtel ausgenommen);
- ländlich weniger ideologisierte Lehrkäfte, Dominanz des „gesunden Menschenverstandes“;
- Du siehst den Sternenhimmel besser;
- Du brauchst für die nächste Stadt in 15 km Entfernung 15 Minuten. Unterwegs: eine Ampel. 15 km In der Stadt hingegen: 50 Minuten ims Berufsverkehrs und 600 Ampeln;
- Man grüßt dich auf der Straße. Sogar Pubertierende müssen das tun;
- Du kannst bspw. im Rock deine Laufrunde machen oder ungekämmt Altglas wegbringen. Keiner wird es als komisch wahrnehmen;
- Du kannst die Kinder einfach zum Spielen rausschicken;
- Pferdehaltung kostet kein Vermögen. Überhaupt: Tierhaltung. Ob zur reinen Freude oder für den Speiseplan;
- Deine Söhne werden Teil einer Simson-Bande und Schrauberrunde;
- Deine Töchter werden auf dem Schulweg nicht x‑fach von Talahons angegraben;
- Land ist weitgehend migrantenfreie Zone;
- sogenannte Feinstaubbelastung gleich null;
- keine Lichtverschmutzung, kein Nachtlärm;
- Du kannst andererseits auch mal lautstark durchfeiern. Denn der Nachbar will die Woche drauf ebenfalls lautstark durchfeiern;
- mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Neureiche, Liberale oder Spaßverderber im Wohnumfeld;
- überhaupt: Es gibt bei aller Verschiedenheit so etwas wie Dorfsolidarität. Man muß ja miteinander auskommen.
- Wald, Wege, Wiesen;
- Jahreszeiten voll auskosten, Zusammenhang von Saat und Ernte wahrnehmen;
- weniger Konsumanreiz. Konzentration auf das „Wesentliche“;
- keinen schert dein Holz- und Kohleofen;
- in der Stadt gibt es das Konzept „Dorfkneipe“ nicht, es ist goldwert!;
- niemals Parkplatzprobleme.
Ich bin bei 3:22, aber gewiß sind mir einige PRO-Dorf Argumente gerade entfallen.
Ich besichtige weiterhin gern ländliche Kleinode, die “Herrchen gesucht” annoncieren und male mir aus, was man da & dort aufziehen könnte. Mitteldeutschland ist diesbezüglich eine Schatzkiste für freie Menschen.
RMH
Es fehlt ein Punkt in der Betrachtung, der gerade Menschen Ü 50 von einem Aktiv-Tausch (bspw.: Haus im Westen verkaufen, Haus in Mitteld. kaufen & den Überschuss für was weis ich für andere Themen nutzen, bspw Vorruhestand) abhält, der aber auch sonst wesentliche Bedeutung hat: die medizinische Versorgung & wenn es nur der Weg zum nächsten Zahnarzt ist. Ich selbst bin als Stadtbewohner aus bestimmten Gründen bei einem echten Landarzt in 40 km Entfernung in der hausärztlichen Betreuung, die bei mir zum Glück nur 1x im Jahr (manchmal auch nur alle 2 Jahre) stattfindet & dann quatschen wir meist, da ich mich mit dem Arzt (ein Linker!) angefreundet habe. Worauf ich hinaus will: Der gute Mann hat die Praxis noch voller, als jeder Stadtarzt, richtig heftig, der Patientenumschlag & es gibt ganz klar deshalb auch Wartezeiten. Warum? Er hat fast eine Monopolsituation. Ansonsten: Wenn man es beruflich einrichten kann, warum nicht aufs Land, ich lebe am Stadtrand und habe fast beides. Ich war aus familiären Gründe viele Jahre Berufspendler - selbst 25km am Tag wünsche ich keinem für eine längere Zeit (meine Strecken waren zunächt einfach 180km (Wochenendheimfahrer) und später 45km einfach täglich).