Stadt oder Land?

Als Großstädterin, die das Stadtleben 27 Jahre durchaus ausgekostet hatte, habe ich mich dennoch für´s Landleben entschieden. Habe ich es je bereut? Keine einzige Sekunde!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Die Fra­ge nach Stadt oder Land bleibt viru­lent. Denn nun sind unse­re älte­ren Kin­der in dem Alter, wo sie sich ent­schei­den wol­len. Die Ältes­te hat längst zuge­schla­gen, in der Nähe. Die Fami­lie baut dort mit gro­ßem Ein­satz einen güns­tig erwor­be­nen Vier­seit­hof aus. Es wird ein Paradies.

Im Osten gibt es immer noch (und wird es auf lan­ge Sicht immer geben, das macht die Demo­gra­phie) Häu­ser auf dem Land für lau. Mein mit­tel­schö­nes Eltern­haus in Offen­bach mit klei­nem Gar­ten wur­de jüngst auf 600.000 € taxiert – dafür bekommt man hier Vil­len mit Land­be­sitz! Ich habe immer noch sämt­li­che Kata­lo­ge zu mit­tel­deut­schen Grund­stücks­auk­tio­nen abon­niert und bin daher im Bil­de. Ich wer­be sehr & vehe­ment für das Leben im länd­li­chen Mit­tel­deutsch­land! Denn: Schö­ner geht es nicht.

Man soll sowas ja nicht „nach Bauch­ge­fühl ent­schei­den“, son­dern bes­ser ratio­na­le Lis­ten anfer­ti­gen. Ich habe es hier­mit versucht.

(Neben­bei: Wir hat­ten damals auch eine solch bie­de­re Lis­te ange­legt. Zum dama­li­gen “Muß” zähl­ten u.a.: Viel Wald (woll­te Kubit­schek), schwimm­ba­res Was­ser (woll­te ich) in gang­ba­rer Nähe, ein hüb­scher Dia­lekt, Schule/Musikschulen/Supermarkt etc. per Fahr­rad erreich­bar, mög­lichst Sach­sen, kei­nes­falls Haupt­stra­ße, kein Wind­rad sicht­bar etc pp. Als wir auf Schnell­ro­da stie­ßen, paß­te null kom­ma nichts davon. Damals hieß die Adres­se auch noch Haupt­stra­ße, und den Gei­sel­tal­see gab es nicht. Und doch hat­ten wir impul­siv zuge­schla­gen. Zum Glück!)

PRO-Stadt:

  • Kür­ze­re Stre­cken zur Arbeit, Schu­le, Musik­schu­le, Bar, Schwimm­hal­le, zur Oper, Leih­bü­che­rei, Kino, Thea­ter, guten Geschäften;
  • Bes­se­re Anbin­dung durch Bahn­hof und Autobahnnähe;
  • Städ­ti­sche Wege mit dem Fahr­rad zu erle­di­gen inklu­si­ve die Autos an den Ampeln zu über­ho­len und sich dabei ein biß­chen durch Men­schen, Wer­bung, Geräu­sche reiz­über­flu­ten zu las­sen tut was für die Syn­ap­sen und kann ener­ge­tisch aufladen.

PRO-Land:

  • Die Leu­te sind nicht links (Speck­gür­tel ausgenommen);
  • länd­lich weni­ger ideo­lo­gi­sier­te Lehr­käf­te, Domi­nanz des „gesun­den Menschenverstandes“;
  • Du siehst den Ster­nen­him­mel besser;
  • Du brauchst für die nächs­te Stadt in 15 km Ent­fer­nung 15 Minu­ten. Unter­wegs: eine Ampel. 15 km In der Stadt hin­ge­gen: 50 Minu­ten ims Berufs­ver­kehrs und 600 Ampeln;
  • Man grüßt dich auf der Stra­ße. Sogar Puber­tie­ren­de müs­sen das tun;
  • Du kannst bspw. im Rock dei­ne Lauf­run­de machen oder unge­kämmt Alt­glas weg­brin­gen. Kei­ner wird es als komisch wahrnehmen;
  • Du kannst die Kin­der ein­fach zum Spie­len rausschicken;
  • Pfer­de­hal­tung kos­tet kein Ver­mö­gen. Über­haupt: Tier­hal­tung. Ob zur rei­nen Freu­de oder für den Speiseplan;
  • Dei­ne Söh­ne wer­den Teil einer Sim­son-Ban­de und Schrauberrunde;
  • Dei­ne Töch­ter wer­den auf dem Schul­weg nicht x‑fach von Talahons angegraben;
  • Land ist weit­ge­hend migran­ten­freie Zone;
  • soge­nann­te Fein­staub­be­las­tung gleich null;
  • kei­ne Licht­ver­schmut­zung, kein Nachtlärm;
  • Du kannst ande­rer­seits auch mal laut­stark durch­fei­ern. Denn der Nach­bar will die Woche drauf eben­falls laut­stark durchfeiern;
  • mit hoher Wahr­schein­lich­keit kei­ne Neu­rei­che, Libe­ra­le oder Spaß­ver­der­ber im Wohnumfeld;
  • über­haupt: Es gibt bei aller Ver­schie­den­heit so etwas wie Dorf­so­li­da­ri­tät. Man muß ja mit­ein­an­der auskommen.
  • Wald, Wege, Wiesen;
  • Jah­res­zei­ten voll aus­kos­ten, Zusam­men­hang von Saat und Ern­te wahrnehmen;
  • weni­ger Kon­sum­an­reiz. Kon­zen­tra­ti­on auf das „Wesent­li­che“;
  • kei­nen schert dein Holz- und Kohleofen;
  • in der Stadt gibt es das Kon­zept „Dorf­knei­pe“ nicht, es ist goldwert!;
  • nie­mals Parkplatzprobleme.

Ich bin bei 3:22, aber gewiß sind mir eini­ge PRO-Dorf Argu­men­te gera­de entfallen.

Ich besich­ti­ge wei­ter­hin gern länd­li­che Klein­ode, die “Herr­chen gesucht” annon­cie­ren und male mir aus, was man da & dort auf­zie­hen könn­te. Mit­tel­deutsch­land ist dies­be­züg­lich eine Schatz­kis­te für freie Menschen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (4)

RMH

7. November 2024 21:28

Es fehlt ein Punkt in der Betrachtung, der gerade Menschen Ü 50 von einem Aktiv-Tausch (bspw.: Haus im Westen verkaufen, Haus in Mitteld. kaufen & den Überschuss für was weis ich für andere Themen nutzen, bspw Vorruhestand) abhält, der aber auch sonst wesentliche Bedeutung hat: die medizinische Versorgung & wenn es nur der Weg zum nächsten Zahnarzt ist. Ich selbst bin als Stadtbewohner aus bestimmten Gründen bei einem echten Landarzt in 40 km Entfernung in der hausärztlichen Betreuung, die bei mir zum Glück nur 1x im Jahr (manchmal auch nur alle 2 Jahre) stattfindet & dann quatschen wir meist, da ich mich mit dem Arzt (ein Linker!) angefreundet habe. Worauf ich hinaus will: Der gute Mann hat die Praxis noch voller, als jeder Stadtarzt, richtig heftig, der Patientenumschlag & es gibt ganz klar deshalb auch Wartezeiten. Warum? Er hat fast eine Monopolsituation. Ansonsten: Wenn man es beruflich einrichten kann, warum nicht aufs Land, ich lebe am Stadtrand und habe fast beides. Ich war aus familiären Gründe viele Jahre Berufspendler - selbst 25km am Tag wünsche ich keinem für eine längere Zeit (meine Strecken waren zunächt einfach 180km (Wochenendheimfahrer) und später 45km einfach täglich).

Franz Bettinger

7. November 2024 21:30

Was passiert, wenn in einer Stadt die Lage nur ein bisschen schlimmer wird? Wenn es keinen Treibstoff für Autos & zum Heizen mehr gibt? Die Menschen auf dem Land können einen Weg finden zu überleben. In der Stadt haben Sie keine Wahl. Viele würden ohne Heizung od. Nahrung sterben. Aber zuerst würden sie verzweifeln. Verzweifelte Menschen sind eine Bedrohung für alle. Ein Aufstand in einer Stadt bedeutet nicht nur eine Serie von Verbrechen, sondern Chaos. Ein Ereignis bringt das Fass zum Überlaufen. Spontan entstehen überall in der Stadt Mini-Aufstände. Wenn die Sirenen heulen, verschwinden die Randalierer; sobald die Polizei ins nächste Viertel fährt, kommen sie zurück. Aufstände sind wie Guerillakrieg, nur dass sie keinem Plan gehorchen.  Wer als Städter hofft, in Ruhe gelassen zu werden, hat bei einem Aufstand keine Chance. Früher od. später muss er aus dem Haus; wenn er das tut, wird er Opfer... ff

Franz Bettinger

7. November 2024 21:34

Städte sind in guten Zeiten attraktiv, aber in chaotischen Zeiten sollte man weit weg von ihnen sein. Aus dem Chaos fliehen? Das ist schwer. 1. muss es auf dem Weg Tankstellen mit ausreichend Treibstoff geben, sonst wird man sein Ziel nicht erreichen. 2. kann es auf dem Weg Plünderer & Totschläger geben. In einer Krise möchte man Landbewohner um sich haben. 1. ist es unwahrscheinlich, dass sie einen angreifen, und 2. können sie einem helfen & das, was sie haben, mit einem teilen, wenn sie einen erst mal kennen. Man muss sich seinen Platz unter ihnen verdienen. (Verfranzelt und übersetzt aus: )

Isarpreiss

7. November 2024 21:58

Und wenn man die ganze tolle PRO-Liste ziemlich genau so haben will plus "immer noch relativ stark katholisch geprägtes Umfeld" zieht man in ein Dorf in Bayern. Allerdings ist das natürlich etwas teurer.