Eine Nachlese zum Volkstrauertag – von Dominik Kaufner

Vor einigen Tagen hat der Journalist Frederik Schindler in der Welt einen Beitrag veröffentlicht, in dem er einen „Angriff auf die Erinnerungskultur“ der Bundesrepublik aufzudecken vermeint.

Die Täter? Eini­ge AfD-Abge­ord­ne­te, dar­un­ter mei­ne Per­son, die am Volks­trau­er­tag exklu­siv der gefal­le­nen deut­schen Sol­da­ten gedach­ten, sie gar – hor­ri­bi­le dic­tu – als Hel­den bezeich­ne­ten. Das Evo­zie­ren von deut­schen Hel­den im Kon­text des Zwei­ten Welt­krie­ges sei NS-Sprech und Geschichts­re­vi­sio­nis­mus.

Auch der Nord­deut­sche Rund­funk nahm unlängst Wit­te­rung auf und pro­ble­ma­ti­sier­te das „Ewig lebt der Toten Taten­ruhm“ der Edda als Ver­herr­li­chung von NS-Verbrechen.

Es sind zwei Din­ge, die hier jedes Mal in der Argu­men­ta­ti­on her­vor­tre­ten. Zum einen ist es heu­te offen­bar ein Affront, wenn man beim Geden­ken an unse­re Groß- und Urgroß­vä­ter nicht auch sofort und beto­nend auf die Groß- und Urgroß­vä­ter der ande­ren Sei­te ver­weist, nicht auch gleich allen „Opfern von Krieg und Gewalt­herr­schaft“ gedenkt – am bes­ten gleich allen jemals gewalt­sam ums Leben gekom­me­nen.

Das Ziel ist klar: Durch die Belie­big­keit soll der eigent­li­che Zweck bis zur Unkennt­lich­keit ver­wäs­sert wer­den. Deutsch­land darf kei­ne Hel­den haben, nicht in der Bundesrepublik.

Das ande­re ist die NS-Beses­sen­heit. Dabei wur­de der Volks­trau­er­tag ursprüng­lich für die Gefal­le­nen des Ers­ten Welt­kriegs ins Leben geru­fen, spä­ter galt er allen deut­schen Gefal­le­nen. Im Geschichts­ma­nage­ment der BRD aber ver­schwimmt das Geden­ken zu einem Gefühls­ho­ri­zont von sechs Jah­ren und darf nur im Büßer­hemd began­gen wer­den. So wird dann ein Zitat aus der nor­di­schen Hel­den­sa­ga zu offen­sicht­li­cher NS-Pro­pa­gan­da und jeder Deut­sche, der ein­mal ein Gewehr in Hän­den hielt, zu einem Kriegsverbrecher.

Ein Satz aus der von mir nicht beant­wor­te­ten Pres­se­an­fra­ge Schind­lers bringt die Pro­blem­stel­lung auf den Punkt:

War­um schrei­ben Sie, daß Sie ‚immer unse­rer Hel­den geden­ken’ wol­len, ohne die Kriegs­ver­bre­chen der Wehr­macht zu erwähnen?

Die Ant­wort liegt für einen nor­mal den­ken­den Deut­schen auf der Hand: Weil ich Deut­scher bin.

Man könn­te das natür­lich damit abtun, daß ein Welt-Jour­na­list, der bei der anti­deut­schen Jungle World sein Hand­werk erlern­te, nun ein­mal so tickt. Aber die­se Geis­tes­hal­tung ist die Rai­son d’Êt­re die­ses Staa­tes. Es trifft sowohl das Kern­pro­blem der spä­ten Bun­des­re­pu­blik als auch die inhalt­li­che Unei­nig­keit der AfD: Wie ste­hen wir zu unse­rem Volk, zu unse­rer Geschich­te und den bestehen­den mora­li­schen Kategorien?

Zuletzt konn­te man mit Krahs „Unse­re Vor­fah­ren waren kei­ne Ver­bre­cher“ einen sub­stan­ti­el­len Gegen­ent­wurf zum Kult der Selbst­er­nied­ri­gung sehen. Das war eine Absa­ge an kate­go­ri­sche Ver­ur­tei­lun­gen für unse­re Vor­fah­ren, an die Redu­zie­rung kom­ple­xer his­to­ri­scher Pro­zes­se und Exzes­se auf eine ein­fa­che Rol­le des Gottseibeiuns.

Las­sen wir uns also nicht beir­ren: Schuld ist indi­vi­du­ell, nie kol­lek­tiv. Hel­den­tum natür­lich auch. Ich zöge­re daher nicht, die bis zuletzt tap­fer kämp­fen­den Sol­da­ten der deut­schen Wehr­macht, die sich – obwohl sie sich völ­lig im Kla­ren waren, daß der Krieg schon ver­lo­ren war – der her­an­bran­den­den Roten Armee ent­ge­gen­war­fen und damit vie­len Kin­dern, Frau­en und Ver­sehr­ten die Flucht ermög­lich­ten, als Hel­den zu bezeichnen.

Aus­ge­hun­gert, aus­ge­zehrt, auf ver­lo­re­nem Pos­ten kämp­fend, stan­den die­se oft blut­jun­gen Män­ner gegen einen vom Mate­ri­al her und auch zah­len­mä­ßig weit über­le­ge­nen Feind, der mit unfaß­ba­rer Grau­sam­keit deut­sche Frau­en, Min­der­jäh­ri­ge und Grei­sin­nen schän­de­te, die Män­ner erschlug und die Gemar­ter­ten wie in Nem­mers­dorf an die Scheu­nen­to­re nagelte.

Die meis­ten die­ser jun­gen Hel­den kehr­ten nie in die Hei­mat zurück. Sieht man sich die ört­li­chen Gefal­le­nen­eh­ren­mä­ler auf den Dör­fern – in West wie Ost – an, dann wird klar, welch hoher Blut­zoll in den letz­ten Kriegs­wo­chen und- tagen bezahlt wurde.

Wenn die­se Män­ner wüß­ten, daß die­sel­ben Leu­te, die ihr Andenken besu­deln, unse­re Gren­zen zuguns­ten einer stil­len Land­nah­me auf­ge­ge­ben haben, daß sie ohne Not Mil­lio­nen Frem­de in unser Land las­sen, daß unse­re Frau­en im eige­nen Land vie­ler­orts zu Frei­wild gewor­den sind – was wür­den sie wohl von uns den­ken, wenn wir hier nicht laut und ener­gisch Ein­spruch einlegten?

Bei­des hängt eng zusam­men: Der patho­lo­gi­sche Selbst­haß, das Suh­len in der eige­nen Schuld, macht uns hand­lungs­un­fä­hig. Die bestehen­den Eli­ten der Bun­des­re­pu­blik sind in die­ser Geis­tes­hal­tung aus­ge­bil­det wor­den. Sie sol­len ein ent­kern­tes, ziel- und stolz­lo­ses Deutsch­land in ein inter­na­tio­na­les Sied­lungs­ge­biet über­füh­ren. Das ist heu­te kla­rer denn je zuvor.

Sezes­si­ons-Leser sind sich des­sen bewußt. Ich bin als His­to­ri­ker nun frisch in den Bran­den­bur­ger Land­tag ein­ge­zo­gen und möch­te die­sem Bewußt­sein eine Stim­me geben.

Vie­len ist dies nach dem media­len Feu­er gegen Krah unan­ge­nehm gewor­den. Man­che träu­men schon von der Koali­ti­on, von beque­men Minis­ter­ses­seln hin­ter der brö­ckeln­den Brand­mau­er. Aus mei­ner Sicht ist es jedoch not­wen­dig, nicht durch irgend­ei­nen Kuh­han­del hin­ter die Brand­mau­er zu schlei­chen und sich dort behag­lich ein­zu­rich­ten, son­dern sie und all ihre im Kern anti­deut­schen Nar­ra­ti­ve ein­zu­rei­ßen. Der Druck, der einem begeg­nen wird, wenn man eines Tages am Ver­hand­lungs­tisch über Remi­gra­ti­on, neue Uni­for­men für die Bun­des­wehr und das Ende lin­ker Geschichts­klit­te­rung redet, wird immens sein.

Wenn wir dem gewach­sen sein wol­len, bedarf es einer all­ge­mei­nen, grund­sätz­li­chen Kamp­fes­lust in der AfD, um auch hier Alter­na­ti­ve zu sein. Für vie­le mag das kei­ne „Real­po­li­tik“ sein (im Sin­ne erwünsch­ter Betei­li­gung am Par­tei­en­staat). Für auf­rech­te deut­sche Patrio­ten ist es hin­ge­gen der ein­zi­ge Weg, der zu einer ech­ten Wen­de füh­ren kann. Vie­le jun­ge Deut­sche gaben in den letz­ten Tagen des Krie­ges ihr Leben, damit wir leben kön­nen. Wir soll­ten wenigs­tens den Mut auf­brin­gen, uns vom Sofa zu erhe­ben und der Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung und Auf­lö­sung unse­rer Hei­mat ent­ge­gen­zu­tre­ten, damit unse­re Kin­der hier noch eine Zukunft haben. Ohne Kompromisse.

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Kommentare (4)

RMH

28. November 2024 10:56

Im Gedenken an die dt Opfer & Toten sehe ich keinen Widerspruch zu einer grundsätzlich realpolitischen Ausrichtung. Lasst die anderen Parteien ihr Ding machen, machen wir unser eigenes. Am Ende spielt ein Kranz hier oder eine Rede dort (leider) keine echte relevante Rolle mehr. Ich sehe weniger das Problem bei den "Realpolitikern" in der AfD, als vielmehr bei denen, die in Russland einen weißen Ritter für die dt nationale Misere sehen & sich in einem vorauseilendem Gehorsam der Geschichtsklitterungspolitik Putins in Bezug auf die Vebrechen im Stalinismus (& unabhängig von Stalin war selbstredend die rote Armee nur heroisch, ohne Schuld & wenn, dann war das ja bei den Nazis, die in Form der Ukrainer aus Sicht der russ. Propaganda ihre Auferstehung feiern durften, ja nur legitim. Denn Nazis darf man entmenschlichen, entrechten etc., da diese das ja mit ihren Gegner auch tun) unterwerfen & so tun, als ob das "mit den Russen" auf einmal gar nicht so schlimm war oder zumindest relativierend sofort auf die zweifelsohne stattgefundenen Verbrechen der Westalliierten hinweisen. Um so besser, dass der Autor des Beitrags klar darauf hinweist, was im Osten des Reiches vorsichging (& damit blendet er eben gerade NICHT das aus, was von der anderen Seite geschah. Man muss nicht immer alles in epischer Breite darstellen, nur um sich irgendwelchen Vorwürfen, man wäre auf dem einen oder anderen Auge blind, vorsorglich zu entziehen. Sonst geschieht von rechter Seite die gleiche Gedenkbeliebigkeit, der Gedenkuniversalismus, was der Autor zu Recht bei den anderen kritisiert).

Diogenes

28. November 2024 11:05

Wer trägt/nimmt/zieht Vorteil aus der unstrittigen Selbstbereicherungsindustrie des gesetzten Entstehungsmythos der Besatzerkonstrukte "Bundesrepublik Deutschland" und "Republik Österreich"? Zur Revision habe ich mich hier ja schon grundsätzlich geäußert: https://sezession.de/69808/auctoritas-non-veritas , Zitat: 
 
"(…) Es ist ein mühseliges Thema, wenn solche Hindernisse den offenen Dialog einseitig in eine Richtung ablenken und andere Perspektiven bestrafen. Bei der Wissenschaftlichen Methode spricht man nicht von Absolutismen sondern von Theorien (Theorien sind Annahmen auf die man sich geeinigt hat). Wenn es eine bessere Theorie auf Grundlage von "Wissen-schaffen" in der Erkenntnis gibt, wird die alte durch die neue ersetzt."
 
Ob in den wissenschaftlichen Meisterschaften/Disziplinen, in der Altertumskunde/Geschichtsforschung/Überlieferung oder im Kernkraftwerk: Die Revision ist das Infragestellen und Überprüfen von Annahmen/Standards und gehört zur Sicherung/Neubewertung um neue Sichtweisen/Ansätze in Problemstellungen zu ermöglichen (Wenn man nicht vorwärts bei einer sich ergebenden Problemstellung mit dem gängigen Annahmen/Standards kommt muss man neue Ansätze versuchen/ermöglichen).
 
Wann wurde zuletzt im Deutschen Staat ein Kassensturz gänzlich aller Ausgaben/Einnahmen gemacht? Wann wurde zuletzt in der Deutschen Staatspolitik überhaupt hinterfragt was uns Deutschen nützt, was uns schadet und aus dem Ergebnis Politik in unserem Sinne gemacht?

Majestyk

28. November 2024 11:15

Natürlich waren unsere Soldaten ehrenhaft. Sie kämpften für Deutschland, was sollen Sie also sonst gewesen sein als deutsche Helden?
In diesem Video demonstriert Pöbel gegen Ritterkreuzträger. Einer der tapferen Männer bringt es ab Minute 3:23 auf den Punkt:
 
"Ich hab 50 Viermotorige abgeschossen mit Bomben. Darum leben die noch. Und da bin ich ein Mörder" 
 
Wer die eigenen Vorfahren nicht ehrt, den eigenen Veteranen nicht mit Respekt begegnet hat keinen Charakter. Begriffe wie Ehre und Loyalität werden jungen Menschen in Deutschland aber schon seit Jahrzehnten abtrainiert. 
 
 
"Wir sollten wenigstens den Mut aufbringen, uns vom Sofa zu erheben und der Multikulturalisierung und Auflösung unserer Heimat entgegenzutreten, damit unsere Kinder hier noch eine Zukunft haben. Ohne Kompromisse."
Ich wäre sofort dabei, selbst heute noch und zwar ohne Erwartungshaltung für mich selber, für mich gibt es eh keine Zukunft. Leider sehe ich auch in der AfD aber so einige Leute die perfekt in den Parteienstaat passen, jetzt bereits kungeln und in der Zielverfolgung mal so gar nicht kompormißlos sind. Und das betrübt mich mehr als unterschiedliche Ansichten bezüglich Wirtschafts- oder Außenpolitik. 
 

Ein gebuertiger Hesse

28. November 2024 11:33

Yeah!! (sagt ein West-BRDler). Großartiger Aufsatz, thanks a ton. Mal schauen, was noch nachläuft in diesem oder dem nächsten oder den dann x Jahren nach "Kriegsende".