Ich begrüße das. Mein wichtigster Stammbaumbetreiber spricht nur polnisch. Meine Familie stammt aus dem Völkergemisch in Westpreußen/Kaschubien, Nieder- und Oberschlesien. Diese Regionen sind im vergangenen Jahrhundert stark polonisiert worden. (Wobei ich nicht ausschließe, daß in meinen Adern auch wirklich polnisches Blut fließt.)
Deshalb (und ich mußte das damals vor meinen Eltern ernsthaft rechtfertigen, weil sie die Polen wirklich hassen für das, was ihnen angetan wurde!) hatte ich vor einigen Jahren mit Polnischkursen begonnen. Ich muß sagen, daß mir diese Sprache wohl im Blut liegt!
Einerlei. Was ich feststelle: Meine Ururgroßmütter hatten sämtlich vier bis acht Kinder. In jeder Generation gab es übrigens eine Nonne (und niemals einen Geistlichen. Es waren nämlich einfache Leute). Bei den Urgroßleuten änderte sich apropos Kinderzahl wenig. Bis in die Neunzehnhundertsiebzigerjahre gab es allerdings recht häufig Kindersterblichkeit in meiner Familie.
Meine vier Urgroßmütter hatten 6, 5, 4 und 3 Kinder zur Welt gebracht. Heute: ein Traum! Allesamt gälten heute als überdurchschnittlich kinderreich.
Meine Großmütter brachten es auf “nur” zwei und fünf Kinder. Sie hatten sich damit, wie man mathematisch sagt, immerhin reproduziert. Das – die Kinderzahl – war dabei mehr Schicksal als Mutwillen. Mein einer Großvater wurde 1943 zum Krüppel geschossen, der andere wurde etwas später – als Zivilist – vor den Augen seiner Frau auf heimischem Hof von einem russischen Panzer niedergewalzt. Da war das fünfte Kind (meine Mutter) noch ein Säugling.
Aber dann… Der radikale Abbruch im Stammbaum! Und zwar in Friedenszeiten. In sehr satten Zeiten! Ich möchte das mit Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte nicht näher ausführen, obgleich es für einen Roman taugte. Nur soviel – es setzte mit Fortschreiten des 20. Jahrhunderts eine Gebärmüdigkeit ein, so sehr, daß sich meine Sippe dem allgemeinen Trend fügte. Unter all meinen Basen und Vettern liegt die Quote meiner Generation bei null komma irgendwas.
Das Kinderkriegen ist ein überaus heikles Thema. Ein Thema zum Ausflippen – Kinderhasser (ja, es sind viele, #yolo) können die Frage überhaupt nicht leiden, und erfolglose Kinderwoller (auch viele, und sie werden leider mehr) fühlen sich auf den Schlips getreten.
Konrad Adenauer (der in seinen Kabinetten mit Franz-Josef Wuemeling und Bruno Heck übrigens äußerst fähige, allseits versierte Familienminister hatte: heute ein Traum!) beschied damals fahrlässig und ja, dumm, „Kinder kriegen die Leute immer“, und Gerhard Schröder bezeichnete Familienpolitik noch anno 1998 bekanntlich als „Gedöns“.
Ja, Pech. Anno 1900 gebar die durchschnittliche deutsche Frau noch 4,2 Kinder, heute sind es 1,3. Anno 1900 hellten keine „neudeutschen Einwanderer“ diese Statistik auf – heute schon. Wieviel die „Zugezogenen“ in puncto Gebärfreudigkeit ausmachen, ist kaum zu ermitteln.
Ich kann das Lamento nicht mehr hören, daß es „heute finanziell unmöglich“ sei, Kinder in die Welt zu setzen. Materiell war es de facto NIEMALS je abgefederter als heute! (Was ich aus grundsätzlichen Erwägungen fragwürdig finde. Schöner fände ich es, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Leute gegen alle Widrigkeiten Kinder kriegen.)
Jeder kennt die derbe Trias: Früher waren Adlige, Anthroposophen, Akademiker kinderreich, heute sind es Arbeitslose, Asoziale, Ausländer.
Bekanntlich habe ich sieben Kinder. Und mir gefällt diese phantastische Hochrechnung: Falls, rein ausgedacht, all meine Kinder (außer der Ordensschwester natürlich!) wiederum sieben Kinder zur Welt brächten, und deren Kinder je abermals sieben Kinder usw, usf. – dann wäre meine Sippe sehr bald eine echte Größe!
Das ist ein lustiges Rechenspiel, aber keine ganz und gar ausgedachte Utopie. Unsere Älteste, übrigens eine Frau Dr., hat soeben ihr viertes Kind bekommen. Ihre Geschwister, in ihren ganz frühen Zwanzigerjahren, ziehen tüchtig nach. Ich habe nun als sehr junge Großmutter acht Enkel und nebenbei die Gewißheit, daß sich das glücklich fortsetzen wird. (Nebenbei gesagt: Ja, ich pflege in gewisser Weise einen liberalen Erziehungsstil. Den Kindern wurde/wird sehr viel ermöglicht und erlaubt, weil wir nicht ängstlich sind. Aber: Daß jedes Kind eine Ausbildung oder ein Studium absolviert, darauf bestehen wir stur.)
Und: Als ich selbst 22jährig Mutter wurde, war ich allein auf weiter Flur. Ich hatte damals keine etwa gleichaltrigen Mütter zum Austausch. Das ist bei meinen Töchtern völlig anders. Unter jungen nonkonformen Frauen scheint es ein Trend zu sein, früh Kinder zu bekommen. Unsere drei Töchter mit Kindern feiern dauernd Feten mit jungen, vielkindrigen Familien. Ich beneide sie rückwirkend! Unsere 23jährige hatte gerade ein Adventssingen veranstaltet: mit 10 Erwachsenen (alle deutlich unter 30) und 11 Kindern,
Gar nichts ist verloren. Unsere Zeit kommt!
RMH
"Anno 1900 hellten keine „neudeutschen Einwanderer“ diese Statistik auf ..." Leichte Zweifel: Richtiger wäre zu sagen, es gab keine nichteuropäischen Einwanderer & Fakt ist auch: D. war damals Auswanderungsland, da es fürs Land offenbar zu viele Menschen waren. Der Begriff Volk ohne Raum war keine reine Nazi-Phantasie, sondern hatte seine Berechtigung. Aber sei´s drum. Heute gibt es eben andere Voraussetzungen. Ich möchte dazu nur 2 Dinge sagen: Ja, wenn ihr Kinder wollt, bekommt bitte früher Kinder (wir waren eigentl. zu alt, als wir unsere bekamen) & - Entschuldigung - Kinder kosten tatsächlich etwas. Nicht nur Geld (das allerdings nicht zu knapp, Schönreden gilt nicht!), sondern vor allem Zeit. Ständig ins Handy glotzen ist dann nicht mehr. Man bekommt dafür auch etwas zurück, aber man darf vorher wissen, dass es eine schöne Legende ist, dass man alles so nebenbei "wuppen" kann. Alles braucht sein Zeit, gerade Kinder. Und in die Zeiten, wo Frauen vielfach schon mit 60 komplett fertig waren, mit Haushalt, Zuarbeit (es ist ein 60er-Jahre Fehlbild, dass Frauen früher nicht gearbeitet hätten) & der Belastung von vielen Geburten, zu denen oft auch Fehlgeburten, Trauer um früh verstorbene Kinder etc. hinzukamen. Heutzutage muss am Ende wirklich jede Frau, jedes Paar entscheiden, was sie leisten können & was nicht. Und bei manchen ist es schlicht auch gut für sie, wenn sie alleine bleiben. Nicht jeder kann Familie.