Warum hat der reichste Mann der Welt sich so geäußert? Hat er es als reichster Mann der Welt getan, als Privatperson oder als lautstarker Berater Trumps – das heißt: als jemand, der nun weltpolitisch zu agieren hat und nicht mehr tun und lassen kann, was er will? Gedanken dazu:
Musk wird als jemand beschrieben, der sich seine eigenen Märkte schafft. Was bedeutet das? Es bedeutet, daß Musk nicht dorthin geht und dort investiert, wo es um harte Konkurrenz geht, um kleine Vorteile gegenüber ähnlich starken Konkurrenten. Er tut es nicht oder ungern, denn er will sich nicht aufreiben, will keine Abnutzung und schon gar keinen Kompromiß.
Musk folgt keiner organischen, eingebetteten, vorhersehbaren Logik. Er geht vielmehr davon aus, daß, wer noch konkurrieren muß, nicht zu Ende gedacht und nicht innovativ genug gehandelt habe.
Musk steckt im Brachland Felder ab, auf denen noch niemand anbaut, spielt, erntet. SpaceX, Starlink, Tesla, X (also Twitter): Das war und ist zum Teil noch immer konkurrenzlos, also dort angesiedelt, wo entweder kein anderer ist oder kein anderer eine Chance hat.
Die AfD ist die zweitstärkste Kraft in der deutschen Parteienlandschaft. Im Osten ist sie sogar die stärkste Kraft, und seit geraumer Zeit ist sie für einen wachsenden Teil junger Leute die einzige Hoffnung. Es ist mehr als seltsam, daß von den alteingesessenen Medienhäusern (wir reden nicht vom zwangsfinanzierten Staatsfunk) noch niemand das Brachland AfD als Marktsegment erkannt hat und ganz und gar auf den Erfolg dieser politischen Größe setzt. Denn die AfD ist diese Größe, ganz egal, ob ihr das alle anderen Parteien absprechen und ihre Machtbeteiligung bisher verhindern konnten.
Es kann gut sein, daß Musk auf die AfD setzt, um erneut etwas Unerwartetes zu tun. Sein Verhalten ist das eines Mannes, der es sich leisten kann, gegen jede Agenda, jede ausgesprochene oder unausgesprochene zivilgesellschaftliche Übereinkunft zu verstoßen. Er kann es sich leisten, weil er das denkbar größte Megaphon besitzt, X, und weil er so breit aufgestellt ist, daß selbst diejenigen, die ihn für sein politisches Engagement nun hassen, an seinen Innovationen nicht vorbeikommen. Musk kann nicht unter Druck gesetzt werden.
Wieviele Prominente kündigten an, X nun zu verlassen, weil Musk nach dem Kauf der Plattform die Politik der Sperrung von Accounts nicht fortsetzte? Und wieviele kamen nach Wochen zurück, weil sie dort, wo sie Alternativen zu X ausriefen, keinerlei Reichweite mehr hatten?
Aber Deutschland: Was ist Deutschland für Musk? Unser Land dürfte für ihn eines sein, das von vorlauten, in sich verknoteten, langweiligen Strümpern regiert wird, denen es sogar gelungen ist, die Meinungsäußerungsfreiheit und damit die Meinungsvielfalt auf ein völlig uninteressantes Maß einzuschränken. Er kann sich durch die Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbands bestätigt sehen, der seinen Beitrag in der Welt als Angriff auf die Meinungsfreiheit wertet.
Musk hat mit wenigen Aussagen das getan, was in Deutschland selbst niemand wagte oder vermochte: Er hat die AfD nicht nur zu einer normalen Partei erklärt, sondern zur letzten Chance, die unser Land noch habe. Nun reden alle über ihn, aber keiner nimmt die Herausforderung an: Musks Intervention wird als unstatthaft zurückgewiesen, alle, die er nicht adelte, quengeln und legen das typische Verhalten von Verlierern an den Tag: Sie verweisen auf vermeintliche Spielregeln. Aber im Spiel, das Musk spielt, gibt es solche Regeln nicht, und die Quengler kennen dort, wo sie das Spiel noch machen können, ebenfalls keine Regeln.
Erinnert sei an die Konstituierung des Parlaments in Thüringen, erinnert sei auch an den Kampf um das Amt des Oberbürgermeisters von Görlitz. Dort war der AfD-Kandidat Sebastian Wippel 2019 im zweiten Wahlgang mit 45 Prozent gegen einen parteilosen Konkurrenten unterlegen. Alle anderen Parteien hatten sich gegen Wippel zusammengeschlossen, und aus Hollywood erreichte ein “Offener Brief” die Wähler, in dem Schauspieler und Produzenten vor dem großen Unheil warnten, das Görlitz (Kulisse für etliche Filme) drohte. Damals war aus den Reihen des Mainstreams von unstatthaftem Eingriff in eine innerdeutsche Wahl nicht die Rede.
Hat Musk sein Verhalten mit dem Team um Trump abgestimmt? Nach allem, was zu hören ist, nur lapidar: Dort hat niemand etwas dagegen, wenn an Deutschland etwas ausprobiert wird – zumal Musk ja auch in England mit Nigel Farage etwas ausprobiert und in Italien mit Giorgia Meloni (dort vielleicht sogar privat). Alle rund um Trump haben mit dem moralischen Musterdeutschland ein Hühnchen zu rupfen, Musk auch. Also rupft er, und man ist erstaunt, wie wenig hinreicht, um Transformationspolitiker mit großer Klappe zu Mimosen zu machen.
Aber natürlich hat das alles auch eine eminent politische Komponente. Es handelt sich nicht nur um eine der typisch disruptiven Übungen des Unternehmers Musk, der es sich leisten kann und der etwas ausprobiert, woran er seinen Spaß hat. Musk weiß, daß er mit seiner stimmungsverändernden Unterstützung jene Teile der AfD stärkt, die seine Agenda teilen. Er bindet die Partei dadurch enger an die USA, an das zumindest, was er darunter versteht (das Libertäre, das Innovative, das Kapitalistische, das ortlos Machbare).
Das wird sich als Eindruck und handfestes Plus festsetzen: Entlastung kommt, wenn überhaupt von irgendwoher, aus den Vereinigten Staaten. Zwar fremdelt die AfD seit ihrer ersten Häutung (als man Lucke, Henkel und andere abstreifte) mit dem Westen, der transatlantischen Bevormundung, der Nato und der populär-ordinären Kulturhoheit des Hegemons. Aber aus Rußland, dem man geopolitisches Recht und kulturelles Widerstandspotential zuspricht, kam nichts, das die AfD auf ihrem Weg zur Entdämonisierung hätte unterstützen können. Es kam von dort bisher kein klares Wort, kein Angebot, keine experimenteller, öffnender Text.
Musks Äußerungen und sein Text wirken bereits. In der AfD selbst kann man eine Monopolisierung wahrnehmen: Alice Weidel, die persönlich angesprochen und zur Galionsfigur gekürt worden ist, will einen exklusiven Zugang zu diesem machtvollen Unterstützer. Allein damit wird sie Mehrheiten bilden können innerhalb ihrer Partei. Sie hat das, was man einen “Lauf” nennt.
Stimmen, die auf das destruktive Potential und Verhalten der USA hinweisen, werden weniger Gehör finden, ebenso solche, die romantisierend oder realpolitisch an einer Annäherung mit Rußland arbeiten. Das wissen diejenigen in der Partei, denen beides wichtig war und ist und die darüber nicht blind geworden sind für die wenigen Optionen, die geblieben sind.
Denn das Jahr, das heute zuende geht, hat dreierlei gelehrt:
Mehr denn je kommt es darauf an, daß die Meinungsäußerungsfreiheit erkämpft und durchgesetzt wird; stärker noch als im vergangenen Jahr sehnt sich die AfD nach Entlastung von einem politischen und jeweils auch persönlichen Druck, der seit zehn Jahren ausgehalten werden muß und nur wenig Früchte trug; und zuletzt hat sich die Überzeugung festgesetzt, daß der post-demokratischen, ans Totalitäre rührenden Arroganz der deutschen Machtelite mit harten Schlägen zugesetzt werden muß: Denn sie schreckt vor nicht mehr viel zurück.
Entdämonisierung, Bewegungsfreiheit, Entlastung: Angesichts dieser Normalisierungshoffnung tritt die Sorge über eine transatlantische Anbindung der AfD in den Hintergrund. Man kann natürlich auch unter den gegebenen Umständen warnend betonen, warum Trump und Musk in allem, was sie tun, zuerst an Amerika denken – immer, kompromißlos. Bloß: Ist das nicht auch das einfache Mitglied leid, das nun, am Wahlkampfstand und auf der Grillparty beim Nachbarn sagen kann, es habe Musk an seiner Seite?
“Wir haben Musk an unserer Seite” – vielleicht für zwei Wochen, vielleicht für drei Monate, vielleicht nie mehr so deutlich wie jetzt, und viele sind wie betrunken davon. Gnade Gott demjenigen AfD-Politiker, der es versaut und dessen Name fällt, wenn Musk einen Irrtum zu Protokoll gäbe, etwa so: Ihm sei nun erst bewußt geworden, wie gründlich die AfD einen Standpunkt vertrete, der ganz und gar nicht seiner sei und ganz und gar nicht zu dem passe, wofür der Name Musk stehe.
Das also ist es nun: Das realpolitische Maximum unserer Tage, der erste, nächste Schritt von einem deutschen Standpunkt heraus ist das Zerbrechen verkrusteter Machtverhältnisse. Es muß Bewegung in die Sache kommen. Alles andere, grundsätzlich Starre wirkt selbst wie eine Verkrustung.
So weit ist es gekommen. Dies zu begreifen und die steifen Gedanken gelenkiger zu machen, ist die Erkenntnis aus einem sehr harten Jahr. Und es ist bereits der Beginn der Entlastung.
Zauberer von Oz
"...Angriff auf die Meinungsfreiheit..."
In Breslau, der schönen niederschlesischen Hauptstadt, hängt ein kleines Denkamal in der Nähe der Elisabethkirche. In den ehemaligen alten Fleischbänken, heute sind dort kleine Gemäldegalerien beheimatet, ist dieses Kunstwerk gegen den Kommunismus entstanden. Hinter Gitterstäben steht:
1+1=2