Vance sieht die Bedrohung, der Europa und – im Zentrum – Deutschland ausgesetzt sind, nicht in der Konfrontation mit Rußland, sondern in einer Umkehrung von “Werten”, die vormals europäisch gewesen seien. Er stellte damit die Frage nach dem Woher, dem Wohin und dem derzeitigen Zustand, der geprägt werde durch die Masseneinwanderung völlig Fremder, durch einen Mangel an demokratischer Meinungsfreiheit und durch die unstatthafte Absicherung woker Gesellschaftsvorstellungen durch staatliche Repression.
Vance warf so simpel wie redundant die Frage nach einer grundsätzlichen Entscheidung auf, die jede Demokratie zu treffen habe: Vertraut sie der Mündigkeit ihrer Bürger, also Wähler, oder vertraut sie ihr nicht? Wenn sie ihr vertraue, dann sei es nicht nachvollziehbar, warum die Vertreter gewichtiger Stimmenanteile zur Sicherheitskonferenz nicht eingeladen seien und wieso es gegen sie und die von ihnen vertretenen Bürger eine “Brandmauer” gebe.
Ein Zweites: Wie stabil mag eine Demokratie sein, wenn man, wie im Falle Rumäniens geschehen, behauptet, daß ein bißchen Social-Media-Einfluß – vielleicht erkauft mit ein paar hunderttausend Euro – eine Wahl entscheidend beeinflussen könne? Und drittens: Was maßte sich die EU an, als sie die Wahl in Rumänien annullierte und nun damit droht, auch künftige Wahlen in ihrem Einflußbereich aufgrund solcher Annahmen zu annullieren?
Zuletzt, und das ist schon ein rhetorisches Zuckerstückchen, gemeindete Vance, der nicht viel Zwischenapplaus bekommen hat, seine kritischen, bloßgestellten, herausgeforderten Zuhörer dadurch ein, daß er darauf hinwies, man habe Jahre mit Greta Thunberg überstanden – und werde die Monate mit Elon Musk nun auch überstehen.
Das alles, dieses Bißchen äußerte Vance also – und versah seine Beobachtungen und seine Mahnung mit einer Klammer, nämlich dem zweimaligen Hinweis auf die Amokfahrt eines Afghanen in München, die eine Mutter und ihre kleinen Tochter das Leben gekostet hatte. Diese emotionale Aufladung (von denen in durchgefeilten Reden man nie weiß, ob sie von Herzen kommen oder aus Kalkül erfolgen) war der einzige Redeteil, nach dem Applaus aufbrandete.
Aber weiter: Warum nun sollte das, was er äußerte, nur ein bißchen Etwas sein? Warum ist es nicht sehr viel, vielleicht etwas wie der Schlag mit einem Spalthammer genau in den Riß des Holzrugels, oder das Teppichmesser an einem Gartenpool, der, aufgeschlitzt, nun ausläuft, ohne daß jemand etwas dagegen tun könnte?
Vance hat getroffen, hat aufgestochen, das zeigen uns die Reaktionen der herrschenden Klasse, die sich schon wieder im Ton vergreift und Vergleiche von anno Tobak anstellt, weil sie ihre alten Waffen immer noch für stichhaltig und für Keulen hält. Das ist ja das Schöne an einfachen Fragen: Sie fordern zu einem Ja oder einem Nein heraus, nicht zu Schachtelsätzen und Co-Referaten, die so oft alles verschleiern und nichts sagen.
Die beiden hilflosen Strategien gegen die klaren Worte von Vance: ein scharfes Nein, so eines, wie Habeck es leider nur nuschelte, ohne die Autorität, die man ihm vor Jahren noch zusprach; oder veraltetes Waffenarsenal, also der Nazi-Vergleich, die Faschismuskeule, unstimmige und unsinnige historische Parallelen. Diejenigen, die sie noch immer ziehen, wollen mundtot machen: es sei nicht 5 vor 12, sondern fast schon 19.33.
Aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus haben die demokratischen Parteien in Deutschland einen gemeinsamen Konsens: Das ist die Brandmauer gegen extrem rechte Parteien,
sagte Scholz, um Vance etwas zu erklären und die Opposition wieder einmal mundtot zu machen. Aber vielleicht will sich dieser Mann von solchen Männern gar nichts erklären lassen, nicht mehr. Denn es sind dieselben Männer, die gegen Trump hetzten und das Ende der Demokratie in Amerika prognostizierten und gar nichts dagegen einzuwenden hatten, daß sie als “gewichtige Stimme aus dem Ausland” zitiert wurden bei dem Versuch, US-Bürger davon abzubringen, ihre Stimme Trump zu geben.
Es ist, als würde Vance durch die Kulissen gehen, hinter die Potemkinschen Dörfer. Dieses Bild ist so peinlich für unser Land. Wieso muß einer aus dem Ausland diesen Schritt tun, diese Gehweise vorführen, diese paar Schritte tun und dabei berichten, was ihm so auffällt? Wieso reichte dafür das ganze intellektuelle und personelle Gewicht einer Bewegung nicht aus, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR jeden 3. und bundesweit fast jeden 4. auf ihrer Seite weiß?
Es gibt Gesprächssituationen und scheiternde Verläufe, die wiederkehren und sich wiederholen: eingerastet, eingefroren, festgezurrt von denen, die festzurren können, von Machtgefälle und argumentativem Vorsprung gekennzeichnet, wobei dieser Vorsprung nicht auf dem besseren, sondern auf dem mächtigeren Argument beruht.
Alles das ist in Deutschland von Deutschen in ungezählten Beiträgen, Büchern, Gesprächen und Vorträgen ausgeführt worden: Der Eintrag der geschichtspolitisch aufgeladenen Moral in die Politik ist erforscht, ausgeforscht, benannt, beklagt, bekämpft und in jeden politischen Ansatz von rechts einbezogen.
Man muß den Parteigründern der AfD zugute halten, daß sie die Gefahr erkannten, die in der moralischen Stigmatisierung liegt. Aber man konnte ihr nicht entgehen, wenn man ans Eingemachte wollte – und zum Glück wollte und will das diese Partei.
Nun hat sie sich bei einem Ausländer dafür zu bedanken, daß etwas von dem zur Sprache kommen kann, wofür man seit Jahren kämpft, und zwar an jedem Wahlkampfstand ebenso wie in jedem Parlament, jeder Talkshow und jedem Einzelgespräch, das ein Anhänger dieser neuen, rechten, normalisierenden Politik in seiner Familie, am Arbeitsplatz und unter Freunden zu führen hat.
Das Peinliche, das in der Notwendigkeit der Schützenhilfe von außen liegt: Wir müssen es verwinden.
Simplicius Teutsch
Bei aller möglichen Kritik an Trump, Vance, Musk und Co. möchte ich festhalten, was ich bis vor kurzem noch stark befürchtet habe: Ohne diese Köpfe, ohne den politischen Wechsel in USA, wäre die AfD im Jahr 2025 in Deutschland erdrosselt, zerschlagen, verboten und abgeräumt worden. War doch alles schon vorbereitet: „Verfassungsschutz“, Faeser, Verbotsantrag, totale Feindschaftsbekundung tagtäglich wiederholt gegen die AfD in allen Leitmedien und natürlich auch von Seiten der CDU/CSU).
Und im Zuge einer hysterisch von linksgrünen Massendemonstrationen und von den Leitmedien befeuerten anti-rechten Bilderstürmerei wäre wohl auch die Redaktion der Sezession gestürmt worden oder anders ausgedrückt, G.K. wäre auf öffentlicher Bühne aufs Rad gebunden und zusammen mit Björn Höcke gestreckt worden, bis dass die Glieder und Gelenke krachen und reißen.
Trotz der unverhofften Schützenhilfe aus USA bin ich nicht zuversichtlich, ob Deutschland noch zu retten ist. Bei manchen Bekannten, die politisch-inhaltlich eigentlich auf patriotischer Linie sind, merke ich, dass sie in der Wahlkabine wahrscheinlich CSU, FDP oder Freie Wähler wählen werden. Unbegreiflich.