Christa Meves zum 100. Geburtstag

von Moritz Scholtysik -- Spätestens seit der sogenannten Krippenoffensive der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen ist es ein Dogma bundesdeutscher Familienpolitik, durch Fremdbetreuung der Kinder Müttern möglichst schnell den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Was hier den finan­zi­el­len Inter­es­sen von Staat und Wirt­schaft dient, scha­de jedoch der Hirn­ent­wick­lung der Kin­der und bewir­ke lang­fris­tig Ver­hal­tens­stö­run­gen, Lern­schwie­rig­kei­ten und Bezie­hungs­un­fä­hig­keit, argu­men­tiert die Kin­der- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­ra­peu­tin Chris­ta Meves uner­müd­lich. Im Gegen­zug böte eine mög­lichst lan­ge Eigen­be­treu­ung von Klein­kin­dern durch die Mut­ter die bes­te Vor­aus­set­zung für eine rei­fe und gebil­de­te Persönlichkeit:

Die Bil­dungs­fä­hig­keit ent­steht ganz natür­lich durch die Zuwen­dung, durch die inten­si­ve, opfer­be­rei­te Lie­be für die­ses Kind.

Die „voka­bel­star­ke Wort­füh­re­rin der Krip­pen­geg­ner“ (SPIEGEL) wird als Chris­ta Mit­tel­staedt am 4. März 1925 in Neu­müns­ter in Schles­wig-Hol­stein als jün­ge­res von zwei Kin­dern gebo­ren. 1943 beginnt sie ein Stu­di­um der Phi­lo­so­phie in Bres­lau und wird für den Reichs­ar­beits­dienst, den Kriegs­hilfs­dienst und als Flak­hel­fe­rin verpflichtet.

Nach dem Krieg setzt sie zunächst in Kiel mit Ger­ma­nis­tik und Geo­gra­phie fort und absol­viert schließ­lich 1949 in Ham­burg ein Stu­di­um der Psy­cho­lo­gie und Päd­ago­gik. Bereits 1946 hei­ra­tet sie den Augen­arzt Dr. Harald Meves, mit dem sie zwei Töch­ter bekom­men soll. Nach der Zusatz­aus­bil­dung zur Kin­der- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­ra­peu­tin eröff­net sie eine Pra­xis im nie­der­säch­si­schen Uel­zen und ent­wi­ckelt eine u.a. an Kon­rad Lorenz, dem Bio­lo­gen Joa­chim Illies und den Psy­cho­ana­ly­ti­kern Anne­ma­rie Dührs­sen und Harald Schultz-Hen­cke geschul­te Anthro­po­lo­gie und Typenlehre.

Dane­ben ent­fal­tet sie eine enor­me publi­zis­ti­sche Akti­vi­tät: Sie ver­öf­fent­licht über hun­dert Erzie­hungs- und Ehe­rat­ge­ber sowie psy­cho­lo­gi­sche, theo­lo­gi­sche und kul­tur­kri­ti­sche Wer­ke, und unzäh­li­ge Arti­kel für ein brei­tes media­les Spek­trum, von MUT, Schweiz­erzeit, Jun­ge Frei­heit über Die Tages­post, Theo­lo­gi­sches und idea bis zur WELT.

Von 1978 bis 2006 ist sie zudem Mit­her­aus­ge­be­rin des Rhei­ni­schen Mer­kurs. Sie hält über 3000 Vor­trä­ge, dar­un­ter bei den Bogen­hau­se­ner Gesprä­chen und beim Stu­di­en­zen­trum Wei­kers­heim, und hat eige­ne Pro­gram­me in christ­li­chen Radio- und Fernsehsendern.

Die Viel­zahl der The­men, zu denen sie sich äußert, las­sen sich immer auf die Wich­tig­keit einer engen Eltern-Kind-Bin­dung und einer intak­ten Fami­lie zurück­füh­ren: Als eine der Ers­ten pran­gert sie die Fol­gen der sexu­el­len Revo­lu­ti­on und die „eman­zi­pa­to­ri­sche Sexu­al­päd­ago­gik“ des Pädo­phi­len Hel­mut Kent­ler an. Heu­te kri­ti­siert sie die Digi­ta­li­sie­rung und Por­no­gra­phi­sie­rung der Kind­heit. Der Befrei­ung des Indi­vi­du­ums von allen Bin­dun­gen hält sie entgegen:

Frei­heit lässt sich nicht dadurch errei­chen, dass man Ord­nungs­ge­fü­ge besei­tigt, son­dern allein durch eine inne­re Befrei­ung von einem Aus­ge­lie­fert­sein an die eige­ne Trieb­haf­tig­keit, an die Moden und Kli­schees der Außenwelt.

Meves, die nach lang­jäh­ri­ger Mit­ar­beit in der Evan­ge­li­schen Syn­ode 1987 zur katho­li­schen Kir­che kon­ver­tiert, sieht in der Auf­lö­sung von Fami­lie und Hier­ar­chie einen schwe­ren Ver­stoß gegen das „Ein­ge­bun­den­sein in des Schöp­fers Natur­ord­nun­gen“ und for­dert daher eine „christ­li­che Kulturrevolution“.

Die­ser will sie auf ver­schie­de­ne Wei­se Gehör ver­schaf­fen: 1978 schreibt sie auf Bit­ten Her­bert Gruhls die fami­li­en­po­li­ti­schen Pas­sa­gen des Pro­gramms sei­ner kurz­le­bi­gen Par­tei Grü­ne Akti­on Zukunft und notiert dar­in den viel­fach atta­ckier­ten Satz:

Den Müt­tern als dem wich­tigs­ten Stand des Vol­kes muß mehr Aner­ken­nung und Gerech­tig­keit zuteil werden.

Sie wird außer­dem Kura­to­ri­ums­mit­glied des För­der­ver­eins Kon­ser­va­ti­ve Kul­tur und Bil­dung von Cas­par von Schrenck-Not­zing, grün­det 1996 ihren eige­nen Ver­ein Ver­ant­wor­tung für die Fami­lie und tritt – erfolg­los – bei der Euro­pa­wahl 2014 für die christ­li­che Klein­par­tei AUF an.

Am 4. März wird Chris­ta Meves 100 Jah­re alt. Noch heu­te beant­wor­tet sie täg­lich Anfra­gen von Eltern und Päd­ago­gen. Zur Tra­gik ihres lang­jäh­ri­gen Wir­kens gehört zu sehen, wie ihre War­nun­gen vor den Aus­wir­kun­gen der „Ent­hem­mungs­ideo­lo­gie“ Wirk­lich­keit werden.

Meves wird aber die not­wen­di­gen Res­sour­cen für einen fami­li­en- und bil­dungs­po­li­ti­schen Neu­be­ginn hin­ter­las­sen: Wenn den ers­ten Lebens­jah­ren eines Kin­des und sei­ner Bin­dung an die Mut­ter mehr Bedeu­tung bei­gemes­sen wer­den, kann nicht nur der Ein­zel­ne sich „hin­auf­pflan­zen“ und „geis­tig see­lisch ver­fei­nern“, son­dern auch die demo­gra­phi­sche, sozia­le und wirt­schaft­li­che Gesun­dung beginnen.

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Kommentare (5)

Licht des Vaterlandes

5. März 2025 07:48

Die Bedeutung des Wirkens von Christa Meves kann gar nicht überschätzt werden. Das Fazit des Artikels kann ich unterstreichen. Christa Meves war und ist eine unermüdliche Kämpferin für das Wohl unserer Kinder - und Eltern. Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich das große Interview mit Meves auf EWTN, katholisches Fernsehen (Webseite oder lineares TV). Danke für diese Würdigung.

Maiordomus

5. März 2025 09:40

Auch ich gratuliere Christa Meves zum hohen Geburtstag, der offenbar noch in alles andere als selbstverständlicher geistiger Frische zu erfolgen scheint. Erinnere mich, wie vor 40 Jahren ein unterdessen verstorbener Schweizer Publizistik-Kollege in Luzern  die Schlagzeile titelte: "Neonazi-Anhängerin bildet Schweizer Lehrer weiter", immerhin damals nicht gegenert. Die Schlagzeile betraf die Frau, deren Mentalität zum Beispiel von Hitler Oberhebamme Nanna Conti, Mutter des Reichsgesundheitsführers, völlig abgelehnt wurde, kämpfte dieselbe doch gegen "katholische Vorurteile betreffend die Abtreibung" und anderes. Selber habe ich mich publizistisch damals für die Ehrenrettung von Meves verwendet, sie als Präsident eines katholischen Vereins von Pädagogen zu einem prima besuchten Vortrag in Wettingen geladen, meine einzige Begegnung mit der Dame, deren Vorstellungen über Erziehung ich ehrlich gesagt bei den eigenen Töchtern nicht durchzusetzen wusste, sehe notabene ihre Vorbildlichkeit eher auf prinzipienethischem Gebiet. Wie auch immer, ihr Abstand zum Nazismus war und ist mindestens gleich hoch wie derjenige von Frau Kositza, die selbstverständlich aus Sicht der heutigen Frauen bei CDU oder gar dem Zentralkomitee der dt. Katholiken weitgehend als "Rechtsextremistin" gelten dürfte. Es freut mich übrigens, dass mein Weggefährte Uwe Wolff bei Sezession schreibt, das hat mit extremistisch so wenig zu tun wie Reinhold Schneider, Schaper oder Bergengruen, alles gute einstige Freunde unseres gemeinsamen Förderers Walter Nigg. 

Laurenz

5. März 2025 10:43

@Maiordomus ... Katholik zu sein, ist nicht unbedingt ein Prädikat, Maiordomus. Unseren Brüder & Schwestern in den ehemals Neuen Ländern leben ganz hervorragend ohne damit & sind auch nicht blöder als wir.

Diogenes

5. März 2025 13:41

Letzter Artikelabsatz: Bevor sich die Aussichten deutscher Männer und Frauen auf Familiengründung und Kinderreichtum in bevölkerungspolitischer Hinsicht (vornehmste und ehrbarste dt. Staatsaufgabe ist es den dt. Volksbestand zu sichern und zu schützen) bessern, müssten die Einsichten in ein Dasein wohlgesonnener Zukunft gegeben sein: Es gibt eine große Leere in den Herzen und Hirnen, eine traurige Ohnmacht, eine drückende Niedergeschlagenheit, eine Art von gemeinschaftlicher Depression, in dieser zum Schlechten u. Diabolischen erziehenden rein-materialistisch erfassten und bewegten Scheinwelt, die der göttlichen Ordnung des Universums (dem schöpferisch Tätigen das Bewusstsein ist) durch Lug und Trug chaotisch-zerstörerisch (also lebensfeindlich) entgegensteht. 
 
Der Wahrhaftigkeitsbegriff (etwas Gutes(Hohes/Schönes/Heiliges, für das man gerade und ein-steht) wurde korrumpiert, die Art und das Wesen unseres Volkes pervertiert (in sich verdreht o. auf den Kopf gestellt; das Gute ist das Böse, quasi), und dies spiegelt sich wider, in Armut/Mangel an deutschen Kindern. Es gibt neben dieser Leere aber auch eine riesige Sehnsucht die durch Lug und Trug (noch) keine Artikulation/Sprachfindung und Regelung zulässt, aber doch vorhanden ist, halb schlafend, halb wachend, auf den Moment wartend, wo die Worte die das Volksempfinden ausdrücken den Schleier von unserer Welt wegnehmen und das Gefühl der Befreiung den Bann bricht.

Maiordomus

5. März 2025 14:01

@Das war kein Prädikat als Argument. So wenig wie Sozialist sein ein Prädikat ist, wenn man zum Beispiel für Schuldenmachen ist, oder Keynsianer; aber bei der Abtreibung waren es nun mal die katholischen Hebammen, die gegen Abtreiben von Kindern aus Beziehungen der "Rassenschande" waren,  was heute übrigens auf der Basis der Fristenlösung absolut legal wäre usw. Auch die Argumente des Sozialisten Otto Wels gegen die Diktatur 1933 waren nicht typisch sozialistisch. Es gab immer Sozialisten, die keine Probleme mit der Diktatur hatten usw.
Das absolute Maximum aber derzeit, betr. Schuldenbremse ist, dass die Ampel wegen "mickrigen" 10 Milliarden via Lindner zum Platzen kam, und jetzt folgt als "Alternative" das Neunzigfache. Die grösste Verlogenheit indes in der Geschichte der CSU war die heutige Aschermittwochrede von Söder, miT Riesenapplaus von Leuten, die ich nur als Stimmvieh bezeichnen kann, der das bereits veraltetete Gespräch von Trump vom Freitag wie auch die Rede von Vance ein München als Argument für den absoluten Notstand erklärte. Das sind maoistische Verhältnisse am Aschermittwoch. 

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