Der Grundstein für die Legende vom „guten Nazi“ Albert Speer wurde noch vor Kriegsende gelegt. Sebastian Haffner bezeichnete 1944 in einem Artikel für den Londoner Observer den Rüstungsminister Speer als „pure technician“. Der britische Historiker Hugh Trevor-Roper charakterisierte ihn in seinem viel verlegten Buch Hitlers letzte Tage (1947) ähnlich („Speer war ein Techniker und hatte die Philosophie eines Technokraten. Dem Technokraten ist […] Politik belanglos.“). Die ersten Befragungen durch die Alliierten nutze Speer sofort aus, um sich von den anderen Nationalsozialisten scharf zu distanzieren, wie in einer Reportage für das Magazin Life, welche im Dezember 1945 erschien.
Im Nürnberger Gefängnis sprach Speer viel mit dem Psychologen Gustave M. Gilbert, der so mit seinem Buch Nürnberger Tagebuch. Gespräche der Angeklagten mit dem Gerichtspsychologen (1947) zur Legende beitrug. Dadurch verbreitete sich die Erzählung vom geplanten Hitler-Attentat 1945 durch Speer, welches dieser sowohl im Nürnberger Prozeß als auch später in seinen Erinnerungen angab. Speer versuchte sich so in den Widerstand gegen das NS-Regime hineinzuschreiben und zeigte später in seinen Memoiren auch Verständnis für den 20. Juli 1944. Seiner Tochter Hilde empfahl Speer 1952 vor einer USA-Reise Trevor-Roper und Gilbert zu lesen, damit sie ihren Vater verteidigen könne.
Wie Speer den Nürnberger Prozess ohne Todesurteil überstand, ist eine spannende Frage. Ein Hauptgrund liegt sicher darin, dass Speer – anders als beispielsweise Göring – das Siegergericht nicht in Frage stellte, sondern für sich gewinnen wollte. Durch seine späte Berufung in den Zeugenstand, war Speer zudem in der Lage sich mit dem anglo-amerikanischen Rechtssystem vertraut zu machen und es für sich zu nutzen.
Es war den Angeklagten demnach möglich als Zeugen für sich selbst auszusagen. So konnte sich Speer von Hitler und der NS-Bewegung distanzieren und eine allgemeine Verantwortung auf sich nehmen („Ich als ein wichtiges Mitglied der Führung des Reiches trage daher mit an der Gesamtverantwortung von 1942 ab.“ – 20. Juni 1946). Seinen massiven Anteil als Reichsminister für Bewaffnung und Munition an der Zwangsarbeit und sein Wissen um grobe Mißstände, wie im KZ Mittelbau-Dora, schob er auf die SS und Fritz Saukel, den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz.
Sauckel stand in der Hierarchie unter Speer und wurde am Ende trotzdem zum Tode verurteilt. Das Schlusswort nutze Speer ebenfalls geschickt, indem er anders als die Mitangeklagten nicht seine Unschuld beteuerte. Er betonte hingegen allgemein die Gefahren der Diktatur im Zeitalter der modernen Technik und ließ seine Rolle im Nationalsozialismus außen vor. Speer half im Prozess außerdem, dass belastende Dokumente, wie die Posener Rede, die sein Wissen um die Judenvernichtung beweist, oder die Chronik der Speerdienststellen, die seine Beteiligung noch als Architekt an der Deportation der Berliner Juden zeigt, damals nicht bekannt waren. Letztlich lautete das Urteil am 1. Oktober 1946: 20 Jahre Haft.
Bereits vor der Publikation der Autobiographie war die Speer-Legende folglich gefestigt und wurde während der Haftzeit in Spandau immer wieder medial wiederholt. Nach der Entlassung 1966 konnte Speer endlich selbst Interviews geben und nutzte dies sofort. Im großen Gespräch mit dem Spiegel kündigte er an, Memoiren veröffentlichen zu wollen, und betonte, von Auschwitz nichts gewußt zu haben.
An den Erinnerungen, die Speer schon in der Haft verfasst hatte und nach draußen schmuggeln konnte, war das Interesse entsprechend hoch. Verleger Wolf Jobst Siedler kam auf Speer zu und gewann das Projekt für seinen Propyläen-Verlag. Die Idee, den Zeithistoriker Fest als Unterstützung mit in den Veröffentlichungsprozeß einzubeziehen, stammte ebenfalls von Siedler. Fest betrachtete den Zeitzeugen Speer als „Glücksfall“ und überarbeitete mit ihm den Rohtext. Er schätzte den ehemaligen Rüstungsminister ohne Gegenprüfung als glaubwürdig ein und sorgte für die stilistische Brillanz der Erinnerungen.
Fest übernahm die Aussagen von Speer später auch in seiner vielbeachteten Hitler-Biographie (1973) und brachte noch 1999 eine Speer-Biographie auf den Markt, die weit hinter dem Forschungsstand die Legende am Leben hielt.
Im Rahmen der Vorbereitungen des Buches fragten Siedler und Fest Speer, ob er sein Leben als Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, Rüstungsminister und langjähriger Häftling lieber gegen das eines einfachen Stadtarchitekten getauscht hätte. Dieser soll verneint und gesagt haben: „Noch einmal den Glanz, noch einmal die Schande, noch einmal das Verbrechen und noch einmal der Weg in die Geschichte.“
Das Buch erschien 1969 und wurde ein großer Erfolg. Mit den zahlreichen Übersetzungen erreichte das Werk eine Weltauflage von knapp 3 Millionen und finanzierte Speers weiteres Leben. Seine Legende war damit zementiert und wurde von ihm durch weitere Bücher, wie den Besteller Spandauer Tagebücher (1975) oder Der Sklavenstaat (1981), sowie Interviews, u.a. auch im Playboy, fortgeführt.
Speer präsentierte dem Leser seiner Erinnerungen und der Folgewerke eine Reihe an Lügen, die im Laufe der Zeit von der Forschung widerlegt wurden. So schmälerte er seine intensive Zusammenarbeit mit Himmler, wiederholte die Mär vom geplanten Hitler-Attentat, überhöhte seinen eigenen Einsatz gegen den Nero-Befehl und stritt sein Wissen um Kriegspläne sowie die Vernichtung der Juden ab.
Überraschenderweise lieferte Speer selbst Hinweise, seine eigene Legende zu zerstören. So wies er den Historiker Matthias Schmidt auf seinen ehemaligen Mitarbeiter und Freund Rudolf Wolters hin. Wolters war es, der die Kassiber aus dem Kriegsverbrechergefängnis Spandau sammelte und auch einen Hilfsfonds für die Familie Speer betreute. Nach der Entlassung wurde das Verhältnis der beiden sehr schlecht, da Wolters Speer immer mehr als Verräter betrachtete. Zu den Erinnerungen bemerkte Wolters in einem Brief an Speer ironisch: „Ein Kriminalroman könnte nicht spannender erfunden werden.“
Wolters führte seit 1941 eine Chronik der Speerdienststellen, die er nach dem Krieg bereinigte, um Speers Rolle bei den Deportationen von Juden in Berlin zu vertuschen. In einem Brief wies er Speer darauf hin und betonte, daß der gestrichene Inhalt sogar zu einer neuen Anklage führen könnte. Dieser fürchtete das nicht und erwiderte: „Durch meine Totalerklärung [im Nürnberger Prozeß] umfassender Verantwortung ist bei mir wohl alles inklusive.“ Damit ist zum Schuldbekenntnis für ein Verbrechen, welches Speer nach eigener Aussage nicht kannte, alles gesagt.
Letztlich erzählte Wolters Schmidt von der Originalfassung der Chronik, deren vollständige Übergabe ins Archiv er aber immer geplant habe. Als Schmidt Speer nochmal auf die verfälschte Chronik und den Briefwechsel mit Wolters ansprach, behauptete Speer nichts davon zu wissen. Kurz darauf drohte er aber Wolters mit juristischen Schritten und versuchte erfolglos die Publikation der Arbeit von Schmidt zu verhindern. Die Dissertation Schmidts trug den Titel Albert Speer: Das Ende eines Mythos und erschien kurz nach Speers Ableben, konnte aber auf das Geschichtsbild keinen Einfluß nehmen. Rezensent Andreas Hillgruber würdigte die Erinnerungen sogar weiterhin als „in den meisten Sachaussagen […] unangefochten“.
Einen zweiten Hinweis, der seine Legende zerstören sollte, lieferte Speer in einem privaten Brief von 1971. Hélène Jeanty Raven, der Witwe eines belgischen Widerstandskämpfers, schrieb der ehemalige Rüstungsminister, daß er bei Himmlers berüchtigter Posener Rede („Es mußte der schwere Entschluss gefaßt werden, dieses Volk [= die Juden] von der Erde verschwinden zu lassen.“) doch anwesend war. Die Reden der Posener Tagung 1943, auf der auch Speer referierte, wurden erst 1970 wiederentdeckt.
Speer berichtet in den Erinnerungen zwar von der Veranstaltung an sich, aber nicht von der Rede Himmlers. Später erklärte Speer diesen Umstand damit, dass er an der Veranstaltung zwar als Referent zugegen, aber bereits vor der Rede der Reichsführer SS abgereist war und ließ sich das von zwei Zeugen bestätigen.
Der belastende Brief an Jeanty tauchte 2007 im Rahmen einer Versteigerung wieder auf und wurde so der Wissenschaft zugänglich. Das zwei Jahre zuvor veröffentlichte Doku-Drama “Speer und er” von Heinrich Breloer und die anschließende Diskussion leiteten das endgültige Ende der Speer-Legende ein. Breloer hatte Speer 1981 noch persönlich getroffen und sich seitdem mit Thema intensiv beschäftigt.
In jüngerer Zeit legte Brechtken eine umfangreiche Biographie (2017) vor, die mit dem Mythos Speer aufräumte. Der Germanist Roman B. Kremer beleuchtete Speers Autobiographie im selben Jahr ausführlich sprachlich. Er wies dabei nach, wie geschickt Speer für die Inszenierung seiner eigenen Rolle als sich scheinbar selbst anklagender Kronzeuge, der vom Leser der Erinnerungen entlastet werden soll, sogar gezielt den Paratext des Buches nutze.
Diogenes
Interessanter als der aus bekannten und aus der Luft fallenden Gründen für die Dezentralisierung der Rüstungs-/ Munitionsproduktionsstätten Verantwortliche Speer und dessen systemkonforme Nachkriegsgeschichte - die alleine in der überseeischen "Idiotie" wurzelt (das Großdeutsche Reich wurden durch Quantität/Masse besiegt, nicht durch Qualität/Auslese eingesetzter Technik) -, ist der für Umsetzung der Geheimprojekte Verantwortliche Kammler (Kammler muss man immer zusammen mit Fiebinges Untertagebauwesen (Tunnelkonzeptionsaufteilung; oben Verwaltung/Planung, unten Produktion) nennen). Bleiben wir aber bei Speer: Das im bis heute auf materialistische Kapitalmaximierung/Ruhmsucht ausgelegte Wissenschafts-, Hochschul-, und Erziehungswesen der VS-Amerikaner (sieht man z.B. auch an der Geschichte Tesla-Twain (wahres Wissen wird nicht durch Gewinnsucht freigelegt/geschaffen) wusste doch gar nicht was es da in seinen ausbeuterischen Fingern hielt; konnte mit der geraubten dt. Technik/Patenten nichts ohne die dt. Ingenieure/Wissenschaftler/Techniker anfangen. Deswegen war Speer von der Fremdinjektion durch das Nürnberger Diktat "befreit", angefragt (Zuckerbrot oder Peitsche?) und konnte eben in diesem Nachkriegswesen noch Karriere machen.
"Speer-Rommel-Stauffenberg" - klingt doch im Sinne der Nachkriegsgeschichte des BRD-Staatsmythos hübsch-konformistisch.