Das Wort “Realpolitik” spielt bei diesem Vorgang eine wichtige Rolle. Es kann für eine reife Haltung dem Geschäft der Politik gegenüber stehen, aber auch Geschmeidigkeit bemänteln. Nicht einmal das wäre schlimm: Mit dem Kopf durch die Wand möchte niemand, der von der Komplexität der Massengesellschaft unserer Zeit etwas begriffen hat.
Es gibt aber ein geschmeidiges Verhalten, das Überzeugungen nicht mehr auf andere, geschicktere, eben kluge Weise durchsetzt, sondern austauscht, ersetzt durch das, was in Schwung kommt. Dies wird durch Netzwerke und Bündnisse vertreten, die ihrem Selbstverständnis nach – ja, was sind und wie? Pragmatisch? Reif? In der Lage zuhause? Realpolitisch? Austauschbar, letztlich: stromlinienförmig?
Ich hielt in den vergangenen Monaten Vorträge unter der Fragestellung, “was wir noch wollen können”. Die Antwort umstellte ich mit belastbaren, harten Fakten: mit der eben angeführten Komplexität der Gesellschaft ebenso wie mit der demographischen Katastrophe, der Überfremdung, der strukturellen Übermacht der Gegner und der Belastbarkeit der eigenen Leute.
Was, wenn nicht nüchterne Realpolitik jenseits aller Utopie, muß nach solchen Bestandsaufnahmen zuletzt als Konzept formuliert werden – vorsichtig visionär meinethalben, aber keinesfalls starrsinnig? So machte ich es stets, dann mündete es in intensive Diskussionen.
Im Podcast mit Maximilian Krah geht es auch um diese Fragen. Er läuft seit gestern, die Klickzahlen sind hoch, die Kommentare laut und fordernd und voller Positionsbestimmungen. Woran liegt das?
Es liegt daran, daß das Grundsätzliche, das ich vertrete, auf das stößt, was Krah als “Realpolitik” bezeichnet, obwohl er weiß, daß auch meine Position eine realpolitische ist. Dies hat im Verlauf des Gesprächs dazu geführt, daß sich Krah auf “die Lage” zurückzog und mir eine Stalingrad-Mentalität zu unterstellen begann, an der am Ende “der Untergang in Treue fest” stehe: Denn man liefere mit den aus einer anderen Zeit stammenden Überzeugungen dem Staat einen Vorwand zur Repression und verbaue denjenigen jede Rückzugsmöglichkeit, die eigentlich recht gern vom Kampf gegen die AfD ablassen würden.
Das ist der Punkt. Das meine ich, wenn ich davon spreche, daß sich das Grundsätzliche je länger je mehr vor der sogenannten Realpolitik zu rechtfertigen habe: Es wird schwierig, ruhig miteinander zu sprechen, wenn die Rollenzuweisung polemisch ist und sich der Legalist als eine Art “Hüter der Verfassung” positioniert – und dadurch impliziert, daß der andere mit dem Feuer spiele.
Aber es ist notwendig, das, was uns als Legalität vorgesetzt wird, auf seine Legitimität zu hinterfragen und darauf zu pochen, daß es natürlich möglich sei, entlang dieser Richtschnur Gesetze zu ändern und das Illegitime zu verwerfen und zu korrigieren.
Es ist wichtig, zu betonen, daß jedes Volk eine Abstammungsgemeinschaft sei und daß ein Mindestmaß an Homogenität zum Nationalstaat und zur demokratischen Wahl dazugehöre. Das schließt weder ein handhabbares Maß an Zuwanderung aus, noch schwelgt es in Reinheitsphantasien. Es ist vielmehr realpolitisch, weil es die Potenz und das Selbstbewußtsein der Zuwanderer gegen das eigene, alternde, im umfassenden Sinn dekadente Volk aufrechnet.
Es ist notwendig, darüber zu sprechen, was es bedeutet, in einem einzigen Jahr 300 000 deutsche Pässe zu vergeben, an ganz Kulturfremde, sie also mitwählen zu lassen, mitentscheiden, was zukünftig mit unserem Land werden soll.
Es geht also um einen dezidiert deutschen Standpunkt, formuliert unter schwersten Bedingungen, gegen die demographische Ermüdung, gegen eine moralpolitisch aufgeladene Geschichtserzählung, gegen institutionell verankerte, antideutsche Kräfte und gegen ein Ausland, das uns nie, ich wiederhole: nie, auch nicht jetzt gerade, uneigennützig zur Seite springt.
Das alles muß in Ruhe besprochen werden, dafür war im Podcast kein Platz. Ich wäre sowieso in diesem Gespräch sehr viel lieber weit über Krahs Kritik am idealistischen Aktivismus und an der unterstellten ethnischen Unterscheidung der Staatsbürger hinausgegangen. Sein eigener, realpolitischer Vorschlag von Parallelgesellschaften, die es uns ermöglichen sollen, unsere ethnokulturelle Identität zu wahren, und mehr: sie endlich wieder stark zu vertreten, ist eine Debatte wert, wir konnten sie nicht führen.
Vor allem aber hätte mich seine Meinung zur Fließrichtung der Partei interessiert, denn ich weiß, daß nicht nur in den Ostverbänden (aber dort eben sehr) viele Mandatsträger und Spitzenpolitiker auf die Änderung dieser Fließrichtung besorgt blicken, oder anders: besorgt wahrnehmen, daß diese Fließrichtung, die es längst gibt, nun so deutlich zutage tritt.
Ich wäre also sehr gern mit Krah auf die CPAC-Konferenz zu sprechen gekommen, auf diese transatlantisch-realpolitische Heerschau patriotischer Partei- und Lobbygrößen in Budapest, erstmals mit Weidel prominent am Mikrofon, das Ganze umstellt von konservativen Israelis und jüdischen Amerikanern, die ich nur deshalb so bezeichne, weil sie an ihrer doppelten Loyalität nicht den Hauch eines Zweifels lassen.
Es gibt Berichte von Teilnehmern an dieser Konferenz, die der europäische Ableger einer jahrzehntealten US-amerikanischen Initiative ist. Diese Berichte sind zum einen Belege einer Kursänderung der AfD und zum anderen die Kritik an einer solchen Kursänderung. Dieser Kurs ist gekennzeichnet durch transatlantische Ausrichtung, Westbindung, eine klare Trennung von Rußland, liberalen Konservatismus, die Verengung der Überfremdungsproblematik auf radikal-islamische Einwanderung, die Übernahme der israelischen Staatsraison, kommunitaristische Modelle und das, was als “Civic nationalism” noch viel zu wenig bekannt ist.
Mit anderen Worten: Das ist kein deutscher Standpunkt. Aber: Vielleicht ist er als Standpunkt, als der er offensichtlich der AfD angeboten wird, ein realpolitisches Maximum. Vielleicht ist es notwendig, einen nicht entschieden deutschen Standpunkt zu beziehen, um überhaupt Spielraum zu gewinnen. Nur müßte das als solches sozusagen zähneknirschend und mit der ganzen Souveränität grundsätzlich aufgestellter und überzeugter Politiker als Maximum in unserer Lage beschrieben und eben akzeptiert werden – akzeptiert als Ausgangsstellung für einen Schritt fort von dort und und einen Schritt hin zu einem Standpunkt und einer Politik, die für unser Land besser sind.
Dies ist das, was hinter dem Gespräch mit Krah als Grundton zu hören ist, als Fließrichtung seiner Partei: Welchen Preis hat die Opposition, die hoffentlich bald Regierungspartei sein wird? Was hat sie vor, was macht sie anders, oder muß man fragen: Was kostet sie? Von wieviel Grundsätzlichem will sie noch etwas wissen, wenn man ihr auf großer Bühne die Hand und ein Stück Brot reicht?
Hätte das Grundsätzliche nicht die große Rolle gespielt, die es spielte in der AfD, wäre sie in Luckes Hand geblieben oder später in der Meuthens. Aber das alles hätte nicht hingereicht, für eine Wende nicht ausgereicht. Und dies zuletzt, damit es niemand mißversteht: Wir sprechen von “Deutschland, aber normal”. Mehr hat hier keiner vor, aber das allein wäre schon eine Revolte.
Le Chasseur
"Mit anderen Worten: Das ist kein deutscher Standpunkt. Aber: Vielleicht ist er als Standpunkt, als der er offensichtlich der AfD angeboten wird, ein realpolitisches Maximum. Vielleicht ist es notwendig, einen nicht entschieden deutschen Standpunkt zu beziehen, um überhaupt Spielraum zu gewinnen."
NEIN.