Autorenporträt Hellmut Diwald

von Felix Dirsch -- Hellmut Diwald (1924 – 1993), der aus dem südmährischen Schattau stammte, Soldat im Zweiten Weltkrieg und leidenschaftlicher Anwalt sudetendeutscher Interessen war, kommt unter den verbeamteten Geschichtsprofessoren nach 1945 ein Alleinstellungsmerkmal zu: Er rückte den nationalen Imperativ und die nationale Identität in den Mittelpunkt eines umfangreichen Œuvres.

Eine sol­che Fokus­sie­rung fin­det sich auch unter nicht­lin­ken Zunft­ge­nos­sen sel­ten. Von den Ver­tre­tern der soge­nann­ten »Vie­rer­ban­de«, den kon­ser­va­ti­ven Geg­nern Jür­gen Haber­mas’ im His­to­ri­ker­streit Mit­te der 1980er Jah­re (Ernst Nol­te, Micha­el Stür­mer, Andre­as Hill­gru­ber und Klaus Hil­de­brandt), publi­zier­te ledig­lich der zeit­wei­li­ge Kanz­ler­be­ra­ter Stür­mer eini­ge mehr oder weni­ger mar­gi­na­le Über­le­gun­gen zur Aktua­li­tät der natio­na­len Iden­ti­tät. Diwald demons­trier­te sein Außen­sei­ter­tum auch dadurch, daß er von Ber­nard Will­ms die Betreu­ung des vier­bän­di­gen Werks Hand­buch zur deut­schen Nati­on über­nom­men hat­te. Der letz­te Band, erschie­nen 1992, nimmt auf die deut­sche Ein­heit Bezug. Die­se opu­len­ten Stu­di­en har­ren der Über­ar­bei­tung und Weiterführung.

Nahe stan­den Diwald bei die­sem The­ma zwei Kol­le­gen aus dem Fach­be­reich der Poli­tik­wis­sen­schaf­ten: Ber­nard Will­ms (Iden­ti­tät und Wider­stand) und Hans-Joa­chim Arndt (Die Besieg­ten von 1945). Wie sie betrach­te­te der Erlan­ger His­to­ri­ker Diwald die Jah­res­zahl 1945 als die Ach­sen­zeit des eige­nen Vol­kes. Mit die­sem Schick­sals­da­tum sei die heu­ti­ge Lage »unlös­bar ver­ket­tet«, wie er im Vor­wort der Geschich­te der Deut­schen notiert. Vor dem Hin­ter­grund die­ser Zäsur ergab sich eine Fül­le dezi­dier­ter Ein­schät­zun­gen. Mit aus­drück­li­chem »Mut« wand­te sich Diwald nicht nur gegen eine pau­scha­le Kri­mi­na­li­sie­rung der deut­schen Geschich­te, ins­be­son­de­re der jün­ge­ren His­to­rie, son­dern erhell­te auch die Hin­ter­grün­de »unse­rer gestoh­le­nen Geschich­te« in diver­sen Publikationen.

Als zen­tra­len Aus­gangs­punkt, der sich in den Quel­len nie­der­schlug, sah er eine in west­al­li­ier­ten Bestän­den gefun­de­ne Akten­no­tiz aus dem Jah­re 1943 an. Sie lau­tet über­setzt: »Wir wer­den die gesam­te Tra­di­ti­on aus­lö­schen, auf der die deut­sche Nati­on errich­tet wur­de.« Damit erhielt der Deut­schen­haß, nach des­sen Ursa­chen der Phi­lo­soph Max Sche­ler schon wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges gefahn­det hat­te, eine ers­te pro­gram­ma­ti­sche Dimen­si­on, die unter dem Stich­wort »Ree­du­ca­ti­on« nach der deut­schen Kapi­tu­la­ti­on von den Sie­ger­mäch­ten anfäng­lich uner­bitt­lich ver­folgt wur­de. Der US-Hoch­kom­mis­sar John McCloy gilt als einer der Haupt­ver­ant­wort­li­chen für den Über­gang von der Kriegs- zur spä­te­ren Frie­dens­pro­pa­gan­da. Doch die Besat­zer waren nur für die ers­te Etap­pe einer breit­an­ge­leg­ten Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gne ver­ant­wort­lich. Sie wur­de bald nach 1945 von wil­li­gen Hel­fern unter den Besieg­ten und deren Nach­kom­men fort­ge­setzt. Das Geschichts­bild, das sich mit wach­sen­dem Abstand vom Ende des Krie­ges immer wei­ter ver­dun­kel­te, fun­gier­te für Diwald als schick­sal­haf­tes Blei, das die Nati­on unauf­hör­lich her­un­ter­zie­hen mußte.

Jour­na­lis­ten wie Wis­sen­schaft­ler schaff­ten zahl­lo­se Bele­ge für den »Irr­weg« der eige­nen Geschich­te her­bei. Vie­le Publi­ka­tio­nen schlu­gen den omi­nö­sen Bogen von Luther über Fried­rich den Gro­ßen und Bis­marck bis zu Hit­ler, respek­ti­ve vom ver­meint­li­chen Irra­tio­na­lis­mus eines Schel­ling zu Hit­ler, wie bei dem mar­xis­ti­schen Phi­lo­so­phen Georg Lukács im Unter­ti­tel sei­nes Buches Die Zer­stö­rung der Ver­nunft nach­zu­le­sen ist. Diwald wuß­te, daß sol­che grob­schläch­ti­gen Fehl­ur­tei­le kol­lek­tiv­psy­cho­lo­gisch nach­hal­tig ins Gewicht fie­len. Mit dem eher tri­via­len Sin­gu­la­ri­täts­ar­gu­ment, ange­wen­det auf deut­sche Unta­ten, ver­hält es sich ähnlich.

Diwald ging es auch nicht um die Ver­herr­li­chung der Geschich­te eines Vol­kes, schon gar nicht um pau­scha­le wei­ße Wäsche; viel­mehr woll­te er beschei­den dazu bei­tra­gen, daß das eige­ne Volk »Geschich­te über­haupt zur Kennt­nis nimmt«. Bald nach den Ereig­nis­sen von 1989/90 schrieb er, es gebe jetzt nichts »Wich­ti­ge­res, als die Ein­heit unse­res Vol­kes inner­halb eines staat­li­chen Neu­baus zu voll­enden und dadurch auch die Nati­on wie­der sicht­bar zu machen«. Über drei Jahr­zehn­te nach die­sen Noti­zen wird man zuge­ste­hen müs­sen: Das Ziel, zumin­dest ein »Mini­mum an natio­na­ler Selbst­be­stim­mung« in der Öffent­lich­keit zu ver­an­kern, wur­de in der Brei­te nicht erreicht.

Diwald, der Quer­kopf der Zunft: Er ent­warf früh pro­gram­ma­ti­sche Anti­do­ta. Es hät­te genügt, daß er Mono­gra­phien über Luther, Fried­rich II. und Bis­marck ver­faß­te, um die The­se, sie sei­en Vor­läu­fer Hit­lers gewe­sen, ad absur­dum zu füh­ren. Diwald ging noch wei­ter zurück, um sei­ne geschichts­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen mit Anschau­ungs­ma­te­ri­al zu unter­füt­tern. Er beginnt die Kon­zep­ti­on eines »neu­en Geschichts­bil­des«, das er dring­lich für erfor­der­lich hielt, mit der Rekon­struk­ti­on der Ursprün­ge der deut­schen His­to­rie. Deren Kennt­nis­se und das Wis­sen um die fort­dau­ern­den Wir­kun­gen bis in die unmit­tel­ba­re Gegen­wart sind unab­ding­bar, wenn man die vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in einem Urteil vom 21. Okto­ber 1987 pos­tu­lier­te »Wah­rungs­pflicht zur Erhal­tung der Iden­ti­tät des deut­schen Staats­vol­kes« ernst nimmt.

Diwald stell­te in sei­nem gro­ßen Werk über König Hein­rich I. die­sen Herr­scher nicht nur als Grün­der des Deut­schen Rei­ches her­aus, son­dern rekon­stru­ier­te auch die Umstän­de sei­ner Wahl im Jah­re 919. Wei­ter zähl­te er kul­tu­rell-tech­ni­sche wie natür­li­che Vor­aus­set­zun­gen der Regent­schaft auf, vor­nehm­lich Wäl­der, Eis und Licht, Stra­ßen und Gren­zen sowie die dama­li­gen Fort­be­we­gungs­mög­lich­kei­ten. Der Sach­sen­herr­scher einig­te die deut­schen Stäm­me nach innen wie nach außen (durch die Abwehr der Ungarn-Gefahr). So ent­stand das Regnum Teu­to­ni­cum. Ihm gehör­ten Stäm­me an, die man als Gen­tes Theo­dis­cae oder Gen­tes Teu­to­ni­cae bezeich­ne­te. Die­se Bil­dung darf als wesent­li­che Etap­pe im Rah­men der Ethno­genese betrach­tet wer­den, auch wenn man zu die­sem Zeit­punkt übli­cher­wei­se noch nicht vom deut­schen Volk sprach. Jeden­falls ist die­ses Regnum Theo­dis­cum von den Rechts­in­sti­tu­tio­nen des Kai­ser­rei­ches zu unter­schei­den, die weit dar­über hinausgriffen.

Die­se Anfän­ge spie­len im staats­recht­li­chen Dis­kurs über den soge­nann­ten eth­ni­schen Volks­be­griff kei­ne unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Der Frei­bur­ger Staats­rechts­leh­rer Diet­rich Murs­wiek arbei­te­te das Recht zur Behaup­tung der eth­nisch-kul­tu­rel­len Iden­ti­tät als Bestand­teil des Selbst­be­stim­mungs­rechts der Völ­ker her­aus und ver­wies dabei auf die Kon­ti­nui­tät des deut­schen Vol­kes seit weit über einem Jahr­tau­send. Der Gesetz­ge­ber kön­ne die eth­ni­sche Zusam­men­set­zung des eige­nen Vol­kes nicht ein­fach belie­big ändern; viel­mehr sei sie ihm im Grund­be­stand, im Sin­ne einer rela­ti­ven Homo­ge­ni­tät, vor­ge­ge­ben und somit als Schutz­ob­jekt des Völ­ker­straf­rech­tes zu begrei­fen, so die Zusam­men­fas­sung von Murs­wieks Argumentation.

Zum Luther-Jahr por­trä­tier­te Diwald, zu des­sen Spe­zi­al­ge­bie­ten die Epo­che der Frü­hen Neu­zeit zähl­te, einen wei­te­ren gro­ßen Ahn­herrn der Nati­on. In die­ser Publi­ka­ti­on wird der »Pro­phe­ta Ger­ma­niae« beson­ders her­vor­ge­kehrt. Die Frei­heit vom römi­schen Joch gilt als eine zen­tra­le Antriebs­kraft des Refor­ma­tors. Der berühm­te Send­brief an den »Christ­li­chen Adel deut­scher Nati­on« ist bis heu­te ein Doku­ment, das eine wesent­li­che Stoß­rich­tung sei­nes Wir­kens beschreibt.

Noch bevor sich Diwald mit Per­sön­lich­kei­ten wie Hein­rich und Luther beschäf­tig­te, inter­es­sier­te ihn die Wal­len­steins näher. Das Fas­zi­no­sum des böh­mi­schen Gene­ra­lis­si­mus besteht seit jeher im Facet­ten­reich­tum der Per­sön­lich­keit zwi­schen astro­lo­gi­schem Fai­ble und Hee­res­füh­rer­tum. Der fei­ge Meu­chel­mord hat­te zur Legen­den­bil­dung ein übri­ges bei­getra­gen. Von den Schmä­hun­gen, die Diwald erfah­ren muß­te, ragt die Pole­mik sei­nes Riva­len in der Wal­len­stein-For­schung, Golo Mann, her­aus, der nach 1945 nichts so Unge­heu­er­li­ches wie Diwalds Buch gele­sen haben woll­te. Wel­che Inhal­te denn so unge­heu­er­lich sei­en, ver­riet er aber nicht. Zuletzt noch Ernst Moritz Arndt: Auch er gehör­te zu Diwalds natio­na­ler Por­trät­ga­le­rie. Er ver­faß­te eine poin­tier­te Schrift über ihn.

Als Sum­me von Diwalds jahr­zehnt­langen For­schun­gen ragt aber die mate­ri­al­rei­che Geschich­te der Deut­schen her­aus. Sie fand mit dem His­to­ri­ker Karl­heinz Weiß­mann einen kon­ge­nia­len Autor, der das Werk 1999 über­ar­bei­te­te. Anläß­lich der Erst­pu­bli­ka­ti­on 1978, einer Zeit inten­si­vier­ter Debat­ten über Drit­tes Reich und Juden­ver­nich­tung, gab es hef­ti­ge Kon­tro­ver­sen über die­se Unter­su­chung. An der nar­ra­tiv her­vor­ra­gend prä­sen­tier­ten Stu­die, von der rund 100 000 Exem­pla­re ver­kauft wur­den, sorg­te nicht zuletzt die gegen­chro­no­lo­gi­sche Erzähl­wei­se für Auf­se­hen. Der Autor beginnt sei­ne Erör­te­run­gen in der unmit­tel­ba­ren Gegen­wart, schrei­tet zum Ges­tern wie zum Vor­ges­tern fort und endet bei den Ursprüngen.

Diwald hat über die­ses Ver­fah­ren in eher metho­do­lo­gisch ori­en­tier­ten Abhand­lun­gen Rechen­schaft abge­legt: Man sei von sei­ner eige­nen Zeit, ihren Auf­fas­sun­gen und Urtei­len unwei­ger­lich stark beein­flußt, kön­ne sich mit­hin in das eige­ne Zeit­al­ter deut­lich bes­ser ein­füh­len als in frü­he­re Epo­chen. Zudem prä­ge die jün­ge­re Ver­gan­gen­heit stär­ker als län­ger zurück­lie­gen­de Zeit­räu­me. Zuletzt und am wich­tigs­ten: Die gegen­chro­no­lo­gi­sche Metho­de wir­ke der Auf­fas­sung ent­ge­gen, spä­te­re Ereig­nis­se sei­en kau­sal durch zeit­lich vor­her­ge­hen­de determiniert.

Star­ke Ein­wän­de rich­te­ten sich gegen eine Bemer­kung zur Juden­ver­nich­tung, deren Abscheu­lich­keit Diwald mehr­fach beton­te. Die­ses Mas­sen­ver­bre­chen sei, so Diwald, nicht als sys­te­ma­tisch geplan­te Tat ein­zu­stu­fen, son­dern als sol­che, die infol­ge der extrem mör­de­ri­schen Bedin­gun­gen des Krie­ges zustan­de gekom­men sei. Zur media­len Hatz auf den Ket­zer trug eben­falls der Hin­weis bei, daß die tra­gi­schen Gescheh­nis­se von der Quel­len­la­ge her noch nicht rest­los erhellt sei­en. Die schnell anschwel­len­de Kam­pa­gne führ­te zum Ein­kni­cken des Ver­la­ges, der eini­ge Pas­sa­gen umschrei­ben ließ. Zu den Rädels­füh­rern gehör­ten etli­che ehe­ma­li­ge SS-Offi­zie­re wie der dama­li­ge Spie­gel-Redak­teur Georg Wolff. Anstoß nahm man auch an Diwalds Dar­stel­lung der Ver­bre­chen an Mil­lio­nen Deut­schen, vor allem kurz nach dem Zusam­men­bruch. Er beschrieb sie nicht (wie häu­fig) als blo­ßen, von den Deut­schen selbst ver­schul­de­ten Kol­la­te­ral­scha­den. Auch in die­ser Wer­tung unter­schei­det sich Diwalds Abhand­lung von diver­sen Konkurrenzunternehmungen.

Oft unter­schätzt wird Diwalds Spät­werk. In den weni­gen Jah­ren, die ihm nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung noch ver­gönnt waren, fei­er­te er sich nicht etwa selbst als jeman­den, der unge­ach­tet aller Anfein­dun­gen stets am ent­spre­chen­den Grund­ge­setz­auf­trag fest­ge­hal­ten hat­te; viel­mehr ver­öf­fent­lich­te er in sei­nen Betrach­tun­gen Deutsch­land einig Vater­land einen eher düs­te­ren Aus­blick, der sich (wie stets bei dem Gelehr­ten) an die Fak­ten hält.

Neben den von ihm immer wie­der trak­tier­ten Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, etwa der Zurück­wei­sung des gern kol­por­tier­ten tau­send­jäh­ri­gen Sün­den­re­gis­ters, geht er auch auf struk­tu­rel­le Pro­ble­me ein, die heu­te eben­so aktu­ell sind wie um 1990. Beson­ders das Kapi­tel »NATO als Staats­rä­son« ver­dient aus aktu­el­lem Anlaß neu rezi­piert zu wer­den. Die Ein­glie­de­rung in die west­li­che Ver­tei­di­gungs­al­li­anz war aber nur ein Hemm­schuh für Deutsch­land im Rah­men des viel­zi­tier­ten lan­gen Weges nach Wes­ten, den der His­to­ri­ker Hein­rich August Wink­ler eben­so wirk­mäch­tig wie ein­sei­tig nach­ge­zeich­net hat. Die­se Ent­wick­lung hat­te dazu geführt, daß das Land der euro­päi­schen Mit­te für die USA die Garan­tie bot (und bie­tet), das Schlacht­feld mög­lichst vom eige­nen Kon­ti­nent fern­zu­hal­ten. Diwald zitiert den ehe­ma­li­gen US-Sena­tor Laro­que, der 1981 ver­laut­ba­ren ließ: »Wir wür­den auch den Drit­ten [Welt­krieg] lie­ber in Euro­pa füh­ren; selbst mit Atom­waf­fen.« An die­ser Dok­trin hat sich bis zum heu­ti­gen Tag wenig geän­dert, wenn­gleich der Kom­mu­nis­mus in Euro­pa lan­ge ver­schwun­den ist. Diwald sprach sich gegen »West­ex­tre­mis­ten« und eine Ver­ab­so­lu­tie­rung der »west­li­chen Wer­te­ge­mein­schaft« aus.

Abschlie­ßend wagt er einen skep­ti­schen Aus­blick. Kann ein Staat auf Dau­er bestehen, des­sen Bür­ger zu einem nicht gerin­gen Teil eine aus­ge­präg­te Vor­lie­be für Wohl­stand, Wer­bung, Kon­sum, Kalo­rien, Frei­zeit und Feig­heit erken­nen las­sen? Er kann es sehr wohl, aber er ändert sein Erschei­nungs­bild dras­tisch, so könn­te man ant­wor­ten. Auch gegen­wär­tig, so fügt Diwald hin­zu, kom­me kein Staat ohne die Bereit­schaft sei­ner Bür­ger aus, im äußers­ten Fall als Sol­da­ten das Höchs­te zu geben, was der ein­zel­ne besit­ze, näm­lich das Leben.

Öffent­li­che Bekannt­heit erlang­te Diwald vor allem als stän­di­ger Gast in Wolf­gang Ven­ohrs TV-Sen­dung Doku­men­te Deut­schen Daseins, 500 Jah­re deut­sche Natio­nal­ge­schich­te, aus­ge­strahlt vom Sep­tem­ber 1977 bis Mai 1979. Die Qua­li­tät der Streit­ge­sprä­che, die er mit Sebas­ti­an Haff­ner führ­te, wur­de vom Publi­kum sehr geschätzt. Wei­ter­hin fun­gier­te er als Spi­ri­tus rec­tor der pri­va­ten Zeit­ge­schicht­li­chen For­schungs­stel­le Ingol­stadt (ZFI). Pri­mä­res Anlie­gen der Grün­der­ge­nera­ti­on, zu der der His­to­ri­ker und Gym­na­si­al­leh­rer Alfred Schi­ckel zähl­te, war es, der oft ten­den­ziö­sen Geschichts­deu­tung durch offi­zi­el­le Ein­rich­tun­gen wie das Insti­tut für Zeit­ge­schich­te in Mün­chen eine ande­re Sicht ent­ge­gen­zu­set­zen. Fra­ge­zei­chen soll­ten dort gesetzt wer­den, wo »Sie­ger­li­te­ra­tur Pau­schal-Ver­dik­te« (­Schi­ckel) fällt. Eine sol­che Absicht wird gern als Revi­sio­nis­mus gebrand­markt, ja sogar als »anti­quier­ter Radi­kal­na­tio­na­lis­mus« (Hans-Ulrich Weh­ler) in die rechts­ra­di­ka­le Ecke gestellt. Eine Wür­di­gung der ZFI bleibt ein Desi­de­rat der Forschung.

Diwalds blei­ben­des Ver­dienst ist es, im Rah­men sei­nes Lebens­werks die Funk­ti­on und den beson­de­ren Stel­len­wert der His­to­rio­gra­phie im Leben eines Vol­kes kon­se­quent her­aus­ge­stellt zu haben. Man könn­te von der Kon­zep­ti­on einer fun­dier­ten »rech­ten Volks­päd­ago­gik« spre­chen, die die exis­ten­ti­el­le Dimen­si­on der Geschichts­be­trach­tung für ein Volk her­aus­stellt, wäre die­ser Begriff nicht all­zu nega­tiv kon­no­tiert. Von die­ser War­te aus blieb für ihn der Grund­satz Leo­pold von Ran­kes, nach dem aus den Quel­len zu zei­gen ist, »wie es eigent­lich gewe­sen« sei, im Sin­ne eines erkennt­nis­lei­ten­den Inter­es­ses ungenügend. ¡

 

 

Dazu beson­ders die Publi­ka­tio­nen Mut zur Geschich­te (Ber­gisch Glad­bach 1983) und Geschich­te macht Mut (Erlangen/Bonn/Wien 1989).

Her­an­zu­zie­hen ist vor ­allem fol­gen­der Über­blick: Unse­re gestoh­le­ne Geschich­te, Mün­chen 1992.

Zitiert nach ebd., S. 9.

Ebd., S. 11.

Ebd., S. 14.

Hell­mut Diwald: ­Hein­rich der Ers­te. Die Grün­dung des deut­schen Rei­ches, Ber­gisch Glad­bach 1987.

Vgl. Diet­rich Murs­wiek: »Staats­volk, Demo­kra­tie und Ein­wan­de­rung im Natio­nal­staat des Grund­ge­set­zes«, in: Jahr­buch des öffent­li­chen Rechts der Gegen­wart, Neue Fol­ge 66 (2018), S. 385 – 429.

Vgl. Hell­mut Diwald: Pro­py­lä­en Geschichte
Euro­pas,
Bd. I: Anspruch auf Mün­dig­keit. Um 1400 – 1555, Frank­furt a. M./Berlin/Wien 1975.

Hell­mut Diwald: ­Luther. Eine Bio­gra­phie, Ber­gisch Glad­bach 1982; zusam­men mit Karl-Heinz Jür­gens: Lebens­bil­der Mar­tin Luthers, Ber­gisch Glad­bach 1982.

Hell­mut Diwald: Ernst Moritz Arndt. Das Ent­ste­hen des deut­schen Natio­nal­be­wußt­seins, Mün­chen 1970.

Vgl. Diwald: Mut zur Geschich­te, S. 44 – 50.

Vgl. Hell­mut Diwald: Deutsch­land einig Vater­land. Geschich­te unse­rer Gegen­wart, Frank­furt a. M./Berlin 1990; ders.: Ein Quer­kopf braucht kein Ali­bi. Sze­nen der Geschich­te, Frank­furt a. M./Berlin 1991.

Diwald: Deutsch­land ­einig Vater­land, S. 235.

Als beson­ders ten­den­ziö­ser Bei­trag der ZFI-Auf­ar­bei­tung darf gel­ten: Moritz Fischer, Tho­mas Schlem­mer: »Wider das Estab­lish­ment. Die Zeit­ge­schicht­li­che For­schungs­stel­le Ingol­stadt zwi­schen Apo­lo­gie und Wis­sen­schaft – aus den Akten des Insti­tuts für Zeit­ge­schich­te und des Bun­des­ar­chivs«, in: Vier­tel­jahrs­hef­te für Zeit­ge­schich­te 72 (2024), S. 127 – 201.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)