Machtergreifung 1949 – Konrad Adenauer

von Erik Lommatzsch -- Für den Weg Konrad Adenauers zur Kanzlerschaft ist das Schlagwort Machtergreifung in der Sache weit zutreffender als für das Ereignis der deutschen Geschichte, für das es noch immer landläufig Verwendung findet. Das Bestreben, nach dem Krieg in Deutschland in politisch einflußreiche Positionen zu gelangen, unter den Bedingungen der Besatzung und ausgehend von seiner rheinischen Heimat, setzte bei Adenauer frühzeitig ein. Am 15. September 1949 wurde er dann vom Bundestag zum Regierungs­chef gewählt. Oft wird auf die denkbar knappe Mehrheit, 202 von 402 Stimmen, hingewiesen. Letztlich sei seine eigene Stimme ausschlaggebend gewesen, so der arg unsinnige Vorwurf. Selbstzweifel gehörten nicht zu den hervorstechenden Eigenschaften Adenauers. Er konnte, wie im April 1946, auch schon mal erklären, er habe die »sehr aufreibende, körperlich anstrengende und sehr undankbare« Arbeit in der Politik – wieder – aufnehmen müssen, »weil schlechthin kein anderer da war«.

Ade­nau­er dräng­te sich selbst und damit auch sei­ne Ziel­set­zun­gen – hier aller­dings bei Bedarf geschmei­dig – sicht­lich und auch gegen­über Par­tei­freun­den mit wenig Skru­peln behaf­tet nach vorn, an die Spit­zen und schließ­lich an die Spit­ze schlecht­hin, an der er sich 14 Jah­re behaup­ten soll­te. Zu Recht wird, hin­sicht­lich des Ein­flus­ses der Per­sön­lich­keit, die von 1949 bis 1963 wäh­ren­de Kanz­ler­schaft als »Ära« mit sei­nem Namen verbunden.

Ent­schei­den­der Höhe­punkt des Pro­zes­ses, der als Ade­nau­ers Macht­er­grei­fung zu bezeich­nen ist, soll­ten zwei von ihm initi­ier­te Zusam­men­künf­te am 20. und 21. August 1949 wer­den. Eine Woche zuvor, am 14. August, war der ers­te Deut­sche Bun­des­tag gewählt wor­den. CDU und CSU waren mit 31 Pro­zent zwar stärks­te Kraft, die Zukunft des west­deut­schen Teil­staa­tes war aber noch offen, zumal das am 23. Mai ver­ab­schie­de­te Grund­ge­setz vor allem in der Fra­ge der Wirt­schafts­ord­nung kei­ner­lei Fest­le­gung getrof­fen hat­te. Fest­ge­schrie­ben war ledig­lich, daß die Bun­des­re­pu­blik »ein demo­kra­ti­scher und sozia­ler Bun­des­staat« (Art. 20, Abs. 1) sei. Die markt­wirt­schaft­li­che Aus­rich­tung und die enge Ein­bin­dung in das west­li­che Bünd­nis­sys­tem, bei der das Stre­ben nach der Ein­heit Deutsch­lands schnell zur pflicht­schul­di­gen Fei­er­stun­den­phra­se ver­kam, gin­gen ent­schei­dend auf das Wir­ken Ade­nau­ers zurück. Der Rah­men war durch die Sie­ger und den auf­kom­men­den Kal­ten Krieg gege­ben, die ver­blei­ben­den Hand­lungs­spiel­räu­me nutz­te Ade­nau­er aus­gie­big zum Aus­bau sei­ner Macht­ba­sis. Trotz der von einer mit­un­ter ans Hagio­gra­phi­sche gren­zen­den Geschichts­schrei­bung immer wie­der her­vor­ge­kehr­ten Moni­ta gegen­über den west­li­chen Besat­zern konn­ten sich sein Auf­stieg und die Fes­ti­gung sei­ner Stel­lung letzt­lich kaum gegen deren Wil­len vollziehen.

Ade­nau­er, Jahr­gang 1876, war 1917 Ober­bür­ger­meis­ter von Köln gewor­den. Er gehör­te dem Zen­trum an und wur­de in der Wei­ma­rer Zeit mehr­fach als Kan­di­dat für das Amt des Reichs­kanz­lers gehan­delt. Vom NS-Regime 1933 abge­setzt, über­dau­er­te er die Zeit bis zum Zusam­men­bruch als Pen­sio­när, kurz­zei­tig war er inhaf­tiert. Nach Kriegs­en­de hat­ten ihn die bri­ti­schen Besat­zer in sein altes Amt ein­ge­setzt, nach Dif­fe­ren­zen aller­dings bereits im Okto­ber 1945 wie­der entlassen.

Ade­nau­er rich­te­te sei­nen Ehr­geiz nun zunächst auf die Par­tei. Die CDU war, nach Maß­ga­be der Besat­zer, ab Som­mer 1945 auf loka­ler und regio­na­ler Ebe­ne und an ver­schie­de­nen Orten par­al­lel unter ver­schie­de­nen Namens­va­ri­an­ten ent­stan­den. An der Köl­ner Grün­dung war ­Ade­nau­er nicht betei­ligt, auch wenn wohl­wol­len­de His­to­ri­ker ihm ex post eine Mit­ar­beit zuzu­schrei­ben ver­su­chen. Sei­ne Distanz zur lin­ken Aus­rich­tung, dem »christ­li­chen Sozia­lis­mus« der maß­geb­li­chen Initia­to­ren, gilt als wesent­li­cher Grund für sei­ne Zurück­hal­tung. Den Anspruch der in der Sowje­ti­schen Besat­zungs­zo­ne ent­stan­de­nen CDU, von ihrer Ber­li­ner »Reichs­ge­schäfts­stel­le« aus für eine – orga­ni­sa­to­risch nicht exis­ten­te – gesamt­deut­sche Par­tei zu spre­chen, erkann­te er nicht an. Der dor­ti­ge Vor­sit­zen­de Andre­as ­Her­mes, in der Wei­ma­rer Zeit Finanz- und Land­wirt­schafts­mi­nis­ter, im Janu­ar 1945 auf­grund sei­ner Betei­li­gung am Wider­stand zu einer dann nicht mehr voll­streck­ten Todes­stra­fe ver­ur­teilt, hat­te gegen­über den Sowjets einen schwe­ren Stand und wur­de schließ­lich von ihnen abge­setzt. Sein Bestre­ben, sich vom Wes­ten aus als Par­tei­füh­rer zu eta­blie­ren, wur­de vor allem von ­Ade­nau­er ausgebremst.

Exem­pla­risch für Ade­nau­ers selbst­be­wuß­ten Griff nach der Füh­rung ste­hen die Ereig­nis­se in Her­ford am 22. Janu­ar 1946. Gela­den hat­te der dor­ti­ge Bür­ger­meis­ter Fried­rich Holz­ap­fel. Ein Vor­sit­zen­der der CDU in der bri­ti­schen Besat­zungs­zo­ne soll­te gewählt wer­den. (Übri­gens die ein­zi­ge der West­zo­nen, in der ein Zusam­men­schluß der Par­tei auf die­ser Ebe­ne statt­fand, die CDU als Bun­des­par­tei wur­de for­mell erst im Okto­ber 1950 gegrün­det.) Ade­nau­er, ledig­lich einer von 26 Dele­gier­ten, nahm, wohl auch zur Über­ra­schung Holz­ap­fels, mit der Bemer­kung, er sei »wohl der Ältes­te hier«, auf dem Stuhl des Ver­samm­lungs­lei­ters Platz und prä­si­dier­te. Den Vor­sitz in der bri­ti­schen Zone bean­spruch­te der eben­falls ange­reis­te Her­mes. Als bekann­te Auto­ri­tät und als Ber­li­ner CDU-Grün­der, der den Sowjets die Stirn gebo­ten hat­te, war er für die Ambi­tio­nen Ade­nau­ers zumin­dest gefähr­lich. Hin­zu kam in die­sem Kreis die Legi­ti­ma­ti­on durch sei­ne Wider­stands­tä­tig­keit – Ade­nau­er selbst hat­te sich trotz mehr­fa­cher Bit­ten sei­ner­zeit an einer Ver­schwö­rung gegen Hit­ler nicht betei­ligt. In Her­ford nun ver­wei­ger­te Ade­nau­er Her­mes kur­zer­hand die Teil­nah­me an der Sit­zung, mit der Begrün­dung, die­ser sei ja kein Mit­glied der CDU der bri­ti­schen Zone. Beru­higt wur­de ­Her­mes zudem durch die Mit­tei­lung, die Wahl sei zurück­ge­stellt. Eine glat­te Lüge: Am Ende des Tages war Ade­nau­er gewähl­ter Vor­sit­zen­der der bri­ti­schen Zone. Er fun­gier­te zudem als Vor­sit­zen­der der CDU im (nörd­li­chen) Rhein­land und führ­te die Land­tags­frak­ti­on in Nord­rhein-West­fa­len sowie die Arbeits­ge­mein­schaft der CDU/CSU, ein seit 1947 bestehen­des Ver­bin­dungs­gre­mi­um der orga­ni­sa­to­risch sepa­ra­ten Uni­ons­par­tei­en der Westzonen.

Begüns­ti­gend für sei­nen Auf­stieg war, daß er auf­grund sei­ner Tätig­keit bis 1933 auf zahl­rei­che Ver­bin­dun­gen zurück­grei­fen konn­te, daß er bezüg­lich der NS-Zeit in kei­ner Wei­se als »belas­tet« galt, daß die Ent­las­sung durch die Bri­ten als Bür­ger­meis­ter ihm den Nim­bus einer beson­de­ren Stand­haf­tig­keit gegen­über den Besat­zern ver­lie­hen hat­te und daß er frei von mate­ri­el­len Sor­gen agie­ren konn­te. Vor allem aber kam ihm sein Alter, ver­bun­den mit einer immensen Stra­pa­zier­fä­hig­keit, zugu­te. Eine län­ge­re Lauf­bahn und Ehr­geiz hin­sicht­lich einer auch zeit­lich umfas­sen­den Wirk­sam­keit trau­te ihm kaum jemand zu. Er selbst koket­tier­te gern kal­ku­lie­rend mit sei­nem Alter. Noch in sei­nen Erin­ne­run­gen ver­merk­te er tri­um­phie­rend, er habe 1949 dies­be­züg­li­che Zwei­fel an sei­ner Eig­nung als Kanz­ler damit aus­ge­räumt, daß er erklär­te, sein Arzt habe ihm ver­si­chert, er kön­ne das Amt nicht nur für ein, son­dern »auch für zwei Jah­re« ausüben.

Die Ent­schei­dung über die deut­sche Tei­lung hat­ten die Kriegs­sie­ger getrof­fen. Ade­nau­er hat­te den öst­li­chen Teil für sich aller­dings früh abge­schrie­ben und blieb auf die­ser Linie; jeg­li­che Ver­bin­dungs­ver­su­che waren ihm nicht nur suspekt, er bekämpf­te sie vehe­ment. Bereits im Okto­ber 1945 beschied er, »der von Ruß­land besetz­te Teil« sei »für eine nicht zu schät­zen­de Zeit für Deutsch­land ver­lo­ren«. Er mokier­te sich im Dezem­ber 1946 über Jakob Kai­ser – Nach­fol­ger von Her­mes als CDU-Vor­sit­zen­der in der Sowjet­zo­ne und spä­ter eben­falls abge­setzt – und des­sen Äuße­run­gen »über eine Syn­the­se Ost-West, über den sozia­len Wind aus dem Osten, der in den Wes­ten wehen müs­se«. Vor Ende 1947 war er der Mei­nung, daß West­deutsch­land sich »ohne die Gebie­te im Osten« zu orga­ni­sie­ren habe, und erklär­te im August 1948, auf eine Wie­der­ver­ei­ni­gung sei »noch sehr lan­ge zu war­ten«. Als im Herbst 1949 kurz­zei­tig die Über­le­gung auf­kam, sei­nem alten Kon­kur­ren­ten Her­mes das Land­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um zu über­tra­gen, war des­sen »Godes­ber­ger Kreis«, der die Wie­der­ver­ei­ni­gung und Bezie­hun­gen nach Ost­eu­ro­pa im Blick hat­te, ein wesent­li­ches Argu­ment, von der Beru­fung abzu­se­hen. Für Ade­nau­ers Posi­ti­on gegen­über dem öst­li­chen Lan­des­teil war neben irra­tio­na­len Res­sen­ti­ments – kol­por­tiert wird, für Ade­nau­er habe öst­lich der Elbe Asi­en begon­nen – und begründ­bar emp­fun­de­nen Bedro­hungs­ge­ge­ben­hei­ten wohl auch die Tat­sa­che maß­geb­lich, daß er im – über­wie­gend katho­li­schen – Wes­ten über eine Macht­basis ver­füg­te, die sich im Fal­le eines Zusam­men­schlus­ses aller vier Zonen zumin­dest in die­ser Form nicht hät­te auf­recht­erhal­ten las­sen können.

Auf Lud­wig Erhard wur­de Ade­nau­er erst durch des­sen Tätig­keit als Direk­tor für Wirt­schaft im Wirt­schafts­rat der Bizo­ne auf­merk­sam. Zunächst skep­tisch, war Erhards sicht­ba­rer Erfolg des Wag­nis­ses mit der Wäh­rungs­re­form vom Juni 1948 Anlaß für Ade­nau­er, des­sen markt­wirt­schaft­li­ches Kon­zept, bald gern mit dem Zusatz »sozi­al« ver­se­hen, zu sei­nem Pro­jekt zu machen. Es galt, den lin­ken CDU-Flü­gel, die von ihm ohne­hin unge­lieb­ten Anhän­ger eines »christ­li­chen Sozia­lis­mus«, abzu­drän­gen. An die Stel­le des Ahle­ner Pro­gramms der Par­tei vom Febru­ar 1947, wel­ches noch For­de­run­gen nach Ver­ge­sell­schaf­tung ent­hielt, tra­ten im Juli 1949 die Düs­sel­dor­fer Leit­sät­ze, ein kla­res Bekennt­nis zur libe­ra­len Wirt­schafts­po­li­tik Erhards. Ade­nau­er wuß­te den par­tei­lo­sen, sen­dungs­be­wuß­ten Opti­mis­ten öffent­lich­keits­wirk­sam einzuspannen.

Die Lon­do­ner Emp­feh­lun­gen vom Juni 1948, als deren Ergeb­nis den Minis­ter­prä­si­den­ten der West­zo­nen die Frank­fur­ter Doku­men­te über­ge­ben wur­den, die zur Grün­dung des west­deut­schen Teil­staa­tes auf­for­der­ten, hat­te Ade­nau­er zunächst mit Empö­rung auf­ge­nom­men. Die vor­be­hal­te­nen Kon­troll­rech­te stell­ten sich ihm so restrik­tiv dar, daß er erklär­te, »der Ver­sailler Ver­trag ist dage­gen ein Rosen­strauß«, und über­leg­te, ob die Deut­schen nicht durch »Ver­wei­ge­rung der Mit­ar­beit« wenigs­tens »ihre Ehre vor der Nach­welt« ret­ten soll­ten. Mit der ihm eige­nen Geschmei­dig­keit füg­te er sich bald aber nicht nur in die Gege­ben­hei­ten, son­dern erkann­te wohl auch das Poten­ti­al für den Aus­bau der eige­nen Posi­ti­on. Schon bei der Rit­ter­sturz-Kon­fe­renz – benannt nach dem Tagungs­ort, einem Koblen­zer Hotel – im Juli 1948, auf der die Minis­ter­prä­si­den­ten über die Frank­fur­ter Doku­men­te berie­ten und zunächst zöger­ten, mit der Annah­me und der Ingang­set­zung von Ver­fas­sungs­be­ra­tun­gen die Tei­lung zu akzep­tie­ren, ließ sich Ade­nau­er mit der Bemer­kung ver­neh­men: »Sind denn die­se Zaun­kö­ni­ge noch nicht fertig?«

Nicht zuletzt unter dem Ein­druck der Blo­cka­de West-Ber­lins durch die Sowjets war der Rück­halt der Bevöl­ke­rung in den west­li­chen Besat­zungs­zo­nen für die Schaf­fung eines Teil­staa­tes zu die­ser Zeit groß. Vor­be­rei­tet durch den soge­nann­ten Ver­fas­sungs­kon­vent von Her­ren­chiem­see, arbei­te­te der Par­la­men­ta­ri­sche Rat von Sep­tem­ber 1948 bis Mai 1949 in Bonn das Ver­fas­sungs­werk aus, wel­ches, um den Pro­vi­so­ri­ums­cha­rak­ter der Teil­staats­grün­dung wenigs­tens theo­re­tisch auf­recht­zu­er­hal­ten, als Grund­ge­setz bezeich­net wur­de. Ade­nau­er brach­te sich als Prä­si­dent des Gre­mi­ums in Stel­lung. An der Aus­for­mu­lie­rung des Grund­ge­set­zes selbst hat­te er kei­nen Anteil. Als gro­ße Leis­tung wird ihm ange­rech­net, die Frak­ti­on von CDU und CSU zusam­men­ge­hal­ten zu haben, die über die Fra­ge der Aus­ge­stal­tung des Föde­ra­lis­mus mehr­fach bei­na­he aus­ein­an­der­ge­bro­chen wäre. Bereits seit Herbst 1948 ließ Ade­nau­er Per­so­nal­lis­ten mit Kan­di­da­ten für die künf­ti­ge Bun­des­ver­wal­tung erstellen.

In den Bun­des­tags­wahl­kampf 1949 ging er mit der Prä­mis­se, nicht »gro­ße prin­zi­pi­el­le Erör­te­run­gen« stün­den im Mit­tel­punkt, son­dern Fra­gen der Wirt­schaft. Als »Haupt­geg­ner« mach­te er die Sozi­al­de­mo­kra­tie aus. Nach dem für die Uni­ons­par­tei­en mäßi­gen Ergeb­nis form­te er in einer Art Pri­vat­in­itia­ti­ve mit­tels zwei­er Tref­fen sei­ne Wunsch­ko­ali­ti­on, der er selbst vor­ste­hen soll­te. Bis zu die­sem Zeit­punkt, dem Wochen­en­de des 20./21. August 1949, war noch nicht aus­ge­macht, daß Ade­nau­er die Kanz­ler­schaft über­neh­men wür­de, auch wur­de von einer Rei­he maß­geb­li­cher Uni­ons­po­li­ti­ker eine Gro­ße Koali­ti­on favo­ri­siert. Ade­nau­er war vehe­ment dage­gen, er fürch­te­te nicht nur den wirt­schafts­po­li­ti­schen Ein­fluß der SPD, son­dern auch um sei­ne eige­ne Macht­ba­sis. Am 20. August traf er in Frank­furt am Main mit dem baye­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten und CSU-Vor­sit­zen­den Hans Ehard zusam­men und leg­te die­sen auf eine Koali­ti­on der Uni­ons­par­tei­en mit der FDP fest; Ehard wur­de das Amt des Bun­des­rats­prä­si­den­ten offe­riert – eine Kal­ku­la­ti­on, die spä­ter nicht auf­ging, wofür die CSU im ers­ten Kabi­nett Ade­nau­er Kom­pen­sa­ti­ons­an­sprü­che gel­tend machen soll­te. Am Fol­ge­tag, einem Sonn­tag, waren in Ade­nau­ers Wohn­haus 26 Her­ren, alle­samt Uni­ons­po­li­ti­ker, ver­sam­melt. Von der For­schung als »Rhön­dor­fer Wei­chen­stel­lung« bezeich­net, gelang es Ade­nau­er, eben­falls eine Über­ein­kunft bezüg­lich einer Koali­ti­on mit der FDP zu errei­chen. Da die Stim­men­mehr­heit damit aller­dings nicht erreicht war, wur­de den Anwe­sen­den die Deut­sche Par­tei (DP) als wei­te­rer Koali­ti­ons­part­ner schmack­haft gemacht. Der Haus­herr erklär­te: »Die wich­tigs­te Per­sön­lich­keit ist der Bun­des­kanz­ler. Prä­si­dent soll ein ande­rer wer­den, ich will Kanz­ler wer­den.« Das höchs­te Staats­amt wur­de bei dem Tref­fen regel­recht ver­scha­chert, der FDP und nament­lich Theo­dor Heuss wur­de es für die Koali­ti­ons­ge­neigt­heit zugesprochen.

Leicht gemacht hat­te es Ade­nau­er der die SPD beherr­schen­de Kurt Schu­ma­cher. Der cha­ris­ma­ti­sche Vor­sit­zen­de dräng­te sei­ne Par­tei nach der Wahl in die Oppo­si­ti­ons­rol­le und war mit Angrif­fen auf den poli­ti­schen Geg­ner wenig zurück­hal­tend. Sei­nem bekann­ten Dik­tum aus dem Novem­ber 1949 vom »Bun­des­kanz­ler der Alli­ier­ten« war bereits im August­wahl­kampf die Äuße­rung vor­aus­ge­gan­gen: »Einen Mann namens Kon­rad Ade­nau­er ken­ne ich über­haupt nicht, das ist doch eine Erfin­dung der Alli­ier­ten.« Der­ar­ti­ges mach­te es für die Anhän­ger einer Gro­ßen Koali­ti­on sowohl in den Rei­hen der SPD als auch der Uni­on nicht einfacher.

Nicht alles ver­lief nach den Wün­schen Ade­nau­ers, etwa die Regie­rungs­bil­dung. Eine der gro­ßen Hypo­the­ken war hier der ihm als Innen­mi­nis­ter nicht zuletzt im Zusam­men­hang mit der Fra­ge nach der kon­fes­sio­nel­len Pari­tät eher auf­ge­nö­tig­te Gus­tav Hei­ne­mann, damals in der CDU – sei­nen Wer­de­gang soll­te er als SPD-Bun­des­prä­si­dent beschlie­ßen. Ins­ge­samt jedoch war mit Ade­nau­ers erfolg­rei­chem Griff nach der Macht das Fun­da­ment für sei­ne lang­jäh­ri­ge, nahe­zu unan­ge­foch­te­ne Stel­lung und damit für die Aus­rich­tung der Bun­des­re­pu­blik gelegt – eine Ent­wick­lung, die zwar von einem äuße­ren Rah­men begrenzt, aber zumin­dest in die­sem nicht alter­na­tiv­los war.

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