Ich bat um Verdeutlichung an zwei Stellen:
1. Sellner kneift nicht, sondern möchte nicht mit jemandem auf der Bühne sitzen, vom dem er nicht weiß, auf welche Weise er sich “abstoßen” wird.
2. Dort, wo Krah das Leipziger Compact-Urteil anführt, fehlt aus meiner Sicht der Hinweis, daß man die in der Begründung gelieferte Verfassungswidrigkeit von Sellners Remigrationskonzept nicht teile. Aber Krah teilt sie. Auch den zweiten Vorschlag lehnte er ab: nämlich darauf hinzuweisen, daß die Rechtsprechung sich verändert habe und daß eine solche Einschätzung vor zehn oder zwanzig Jahren noch nicht so vorgenommen worden wäre.
An beiden Stellen hat Krah eine Korrektur seines Textes abgelehnt. Wir veröffentlichen nun also den Text eines Juristen und Politikers, der der Auffassung ist, kein Jurist von Format könne am Leipziger Urteil etwas deuteln. Das ist ein ehrlicher Satz und implizit eine wichtige Positionierung. GK
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Jetzt ist der Kairos! Zur Verteidigung meiner Position
von Maximilian Krah
Echte Männer sind rechts. Sie haben Ideale, Ideen und Überzeugungen, aus denen sie leben und für die sie streiten. Sie sind bereit, sie in Diskussionen, Debatten und Duellen zu vertreten, gelegen wie ungelegen. Sie glauben an ihre Argumente, den Sieg der besseren Argumente und daran, dass ihre die besseren sind. Deshalb scheuen sie keine Einladung zum Streit, sondern sehen in ihm die Chance, so die Zustimmung zu dem für richtig gehaltenen Weg zu steigern. Ich bin deshalb gern bereit, mit Martin Sellner auf dem Sommerfest in Schnellroda zu diskutieren, und das zu Konditionen, die ihm einen klaren Vorteil verschaffen: Götz Kubitschek als Moderator und ein Publikum, das absehbar zu zwei Dritteln Sellners Position teilt.
Martin Sellner kneift. Das bedauere ich. Mir ist bewusst, dass die Compact-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für ihn ein harter Schlag ist. Er hat sich als Person an ein Konzept von „Remigration“ gebunden, das für klar verfassungswidrig befunden wurde und damit absehbar keine Zukunft hat: Leipzig locuta, causa finita.
Glaubt er dennoch weiter an sein Konzept und will es retten, dann biete ich ihm durch die Debatte die Chance dazu. Er kann vor einem ihm zugeneigten Publikum mit aller Courage, Kraft und Kompetenz für das werben, was ihn bewegt. Er hat dank der Vorarbeit von Götz Kubitschek und mir eine öffentliche Aufmerksamkeit dafür, die er so nie wieder erreichen wird. Wovor fürchtet er sich? Und wie will er je die Öffentlichkeit für seine Ideen gewinnen, wenn er jetzt, wo sie auf ihn zu schauen bereit ist, die Debatte scheut?
Es gibt auf diese Fragen nur eine Antwort: Martin Sellner weiß, dass er die Debatte verliert. Seine Argumente sind eben nicht die besseren, sie sind schwach. Sein Konzept hat nicht nur keinerlei Chance auf Umsetzung, es ist auch in sich widersprüchlich und führt jene, die sich ihm anschließen, in die Bedeutungslosigkeit. Das tut allen weh, die sein Ziel teilen, die Einwanderungsbewegungen der letzten Jahrzehnte nach Deutschland und Europa umzukehren und zu einer ethnischen Komposition der Bevölkerungen von vor 1970 zurückzukehren. Sie hatten gehofft, dass Sellner wahr macht, wovon sie insgeheim längst wussten, dass es nicht möglich sein würde.
Diese Hoffnung war immer unrealistisch und Martin Sellner ein moderner Don Quichote. Ich bin mir bewusst, dass Don Quichote ein zwar tragischer, aber sympathischer Ritter ist und meine Nüchternheit unsympathisch und kalt. Aber wir wollen Deutschland retten. Wir haben keine Zeit für Träumereien.
Die Moderne ist ein Malstrom. Man kann ihre Entwicklung weder umkehren noch zurückdrehen. Auch Überlegungen, dass zu früheren Zeiten andere Urteile gesprochen worden wären, sind nur Beschwörung des Vergangenen. Es geht um den Blick nach vorn. Wir wollen anführen. Das vormoderne Volk ist die ethnische Gemeinschaft, geformt durch Abstammung und Kultur. Dieses Volk wagt das Abenteuer des Staates und wird zum Staatsvolk. Es unterwirft sich damit dem Recht, das es nun formt, auch durch Einbürgerung. Aus der Abstammungsgemeinschaft wird die „rechtlich verfasste Gemeinschaft“, wie das Bundesverwaltungsgericht das Staatsvolk definiert. Recht ist veränderlich und Folge politischer Entscheidungen. Es kann nicht garantieren, dass erhalten bleibt, was einst war.
Das ist, was Ernst-Wolfgang Böckenförde so prägnant zusammenfasste: „Der freiheitliche Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst weder schafft noch erhält.“
Martin Sellners Konzept beruht aber darauf, jenen Staat, der das ethnische Volk in eine rechtlich verfasste Gemeinschaft transformierte, dazu zu nutzen, es in eine ethnische Gemeinschaft zurückzuverwandeln. Das ist ein Widerspruch in sich. Es wäre die Wendung des Staates gegen das, was er im Wesen ist: ein Prozess fortschreitender Verrechtlichung. Die Verurteilung dieses Ansinnens als verfassungswidrig ist folgerichtig. Die repressive Macht des Staates, die hinter diesem Diktum steht, wird in den kommenden Monaten auch jene von Sellners Konzept Abstand nehmen lassen, die meine Widerlegung nicht verstehen können oder wollen.
Die Bewahrung des Deutschen kann daher nicht über den Staat erfolgen, sondern nur neben ihm. Die Bundesrepublik Deutschland ist eben nicht der Staat des deutschen ethnischen Volkes, sie ist der Staat ihrer jeweiligen Staatsbürger. Das große Problem der Anhänger Martin Sellners ist, dass sie diese evidente Tatsache nicht anerkennen wollen. Das Problem meiner Argumentation ist, ihnen diese Wahrheit zumuten zu müssen.
Sofern diese Wahrheit akzeptiert wird, ist alles weitere klar. Der Staat ist solange in einem kulturellen Sinne „deutsch“, wie die Mehrheit der Staatsbürger deutsch ist und auch aus diesem Umstand politische Forderungen ableitet. Dazu müssen jene, denen der Erhalt des Deutschen wichtig ist (so wie mir), sich als Gruppe im Staat verstehen, die ihre Gruppeninteressen im demokratischen Willensbildungsprozess vertreten, aber eben nicht glauben, sie seien der Staat und hätten deshalb imaginäre gesamtstaatliche Interessen zu verfolgen – das Wohl des Gesamtstaats und sein Bestand sind dabei selbstverständlich immer auch im Gruppeninteresse.
Diese ethnisch bewusste Mehrheit muss in einem ersten Schritt jede weitere Einwanderung stoppen und auf eine umfassende Ausschaffung von Ausländern drängen, die problematisch sind, also zum einen Kriminelle und zum anderen Transferempfänger. Sie muss die Sozialtransfers auf ihre Kosten an Einwanderer weitgehend einstellen und so den Anreiz zur Einwanderung abstellen. Sie muss für eine Durchsetzung der öffentlichen Ordnung sorgen, die den Realitäten nach Jahren forcierter Masseneinwanderung gerecht wird. Für all das gäbe es bereits heute eine Mehrheit.
Die entscheidende Frage ist, wie mit jenen umzugehen ist, die eingebürgert wurden, aber ihre mitgebrachte Prägung und Identität bewahren wollen: kulturell, religiös, sprachlich. Der Befund bleibt klar: Das dürfen sie, denn Kultur, Religion, sprachliche Verwurzelung sind Teil ihrer Menschenwürde, die der Staat weder direkt noch indirekt angreifen darf, sondern deren Schutz und Achtung ihm aufgetragen sind. Der Staat darf Respekt vor und Zustimmung zu seinen liberalen Werten einfordern: Achtung der Gesetze, Beherrschen der deutschen Amtssprache, Rücksichtnahme auf die Freiheit anderer; Leitkultur. Aber er darf keine kulturelle Assimilation in die deutsche Mehrheitsgesellschaft fordern und durch Druck und „maßgeschneiderte Gesetze“ erzwingen.
Es verbleiben damit exakt zwei mögliche Lösungen: Ein staatlich erzwungener Melting Pot auf Basis eines Verfassungspatriotismus mit dem Ziel einer republikanischen Nation neuer Deutscher. Oder eine Hinnahme der Existenz verschiedener ethnischer Gruppen mit der deutschen Gruppe als der klar größten und dominierenden. Diese sehr abstrakte Unterscheidung wird am Beispiel der Schulen deutlich: Jeder von uns beklagt, dass es in Deutschland Schulen mit 70, 80, gar 90 Prozent Migrantenkindern gibt, in denen kaum jemand Deutsch als Muttersprache spricht. Das zu beklagen ist berechtigt, aber nicht politisch. Die politische Frage lautet: Wie gehen wir damit um?
Martin Sellners Lösung lautet: Wir schieben sie alle ab. Diese ist nicht umsetzbar. Also werden wir realistisch. Es verbleiben zwei Wege: Man kann Durchmischung erzwingen, indem ein relevanter Anteil dieser Kinder mit Bussen in Schulen gekarrt wird, die ganz überwiegend deutschsprachig sind. Dänemark tut das. Das bedeutet im Umkehrschluss, deutschsprachige Kinder aus ihren Schulen herauszunehmen und reziprok in die nun geleerten Klassen der Migrantenschulen zu fahren. Welche Kinder werden das sein? Meine nicht! Und wer möchte, dass in den Schulen seiner Kinder die Migranten aus den Einwanderervierteln in die Klassen gesetzt werden? Ich nicht! Damit verbleibt nur: Wir nehmen hin, dass es solche Schulen gibt.
Ohne staatlichen Druck wird sich die Gesellschaft in viele heterogene Teilgruppen ausdifferenzieren. Es werden die verschiedenen Migrantengruppen sich je nach Herkunftsland und ‑ethnie an bestimmten Orten und Straßenzügen sammeln. Es werden sich jene, übrigens auch viele ethnisch Deutsche, die aus ihren Milieus herauswachsen wollen, in kosmopolitischen Vierteln gemeinsam treffen. Und es wird weite Gebiete geben, die eine klare ethnisch deutsche Struktur aufrechterhalten, zum Beispiel meinen Wahlkreis.
Seit jeher und weltweit sammeln sich Menschen unter ihresgleichen; mal ökonomisch wie in Hamburg-Blankenese, mal habituell wie in Berlin-Prenzlauer Berg, mal ethnisch wie in Köln-Mülheim. Ohne staatliche Vorgaben werden gesellschaftliche Prozesse wie Gentrifizierung und Segregation ganz von allein laufen, zumal die Mobilität weiter zunimmt. Eine verfassungsrechtliche Pflicht, dagegen vorzugehen, besteht nicht.
Die Chance dieser Rückzugslinie besteht darin, dass so etwas wie ein ethnisches Bewusstsein überhaupt wieder entstehen kann. Der heutige Bundesdeutsche identifiziert sich, wenn er überhaupt ein Bewusstsein jenseits seiner Individualität hat, mit dem Staat, aber nicht mit dem Volk. Die eintretende Differenz im Staat wird ihm bewusst machen, dass es unter der Ebene des universalen Staates auch partikulare Gruppen gibt, denen er zugehört. Das kann für einen Ethno-Deutschen entweder die Gruppe der Kosmopoliten sein, die ihre Kinder in englischsprachigen Kindergärten und Schulen für eine vermeintliche Globalkultur der Zukunft vorbereitet, oder die Gruppe der Ethno-Deutschen, die dann wieder zunehmend bewusst die deutsche Kulturtradition vitalisiert. Auf diesen Effekt setze ich.
Zahlenmäßig dürfte die Gruppe der Kosmopoliten deutlich kleiner werden als landläufig befürchtet. Wer will schon anywhere sein? Differenzierung erzeugt Druck zum Bekenntnis. Nicht ohne Grund sind Auslandscommunities traditioneller und konservativer als Mehrheitsgesellschaften, weil sie sich selbst erhalten und behaupten müssen. Diese gesellschaftlichen Prozesse sind bestens erforscht, empirisch bestätigt und wirken weltweit. Die Deutschen müssen erkennen, dass auch sie sich erhalten und behaupten müssen, und dass der Staat das nicht für sie übernehmen wird. Alles, was mit Ethnie zu tun hat, findet auf der Ebene der Gesellschaft, nicht des Staates statt. Da die Rechte es vor lauter Etatismus versäumt hat, ein Verständnis für die Gesellschaft zu entwickeln, tut sie sich mit dieser Erkenntnis schwer. Sie bleibt aber zwingend.
Diese Lösung ist tatsächlich das Eingeständnis, dass die Folgen der jahrzehntelangen Masseneinwanderung einstweilen unumkehrbar sind und eine homogene, ethnisch begründete deutsche Gesellschaft nicht mehr besteht. Das wird sich angesichts der verheerenden Fertilitätsrate der deutschen Mehrheitsbevölkerung wie der zunehmenden Heterogenisierung der Deutschen untereinander auch nicht ändern.
Die Herausforderung rechter deutscher Politik ist es, in dieser absehbaren Entwicklung das spezifisch Deutsche zu erhalten und zum neuen Blühen zu bringen, damit nicht nur wir, sondern auch unsere Kinder aus unserer Kultur, Tradition und Eigenart die Kraft schöpfen, um stabil, erfolgreich und glücklich zu leben: Der innere Mensch formt den äußeren Menschen. Nur dadurch lässt sich auch die Fertilitätsrate wieder heben und eine kulturelle Assimilationskraft entwickeln, die es für Einwanderer attraktiv macht, die deutsche Kultur und Lebensweise anzunehmen.
Neue Zeiten erfordern neue Wege. Die Realität ändert sich nicht dadurch, dass man die Augen vor ihr verschließt. Das Leben ist Kampf, nicht Schattenboxen. Angesichts der rasant fortschreitenden demographischen Veränderungen wie des staatlichen Repressionsdrucks ist eine nüchterne Strategiedebatte im rechten Lager unumgänglich.
Ich bin der derzeit einzige aktive AfD-Politiker, der bereit ist, diese auf offener Bühne mit Martin Sellner zu führen. Meinen Widerspruch muss er dann aber aushalten. Jene, die ihm eifrig Solidaritäts-WhatsApp senden und vor mir warnen, haben nicht den Mut, öffentlich mit ihm zu reden.
Wir brauchen jetzt keine WhatsApp-Helden, wir brauchen Reflexion und Richtung. Wir müssen unseren Weg selbst bestimmen und nicht durch Vereinsverbote bestimmt werden. Jetzt ist der Kairos, sich von den ewigen Verliererphrasen zu lösen und die Zukunft selbstbewusst anzugehen!
t.gygax
Zitat: " meine Nüchternheit ist unsympathisch und kalt". So kann man eine totale Kapitulation vor der Wirklichkeit auch nennen. Als ob die Leute, die dieses Land in Besitz nehmen, auch nur im Traum daran denken, uns, den Restdeutschen noch gnädig irgendwo ein Plätzchen einzuräumen.
Krah müsste mal in einem Viertel wohnen, in dem in den letzten 10 Jahren der große Austausch vollzogen wurde.Aber da lebt er nicht, hat keine Ahnung davon.
Unterirdisch, was hier als "Konzept" verbreitet wird.