Geschlechterrollen wurden in linken Kreisen höchstens pro forma in Frage gestellt, für einen echten Wandel traten nur die wenigsten ein.
Und:
Als gute Antikapitalistin verriet ich meine Genossen nicht. Ich war ihnen zu Diensten, stellte ihnen meine Vagina zur Verfügung, damit sie an und in mir ruhen und rasten konnten nach dem erschöpfenden Kampf gegen: Nazis …
In meinen jungen Jahren, als der Ökomarxist Rudolf Bahro mein Hausgott war, gesellte sich ein junger Mann zu mir, wild, leidenschaftlich, chaotisch: ein Weltumstürzler. Wir diskutierten heftig, lasen Nietzsche, Heidegger, Marx, gingen zu den Bahai, kühlten unser Mut an schwermütigen Lenau-Gedichten, entdeckten Sloterdijk, sprengten den örtlichen Goethekreis – ein Rentnerklub gutbürgerlicher Goetheverehrung – mit Sartre und Humanitarismusdebatten, die kein Mensch dort verstand … kurz und gut, wir tobten uns aus.
Oder besser: er, fünfzehn Jahre mein Junior, tobte sich aus, und ich beobachtete wohlwollend diese rohe utopistische Energie, weil ich sie aus meiner eigenen Spätpubertät gut kannte, und speiste sie mit Theoriefutter.
Ich hatte schon etwas vorgelegt, ein fast unlesbares philosophisches Buch (wie ich heute weiß), und der junge Mann war wohl der einzige, der es wirklich von Anfang bis Ende gelesen, nein, studiert und, ja, verstanden hatte. Ich sah es, schwer durchgeackert, auf seinem Tisch liegen. Er zitierte daraus …
An seiner Seite ging stets eine junge Frau, lieb und naiv und bald zwei Kinder, seine Kinder, an ihrer Seite. Die Kinder waren eine Aufgabe, der beide nicht gewachsen waren. Sie suchte die Liebe und fand in ihm nur den Spinner, der jeden Tag neue hochtrabende Träume entwarf und den die Kinder nur störten.
Die Kleinen wirkten vernachlässigt, und bald war jedem klar, daß sie sprachlich und geistig den Durchschnitt unterboten. Irgendwann trennte sich das Paar, die Kinder wuchsen, mal getrennt und mal zusammen, hier und da auf, in zwei Chaoshaushalten ohne Zentrum.
Er flüchtete in ein (bald scheiterndes) ökologisches Kommuneprojekt, wo man wochenlang nur Birnen aß, weil die gerade in Massen vom Baum fielen, und sie landete im Umkreis der neu gegründeten „Volxwirtschaft“, dem „Projekt Schuldenberg“, einem linksalternativen Punker- und Antifa-Projekt, in dem die „unabhängige Frauengruppe Plauen“ das Sagen hatte.
Wir sahen uns nur noch selten, gingen dann ins Ausland und verfolgten den Weg der beiden nur am Rande. Die junge Frau gebar zwei weitere Kinder von mir unbekannten Vätern. Es ging, wie es schien, alles seinen geregelten Weg abwärts.
Aber nach ein paar Jahren – die Einwanderungskrise und der gesellschaftliche Stimmungswechsel waren noch nicht zu ahnen – traf ich sie zufällig in einem Biergarten. An ihrer Seite wieder ein Mann, der sich höflich verabschiedete, als er merkte, daß wir über alte Zeiten zu sprechen begannen. Die beiden ersten Kinder waren schon groß, die beiden anderen, die artig am Tisch saßen, kannte ich nicht und der dicke Bauch zeugte vom ankommenden fünften Kind.
Ich fragte sie nach ihrem Partner, der ganz eindeutig der harten rechten Szene zuzurechnen war. Piercings, Tattoo, Kurzhaarschnitt, ein nationales T‑Shirt, kein Skinhead, aber doch bekennend national. Wie konnte das sein?
Und dann sagte sie jene Sätze, über die ich seither – lange vor der zweiten Wende, wie gesagt – immer wieder nachdenken mußte. „Weißt du“, sagte sie,
die Linken, die reden viel über Gleichberechtigung und gerechte Gesellschaft, über richtige und zwanglose Kindererziehung und all das, aber im Inneren sind sie kalt. Sie kämpfen auf der Straße und sehen kaum die eigene Not, sie faseln von der glorreichen Zukunft und sehen das Leid des Freundes nicht. Sie reden nur, aber sie leben selbst das Leben von Autorität und Unterdrückung, das sie zu bekämpfen vorgeben. Ich hatte mehrere Beziehungen, und alle endeten so: sobald sie Verantwortung übernehmen sollten, waren sie weg.
„Und jetzt ist es besser?“, fragte ich. „Dein Neuer ist doch ein Rechter, oder?“
Bei den Rechten habe ich zum ersten Mal Wärme gefunden. Niemand schaute mich wegen meiner Kinder schief an, niemand wollte mich nur im Bett haben und der hier, von dem ich jetzt das Kind bekomme, hat sich der anderen vier liebevoll angenommen. Seit ich mit ihm zusammen bin, habe ich endlich eine Ausbildung abgeschlossen, eine Arbeit gefunden und kann zum ersten Mal ein normales Leben führen. Wir verdienen beide gutes Geld, haben eine Wohnung. Was er sonst denkt, ist mir egal – ich spüre, wie gut er ist, wie gut seine Freunde sind. Familie zählt hier noch und bald werden wir heiraten.
Damals – auch das ist nun schon ein paar Jahre her – war ich geschockt und erleichtert zugleich. Verstanden habe ich sie erst später.
dojon86
Ein wesentlicher Antrieb der unseligen 68ger Männer war der Wunsch nach ungebremsten Zugang zu Sex. In der Konsequenz führte das zur Degradierung der Frauen in der Bewegung zum Allgemeingut. Alice Schwarzer erkannte das Anfang der 70ger Jahre sehr richtig. Allerdings halfen ihre Rezepte bloß einer kleinen Minderheit von Karrierefrauen, wogegen sie den Frauen das auszureden versuchte, wofür sie in vielen Kulturen besonders geachtet und geschützt wurde, nämlich ihre Rolle als eigentliche Schöpferin des Lebens. Der ganze Nonsense, der ursprünglich von linken Männern geboren wurde, wäre natürlich, weil wieder die Natur, ohne günstige Verhütungsmittel bald im Sande verlaufen. Die schlimmen Folgen sieht man heute. Die Geburtenrate fiel dramatisch. Frauen werden in alle möglichen Führungspositionen befördert, auch dann, wenn sie nicht übertrieben dafür geeignet sind. Gleichzeitig erlebte ich in meiner Branche viele dramatische Karriereabbrüche, weil sich gut qualifizierte Frauen ihren Kinderwunsch erfüllten. Letzteres war aber den üblichen Kampffeministinnen meist völlig egal.