Dieses Jahr machten wir 60 l Apfelwein, etwa 200 l Apfelsaft, und die Darre, um haltbare Birnen‑, Apfel- und Pflaumenchips herzustellen, lief auf Hochtouren. Da diese Darre ein sperriges Gerät ist, habe ich sie zweimal auf den Dachboden verfrachtet: „Jetzt ist auch mal gut, langt.“
Heute holte ich sie zum dritten Mal wieder hervor: Die Straßenränder quellen über von Obst, was keinen interessiert. Kann man das einfach so vergammeln lassen, bitte? Ich jedenfalls nicht, ich möchte dereinst als Goldmarie und nicht als Pechmarie (falls jemand noch das Märchen „Frau Holle kennt) durchs Tor ziehen.
Wir haben einen tiefen Keller. Dort sind nun etwa 300 Äpfel nach Sorten eingelagert, und es werden alle paar Tage mehr. Zweimal wöchentlich wird ausgesondert, was Stellen zeigt und zu faulen beginnt. Darüber freuen sich die Hühner.
Zu DDR-Zeiten konnte man um Schnellroda einzelne Bäume pachten, es war eine begehrte Ernte. Im Dorf hört man noch Geschichten von heftigen Mundraub-Dramen, damals. Wie Hinz Früchte von Kunzens Baum mopste, sowas. Die Bäume wurden markiert und stellten eine Art Jagdrevier dar, nur eben für Sammler, aber ebenso eifersüchtig gehütet.
Ich erinnere mich an eine Begegnung mit den Dorf-Asozialen vor vielen Jahren. Nicht ich lief ihm über den Weg, sondern eins meiner Kinder.
Das war wirklich ein Assi-Paar. Wenn „Sperrmüll“ war, sammelten sie das ausgestellte Zeug von der Straße, um ihre Bude zu heizen. Dann stank es nach brennenden Fahrradschläuchen und Preßspan. Wenn ich mit den Kindern auf dem Spielplatz war, klauten sie die Rucksäckchen. Als jüngst ihr Häuschen ausgeräumt wurde, kam man in einige Kammern kaum rein, weil fast deckenhoch leere Schnapsflaschen gestapelt waren. Die beiden Kinder des Paares hatten im Kinderheim gelebt.

Bist du dumm? Habt ihr kein Geld, um euch ordentliche Äpfel zu kaufen? Unmöglich, sowas! Äpfel gibt’s im Supermarkt. Was du hier machst, ist einfach UNHYGIENISCH, und es gehört sich einfach nicht!
Die Tochter kam weinend nach Hause. Ihr Gefühl war, daß wir noch unterhalb der Assis standen. „Wochenlang Trauma“, sagt sie heute halbironisch, „als Kind hatte mich das extrem getroffen und intensiv beschäftigt.“
Das südliche Sachsen-Anhalt ist Obstbaum-Alleen-Gebiet, was für ein Segen! Zwischen Juni (Kirschen) und Oktober (Birnen, Äpfel) durchfährt man ein einziges Schraffenland.
Viele Alleen liegen allerdings schwer darnieder, erstens wegen der Goldgräberstimmung der Großbauern (mit mehreren hundert Hektar), die mit ihren Riesenmaschinen Obstbäumchen gern mal übersehen, zweitens, weil es keine Pflegeplan für ältere Pflanzungen gibt. Mein Lieblingsreitweg war vor 15 Jahren noch gesäumt von prächtigen Apfel- und Kirschbäumen, heute stehen dort vor allem Baumleichen.

Vor zehn Jahren wurde die ICE-Strecke Erfurt-Berlin gebaut, rund 2km Luftlinie entfernt (der kleine Bedarfshalt für Schnellroda wurde leider übersehen!). Das Land wurde zu sogenannten Ausgleichspflanzungen verpflichtet. Man kann gegen „die Politik“ sagen, was man will, aber hier fruchtet das Bürokratiemonster mal wirklich. Wir haben wunderbare Hecken erhalten, wo zuvor freie, nackte Pläne war. Schlehen, Weißdorn, etliche Büsche, die nicht kenne. (Der einzige Grund, warum mir ein Smartphone nützlich erschiene, wäre diese Pflanzenerkennungs-App!)
Vor allem aber wurden zig Apfel- und Kirschbäume angepflanzt, ein Dutzend verschiedener Sorten, es ist die helle Freude ist. Was die Äpfel betrifft: Riesige, besonders knackige, extrem mürbe, rote, gelbe, grüne, bunte, solche, die sofort schmecken und andere, die erst im Frühjahr nach Lagerzeit alles geben werden. Ja, ein Pomologe könnte all die Namen nennen, und das wäre fraglos interessant.
Mir geht es darum: zu achten, was dahergeschenkt wird. Aus der Kraft des Bodens – sag ich, als Pathosverächterin. Ich kann es nicht ertragen, das Obst am Boden verrotten zu sehen. Ab morgen werde ich einkochen. Ein Glück, daß wir eine große Familie haben. Denn was soll auch ein durchschnittlicher sachsen-anhaltischer Haushalt (1,9 Personen) mit all der Fülle anstellen?
Frage ist eh falsch, ich weiß. Supermarktapfelkauf ist hygienischer.
Le Chasseur
Unser Walnussbaum hatte heuer sehr viele, allerdings auch sehr kleine Früchte.
Alleen oder Hecken in der Landschaft gibt's bei uns so gut wie keine, da hat die Flurbereinigung ganze Arbeit geleistet.
P.S.: Hier noch was für Alleen- Liebhaber zum Schwelgen: Die schönsten Alleen Deutschlands