Dugin hält es für offenkundig, daß die moderne westliche Zivilisation intelligenzbegabten gefallenen Engeln untersteht, was sich in ultraliberaler Ideologie und nie dagewesenem moralischem Verfall manifestiert. Auf YouTube gibt es seit einiger Zeit zahlreiche Videos, in denen nicht nur Journalisten (zum Beispiel Kayvan Soufi-Siavash, fka Ken Jebsen), sondern auch Theologen (etwa der im Vatikan lehrende Prof. Ralf Weimann) von Experimenten mit ChatGPT berichten – die Künstliche Intelligenz antwortete frei heraus, wie sie schrittweise verfahren würde bei der Manipulation der menschlichen Intelligenz, wenn sie der Teufel wäre.
Es handelt sich mithin um hochaktuelle Materie, was ich vor einigen Jahren von einem Freund aus der Bibliothek ausgeliehen und eingescannt bekam: des päpstlichen Geheimkämmerers Egon von Petersdorff zweibändige Daemonologie, geschrieben in den Jahren nach dem II. Weltkrieg, erstveröffentlicht mit kirchlicher Druckerlaubnis 1952. Seitdem erlebten beide dicken Bände mehrere Auflagen, die letzte allerdings 1995. Danach waren sie vergriffen, und spätestens dann scherte sich kein Mensch mehr um den Teufel und „die anderen bösen Geister, die zum Verderben der Seelen in der Welt umherwandern“, wie es im Gebet Papst Leos XIII. zum Erzengel Michael heißt, das täglich nach jeder stillen heiligen Messe gebetet wird.
Der Renovamen-Verlag hat vor zwei Jahren eine gekürzte Version dieses Werkes in Broschur herausgegeben, die zur Einführung ins Thema perfekt geeignet ist. Wer sich aber für eine unpackbare Fülle von historischen und systematischen Einzelheiten interessiert und dafür Belege aus der theologischen Literatur verlangt (was bei diesem Gegenstand absolut unabdingbar ist, denn kaum ein anderer Stoff verführt zu wilderen Verschwörungstheorien und marktschreierischen Behauptungen), der braucht die zweibändige Ausgabe.
Wer sie erworben hat, erfährt während der Lektüre nichts weniger als eine indirekte, man könnte sagen „negative“ Verkündigungstheologie: die „Bejahung Gottes durch die Verneinung seines Widersachers“, wie v. Petersdorff in seinem eigenen Vorwort den Prälaten Robert Mäder zitiert.
Wer war dieser v. Petersdorff? Auf der ersten Seite von Band I sieht man den 1892 Geborenen als jungen preußischen Offizier, auf der im II. Band im reifen Alter als Gelehrten. Im I. Weltkrieg wurde er verwundet und fiel vom protestantischen Glauben ab, taumelte von sozialistischen und jugendbewegten Ideen zu okkultistischen, buddhistischen, theo- und anthroposophischen Experimenten der „Erkenntnis höherer Welten“ – und verlor sich dabei immer mehr in tieferen Welten. Über die großen Mystiker und in qualvoller Selbsterkenntnis der durchgemachten Heimsuchungen kam er in den 20er-Jahren zum festen katholischen Glauben und wurde 1928 nach ignatianischen Exerzitien in die Kirche aufgenommen.
Egon v. Petersdorff studierte in Rom Theologie und forschte jahrelang in den Vatikanischen Archiven, heiratete, wurde nach dem II. Weltkrieg Malteserritter und päpstlicher Cameriere di spada e cappa. Der Wunsch, Priester und Professor zu werden, blieb ihm verwehrt.
Wenn wir im Vaterunser beten „…und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom dem Bösen“, ist damit der „daemonische Versucher“ gemeint, schreibt v. Petersdorff im Kapitel über die „gefesselten Daemonen in der nachchristlichen Zeit“ (die latinisierende Schreibweise mit „ae“ dient ihm zur Unterscheidung von journalistisch-reißerischer Esoterik). Wir beten aber nicht einfach für die Bewahrung vor Versuchung, sondern daß wir nicht „der Hilfe Gottes beraubt werden in ihnen“. Die Hilfe Gottes in den Versuchungen, die kein Mensch selbst vermeiden kann, ist ein Zeichen der Bewährung und Erwählung, keine Strafe. Diese Stelle kann dem Leser als kleines Beispiel dienen, wie der Verfasser der Daemonologie denkt: luzide, oft vom fälschlich angenommenen Gegenteil her, immer eindeutig in der Lehre, sprachlich brillant.
Wer in einer „Dämonologie“ schmökert, will womöglich auf seine Kosten kommen in puncto Grusel, Kuriositäten, krasse Fälle, oder er scheut sowas als guter Christ oder als redlicher Wissenschaftler. Doch auf diesen vorkonziliaren Theologen ist Verlaß: völlig unangekränkelt von kulturwissenschaftlicher Diskursdurchspielerei oder verschwörungstheoretischer Angstlust, nimmt er Leute an die Hand, die wissen wollen, ob Tucker und Dugin spinnen oder ob tatsächlich in Geschichte und Gegenwart „Daemonen am Werk“ sind. Egon v. Petersdorff plädiert auf schuldig. Mein Plädoyer: Anschaffen, immer wieder nachlesen bei auftretender Verunsicherung, Glauben vertiefen ex negativo.
Egon von Petersdorff: Daemonologie. 1. Band: Daemonen im Weltenplan, 2. Band: Daemonen am Werk, 2 Bände, 89,90€ – hier bestellen
Raffael
Liebe Frau Sommerfeld,
schön, dass man endlich einmal wieder von Ihnen hört bzw. liest!
Ich finde, man merkt es Ihrer Darstellung an, dass Sie selbst Ihren Glauben sich errungen haben; dieser erscheint im Feuer für wahr befunden und künftiger Kämpfe gewachsen zu sein.
Von der Neugier her würde mich der Buchtitel schon interessieren, nur habe ich eine verletzliche Seele - die Seele des Mannes ist "anima", die der Frau "animus" - deswegen werde ich mich wohl nicht dranwagen. Aber dass die Welt gegenwärtig von Teufeln durchstreift wird, das sieht man ja auch so.