Das ist für mich auch keine Zerreißprobe. Ich hatte schon gelegentlich darüber geschrieben. Brauch ich nicht, vermiß ich nicht, null. Ich bin dabei nicht aus asketischen Gründen handyfrei. Im Gegenteil, so ein Ding zu haben und es nicht dauernd zu verlegen, wäre für mich eine Last. Vom Aspekt, „an der Leine zu liegen“, mal ganz abgesehen.
Mein Festnetztelefon ist so uralt (ne, keine Wählscheibe mehr), daß jeder Angerufene „Anonyme Nummer“ angezeigt bekommt. Das hab ich nicht absichtlich eingestellt. (Und ich weiß, daß manche Leute daher „nicht drangehen“ – muß ich mit leben. Kann ich.)
Als Bahnfahrerin bin ich gewohnt, immer mal fremde Leute anzusprechen, ob sie mir erlauben, kurz „und natürlich gegen Bezahlung“ (niemand will Bezahlung) eine Person anzurufen, daß ich eine Stunde (eher zwei) später ankomme. (Auch Schaffner stehen zur Verfügung.)
Kann man peinlich finden. Mir ist es so peinlich wie einem Rollstuhlfahrer, der seit 25 Jahren gewohnt ist darum zu bitten, daß man die Stufen absenke. Also gar nicht.
Ich zähle damit zu den <1% Bundesbürgern unter 80, die handyfrei leben.
Drei Sachen, wo so ein Apparätchen vielleicht günstig wäre:
- Online-Banking. Ich habe vor über 20 Jahren das letzte Mal physisch eine Bank besucht. Bis vor ein paar Jahren gab es einen Streifen Papier, der TANs enthielt, die Bankgeschäfte online ermöglichten. Das ist passé, heute braucht es ein Smartphone zu Verifzierung. Wenn die Sekretärin in Urlaub ist, kann ich also „nichts mit Bank“ machen. War nie ein Problem.
- Wir sind ein photoarmer Haushalt. Es gibt daher nicht 10.000 Erinnerungsphotos an meine sieben Kinder, sondern vielleicht 150 (von Familienmitgliedern „geschossen“). Ich bewahre mir das alles im Gedächtnis, in der Erinnerung. Für diese Einstellung will ich keine Medaille – bin halt so. Für mein Dasein auf Twitter mag ich gelegentlich ein Fundstück photographisch festhalten. Auch dafür hab ich die Tochter und die Sekretärin.
- Als Naturfreundin gehe ich gern mit Buch-Klassikern wie „Was blüht denn da?“ durch die Flora. Oft ratlos. Wenn ich ein Smartphone hätte, hätte es eine Pflanzenerkennungs-App.
Martin Lichtmesz hat auf kürzester Strecke zusammengefaßt, was es gegen die „Smarte Welt“ einzuwenden gäbe. Er hat es auf grandiose Art &Weise getan, nämlich nicht als alter Opi, dem „das alles da zuviel wird“ und der nicht mehr zurechtkommt in dieser digitalen Welt (und so sind wir rechten Kulturpessimisten alle nicht), sondern als einer, der die Ablenkungsmanöver genau im Auge hat.
Natürlich haben wir das smarte Problem auch im eigenen Haus. Als die Älteste auf’s Internat kam, hieß es dort noch: Laptops unerwünscht, das lenke nur ab. Man arbeite mit Papier!
All ihre Klassenkameraden hatten längst Handys, sie nicht. Ich hatte regelmäßige Telefontermine per Festnetz. Das galt auch für die nächsten beiden Mädchen. Haben die Kinder sich je beklagt, gebettelt um ein Smartphone? Nein, nie. Sie fanden es in Ordnung (verstanden unseren Widerwillen), waren dann aber doch froh, ab der zehnten Klasse so ein Gerät zu haben.
Interessant ist, daß damals sich Eltern beklagten, weshalb das Internat über so „mickriges W‑Lan“ verfüge. So eine renommierte Schule! Und so wenig auf der Höhe der Zeit!
Ich hatte damals bei dem Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer (Die Smartphone-Epidemie, Digitale Demenz) nachgelesen, wie schädlich sich Bildschirmkonsum auf das juvenile Gehirn auswirke und wie wichtig es sei, daß Eltern in Schulbelangen hierzu das Wort ergriffen. Ich hatte da müde geseufzt – solch fortschrittsskeptische Eltern mochte es vielleicht in Bayern geben, aber HIER sicher nicht. War ja auch so.
Nun, tempora mutantur. Zwischen der ersten und der letzten Tochter liegen fünfzehn Jahre. Wie wurde auf dem letzten Elternabend gegen die „Smartphoneseuche“ gehetzt! „Wir müssen es regulieren! So geht es nicht weiter!“ – „Kann man da nicht schulischerseits eingreifen?“ – „Gerade wenn ich an Social Media denke, das ist doch die reine Hölle!“ – „Den Kindern wird vorgegaukelt, dies & das wäre das Neue Normal, aber…. bitte!“
Auf einmal sind die Eltern alarmiert. Klar, es sind andere Eltern als vor 15 Jahren. Meine Zündschnur ist kurz, andere haben eine deutlich längere: Spät versteht Ihr, aber Ihr versteht!
Ich kenne kein einziges Elternpaar mit Kindern ab zehn Jahren, das nicht vor diesem gigantischen Problem steht: Wie umgehen mit diesen beschissenen Handies, den gebeugten Rücken, dem fixierten Blick? Das Argument „Vorbild“ fruchtet nicht wirklich.
Heutige Jugendliche (15–19 Jahre, Deutschland, statista.de) verbringen etwa 7 Stunden/Tag am Screen. Deutschland liegt damit deutlich über OECD-Schnitt. Große Erleichterung, daß meine Kinder deutlich unter diesem Schnitt liegen. Die jüngste Tochter läßt sich bewußt „tracken“. Habe sie nie dazu aufgefordert. Sie hat 1,5 Stunden. (Auf dem Handy. Daneben gibt es einen Laptop, der nicht reinzählt. Dort macht sie aber “fast nichts”…)
Wenn ich fünf Reels gesehen habe über Pferdetricks und so Zeug, geht es immer weiter, und irgendwie kann ich nicht ausschalten…und dann hab ich am Ende doch ein irgendwie schlechtes Gewissen…
Viele Länder gehen neuerdings strikt und ohne Pardon gegen den Handykonsum während der Schulzeit (die ja allenthalben bis in die Nachmittagszeit ausgeweitet ist) um: Dänemark, Italien, Frankreich, Niederlande, Ungarn. Es sind teils wirklich rigide Programme.
Ich würde mir das für Deutschland wünschen. Es wäre Selbstschutz. Hessen hat nun mit dem Schuljahr 2025/26 ein grundsätzliches Handyverbot für private Nutzung an sämtlichen Schulen eingeführt.
Wie das überwacht und durchgesetzt wird, steht natürlich in den Sternen. Die rechte Anthropologie sagt ja, daß man Dinge nicht aufhalten kann, wenn der Damm erstmal gebrochen ist. Dann kann man bloß hegen – wie ein Förster im Wald, der die jungen Stämme nicht allesamt vor Verbiß schützen kann, aber mit Umsicht vielleicht viele. Einige, manche. Das ist der Punkt: Wir sind keine Bestimmer mehr, nirgends, wir können nur hegen.

Ernestine
Soll jeder halten wie er es für richtig hält.
Ich bin jemand, der sich grundsätzlich immer gegen Neuerungen wehrt und gewehrt hat. Meine analoge Kamera musste ich aufgeben, nachdem es keine Batterien mehr dafür gab. Internet, die ersten Jahre, nein, danke. Bis 2021 habe ich mich gegen ein Handy gewehrt. Seither möchte ich es nicht mehr missen. Ich genieße es, jederzeit die Möglichkeit zu haben, z. B. mit meinem Sohn, der nicht mehr bei uns wohnt, Nachrichten auf WhatsApp auszutauschen. Meistens tiefgründige Dinge, die verloren gehen würden, gäbe es WhatsApp nicht. Telefonieren mag ich immer weniger. Spontananrufe hasse ich. Sie passen nie. Insgesamt habe ich aber nur sehr wenige Kontakte, beschränke mich auf wirklich gehaltvolle. Mein Fazit: Hundertprozent Gewinn, keine Nachteile...