Lesen – Das ist keine Hochliteratur, nein. Aber es ist so witzig, zeitgenössisch und politisch unkorrekt – hier bleibt kein Auge trocken! Und es ist schön zu hören, daß die Filmrechte an Fucking Famous bereits verkauft seien. Man sollte die Autorin Anne Hashagen gern mal googlen, man wird sehr überrascht sein. Sie ist eine (Wahl-) Frankfurter Bankerin, promoviert, angeblich 50 Jahre alt – das ist alles kaum glaubhaft.
In dieser aberwitzigen Geschichte geht es um Lotte Hohenfeld. Sie ist grad frustriert. Ihr Buch „Das Tinder-Prinzip“ ist leider gefloppt, weil ihr das Konkurrenzbuch „Die Tinder-Bitch“ aufgrund des zündenderen Titels den Rang abgelaufen hat. Und mit ihrem Freund, einem Kiffer „voller linksintellektueller Weinerlichkeit“ ist nun auch Schluß.
Lottes Freundin Tessa, IT-Fachfrau (sogar für das Fraunhofer-Institut tätig) und Hackerin, verspricht als Trost, Lotte innerhalb weniger Tage berühmt zu machen
Das Wort „Fucking“, erste Bedingung (so funktionieren die Leute! halt), muß irgendwie rein. Lotte, die Philosophie studiert hat und von Haus aus Kulturpessimistin ist, verachtet eigentlich Instagram („ein Sammelbecken für masochistische Selbsthasser, die zusehen, wie andre ihre Träume leben“) und ähnliche „zeitfressende Verdummungsmaschinen“, aber sie läßt sich, vom echten Leben verzweifelt, auf den Deal ein.
Und es läuft! Und läuft! Rasch ist Lotte von Hohenfeld (der Adelstitel kam via BILD einfach angeflogen) DIE „High-Society-Lady“! Champagner fließt, es wird geknutscht… aber ach, „wehe, wenn ich auf das Ende sehe“!
Dies ist ein einfach phantastischer Zirkus!
Anne Hashagen: Fucking Famous. Wie ich zu einer Million Followern kam und dabei unendlichen Spaß hatte. Münster 2024, 320 Seiten, 16 € – hier bestellen
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Lernen – Buchtitel, Überschriften und erste Sätze soll man ja kurz & knackig halten, damit sie den Leser zur Weiterlektüre animieren. Dies ist hier gründlich mißlungen, und vermutlich „extra“: aus Überhebung und Trotz. Und auch, daß man stolpert über diesen voraussetzungsreichen Titel, ist eingepreist – denk ich mal.
Diese kluge Auswahl der Aphorismen des kolumbianischen Privatgelehrten Gómez Dávila (1913–1994), einem Reaktionär allererster Güte, ist bereits vor achtzehn Jahren bei Reclam erschienen. Der Herausgeber und Sortierer Michael Klonovsky hatte sich damals noch nicht als „rechts“ verstanden. Die Umstände haben ihn zurechtgerückt. Nun also die Neuauflage in Susanne Dagens Verlag.

Drei weit auseinanderliegende Beispiele für das Panoptikum, das uns Dávila, der Erzkatholik, aufspannt:
Der Preis für einen allzu scharfen Intellekt ist gewöhnlich eine übermäßig stumpfe Seele.
Der Unglaube ist nicht Sünde, sondern Strafe.
Devise für den jungen Linken: Revolution und Fotze.
Gegen Dávila war Nietzsche ein überspannter Stümper! Dávila geht an des äußersten Rand – offenkundig. ohne daran zu zerbrechen.
Nicolás Gómez Dávila: Der Skeptizismus ist die asketische Nachtwache vor dem Kreuzzug. Aphorismen. Ausgewählt von Michael Klonovsky, Dresden: edition buchhaus loschwitz, 172 Seiten, 24 € — hier bestellen.
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Schauen – Danke, danke, für diesen herrlichen Bildband! Ich habe das Zeitalter der Romantik als Jugendliche für mich entdeckt und kann bis heute nicht von dieser Neigung, Ausprägung, Sympathie lassen. Ich habe mich dieser „Weltdeutung“ verschworen: der Leidenschaft für die Romanze, das Exzentrische, das Unheimliche, die Welt des Traumes, das Absolute. Ich werde immer Romantikerin sein.
Dieser Band ist vortrefflich gestaltet und durch ergiebige Texte exzellent begleitet. Die acht Kapitel lauten u.a.: Der Geist der Romantik; Romantische Malerei in Deutschland, Frankreich, Großbritannien; Zur Aktualität der Romantik.
Logisch haben hier auch Klassiker („Der Wanderer über dem Nebelmeer“, „Die Toteninsel“) ihren Ort. Als Pferdefreundin freue ich mich auch über den Platz, der einem meiner Lieblingsmaler, Théodore Géricault, eingeräumt wird.

„Der Ausbruch des Vesuv am 24. August des Jahres 79 n.Chr. unter der Herrschaft von Titus“ von Pierre-Henri De Valenciennes.
Von Delacroix „Eine militärische Übung marokkanischer Reiter“!
Welche Üppigkeit, welche Leidenschaft; ein Hochgenuß! „Valentina Visonti beweint den Tod ihres Gemahls“, oh, und wie!, mit Windhund und Antaios-Schlange! Ein betörender Bildband, der per Gestaltung zunächst so naiv rosa/hellblau daherkommt. Man geht durch dieses Buch wie durch einen Traum.
Norbert Wolf: Romantik. Fantasie und Sehnsucht 280 Seiten, 200 Abb., München 2025—hier bestellen