Am woken Ende der Kunst

PDF der Druckfassung aus Sezession 121/ August 2024

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von Ador­ján Kovács –

Die fol­gen­den Über­le­gun­gen gehen auf­grund empi­ri­scher Offen­kun­dig­keit davon aus, daß Kul­tur und Kul­tur­be­trieb  als wich­ti­ge Tei­le der offi­zi­el­len Kul­tur durch Mas­sen­un­ter­hal­tung eine den herr­schen­den lin­ken Ega­li­ta­ris­mus stüt­zen­de Funk­ti­on haben.

Dar­aus ergibt sich als kon­se­quen­te Ver­schär­fung die zuneh­men­de Gleich­schal­tung der Kul­tur im Namen des Wokeis­mus, der nichts ande­res ist als die Zuspit­zung und Voll­endung des die Kul­tur auf links bügeln­den ega­li­ta­ris­ti­schen Sozia­lis­mus. Die Künst­ler sind in die­sem Sys­tem nicht mehr auto­nom, son­dern staats­tra­gen­de Auf­trags­künst­ler. So etwas wie Dis­si­den­ten in der Kunst wird man in Zukunft prak­tisch nicht mehr kennen.

Der Zahn­arzt und Phi­lo­soph Ulrich Hint­ze hat vor eini­gen Jah­ren als Außen­sei­ter des Faches eine ori­gi­nel­le poli­to­lo­gi­sche Ein­füh­rung ver­öf­fent­licht, die neue Ebe­nen poli­ti­scher Besin­nung begeh­bar machen will. Im Zen­trum sei­ner Über­le­gun­gen steht die kom­pe­ten­te und kon­struk­ti­ve Hegung des poli­ti­schen Gefü­ges. Der seit Jahr­hun­der­ten gegen kon­struk­ti­ve Hier­ar­chi­sie­run­gen immer macht­vol­ler eta­blier­te poli­ti­sche Ega­li­ta­ris­mus läuft infol­ge sei­ner spe­zi­fi­schen Dilem­ma­ta jeder sol­chen kon­struk­ti­ven Hegung dia­me­tral zuwi­der. Hint­ze schreibt in besag­tem Werk :

Die Revo­lu­tio­nie­rung der poli­ti­schen Ver­hält­nis­se und ihre phi­lo­so­phi­sche Vor­be­rei­tung, die als soge­nann­te Auf­klä­rung die Epo­che bestimmt hat – in den füh­ren­den west­li­chen Indus­trie­na­tio­nen bis heu­te […], hat­te nicht nur die offi­zi­ell ange­streb­ten Ergeb­nis­se zur Folge.

Man müs­se fra­gen, inwie­weit einst ange­streb­te Resul­ta­te über­haupt erreicht wor­den sei­en, ja, inwie­weit die offi­zi­el­len Zie­le über­haupt je ernst gemeint und nicht nur Vor­wand waren. Hintze:

Die Mensch­heit ist einer Leim­ru­te aus fehl­ge­hen­den Ana­ly­sen und unrea­lis­ti­schen Ver­spre­chun­gen zum Opfer gefal­len. Die­se Leim­ru­te besteht im Kern in einem unbe­grenz­ten Frei­heits­ver­spre­chen, wel­ches man durch Gleich­heit und durch Brü­der­lich­keit absi­chern zu kön­nen ver­meint. Zwar liegt das Illu­sio­nä­re die­ses Pro­jek­tes auf der Hand, und der Gegen­satz von Frei­heit und Gleich­heit wur­de auch sofort erkannt. Aber die Illu­si­on unbe­grenz­ter Frei­heit hat sich als stär­ker erwie­sen. […] Die Brü­der­lich­keit wird im poli­ti­schen Tages­kampf zu einem eher wei­chen The­ma, weil ihr Pro­fil zu unge­nau aus­ge­zo­gen ist.

Ihr Aus­fluß ist der Sozialstaat.

Die Gleich­heit dage­gen genießt den pro­pa­gan­dis­ti­schen Vor­zug opti­ma­ler Defi­niert­heit, wes­halb die gesam­te poli­ti­sche Lin­ke gera­de die­se auf ihre Fah­nen geschrie­ben hat. […] Dem Ega­li­ta­ris­mus als sol­chem ist unter demo­kra­ti­schen poli­ti­schen Bedin­gun­gen nicht bei­zu­kom­men, solan­ge Gleich­heit als Frei­heits­vor­aus­set­zung akzep­tiert ist. Wer sich aber auf die Illu­si­on einer unbe­grenz­ten Frei­heit ein­mal ein­ge­las­sen hat, hat danach natur­ge­mäß eher weni­ger Schwie­rig­kei­ten mit der Akzep­tanz einer sol­chen illu­sio­nä­ren Para­do­xie. Man glaubt eben, die ›gro­ße Frei­heit‹ zu benö­ti­gen, um auf ver­meint­lich ›unbe­grenz­te Mög­lich­kei­ten‹ in per­fek­ter Fle­xi­bi­li­tät reagie­ren zu kön­nen. […] Man ist still­schwei­gend über­ein­ge­kom­men, daß Mög­lich­kei­ten als sol­che posi­tiv kon­no­tiert sei­en. Und wer einem so unkri­ti­schen Mög­lich­keits­ver­ständ­nis ent­spre­chen will, benö­tigt natür­lich ein ent­spre­chend unkri­ti­sches Frei­heits­ver­ständ­nis. Igno­riert wird dabei aber, daß eben­so wie Fort­schritt Rück­schritt, wie Auf­bau Abbau, wie Ver­voll­komm­nung Rui­nie­rung mög­lich ist. Die Igno­rie­rung der mög­li­chen nega­ti­ven Ent­wick­lun­gen glaubt man sich erlau­ben zu kön­nen, weil man der Macht in einem gänz­lich unde­fi­nier­ten Sin­ne ver­traut. ›Die Macht‹ wird es schon rich­ten und dafür sor­gen, daß immer nur die posi­ti­ve Mög­lich­keit, das Erfreu­li­che, Ange­streb­te, Ver­lo­cken­de Rea­li­tät wird.

In die­sem Gleich­heits- und Macht­ver­ständ­nis müs­sen sich Kul­tur und Kul­tur­be­trieb posi­tio­nie­ren, die not­wen­di­ger­wei­se nach links rücken. Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit sind ja ursprüng­lich lin­ke Paro­len, denen sich auch der in sei­ner öko­no­mi­schen Kom­pe­tenz weit­ge­hend ent­kern­te Libe­ra­lis­mus heu­te ange­schlos­sen hat. Das sozio­lo­gisch wesent­lich Neue im Indus­trie­zeit­al­ter ist die Massengesellschaft

Kol­lek­ti­vis­ti­sche Sys­te­me wie der mar­xis­ti­sche (sozia­lis­ti­sche, kom­mu­nis­ti­sche, grü­ne) und nicht­mar­xis­ti­sche (faschis­ti­sche, natio­na­le) Sozia­lis­mus haben für die Mas­sen­ge­sell­schaft und den mit ihr ent­stan­de­nen Mas­sen­men­schen pro­gram­ma­tisch ega­li­ta­ris­ti­sche Zie­le – aber auch die soge­nann­ten libe­ra­len Demo­kra­tien schrei­ben sich, wie gesagt, die Gleich­heit auf die Fah­nen. Unter ande­ren zeig­te Rys­zard Legut­ko, daß der heu­ti­ge Libe­ra­lis­mus zu ähn­li­chen Ergeb­nis­sen wie der Sozia­lis­mus führt.

Die Gleich­heit ist aber wesent­lich eine Fik­ti­on, denn es gibt immer eine Eli­te, die über die Gleich­heit wachen muß.

Man [kann] per­sön­lich den herr­schen­den ega­li­ta­ris­ti­schen Ver­hält­nis­sen ent­spre­chen, indem man sich dem Sys­tem und den gleich­ge­mach­ten Mas­sen als unglei­cher Gleich­heits­wär­ter oder unglei­cher Mas­sen­un­ter­hal­ter empfiehlt.

Das ist einer­seits die Funk­tio­närs­kas­te aus rei­nen Par­tei­ge­wäch­sen, meist ohne jede Berufs­er­fah­rung, die heu­te über­all im Wes­ten herrscht und vom glo­ba­len, digi­tal-finan­zi­el­len Kom­plex in sei­nem Sinn beein­flußt wird (WEF, Young Glo­bal Lea­ders, Bil­der­ber­ger usw.), ande­rer­seits sind es die Künst­ler und Sport­ler, die in der Mas­sen­de­mo­kra­tie pri­mär zu Mas­sen­un­ter­hal­tern gewor­den sind. Sie zei­gen einer­seits durch ihr Tun, daß und wie weit es in der Öffent­lich­keit um die Gleich­ge­mach­ten geht und daß die Inter­es­sen der Unglei­chen ent­spre­chend mar­gi­na­li­siert wer­den (das Fuß­balle­vent ist Welt­ereig­nis, aber wenn Ernst Jün­ger stirbt, reicht eine Mel­dung in den Medi­en). Sie die­nen ande­rer­seits durch ihr Sosein emo­tio­nal als Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur für die Gleich­ge­mach­ten. Dadurch

sind auch die Mas­sen­un­ter­hal­ter im End­ef­fekt Gleich­heits­wär­ter, weil ihre Funk­ti­on dar­in besteht, den Ega­li­ta­ris­mus offen­siv zu bestä­ti­gen. Die Über­wa­chung durch die Gleich­heits­wär­ter im stren­ge­ren Sin­ne, die Poli­ti­ker­kas­te, ist dage­gen wesent­lich eine defen­si­ve Leis­tung. Gleich­heits­wär­ter ver­tei­di­gen den sozia­len Sta­tus quo: den eta­blier­ten Ega­li­ta­ris­mus. Mas­sen­un­ter­hal­ter sind in die­sem Sin­ne die Unter­neh­mer des Ega­li­ta­ris­mus: Wenn sie ›nicht mehr ange­sagt‹ sind, bekom­men sie die nega­ti­ven Fol­gen näm­lich per­sön­lich zu spü­ren, und sie fal­len unter die Gleich­ge­mach­ten zurück.

Die ega­li­ta­ris­tisch gepräg­te Mas­sen­ge­sell­schaft trägt die Kul­tur zwar, bringt sie aber weder her­vor, noch bezahlt sie die­se. Wer bezahlt heu­te? Ent­we­der der immer auto­ri­tä­re­re Funk­tio­närs­staat mit erpreß­tem Steu­er­geld oder Prot­ago­nis­ten des digi­tal-finan­zi­el­len Kom­ple­xes, bei­de als Gleich­heits­wär­ter Agen­ten und Pro­fi­teu­re des Egalitarismus.

Frü­her, in der hier­ar­chi­schen Gesell­schaft des Feu­da­lis­mus und der bür­ger­li­chen »Klas­sen­ge­sell­schaft«, gab es noch eine ech­te Volks­kul­tur (Volks­mu­sik, Volks­mär­chen usw.), die sich von der Hoch­kul­tur sowohl auf der Pro­du­zen­ten- als auch der Rezi­pi­en­ten­sei­te unter­schied. Indem der Staat der indus­tria­li­sier­ten Mas­sen­ge­sell­schaft die Aus­bil­dung in allen Berei­chen an sich zog und die Finan­zie­rung und Ver­mark­tung auch dilet­tan­tisch gespiel­ter Kunst (z. B. Pop­mu­sik) kom­mer­zia­li­siert wur­den, ist die­ser Unter­schied ein­ge­eb­net (ega­li­siert).

Die Hoch­kul­tur wur­de damals von Aris­to­kra­ten und rei­chen Bür­gern beauf­tragt, die eine eli­tä­re Qua­li­täts­auf­fas­sung hat­ten, die sich noch aus einer dem soge­nann­ten Mit­tel­al­ter ent­stam­men­den sakra­li­sier­ten Vor­stel­lung davon, was Kunst und Kul­tur zu sein hät­ten, speis­te. Die­se Vor­stel­lung, daß bei­spiels­wei­se ein Uri­nal kein legi­ti­mer Gegen­stand von Kunst sei, hielt sich bis etwa in die Zeit des Ers­ten Welt­krie­ges. Das Uri­nal als Kunst ist der Ega­li­ta­ris­mus in der Kunst.

Der Ega­li­ta­ris­mus zeigt sich dem­nach auch in die­sem Bereich schon an der letzt­lich erfolg­reich bekämpf­ten hier­ar­chi­sie­ren­den Unter­schei­dung zwi­schen einer Hoch- und einer Volks­kul­tur, zwi­schen »E- und U‑Musik« usw. Alles sei letzt­lich »Unter­hal­tung«, von »Ernst« wür­den nur spaß­be­frei­te reak­tio­nä­re Zeit­ge­nos­sen reden. Natür­lich müs­sen »Kul­tur­schaf­fen­de« und Sport­ler über eine Spe­zi­al­be­ga­bung ver­fü­gen, um ihre Tätig­keit über­haupt aus­üben zu kön­nen, aber im ega­li­ta­ris­ti­schen Umfeld soll­te das Image des »Kum­pels«, der »einer von uns« ist und »ange­faßt« wer­den kann, gepflegt wer­den, um Res­sen­ti­ments zu ver­mei­den – gera­de, wenn Mil­lio­nen­ga­gen im Spiel sind. Wir sind wie ihr! Der Mas­sen­un­ter­hal­ter kann aber – bis auf weni­ge Aus­nah­men – jeder­zeit im Dschun­gel­camp lan­den, wäh­rend der ech­te Gleich­heits­wär­ter auch nach einem Schei­tern sein Aus­kom­men in der Wirt­schaft fin­det oder mit hohen Bezü­gen sei­nen Ruhe­stand genießt.

Die geschicht­lich wirk­sa­me tota­le Poli­ti­sie­rung des gesam­ten Kul­tur­be­reichs von Staats wegen begann mit dem bol­sche­wis­ti­schen Okto­ber­putsch 1917, als erst­mals eine lin­ke Par­tei die Macht in einem Staat über­nahm. Wla­di­mir I. Lenins Vor­lie­be für den Film ist bekannt, Joseph Goeb­bels über­nahm sie. Aber schon Karl Marx bezeich­ne­te die Vor­stel­lung, es gäbe eine unpo­li­ti­sche Kunst und Kul­tur, als Illu­si­on – natür­lich, um sie sozia­lis­tisch zu poli­ti­sie­ren. Die Kunst eines Malers wie Jac­ques-Lou­is David ist tat­säch­lich schon poli­ti­siert, doch kann zu sei­ner Zeit von einer tota­len Durch­po­li­ti­sie­rung der Kunst noch kei­ne Rede sein, wegen der feh­len­den Vor­aus­set­zun­gen (Mas­sen­ge­sell­schaft, Produktionsbedingungen).

Alle kul­tur­so­zio­lo­gi­schen Schrif­ten von Georg Lukács sind von die­ser mar­xis­ti­schen Sicht geprägt. Er hat­te als Kul­tur­kom­mis­sar 1919 bereits die Früh­sexualisierung an den Schu­len ein­ge­führt, um die Fami­lie als »Hort der patri­ar­cha­li­schen Reak­ti­on« zu zer­stö­ren, und in vie­lem Anto­nio ­Gramscis kul­tur­mar­xis­ti­sches Pro­gramm vor­weg­ge­nom­men, also das Pro­gramm der Poli­ti­sie­rung der Kul­tur im sozia­lis­ti­schen Sin­ne zur Vor­be­rei­tung der Machtübernahme.

Poli­tik und Wis­sen­schaft ver­dan­ken ihre spe­zi­fi­sche Son­der­stel­lung unter sämt­li­chen mensch­li­chen Bil­dun­gen ihrer umfas­sen­den poten­ti­el­len Anwen­dungs­fä­hig­keit. Die­se betrifft, wenn man von der Phi­lo­so­phie absieht, die den bei­den über­ge­ord­ne­ten ori­en­tie­ren­den Besin­nungs­rah­men vor­gibt, kei­ne Alternativen.

Kunst ist daher mühe­los in Wis­sen­schaft oder Poli­tik integrierbar,

auch wenn man seit über einem Jahr­hun­dert erheb­li­che Anstren­gun­gen unter­nom­men hat, immer grö­ße­re Gebie­te für Kunst zu okku­pie­ren. Die die Moder­ne cha­rak­te­ri­sie­ren­den Pro­vo­ka­tio­nen in die­ser Hin­sicht füh­ren nicht wei­ter, weil man so ledig­lich ange­streng­te Rela­ti­vie­run­gen des Aus­gangs­be­grif­fes erzie­len kann und sich Kunst prin­zi­pi­ell von einem Gegen­bild abhe­ben muß: dem näm­lich, was eben ›kei­ne Kunst‹ ist. Des­halb behaup­tet sich Kunst, auch wenn sie poli­ti­siert oder ver­wis­sen­schaft­licht wird. Ihre spe­zi­fi­sche Sub­stanz bleibt von sol­chen Pro­jek­ten unbe­rührt. Glei­ches gilt für Kunst, die bereits unter poli­ti­schen oder wis­sen­schaft­li­chen Vor­ga­ben geschaf­fen wor­den ist. Eine poli­ti­sier­te Kunst bleibt Kunst; eine poli­ti­sier­te Wis­sen­schaft ist fak­tisch zur Poli­tik gewor­den, eine wis­sen­schaft­li­che Poli­tik zur Wissenschaft.

Des­we­gen sind auch tyr­täi­sche Kriegs­lie­der, Sys­tem­le­gi­ti­ma­tio­nen wie die Aen­eis oder Hym­nen auf Hit­ler oder Sta­lin Kunst. Was ist Kunst? Im heu­ti­gen west­li­chen Libe­ra­lis­mus gilt:

Kunst ist das, wofür als Kunst bezahlt wird. Gro­ße Kunst ist das, wofür viel Geld bezahlt wird.

War es je anders? Wohl doch: Zwar mach­ten auch der Lei­er­kas­ten­mann oder der Wan­der­mu­si­kant Musik, aber sie hät­ten nie­mals viel Geld mit ihrer Kunst ver­dient. Heu­te dage­gen wird Musik ver­gleich­bar ein­fa­chen melo­di­schen, har­mo­ni­schen, rhyth­mi­schen Zuschnitts von stu­dier­ten Musi­kern auf teu­ren Instru­men­ten in moderns­ten Ton­stu­di­os auf­ge­nom­men und in tech­nisch auf­wen­di­gen Büh­nen­shows mit aus­ge­klü­gel­ter Klang­pro­jek­ti­on dar­ge­bo­ten. Dies ist wegen der Mas­sen­kul­tur mög­lich, die das noch belohnt, was sich ohne­hin schon gut ver­kauft (Gram­mys, Oscars, Fernsehpreise).

Wir erle­ben Künst­ler, die [sel­te­ner] für die Kunst, und [häu­fi­ger] sol­che, die für den Mas­sen­ge­schmack, bes­ser: für den durch das ega­li­ta­ris­ti­sche Sys­tem ver­mit­tel­ten Mas­sen­ge­schmack produzieren.

Der Mas­sen­ge­schmack wird seit lan­gem von den Geld­ge­bern »gemacht«; beson­ders über Block­bus­ter und TV-Seri­en wer­den lin­ke Auf­fas­sun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen in die Mas­sen­ge­sell­schaft getra­gen. Aktu­ell sind die Tat­ort-Kri­mis ein schla­gen­der Beweis für die­se Feststellung.

Wie sind Künst­ler heu­te zu sehen? Die Künst­ler der Hoch­kul­tur haben erst seit etwa 200 Jah­ren ver­sucht, sich aus der Abhän­gig­keit von adli­gen und bür­ger­li­chen Auf­trag­ge­bern zu befrei­en. Damals ent­stand der heu­te so ver­pön­te Genie­kult, als des­sen Bei­spiel Beet­ho­ven para­dig­ma­tisch gese­hen wer­den kann: Der Künst­ler als der, der aus sich her­aus schafft wie ein Gott, so die roman­ti­sche Vor­stel­lung (F. Schle­gel), die heu­te im ega­li­ta­ris­ti­schen Flui­dum belä­chelt wird. Jeden­falls hat

kaum ein Schrift­stel­ler, Künst­ler, Den­ker von Rang […] in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts mit dem angeb­lich so selbst­ver­ständ­lich ›moder­nen‹ Sta­tus quo von par­la­men­ta­ri­scher Demo­kra­tie, Kapi­ta­lis­mus und bür­ger­li­cher Kul­tur sym­pa­thi­siert. Statt des­sen fin­den wir eine gewal­ti­ge Front der Ablehnung […]

Dies war mög­lich in einer Zeit, in der die Lin­ke ihre geis­ti­ge und ins­be­son­de­re ihre poli­ti­sche Vor­herr­schaft erst errin­gen muß­te. Vor­teil­haft für die »gewal­ti­ge Front« lin­ker Künst­ler war, daß nicht­lin­ke Regie­run­gen sie nicht durch­ge­hend behin­dert oder ver­folgt, son­dern oft sogar finan­zi­ell geför­dert haben. Das wür­de eine lin­ke Regie­rung nie tun, wie es bei den mehr als 60
sozia­lis­ti­schen Macht­über­nah­men zuver­läs­sig zu beob­ach­ten war und jetzt zuneh­mend auch im Wes­ten erkenn­bar wird.

Die­se kur­ze Epo­che des selbst­be­stimm­ten, wider­stän­di­gen Künst­lers scheint zu Ende zu sein. Noch Mozart war fast aus­schließ­lich Auf­trags­künst­ler wie die meis­ten sei­ner Kol­le­gen, so wie Maler, Bild­hau­er, Schau­spie­ler, Bau­meis­ter in den Jahr­hun­der­ten vor ihm. Auch die Schrift­stel­ler hat­ten vor der soge­nann­ten Auf­klä­rung mehr­heit­lich eine Nähe zur Macht. Mit dem Sieg der lin­ken, ega­li­ta­ris­ti­schen Mas­sen­ge­sell­schaft bekommt der Künst­ler eine neue Auf­ga­be: Er wird zur Stüt­ze des Ega­li­ta­ris­mus, der wie­der von Auf­trä­gen lebt. Dabei muß er gar nicht direkt beauf­tragt sein, son­dern er erfüllt die Erwar­tun­gen des woken Staa­tes oder der sons­ti­gen Geld­ge­ber durch sei­ne »pro­gres­si­ve« lin­ke Hal­tung ohne­hin. Sein Busi­ness ist es, »ange­sagt« zu sein, um sei­ne Auf­ga­be im Sys­tem zu erfüllen.

Aus die­ser im Vor­he­ri­gen beschrie­be­nen Kon­stel­la­ti­on von Ega­li­ta­ris­mus in der Mas­sen­ge­sell­schaft und not­wen­dig poli­ti­sier­ter Kul­tur mit Auf­trags-Mas­sen­un­ter­hal­tern ergibt sich die heu­ti­ge Situation.

Was heu­te erlebt wer­den kann, ist dem­nach nur die logi­sche Fort­set­zung, viel­leicht sogar der End­punkt einer län­ge­ren Ent­wick­lung. Indem die lin­ke geis­ti­ge Domi­nanz im Wes­ten zur poli­ti­schen Mar­gi­na­li­sie­rung der Nicht­lin­ken geführt oder die­se ideo­lo­gisch ange­gli­chen hat oder zu Rechts­extre­men erklärt, die nicht an der poli­ti­schen Macht par­ti­zi­pie­ren dür­fen, zemen­tiert sie ihre Macht. Dazu ist eben auch die Kul­tur erforderlich.

Ent­spre­chend der ach­ten und zehn­ten Regel des ame­ri­ka­ni­schen Kom­mu­nis­ten Saul Ali­n­sky zur Ver­nich­tung des poli­ti­schen Geg­ners  – »Keep the pres­su­re on. Never let up. […] main­tain a con­stant pres­su­re« – wird dazu ein Trom­mel­feu­er aus immer neu erwei­ter­ten Kon­zep­ten wie »Poli­ti­sche Kor­rekt­heit«, »Woke­ness«, »Iden­ti­täts­po­li­tik«, »Femi­nis­mus«, »Gen­der«, »Que­er«, »Anti­ras­sis­mus« und »Post­ko­lo­nia­lis­mus« ent­facht, das beim Geg­ner nach der drit­ten Ali­n­sky-Regel »con­fu­si­on, fear, and retre­at« bewir­ken soll.

Da die Regel gilt: »Wer zahlt, bestimmt«, oder mit einem ande­ren Sprich­wort: »Wes Brot ich eß, des Lied ich sing«, betei­li­gen sich auch die Künst­ler und der Kul­tur­be­trieb an der woken Kul­tur­po­li­tik, zumal sie ohne­hin schon zur »gewal­ti­gen Front« lin­ker Ableh­nung gehört haben. Wir erle­ben nach einem kur­zen Inter­mez­zo des radi­ka­len indi­vi­du­el­len Aus­drucks, der über­wie­gend nur auf­grund der Ableh­nung der bestehen­den Gesell­schaft mög­lich war, wie­der eine Rück­kehr zum sys­tem­kon­for­men Auf­trags­künst­ler, etwa in der Art von Hie­ro­ny­mus Bosch, des­sen Bil­der bis in Details nach Vor­ga­ben sei­ner Auf­trag­ge­ber ent­stan­den sind. (Auf­grund der Diver­si­tät inner­halb der aris­to­kra­ti­schen und bür­ger­li­chen Auf­trag­ge­ber dürf­te aber die Viel­falt damals ins­ge­samt grö­ßer gewe­sen sein im Ver­gleich zur heu­ti­gen glo­bal nivel­lier­ten Mono­chro­mie.) Ver­schärft wird die Poli­ti­sie­rung, bes­ser: Ideo­lo­gi­sie­rung der Kul­tur durch die rein dies­sei­ti­ge, letzt­lich sata­nis­ti­sche Aus­rich­tung der glo­ba­len Eliten.

Die »kolos­sa­le Erfolg­lo­sig­keit« (so der Phi­lo­soph Dani­el von ­Wach­ter ) der Nicht­lin­ken gegen­über die­ser lin­ken, zur Zwei­klas­sen­ge­sell­schaft aus der Mas­se mehr­heit­lich deklas­sier­ter Gleich­ge­mach­ter und weni­gen, finan­zi­ell abge­si­cher­ten Gleich­heits­wär­tern füh­ren­den Agen­da hat einen Grund: das fun­da­men­ta­le Unver­ständ­nis der Moti­ve der Lin­ken. Die erwähn­te »Leim­ru­te der Auf­klä­rung« dient aus­schließ­lich der Zer­stö­rung der ver­haß­ten bestehen­den Gesell­schaft, soweit sie auf der natür­li­chen Ord­nung fußt, sei sie feu­da­lis­tisch oder bür­ger­lich. Sie muß radi­kal kri­ti­siert, das heißt schlecht­ge­macht, und dann zer­stört werden.

Die Lin­ken sind die größ­ten Haß­ver­bre­cher über­haupt. All die Biblio­the­ken voll von dicken Büchern, wel­che die Paro­len von Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit theo­re­tisch unter­füt­tern sol­len, sind zweit­ran­gig, weil es Lin­ken gar nicht um Wahr­heits­fin­dung, son­dern um die revo­lu­tio­nä­re Macht­er­grei­fung geht.

»The issue is never the issue. The issue is always the revo­lu­ti­on.« (Saul Ali­n­sky) Wenn nun Nicht­lin­ke argu­men­tie­ren, daß die lin­ke Agen­da zu nega­ti­ven Ent­wick­lun­gen (den oben erwähn­ten »Mög­lich­kei­ten«), etwa zu Mas­sen­ab­trei­bun­gen, insta­bi­len Fami­li­en, einer Bil­dungs­ka­ta­stro­phe, psy­chi­scher Erkran­kung wei­ter Bevöl­ke­rungs­tei­le, Ver­ar­mung, einem häß­li­chen öffent­li­chen Raum, Infla­ti­on, Deindus­tria­li­sie­rung, eth­nisch-reli­giö­sen Kon­flik­ten usw. führt, so inter­es­siert das die Lin­ke über­haupt nicht, denn das ist es ja, was sie will, dar­um han­delt sie ja so, wie sie handelt.

Kunst und Kul­tur die­nen nur noch dazu, die­se dem Homo-men­su­ra-Satz ent­spre­chen­de mate­ria­lis­ti­sche Poli­tik zu stüt­zen. Ehre den Aus­nah­men, die noch wis­sen, daß jedes ech­te »Werk uns von Gott spricht, was es auch sage« (Nicolás Gómez Dávila), und die es wei­ter­hin geben wird. Sie wer­den es aber in den offi­zi­ell aner­kann­ten Kanon, den es trotz gegen­tei­li­ger Behaup­tun­gen auch bei den Lin­ken gibt (wenn er nur links­ge­strickt ist), nie­mals schaf­fen und so in der erha­be­nen Bedeu­tungs­lo­sig­keit versinken.

 

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