2. Die Antifa, die sich im Rückzugsraum der Bewegung “Wider-Setzen” verstecken und aus ihr heraus gewalttätig und kriminell agieren konnte, hat sich in Gießen also gegen einen Normalisierungsprozeß geworfen, gegen einen Einhegungstag, gegen eine Gründung, die den Wildwuchs des unkontrollierbaren Findungsprozeß rechter Jugendprojekte nach außerhalb verbannt hat und innerhalb der Parteistruktur Hegung durchsetzte. Dies spiegelt das Große im Kleinen: Die AfD ist überhaupt die Normalisierung patriotischer, rechtskonservativer Potentiale in Deutschland. Alles, was rechts von ihr wuchern und laut sein konnte, spielt keine Rolle mehr. Sie hat den Maßstab angelegt und hat abgeschnitten, was sich nicht anpassen wollte. Diese Aufgabe hat zuvor das neurechte Vorfeld in seinem Bereich erfüllt. Es hat die radikalen, altrechten Kräfte ausgetrocknet und vor eine Wahl gestellt: mit uns, aber mit geläuterter Weltanschauung und der Beachtung roter Linien – oder weiter ohne uns mit unpolitischem, falschem Pathos. Die Parole lautete: Herüber zu uns – unter Bedingungen.
3. Jean-Pascal Hohm, der erste Vorsitzende der neuen Jugendorganisation der AfD, weiß, was Parteidisziplin bedeutet. Aber er weiß auch, daß eine Partei zum dürren Ast wird, wenn sie das Potential verkennt und ignoriert, das im jungen Experiment, in ungezügelter Kreativität, in Wildwuchs und Grenzüberschreitung steckt. Die Rede, die er nach seiner Wahl hielt, war vielversprechend: Sie war nicht im Ton eines dankbaren Funktionärs gehalten, sondern sprach von einer Herkunft aus grundsätzlichen Zusammenhängen und von Erlebnissen, die man auch dann nicht vergißt, wenn man Kompromisse schließen und Zugeständnisse machen muß. Er gehört also zu jenen Politikern, die nicht nur Politiker sind, sondern mit einem Fuß im vorpolitischen Raum stehen und Rückbindung suchen. Partei (das ist dort die Überzeugung) ist nie Zweck, sondern immer nur Mittel.
4. Warum war Antaios in Gießen? Natürlich auf Einladung, und mein Verlag nahm die Einladung aus zwei Gründen an: Erstens ist es eine vornehme Aufgabe, aus tausend jungen Leuten jene 100 herauszufiltern, die lesen möchten, und zwar jenseits von Bildchen und Schnipseln. Sie fanden sich tatsächlich ein und fragten und ließen sich beraten. Zweitens: Einzelgespräche waren geplant, verabredet, möglich – das wichtigste wie fast immer mit Höcke. Ich war ja gerade erst aus Moskau zurückgekehrt und konnte berichten.
5. War um sechs Uhr morgens in der Halle, die vorabendliche Ansage der Polizei bewahrheitete sich: um fünf am Sammelpunkt, dann wird der letzte, zuverlässige Konvoi starten. So war es, und das waren dann sechs lange Stunden bis zum Beginn des Kongresses. Kaffee, müde Augen, viele Journalisten, endlich einmal Zeit für ausführliches Hin und Her. Sätze direkt in die Kamera verweigerte ich – es war ja eine Parteiveranstaltung. Aber Hintergrundgespräche: immer und gründlich. Meine These: Wir alle erleben, daß sich in Deutschland ein neues Milieu bildet und Räume besetzt. Dieser Vorgang ist von solcher Normalität, daß er eigentlich nicht der Rede wert wäre. Aber in Deutschland ist er es, und er wird besprochen, verzerrt, bekämpft, begrüßt und fasziniert beobachtet zugleich. Das merkte ich den Journalisten an, die oft zu dritt, viert am Stand waren und das Gespräch führten. Kluge Köpfe darunter, auch solche, die längst begriffen haben, daß das, was geschieht, in der Luft liegt, nahe lag – und dennoch mutiger Leute bedarf, die es erkämpfen. Man vernimmt den Respekt, denn die Zeit ist da.
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Aber dies zuletzt: Mit Ann-Katrin Müller vom SPIEGEL und ihrer Kollegin von T‑Online, Annika Leister, wollte ich nicht sprechen. Beide hatten sich zu trollen, und interessant war, daß keiner der Kollegen, die das mitbekamen, sich solidarisierte und ebenfalls ging. Vielleicht hat man mittlerweile begriffen, daß ideologisches Bashing ein Schreiben unter Niveau ist. Gut wär’s.
Ernestine
Ein großes Dankeschön für Ihre Ausführungen! Mehr ist dazu von meiner Seite nicht sagen... Eine gesegnete Adventszeit wünsche ich Ihnen und Ihrem ganzen Team!