Recht und Macht. Eine Stellungnahme

PDF der Druckausgabe aus Sezession 121/ August 2024

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von Rode­rich Blümel –

Seit dem 16. Juli 2024 fech­ten Juris­ten aus, ob das Ver­bot des Com­pact-Maga­zins vor Gericht Bestand haben wird. Sie beant­wor­ten mit dia­me­tral ein­an­der gegen­über­ste­hen­den Auf­fas­sun­gen die Fra­ge, ob Leu­te wie wir uns das hät­ten den­ken kön­nen, daß es nun soweit gekom­men sei mit der Ach­tung der Poli­tik vor dem Recht und vor allem vor dem Grün­dungs­my­thos der deut­schen Demo­kra­tie: der im Vor­märz erfoch­te­nen Pres­se­frei­heit. Das bedeu­tet: Sie beant­wor­ten die­se Fra­ge nicht.

Wir ver­fol­gen die­se Fecht­übun­gen mit gro­ßem Nicht­ju­ris­ten­ver­stand, weil sie sich wie etwas exis­ten­ti­ell Inter­es­san­tes lesen. Unser Blog hat sich mit Tex­ten von Maxi­mi­li­an Krah direkt und von Thor v. Wald­stein grund­sätz­lich an die­sen Übun­gen betei­ligt. Das Online-For­mat freiburger-standard.de hat umfas­send auf Krah geant­wor­tet, sehr strin­gent, wie wir mei­nen, und des­we­gen ersuch­ten wir dar­um, den Bei­trag in unse­re Druck­aus­ga­be über­neh­men zu dür­fen. So erscheint er hier, aus Platz­grün­den um zwei Absät­ze gekürzt, die jeweils die euro­päi­sche Dimen­si­on einbezogen.

Wir dan­ken Redak­ti­on und Autor des »Frei­bur­ger Stan­dard«, schie­ben aber fol­gen­des hin­ter­her: Am Ende ist der inter­es­sier­te, exis­ten­ti­ell inter­es­sier­te Ver­le­ger »so unsi­cher als wie zuvor«, schaut, daß er zurecht­kommt, und zieht sich auf die rei­fe The­se zurück, daß, wer im Com­pact-Ver­bot ein Pro­blem des Rechts­staats sehe, den Begriff des Poli­ti­schen verkenne.

Ganz Deutsch­land strei­tet um das Ver­bot des Com­pact-Maga­zins. Nicht weni­ge Juris­ten haben sich bereits zu Wort gemel­det und das Ver­bot als rechts­wid­rig erach­tet, ins­be­son­de­re bei rech­ten Juris­ten scheint die­se Mei­nung weit über­wie­gend vor­zu­herr­schen. Der Ver­fas­ser kommt zu einem ande­ren Ergeb­nis und muß vie­len Argu­men­ten wider­spre­chen. Das Ver­bot wird, so die Ein­schät­zung des Ver­fas­sers, vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt stand­hal­ten. Es ist legal – was nicht heißt, daß es legi­tim ist. Ange­sichts der Bedeu­tung die­ser The­ma­tik, offen­sicht­lich feh­len­der Erfah­rung mit Repres­si­on und der pro­gnos­ti­zier­ten Ver­schär­fung die­ser in den nächs­ten Jah­ren scheint ein grund­sätz­li­cher Blick notwendig.

Die Geburt des Ver­bots aus dem Geist der Repression

Repres­si­on ist die Fort­füh­rung der Poli­tik mit staat­li­chen Macht­mit­teln. Getreu die­ser Defi­ni­ti­on wur­de die staats­recht­li­che Geburt der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land (BRD) weni­ger vom glei­ßen­den Licht der Frei­heit, son­dern mehr von dem Zwie­licht der Repres­si­on geprägt. Berufs­ver­bo­te, poli­ti­sche Betä­ti­gungs­ver­bo­te, Lager­haft, Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren, Aberken­nung bür­ger­li­cher Frei­hei­ten, Will­kür alli­ier­ter Besat­zungs­mäch­te und teils offe­ner Mord waren die Geburts­we­hen jenes Staa­tes, der sich als frei­es­ter Staat, den es je auf deut­schem Boden gab, sieht.

Man kann dies alles sogar für legi­tim hal­ten, man kann die Mei­nung ver­tre­ten, man hät­te Mil­lio­nen ehe­ma­li­ger NSDAP-Mit­glie­der, Waf­fen-SS-Sol­da­ten, fana­ti­scher Hit­ler­jun­gen und die alten Kai­ser­reich­re­ak­tio­nä­re an einem erneu­ten poli­ti­schen Erfolg hin­dern müs­sen, denn schließ­lich waren die Zustim­mungs­ra­ten zum Natio­nal­so­zia­lis­mus noch bis weit in die 1950er Jah­re hin­ein weit­aus grö­ßer, als es den Ver­tre­tern der neu­en Demo­kra­tie lieb sein konn­te. Aber auch wenn man die­ses Han­deln für legi­tim hält, muß man es als geschicht­li­chen Fakt anerkennen.

Aberken­nung von Grund­rech­ten und Co.

Die­ser spie­gelt sich auch im Staats­auf­bau wider. Sosehr man auch die Imple­men­tie­rung von Grund­rech­ten als Abwehr­rech­te gegen den Staat als ver­fas­sungs­recht­li­che Reak­ti­on auf das Schei­tern der Wei­ma­rer Repu­blik für not­wen­dig erach­te­te, so deut­lich ver­gaß man den­noch auch nicht den Ein­bau der Mög­lich­keit der staat­li­chen Repres­si­on. Der Ver­fas­sungs­schutz ist ein bis heu­te leben­der Aus­druck die­ser von Beginn an bestehen­den Mög­lich­keit; Ver­eins­ver­bo­te wur­den in den ers­ten Jah­ren der BRD in Mas­se und danach auf­grund geän­der­ter gesetz­li­cher Regu­lie­run­gen kon­ti­nu­ier­lich aus­ge­spro­chen, selbst die Aberken­nung von Grund­rech­ten ist im Grund­ge­setz vor­ge­se­hen. Und vor allem ent­hält das Grund­ge­setz eine kla­re Aussage:

Ver­ei­ni­gun­gen, deren Zwe­cke oder deren Tätig­keit den Straf­ge­set­zen zuwi­der­lau­fen oder die sich gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung oder gegen den Gedan­ken der Völ­ker­ver­stän­di­gung rich­ten, sind ver­bo­ten. (Art. 9 II GG).

Die Beto­nung liegt auf »sind«. Nicht kön­nen, nicht dür­fen ver­bo­ten wer­den – sie sind ver­bo­ten. Die Ver­bots­ver­fü­gung eines ver­fas­sungs­feind­li­chen Ver­eins besteht damit bereits grund­ge­setz­lich im Zeit­punkt sei­ner Ent­ste­hung, das Ver­bot ist nur noch nicht voll­zo­gen. Ein staat­li­ches Ermes­sen sieht das Grund­ge­setz nicht ein­mal vor, das Grund­ge­setz dik­tiert dem Staat das Ver­bot und stellt des­sen Voll­zie­hung seit 1964 in des­sen Opportunität.

Ver­eins­ver­bo­te – oder die Zer­schla­gung des organ­sier­ten Willens

Ein wesent­li­ches Mit­tel der Repres­si­on und der Grund die­ser Betrach­tung ist eben jenes Ver­eins­ver­bot, eine Mate­rie, die dem Stu­den­ten der Rechts­wis­sen­schaf­ten und auch dem gewöhn­li­chen Anwalt in der Regel nicht begeg­net. Viel­leicht erklärt dies die zahl­rei­chen schlech­ten juris­ti­schen Ein­schät­zun­gen zum Com­pact-Ver­bot – ent­schul­digt dies aber nicht. Denn das Ver­eins­ver­bot ist das für die Oppo­si­ti­on ver­mut­lich bedeut­sams­te Repres­si­ons­mit­tel, dem­entspre­chend not­wen­dig sind die Kennt­nis­se darüber.

Zwi­schen 1949 und 1964, ganz über­wie­gend in der Regie­rungs­zeit Kon­rad Ade­nau­ers, ergin­gen ins­ge­samt 327 Ver­eins­ver­bo­te gegen 64 ver­schie­de­ne Ver­ei­ne (auf­grund der Län­der­kom­pe­tenz wur­den Ver­ei­ne oft mehr­fach in ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern ver­bo­ten), links und rechts traf es damals noch rela­tiv aus­ge­gli­chen. Man folg­te dem Lega­li­täts­grund­satz und wand­te unmit­tel­bar Art. 9 II GG als Ver­bots­grund­la­ge an. Erst 1964 hat man ein bun­des­wei­tes Ver­eins­ge­setz geschaffen.

Ob ein durch Art. 9 II GG dik­tier­tes Ver­bot auch tat­säch­lich voll­zo­gen wird, unter­liegt seit der Ein­füh­rung die­ses Ver­eins­ge­set­zes der Oppor­tu­ni­täts­ent­schei­dung – und Ver­bo­te rich­ten sich seit­dem maß­geb­lich gegen rechts. Denn ein Ver­eins­ver­bot ist seit­dem maß­geb­lich eine poli­ti­sche Ent­schei­dung über die Aus­schöp­fung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Mög­lich­kei­ten. Gegen wen sich die Oppor­tu­ni­tät rich­tet, zeigt sich deut­lich: Bis 1990 tref­fen 13 von 16 wei­te­ren Ver­bo­ten und damit bereits 76 Pro­zent rech­te Ver­ei­ne. Nach 1990 stei­gen die Ver­bots­zah­len bis heu­te wei­ter, sie rich­ten sich fast aus­schließ­lich gegen rech­te, isla­mis­ti­sche und aus­län­di­sche (ins­be­son­de­re kur­di­sche und tür­ki­sche) Vereine.

Ein Ver­eins­ver­bot kann in Deutsch­land, weil dies ver­schie­dent­lich bezwei­felt wur­de, im übri­gen tat­säch­lich schlicht der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter sowie bei aus­schließ­lich in einem Bun­des­land täti­gen Ver­ei­nen der jewei­li­ge Lan­des­in­nen­mi­nis­ter aus­spre­chen. Daß dem so ist, ist eine bewuß­te, recht­li­che und schon vor Jahr­zehn­ten vor­ge­nom­me­ne Ent­schei­dung; man hät­te sich genau­so­gut dafür ent­schei­den kön­nen, daß es eines Antrags bei Gericht und eines Urteils bedarf. Hat man aber nicht.

Für gro­ße Ver­wir­rung, selbst unter Juris­ten, hat anschei­nend gesorgt, daß die GmbH des Com­pact-Maga­zins als Ver­ein ver­bo­ten wur­de. Dreh- und Angel­punkt des Ver­eins­ver­bots ist jedoch nicht der ein­ge­tra­ge­ne Ver­ein als juris­ti­sche Per­son, son­dern der Per­so­nen­zu­sam­men­schluß. Dies regelt bereits § 2 I VereinsG:

Ver­ein im Sin­ne die­ses Geset­zes ist ohne Rück­sicht auf die Rechts­form jede Ver­ei­ni­gung, zu der sich eine Mehr­heit natür­li­cher oder juris­ti­scher Per­so­nen für län­ge­re Zeit zu einem gemein­sa­men Zweck frei­wil­lig zusam­men­ge­schlos­sen und einer orga­ni­sier­ten Wil­lens­bil­dung unter­wor­fen hat.

Daß auch eine Per­so­nen­ge­sell­schaft dar­un­ter fällt, ergibt sich bereits aus die­ser Legal­de­fi­ni­ti­on. Um aber eine Inter­pre­ta­ti­on gar nicht erst not­wen­dig zu machen, ist es in § 17 Ver­einsG noch ein­mal expli­zit normiert:

Die Vor­schrif­ten die­ses Geset­zes sind auf Akti­en­ge­sell­schaf­ten, Kom­man­dit­ge­sell­schaf­ten auf Akti­en, Gesell­schaf­ten mit beschränk­ter Haf­tung, kon­zes­sio­nier­te Wirt­schafts­ver­ei­ne nach § 22 des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches, Euro­päi­sche Gesell­schaf­ten, Genos­sen­schaf­ten, Euro­päi­sche Genos­sen­schaf­ten und Ver­si­che­rungs­ver­ei­ne auf Gegen­sei­tig­keit nur anzu­wen­den, wenn sie sich gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung oder gegen den Gedan­ken der Völ­ker­ver­stän­di­gung rich­ten oder wenn ihre Zwe­cke oder ihre Tätig­keit den in § 74a Abs. 1 oder § 120 Abs. 1 und 2 des Gerichts­ver­fas­sungs­ge­set­zes ­genann­ten Straf­ge­set­zen oder dem § 130 des Straf­gesetzbuches zuwi­der­lau­fen oder wenn sie von einem Ver­bot, das aus einem der in Num­mer 1 oder 2 genann­ten Grün­de erlas­sen wur­de, nach § 3 Abs. 3 als Teil­organisation erfaßt wer­den, oder wenn sie Ersatz­or­ga­ni­sa­ti­on eines Ver­eins sind, der aus einem der in Num­mer 1 oder 2 genann­ten Grün­de ver­bo­ten wurde.

Ein ein­fa­cher Blick in das Ver­eins­ge­setz hät­te die selbst von Anwäl­ten auf­ge­stell­te Behaup­tung, daß eine GmbH nicht nach dem Ver­eins­recht ver­bo­ten wer­den kön­ne, widerlegt.

Die Deu­tungs­ho­heit über die Verfassungsfeindlichkeit

Der Ver­bots­grund der ­ver­fas­sungs­feind­li­chen Betä­ti­gung wird dabei, prak­ti­scher­wei­se, ins­be­son­de­re durch die Ein­schät­zung der Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­den begrün­det, die wie­der­um den Innen­mi­nis­te­ri­en unter­ste­hen und deren frag­wür­di­ge Ein­schät­zun­gen und Behaup­tun­gen in der Regel von den Gerich­ten nicht hin­ter­fragt wer­den. So wird es auch mit der Ver­bots­ver­fü­gung gegen Com­pact sein. Daß etwa die The­se vom »Gre­at Reset« eine »anti­se­mi­ti­sche« Ver­schwö­rungs­theo­rie sei oder mit der Kri­tik an »glo­ba­len Finanz­eli­ten« in Wirk­lich­keit »die Juden« gemeint sei­en, sind rei­ne Behaup­tun­gen, man kann sogar von bös­ar­ti­gen Unter­stel­lun­gen spre­chen. Höhe­punkt der Absur­di­tät ist dabei sicher­lich die Behaup­tung des Ver­fas­sungs­schut­zes, daß Com­pact »auf anti­se­mi­ti­sche Art und Wei­se die poli­ti­sche Ein­fluß­nah­me jüdi­scher Grup­pie­run­gen, stell­ver­tre­tend für das Juden­tum, auf den Staat Isra­el über­höht dar[stelle]«.

Selbst damit wer­den sie als Inha­ber der Deu­tungs­ho­heit wahr­schein­lich durch­kom­men, jeden­falls der Erfah­rung nach mit allem ande­ren. »Sekun­dä­rer Anti­se­mi­tis­mus« und wei­te­re Schlag­wor­te im Ver­bots­ver­fah­ren ent­stam­men dabei kei­nem wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs, son­dern sind ein wis­sen­schaft­lich ange­stri­che­ner Duk­tus von Links­ra­di­ka­len. Solan­ge aber die Defi­ni­ti­ons­ho­heit dar­über bei den poli­ti­schen Geg­nern in den hege­mo­nia­len Struk­tu­ren liegt und Anti­fa-Akti­vis­ten mit Hoch­schul­ab­schluß als ver­meint­li­che Wis­sen­schaft­ler defi­nie­ren, daß dem so sei, und sich die Repres­si­ons­be­hör­den zustim­mend dar­auf beru­fen, ist eine objek­ti­ve juris­ti­sche Ver­tei­di­gung dage­gen aus­sichts­los – denn die Rich­ter über­neh­men die­se Behaup­tun­gen in aller Regel unge­prüft. Und dadurch, daß die Unter­schei­dung zwi­schen eth­ni­scher Volks­zu­ge­hö­rig­keit und Staats­bür­ger­schaft vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt selbst als ver­fas­sungs­feind­lich ein­ge­stuft wur­de, sind die Mög­lich­kei­ten der juris­ti­schen Gegen­wehr dage­gen aussichtslos.

Ein von der Poli­tik ein­ge­setz­ter Behör­den­chef kann daher mit frag­wür­di­gen Behaup­tun­gen und »wis­sen­schaft­li­cher« Ein­schät­zung von poli­ti­schen Geg­nern – und das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf­grund eige­ner Inter­pre­ta­tio­nen – eine Ein­stu­fung als ver­fas­sungs­feind­lich vor­neh­men, die wie­der­um die Vor­aus­set­zung für ein Ver­bot dar­stellt – ein prak­ti­sches Sys­tem, das ein enor­mes repres­si­ves Poten­ti­al hat und sehr miß­brauchs­an­fäl­lig ist. Und ein Sys­tem, das pra­xis­er­probt ist: In der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik war eine ein­zi­ge Kla­ge gegen ein Ver­eins­ver­bot von rechts erfolg­reich. Der »Bund für Got­ter­kennt­nis« wur­de 1961 ver­bo­ten, und sel­bi­ges wur­de erst 1973 auf­ge­ho­ben, weil zum dama­li­gen Zeit­punkt kei­ne reli­giö­sen Ver­ei­ni­gun­gen durch das Ver­eins­ge­setz ver­bo­ten wer­den konn­ten. Mitt­ler­wei­le ist auch das normiert.

Die gesetz­li­che Nor­mie­rung und die prak­ti­sche Anwen­dung von Ver­eins­ge­setz und Ver­eins­ver­bot schei­nen aber in der Oppo­si­ti­on wei­test­ge­hend unbe­kannt zu sein. Auch ande­re rech­te Juris­ten geben zum Teil fal­sche Stel­lung­nah­men ab. Bei­spiel­haft soll hier ein Bei­trag des AfD-Poli­ti­kers Dr. Maxi­mi­li­an Krah für die Sezes­si­on zitiert werden:

Das mag man sich aus fol­gen­der Par­al­lel­über­le­gung noch­mals ver­deut­li­chen: Wenn Jür­gen Elsäs­ser das Maga­zin als Ein­zel­un­ter­neh­mer her­aus­ge­ge­ben hät­te, dann könn­te man nach Fae­sers Auf­fas­sung nichts tun, sobald er es aber über eine Kapi­tal­ge­sell­schaft ver­treibt, soll es durch ein­fa­chen Bescheid ver­bo­ten wer­den kön­nen – daß das Aus­maß der Pres­se­frei­heit an der Rechts­form des Ver­le­gers lie­gen soll, ist eine ersicht­lich absur­de Rechtsauffassung.

Die­se Rechts­la­ge ist über­haupt nicht »ersicht­lich absurd«, son­dern durch­zieht logisch die gesam­te Rechts­ord­nung. Eine Ein­zel­per­son kann Ter­ror­ak­te bege­hen – eine ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gung im Sin­ne des § 129a StGB ist jedoch erst ab drei Per­so­nen mög­lich. Ein Indi­vi­du­um kann eine lan­ge Rei­he von Straf­ta­ten bege­hen – eine kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung im Sin­ne des § 129 StGB benö­tigt min­des­tens drei Mit­glie­der. Man kann sogar allei­ne oder zu zweit mit Fah­nen und Paro­len durch die Innen­stadt gehen – der Ver­samm­lungs­be­griff des Ver­samm­lungs­rechts läßt eine Ver­samm­lung erst ab drei Per­so­nen zu.

Es ist nach jeder Inter­pre­ta­ti­on logisch und kon­se­quent, daß auch ein Ein­zel­un­ter­neh­men kei­ne »Mehr­heit natür­li­cher oder juris­ti­scher Per­so­nen« (§ 2 I Ver­einsG) dar­stel­len kann, eine Per­so­nen­ge­sell­schaft hin­ge­gen schon. Im übri­gen braucht eine Ver­ei­ni­gung im Sin­ne des Ver­eins­ge­set­zes genau­so­we­nig einen Namen, eine Sat­zung oder eine Rechts­form, wie ja auch eine kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung (§ 129 StGB) kei­nen Namen, Sat­zung oder Ein­tra­gung in das Ver­eins­re­gis­ter braucht. Es wird nicht auf einen for­mel­len Ver­eins­be­griff, son­dern auf eine tat­säch­li­che, orga­ni­sier­te Per­so­nen­mehr­heit abge­stellt. Auch ein Ein­zel­un­ter­neh­men kann dem­nach ver­bo­ten wer­den, wenn es aus­rei­chend Per­so­nen vor­weist, die es zu einer ent­spre­chen­den Ver­ei­ni­gung machen.

Sinn und Zweck der Nor­men spre­chen eben­so dafür, daß eine Ver­ei­ni­gung für das ver­bo­ten wer­den kann, was einer Ein­zel­per­son erlaubt ist. Der Straf­tat­be­stand der kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung zielt bei­spiels­wei­se dar­auf, die grö­ße­re Gefähr­lich­keit, Poten­tia­le und Grup­pen­dy­na­mi­ken einer sol­chen Ver­ei­ni­gung gegen­über dem Agie­ren von Ein­zel­per­so­nen zu bekämp­fen. Ein Ein­zel­un­ter­neh­men einer Per­son oder ein belie­bi­ger Zusam­men­schluß von zwei Per­so­nen kann zwar tat­säch­lich nicht ver­bo­ten wer­den, ist jedoch in sei­ner Effek­ti­vi­tät und damit Gefähr­lich­keit auch sehr begrenzt. Zwangs­läu­fig benö­tigt man aber ab einer gewis­sen Grö­ße, Reich­wei­te und Pro­fes­sio­na­li­tät mehr Mit­wir­ken­de – und ist damit angreif­bar im Sin­ne des Vereinsrechts.

Feh­len­de Verhältnismäßigkeitserfordernis

Wo sonst bei jedem noch so lapi­da­ren Ver­wal­tungs­akt eine Ange­mes­sen­heits­prü­fung vor­ge­nom­men wird, ob die ein­ge­setz­ten Mit­tel nicht unver­hält­nis­mä­ßig sind, ist gera­de das Ver­eins­ver­bot als einer der schwers­ten Ein­grif­fe über­haupt auf­grund sei­ner ver­fas­sungs­recht­li­chen Imple­men­tie­rung davon aus­ge­nom­men. Oder, wie es recht­lich tat­säch­lich zutref­fend in der Ver­bots­ver­fü­gung heißt:

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts sind Erwä­gun­gen der Ver­bots­be­hör­de zur Ver­hält­nis­mä­ßig­keit eines Ver­bots auf der Rechts­fol­gen­sei­te des § 1 S. 1 Ver­einsG auf­grund der durch Arti­kel 9 II GG vor­ge­ge­be­nen Struk­tur des Ver­eins­ver­bots grund­sätz­lich aus­ge­schlos­sen. Den Anfor­de­run­gen des ver­fas­sungs­recht­li­chen Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes ist statt des­sen – wie auch hier erfolgt – auf der Tat­be­stands­sei­te der Norm bei der Prü­fung Rech­nung zu tra­gen, ob die Vor­aus­set­zun­gen eines Ver­bots­grun­des vorliegen.

Zwar wird, gewis­ser­ma­ßen als Ersatz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, eine »aggres­siv-kämp­fe­ri­sche« Ableh­nung der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung benö­tigt. Dafür benö­tigt es aber kei­ne Gewalt, eine »aggres­si­ve« Pro­pa­gan­da bzw.
Hal­tung reicht dafür bereits völ­lig aus. Was aber »aggres­siv« ist, liegt im Auge des staat­li­chen Betrach­ters. In die­sem ist der »aggres­siv-kämp­fe­ri­sche« Aspekt bei Com­pact unzwei­fel­haft gege­ben, wobei die Beweis­wür­di­gung für eine sol­che Aus­le­gung tat­säch­lich ein­fach fällt, da Elsäs­ser und Co. sich immer wie­der ent­spre­chend über den Sturz der Regie­rung, des Regimes oder des Sys­tems geäu­ßert haben.

Die Fra­ge des Schutz­be­reichs – in dei­ne Rech­te kann ein­ge­grif­fen werden

»Aber die Pres­se­frei­heit«, kann man vie­ler­orts hören. Tat­säch­lich wur­de zum ersten­mal in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik ein Maga­zin als Ver­ei­ni­gung ver­bo­ten, auch wenn schon Inter­net­sei­ten und min­des­tens ein kur­di­scher Buch­ver­lag (wenn auch teils mit ande­rer recht­li­cher Begrün­dung) ver­bo­ten wur­den. Den­noch gibt es bis­lang kei­ne Recht­spre­chung dazu, und auch die wis­sen­schaft­li­chen Bei­trä­ge sind begrenzt. Bei der Aus­le­gung der Nor­men und der Inter­pre­ta­ti­on der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung kommt der Ver­fas­ser den­noch zu der Ansicht, daß das Ver­bot Bestand haben wird. Doch der Rei­he nach:

Jeder hat das Recht, sei­ne Mei­nung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten und sich aus all­ge­mein zugäng­li­chen Quel­len unge­hin­dert zu unter­rich­ten. Die Pres­se­frei­heit und die Frei­heit der Bericht­erstat­tung durch Rund­funk und Film wer­den gewähr­leis­tet. Eine Zen­sur fin­det nicht statt

heißt es in Art. 5 I GG. Rich­tig – aber in Art. 5 II GG heißt es auch:

Die­se Rech­te fin­den ihre Schran­ken in den Vor­schrif­ten der all­ge­mei­nen Geset­ze, den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen zum Schut­ze der Jugend und in dem Recht der per­sön­li­chen Ehre.

Die Pres­se­frei­heit fin­det damit ihre Gren­zen in den all­ge­mei­nen Geset­zen, wozu auch das Ver­eins­recht und selbst­ver­ständ­lich Art. 9 II GG gehö­ren. Schon die Pflicht, einen Ver­ant­wort­li­chen im Sin­ne des Pres­se­ge­set­zes (V.i.S.d.P.) auf­zu­wei­sen, ist ein Ein­griff in die Pres­se­frei­heit – aber ein lega­ler und begrün­det durch ein­fa­ches Gesetz. Wenn also Dr. Krah die – viel­fach auf­ge­kom­me­ne – Mei­nung ver­tritt, Pres­se­recht sei Län­der­sa­che, des­we­gen kön­ne das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um kein Maga­zin ver­bie­ten (»Der juris­ti­sche Befund ist ein­deu­tig. Das Ver­bot einer Zeit­schrift ist der Regie­rung, zumal der Bun­des­re­gie­rung, nicht erlaubt. Das beginnt schon ganz for­mal damit, daß nach der Kom­pe­tenz­ver­tei­lung zwi­schen Bund und Län­dern das Pres­se­recht Län­der­sa­che ist«), so fin­det die­se Behaup­tung kei­ne Stüt­ze im Geset­zes­text (etwa: »Die­se Rech­te fin­den ihre Schran­ken in den Vor­schrif­ten des Presserechts«).

Das Ver­eins­ge­setz stellt ein all­ge­mei­nes Gesetz dar, und das Pres­se­recht steht auf einer Norm­hier­ar­chie­stu­fe wie das Ver­eins­ge­setz, es ist daher genau­so zur Ein­schrän­kung der Pres­se­frei­heit geeig­net. Daß der Bun­des­exe­ku­ti­ve zudem die Hän­de gebun­den sei­en, weil die Län­der die Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz hät­ten, stimmt nicht. Auch die Vor­stel­lung, daß gegen Pres­se­or­ga­ne nur auf­grund des Pres­se­ge­set­zes ein­ge­grif­fen wird, ist falsch. Der Grund­satz lex spe­cia­lis dero­gat legi gene­ra­lis gilt hier nicht, da das Bun­des­recht dem Lan­des­recht vor­geht und der Bund beim Ver­eins­ge­setz von sei­ner kon­kur­rie­ren­den Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz nach Art. 74 I Nr. 3 GG Gebrauch gemacht hat. Bei einer ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung behal­ten die Län­der zwar das inhalts­be­zo­ge­ne Medi­en­recht, ein Ver­eins­ver­bot durch das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um bleibt davon aber unbe­rührt. Das ist auch in der Recht­spre­chung anerkannt:

Das Ver­eins­recht ist hier anwend­bar, weil es auch Orga­ni­sa­tio­nen erfaßt, deren Zweck Pres­se­tä­tig­keit i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist

und

eine Anwen­dung des Ver­eins­ge­set­zes aus Grün­den der Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz oder eines
Vor­rangs medi­en­recht­li­cher Ein­griffs­be­fug­nis­se [erweist sich] als [nicht] aus­ge­schlos­sen (BVerwG 6 A 1.19, Urteil vom 29. Janu­ar 2020).

Auch in einem wei­te­ren Punkt irrt Dr. Krah in sei­nem Beitrag:

»Die Pres­se­frei­heit des Arti­kels 5 Grund­ge­setz kennt kei­ne Ver­pflich­tung zur Ver­fas­sungs­treue. Allein das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt darf zum Schutz der Ver­fas­sungs­ord­nung die Ver­wir­kung von Grund­rech­ten, ein­schließ­lich der Pres­se­frei­heit, anord­nen (Arti­kel 18).«

Das Ver­bot von Com­pact stellt kei­ne Ver­wir­kung des Grund­rechts nach Art. 18 GG dar, sowohl Elsäs­ser als auch alle ande­ren Betrof­fe­nen kön­nen sofort wei­ter ihre Mei­nung kund­tun (was sie ja auch unge­hin­dert bereits machen), als Jour­na­lis­ten arbei­ten und theo­re­tisch sogar sofort ein neu­es Maga­zin grün­den. Theo­re­tisch des­halb, weil die Grün­dung eines Nach­fol­ge­ver­eins bzw. eine Wei­ter­füh­rung des Ver­eins straf­recht­lich ver­bo­ten ist. In der glei­chen Zusam­men­set­zung ein neu­es Maga­zin grün­den und den bis­he­ri­gen Jour­na­lis­mus wei­ter­be­trei­ben hie­ße, selbst die Tin­te unter die Ankla­ge zu set­zen. Eine neue Maga­zin­grün­dung unter Wah­rung des Straf­rechts wäre jedoch grund­sätz­lich mög­lich. Alle sind noch Inha­ber des Grund­rechts, und es wur­de in die­ses ein­ge­grif­fen. Dies stellt jedoch noch kei­ne Ver­wir­kung im Sin­ne des Art. 18 GG dar – eine Haft­stra­fe bedeu­tet ja auch kei­ne Ver­wir­kung des Grund­rechts auf Frei­heit aus Art. 2 I GG, son­dern nur einen Ein­griff in dieses.

Die Inter­pre­ta­ti­on der Ver­fas­sung – das Grund­ge­setz als repres­si­ve Ordnung

Nach der Inter­pre­ta­ti­on des Ver­fas­sers darf ein Ver­bot sehr wohl auf Mei­nungs­äu­ße­run­gen und Pres­se­tä­tig­kei­ten gestützt wer­den, die den Schutz des Art. 5 I S. 1 und 2 GG genie­ßen, wenn sich die­se aggres­siv-kämp­fe­risch gegen die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung rich­ten – was Com­pact unter­stellt wird. Dafür spricht auch eine (ent­spre­chen­de) Inter­pre­ta­ti­on des Grund­ge­set­zes. Bei der Inter­pre­ta­ti­on von Ver­fas­sungs­recht sind nicht nur die all­ge­mei­nen juris­ti­schen Inter­pre­ta­ti­ons­tech­ni­ken anzu­wen­den, was anschei­nend kaum einer der sich zu Wort mel­den­den Juris­ten bis­lang beach­tet hat. Hin­zu kom­men das Prin­zip der prak­ti­schen Kon­kor­danz, das der Ein­heit­lich­keit der Ver­fas­sung sowie die Effek­ti­vi­tät des Rechts und sei­nes Voll­zugs. Sie alle spre­chen für eine Lega­li­tät des Ver­bots, wenn man das Grund­ge­setz ent­spre­chend inter­pre­tie­ren will:

Das Prin­zip der Kon­kor­danz besagt eine am Gemein­wohl ori­en­tier­te Lösung ein­an­der wider­spre­chen­der Ver­fas­sungs­rech­te und ‑nor­men. Hier das Recht auf Pres­se­frei­heit nach Art. 5 I GG des Com­pact-Maga­zins und das sich unmit­tel­bar aus der Ver­fas­sung erge­ben­de Ver­bot ver­fas­sungs­feind­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen aus Art. 9 II GG – das Gemein­wohl ist hier natür­lich im Sin­ne des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums als Abwehr von Ver­fas­sungs­fein­den inter­pre­tier­bar. So wird es auch in der Ver­bots­ver­fü­gung getan:

Wie sich aus den in Art. 5 II GG fest­ge­leg­ten Schran­ken und einer Abwä­gung mit den ver­fas­sungs­recht­li­chen Ver­bots­tat­be­stän­den des Art. 9 II GG ergibt, haben Meinungs‑, Pres­se- und Rund­funk­frei­heit dort zurück­zu­tre­ten, wo sie aus­schließ­lich der Ver­wirk­li­chung ver­bots­wid­ri­ger Ver­eins­zwe­cke die­nen. […] Als Ergeb­nis der Güter­ab­wä­gung müs­sen Meinungs‑, Presse‑, und Rund­funk­frei­heit folg­lich hin­ter dem mit dem Ver­eins­ver­bot ver­folg­ten Ziel – dro­hen­den Gefähr­dun­gen des Staa­tes, sei­nes Bestan­des und sei­ner Grund­ord­nung, die aus ver­fas­sungs­wid­ri­gen Bestre­bun­gen erwach­sen kön­nen, wirk­sam ent­ge­gen­zu­wir­ken – zur Wah­rung der durch Arti­kel 9 II GG ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­ten, über­ra­gend wich­ti­gen Rechts­gü­ter zurückstehen.

In bezug auf die­se Kon­kor­danz gibt es mit der soge­nann­ten Mut­zen­ba­cher-Ent­schei­dung hin­sicht­lich der Kol­li­si­on von Jugend­schutz und Kunst­frei­heit fol­gen­de Aussage:

Gerät die Kunst­frei­heit mit einem ande­ren Recht von Ver­fas­sungs­rang in Wider­streit, müs­sen viel­mehr bei­de mit dem Ziel der Opti­mie­rung zu einem ange­mes­se­nen Aus­gleich gebracht wer­den. Dabei kommt dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit beson­de­re Bedeu­tung zu […]. Bei Her­stel­lung der gefor­der­ten Kon­kor­danz ist daher zu beach­ten, daß die Kunst­frei­heit Aus­übung und Gel­tungs­be­reich des kon­kur­rie­ren­den Ver­fas­sungs­rechts­gu­tes ihrer­seits Schran­ken zieht (vgl. BVerfGE 77, 240 [253]). All die­ser­for­dert eine Abwä­gung der wider­strei­ten­den Belan­ge und ver­bie­tet es, einem davon gene­rell – und sei es auch nur für eine bestimm­te Art von Schrif­ten – Vor­rang ein­zu­räu­men (BVerfGE 83, 130, 143).

Zwar ver­bie­tet sich eine gene­rel­le Bevor­zu­gung eines der bei­den wider­strei­ten­den Rech­te, eine kla­re Ent­schei­dung für eines davon nach einer ent­spre­chen­den Abwä­gung ist den­noch mög­lich. Die Abwä­gung zwi­schen Schutz der ver­fas­sungs­recht­li­chen Ord­nung und Pres­se­frei­heit wird hier, so die Pro­gno­se, zuun­guns­ten von Com­pact aus­fal­len. Auch die Ein­heit­lich­keit der Ver­fas­sung spricht für das Ver­bot, zumin­dest, wenn man das Grund­ge­setz – wie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner berühm­ten Wun­sie­del-Ent­schei­dung – als Gegen­ent­wurf zum Natio­nal­so­zia­lis­mus sieht, der auch Son­der­ge­set­ze gegen »rechts­extre­me« Mei­nun­gen erlaubt:

Das Grund­ge­setz kann weit­hin gera­de­zu als Gegen­ent­wurf zu dem Tota­li­ta­ris­mus des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regimes gedeu­tet wer­den und ist von sei­nem Auf­bau bis in vie­le Details hin dar­auf aus­ge­rich­tet, aus den geschicht­li­chen Erfah­run­gen zu ler­nen und eine Wie­der­ho­lung sol­chen Unrechts ein für alle­mal aus­zu­schlie­ßen. Die end­gül­ti­ge Über­win­dung der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Struk­tu­ren und die Ver­hin­de­rung des Wie­der­erstar­kens eines tota­li­tär natio­na­lis­ti­schen Deutsch­lands war [sic!] schon für die Wie­der­errich­tung deut­scher Staat­lich­keit durch die Alli­ier­ten ein maß­geb­li­cher Beweg­grund und bil­de­te – wie etwa die Atlan­tik-Char­ta vom 14. August 1941, das Pots­da­mer Abkom­men vom 2. August 1945 und das Kon­troll­rats­ge­setz Nr. 2 zur Auf­lö­sung und Liqui­die­rung der Nazi­or­ga­ni­sa­tio­nen vom 10. Okto­ber 1945 zei­gen – eine wesent­li­che gedank­li­che Grund­la­ge für die Frank­fur­ter Doku­men­te vom 1. Juli 1948, in denen die Mili­tär­gou­ver­neu­re die Minis­ter­prä­si­den­ten aus ihren Besat­zungs­zo­nen mit der Schaf­fung einer neu­en Ver­fas­sung beauf­trag­ten. (BVerfG, Beschluß des Ers­ten Senats vom 4. Novem­ber 2009)

Nicht zuletzt spricht auch die Effek­ti­vi­tät der Rechts­durch­set­zung für ein Ver­bot, denn der Effek­ti­vi­tät im Kampf gegen »Haß und Het­ze« wären gro­ße Gren­zen gesetzt, wenn man eine klei­ne Jugend­grup­pe ver­bie­ten kann, die Flug­blät­ter ver­teilt, aber bei­spiels­wei­se kein ver­fas­sungs­feind­li­ches Maga­zin, das eine Mil­lio­nen­auf­la­ge erreicht. Auch dies ist unter der Beru­fung auf eine Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts­ent­schei­dung in der Ver­bots­ver­fü­gung impliziert:

Dem Ver­eins­ver­bot ste­hen die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­grund­rech­te der Meinungs‑, Pres­se- und Rund­funk­frei­heit nach Art. 5 I GG nicht ent­ge­gen. Wie sich aus den in Art. 5 II GG fest­ge­leg­ten Schran­ken und einer Abwä­gung mit den ver­fas­sungs­recht­li­chen Ver­bots­tat­be­stän­den des Art. 9 II GG ergibt, haben Meinungs‑, Pres­se- und Rund­funk­frei­heit dort zurück­zu­tre­ten, wo sie aus­schließ­lich der Ver­wirk­li­chung ver­bots­wid­ri­ger Ver­eins­zwe­cke dienen.

Eine ent­spre­chen­de Inter­pre­ta­ti­on des Grund­ge­set­zes nach den hier genann­ten Maxi­men wäre nichts Neu­es. Denn mit dem Aus­bau der staat­li­chen Struk­tu­ren erfolg­te in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten eine Umin­ter­pre­ta­ti­on des Grund­ge­set­zes, von einem anti­to­ta­li­tä­ren Grund­kon­sens zu einem anti­fa­schis­ti­schen. Ver­fas­sun­gen sind regel­mä­ßig durch ihre Abs­trakt­heit und damit durch ihre Inter­pre­tier­bar­keit, aber auch Inter­pre­ta­ti­ons­not­wen­dig­keit geprägt. Dies wird vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auch flei­ßig getan, lei­der nur gegen die Opposition.

Daß es etwa gegen die Men­schen­wür­de aus Art. 1 GG ver­stößt, eine Unter­schei­dung zwi­schen eth­no­kul­tu­rel­ler Volks­zu­ge­hö­rig­keit und Staats­an­ge­hö­rig­keit vor­zu­neh­men, ist rei­ne Inter­pre­ta­ti­on des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts; nicht anders sieht es mit der Vor­stel­lung aus, das Grund­ge­setz ver­pflich­te zum Kli­ma­schutz. Die Hüter der Ver­fas­sung sind längst zu Wah­rern der gesell­schaft­li­chen Hege­mo­nie des herr­schen­den Appa­rats gewor­den. Eine Ände­rung des Grund­ge­set­zes ist für einen noch schär­fe­ren Kampf gegen die Oppo­si­ti­on daher in der Regel gar nicht not­wen­dig, es reicht oft­mals die Ände­rung der Inter­pre­ta­ti­on. Auch dies erfolgt nicht erst seit dem zwei­ten NPD-Ver­bots­pro­zeß; wie dar­ge­stellt hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bereits 2009 eine Berech­ti­gung zu Son­der­ge­set­zen gegen »rechts­extre­me« Mei­nun­gen in die Mei­nungs­frei­heit hineininterpretiert.

Zuletzt darf man auch einen wei­te­ren Aspekt nicht unbe­rück­sich­tigt las­sen: Ein repres­si­ver Cha­rak­ter ist dem Grund­ge­setz imma­nent und drückt sich seit Jahr­zehn­ten aus. Denn das Grund­ge­setz stellt nicht nur eine Wert­ord­nung dar, es erhebt den Anspruch auf Ewig­keit (»Ewig­keits­klau­sel« des Art. 79 III GG) und auf Selbst­er­hal­tung, wie sich in den ver­schie­de­nen repres­si­ven Mög­lich­kei­ten wie Par­tei­ver­bo­ten zeigt. Die Anwen­dung der Repres­si­on hängt daher maß­geb­lich von der Freund-Feind-Unter­schei­dung ab: Wer ist Ver­fas­sungs­feind und wer nicht? Es ist damit, wie so oft, am Ende kei­ne Fra­ge des Rechts, son­dern des Poli­ti­schen. Wel­che Mög­lich­kei­ten ein weit inter­pre­tier­ba­res Nor­men­ge­fü­ge mit Abso­lut­heits- und Selbst­er­hal­tungs­an­spruch gegen die von ihm aus­ge­mach­ten Fein­de beinhal­tet, wer­den wir vor­aus­sicht­lich in den nächs­ten Jah­ren sehen.

Die Aus­wei­tung des Apparats

Aus all die­sen Grün­den wird nach Ein­schät­zung des Ver­fas­sers das Ver­bot einer gericht­li­chen Prü­fung stand­hal­ten. Eine Betrach­tung der Repres­si­on wäre aber unvoll­stän­dig, wür­de man sich nur auf eine Geset­zes­aus­le­gung redu­zie­ren. Denn die logi­sche Kon­se­quenz in den nun­mehr sie­ben Jahr­zehn­ten der Bun­des­re­pu­blik war ein kon­ti­nu­ier­li­cher Aus­bau des bereits bei ihrer Grün­dung auf­ge­bau­ten Repres­si­ons­ap­pa­rats. Das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz etwa hat­te 1950 noch 83 Mit­ar­bei­ter, 1960 immer­hin schon 501, 1990 2435 und 2023 mehr als 4400.

Nicht alle wen­den sich gegen die poli­ti­sche Oppo­si­ti­on, gewiß, das Amt ist bei­spiels­wei­se auch zustän­dig für den Bereich der Spio­na­ge­ab­wehr. Und doch kann ange­nom­men wer­den, daß sich ein Groß­teil der Mit­ar­bei­ter der poli­ti­schen Oppo­si­ti­on wid­met, allein schon, weil heut­zu­ta­ge sicher­lich nicht mehr Spio­na­ge­ab­wehr zu leis­ten ist als in den Hoch­zei­ten des Kal­ten Krie­ges mit der Staats­si­cher­heit und dem KGB direkt auf der ande­ren Vor­hang­sei­te. Hin­zu kommt ein gan­zes Geflecht an unter­schied­li­chen Stel­len. Da sind die Staats­schutz­ab­tei­lun­gen, also die Kri­mi­nal­be­am­ten für poli­ti­sche Kri­mi­na­li­tät, und natür­lich die Lan­des­ver­fas­sungs­schutz­äm­ter, und auch der MAD sam­melt, wie spä­tes­tens aus der Affä­re um den heu­ti­gen Thü­rin­ger Minis­ter­prä­si­den­ten Bodo Rame­low bekannt ist, über so man­chen poli­ti­schen Akti­vis­ten Daten. LKA und BKA haben eben­falls Abtei­lun­gen für Staats­schutz­de­lik­te, und da dies nicht aus­reicht, haben ver­schie­de­ne Bun­des­län­der noch Son­der­kom­mis­sio­nen. Es gibt »Task Forces« gegen »Het­ze im Netz«, »Son­der­kom­mis­sio­nen Rechts­extre­mis­mus«, eine bun­des­wei­te »Neo­na­zi­da­tei« und vie­les mehr. Allein das LKA Sach­sen unter­hält ein »Poli­zei­li­ches Ter­ro­ris­mus- und Extre­mis­mus-Abwehr­zen­trum« mit 240 Mitarbeitern.

Es ist wohl nicht zu hoch gegrif­fen, wenn man schätzt, daß mehr als 10 000 Geheim­dienst­mit­ar­bei­ter und Poli­zis­ten in Deutsch­land in Repres­si­ons­be­hör­den arbei­ten: aus­ge­bil­de­te Geheim­dienst­mit­ar­bei­ter, Juris­ten und Kri­mi­nal­po­li­zis­ten, deren beruf­li­cher Auf­trag im wesent­li­chen der »Kampf gegen rechts« ist. Nicht weni­ge davon sind mitt­ler­wei­le poli­ti­sche Über­zeu­gungs­tä­ter und haben sich als sol­che gezielt für die­se Behör­den bewor­ben, von nach poli­ti­schen Kri­te­ri­en aus­ge­wähl­ten Behör­den­lei­tern ganz zu schwei­gen. Jeden Tag wer­den Zehn­tau­sen­de Arbeits­stun­den dafür auf­ge­bracht, die Oppo­si­ti­on aus­zu­leuch­ten, abzu­hö­ren und zu bekämp­fen. Über Repres­si­on zu spre­chen heißt zunächst ein­mal, sich das Aus­maß des dahin­ter­ste­hen­den Appa­rats bewußt zu machen. Ein Appa­rat mit jahr­zehn­te­lan­ger Übung.

Denn das Com­pact-Ver­bot kommt für all jene, die nicht erst 2015 ff. ange­fan­gen haben, Deutsch­land zu lie­ben, nicht über­ra­schend. Die Repres­si­on rich­te­te sich davor vor allem gegen die revo­lu­tio­nä­re Rech­te, die frei­lich iso­liert war, wes­we­gen selbst vie­le heu­te füh­ren­de Oppo­si­tio­nel­le anschei­nend nichts von die­ser Repres­si­on wis­sen. Eine drei­stel­li­ge Zahl von Ver­eins­ver­bo­ten, das Erfin­den von Ver­ei­ni­gun­gen, die es nie gab – um sie dann zu ver­bie­ten oder als kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung anzu­kla­gen –, Abhör­maß­nah­men, Aus­rei­se­ver­bo­te, V‑Mann-Skan­da­le und vie­les mehr: Die Geschich­te der Repres­si­on in der BRD ist lang. Natür­lich erstreckt sich die Repres­si­on dabei nicht nur auf Ver­eins­ver­bo­te: Allein nach dem Extre­mis­ten­be­schluß im Jahr 1972 kamen mehr als 1000 Per­so­nen nicht in den öffent­li­chen Dienst, unbe­kannt sind wei­te­re Zah­len wie die der poli­ti­schen Straf­pro­zes­se, V‑Mann-Skan­da­le, Aus­rei­se­ver­bo­te und aller wei­te­ren Mit­tel des Staa­tes. Die Pra­xis ist jeden­falls erprobt, seit Jahr­zehn­ten und in Tau­sen­den Fällen.

Was daher in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erfolg­te, ist kei­ne neue Erfin­dung, es ist nur die Aus­wei­tung der seit Jahr­zehn­ten bestehen­den Repres­si­on auf einen weit grö­ße­ren Kreis. Für eine noch grö­ße­re Aus­wei­tung in den nächs­ten Jah­ren ist alles vor­han­den: Die recht­li­chen Grund­la­gen einer poten­ti­ell repres­si­ven Ord­nung sind gege­ben, und es steht ein umfas­sen­der, stets grö­ßer wer­den­der Behör­den­ap­pa­rat für die Durch­set­zung die­ser parat – vom poli­ti­schen Wil­len ganz zu schwei­gen. Das Com­pact-Ver­bot ist daher nur als ein wei­te­rer Schritt in der Aus­wei­tung der Repres­si­on zu sehen, wei­te­re wer­den vor­aus­sicht­lich fol­gen. Wer sich heu­te in der Oppo­si­ti­on befin­det, muß die­sem Fak­tum Rech­nung tragen.

Legal – aber nicht legitim

»Der juris­ti­sche Befund ist ein­deu­tig« – hier ist Dr. Krah zuzu­stim­men, lei­der aber in einem ent­ge­gen­ge­setz­ten Ergeb­nis zu dem, was er ver­tritt. Vie­le Reak­tio­nen, ins­be­son­de­re des rech­ten Spek­trums, schei­nen scho­ckier­ter Art zu sein. Scho­ckiert kann aber nur der sein, der sich weder mit der tat­säch­li­chen Repres­si­on noch mit ihren recht­li­chen Grund­la­gen aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Das Com­pact-Ver­bot hat dahin­ge­hend auch etwas Gutes – es zeigt einem Mil­lio­nen­pu­bli­kum, was an Repres­si­on in die­sem Staat mög­lich ist. Die rich­ti­ge Schluß­fol­ge­rung muß spä­tes­tens jetzt sein, sich aus­führ­lich und vor allem auch juris­tisch kor­rekt mit der Repres­si­on in der BRD und ihren gesetz­li­chen Grund­la­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Ein Aspekt, der bis­lang offen­sicht­lich sträf­lich ver­nach­läs­sigt wur­de. Hin­sicht­lich des Jubels von links und von dort erho­be­nen For­de­run­gen nach einer Aus­wei­tung der Repres­si­on sei nur ange­merkt, daß ein ande­res Orches­ter auf der Kla­via­tur des Behör­den­ap­pa­rats auch ganz ande­re Melo­dien spie­len kann als die links­li­be­ra­le Begleit­mu­sik der staat­li­chen Repres­si­on der ver­gan­ge­nen Jahrzehnte.

Daß das Ver­bot legal ist, heißt aber nicht, daß es auch legi­tim ist. Lega­li­tät und Legi­ti­mi­tät sind, wie schon der deut­sche Staats­recht­ler Carl Schmitt aus­führ­lich in sei­ner gleich­na­mi­gen Schrift dar­leg­te, zwei ver­schie­de­ne Aspek­te. Legal ist die durch Nor­men und Geset­ze begrün­de­te staat­li­che Macht­aus­übung. Im Sys­tem einer lücken­los geschlos­se­nen Lega­li­tät liegt das Ide­al des Libe­ra­lis­mus. Der deut­sche Staats- und Ver­fas­sungs­recht­ler Rudolf Smend erklär­te schon vor rund hun­dert Jah­ren zutref­fend, daß

der Libe­ra­lis­mus und der auf ihm beru­hen­de Par­la­men­ta­ris­mus […] kein beson­de­res Pathos [hät­ten], kei­nen ›Wert­gel­tungs­an­spruch‹ und daher auch kei­ne ›ihm eigen­tüm­li­che legi­ti­mie­ren­de Kraft‹, er habe auch gar nicht das Bedürf­nis, sich um irgend­wel­che ent­spre­chen­de Legi­ti­mie­rung zu bemühen.

Die­sem Gebil­de bleibt daher gar nichts ande­res als das Klam­mern an die Lega­li­tät. Ein Sys­tem lücken­lo­ser Lega­li­tät, also der Ablei­tung jeder Norm von einer ande­ren Norm, läßt sich jedoch nicht errei­chen – es kenn­zeich­net eine Ver­fas­sung gera­de, daß sie sich als ein­zi­ge Norm nicht von ande­ren Nor­men ablei­tet und gewis­ser­ma­ßen frei für sich steht. Sie kann sich auf über­po­si­ti­ves Recht beru­fen, sie kann sich durch reli­giö­se Bezü­ge oder durch die Geschich­te, durch eine Revo­lu­ti­on und den Volks­wil­len legi­ti­mie­ren, sie muß es aber nicht.

Das Grund­ge­setz etwa nimmt kei­ne ent­spre­chen­de Legi­ti­mi­tät in Anspruch, höchs­tens die als Mani­fes­ta­ti­on der Leh­ren aus der Wei­ma­rer Repu­blik. Es braucht auch kei­ne, denn die Lega­li­tät des Libe­ra­lis­mus ver­folgt im Gegen­teil den Sinn und die Auf­ga­be, jede Form von Legi­ti­mi­tät und vor­kon­sti­tu­tio­nel­ler Auto­ri­tät über­flüs­sig zu machen und ihre Bedeu­tung zu ver­nei­nen. Nach Jahr­zehn­ten sind wir an dem Punkt ange­langt, an dem nicht nur die Bedeu­tung vor­kon­sti­tu­tio­nel­ler Aspek­te wie der eth­no­kul­tu­rel­len Iden­ti­tät des deut­schen Vol­kes ver­neint wird, son­dern sogar deren Exis­tenz. Kon­se­quent zu Ende ent­wi­ckelt, haben wir eine Ord­nung, die Abso­lut­heits- und Ewig­keits­an­spruch hat und Repres­si­on gegen jeden, der als Feind die­ser Ord­nung defi­niert wird, aus sich selbst her­aus begrün­det und sogar dik­tiert. All dies legal und auf­grund der Legalität.

Die Legi­ti­mi­tät wie­der­um kommt auch ohne Norm aus, da ihre Prin­zi­pi­en über dem posi­ti­ven Recht ste­hen. Es gibt damit lega­le Hand­lun­gen, die nicht legi­tim sind, genau­so wie es legi­ti­me Hand­lun­gen geben kann, die nicht legal sind. Der Wider­stand gegen die Unter­drü­ckung in der DDR war genau­so ille­gal wie der gegen das sta­li­nis­ti­sche Sys­tem, dafür aber legi­tim; die jewei­li­ge Unter­drü­ckung aber war legal, nicht jedoch legitim.

Wenn aber ein lega­les Han­deln als nicht mehr legi­tim gewer­tet wird, kommt die Fra­ge nach einer grund­sätz­li­chen Wen­de wie­der lang­fris­tig auf den Tisch der Geschich­te, denn in der Wahr­neh­mung des Vol­kes wird meist ein weit grö­ße­res Gewicht auf die Legi­ti­mi­tät des staat­li­chen Han­delns gelegt als auf die Wah­rung der kleins­ten Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten. Die Fra­ge wird nicht als ein »Auf­stand gegen das Unrecht« oder ähn­li­che romantische

Vor­stel­lun­gen auf­tau­chen, dafür aber mit zuneh­men­der Schlei­fung der Zustim­mung zur bestehen­den Herr­schaft. Denn abs­trak­te Ver­fas­sungs­ju­ris­ten mögen ein rein lega­les Sys­tem ohne Legi­ti­mi­täts­be­zug akzep­tie­ren, das Volk spä­tes­tens im Aus­nah­me­fall nicht mehr. Das Ver­bot von Ver­ei­nen, Zeit­schrif­ten und mit Blick auf die Zukunft sogar von Par­tei­en mag legal sein, genau­so die Über­wa­chung, die Bespit­ze­lung und wei­te­re Repres­si­ons­hand­lun­gen gegen die Oppo­si­ti­on – das Ver­bot von Com­pact wird von erheb­li­chen Tei­len des Vol­kes als nicht mehr legi­tim erach­tet. Was dies lang­fris­tig bewir­ken kann, läßt ein Blick auf die Geschich­te hof­fen. Die Oppo­si­ti­on wie­der­um kann ein gutes Gewis­sen haben, denn ihr Ein­satz für den Erhalt der eth­no­kul­tu­rel­len Iden­ti­tät des deut­schen Vol­kes ist legi­tim. Dem Anwalts­team von Com­pact wird daher trotz der vom Ver­fas­ser als schlecht ein­ge­stuf­ten Erfolgs­aus­sich­ten viel Erfolg gewünscht. Für den Fall des Schei­terns bleibt am ver­wal­tungs­recht­li­chen Grab des Maga­zins nur die Wie­der­ho­lung von Rudi Dutsch­kes berühm­ten Wor­ten: »Der Kampf geht weiter.«

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