Rabenmütter, Zickenkriege

Der Dreiklang Mutter- „Rabenmutter“- Kinderlose taucht seit Jahren immer wieder als heißes Debattenthema in den Großfeuilletons und angebundenen Abteilungen auf.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

An wel­che Zyklen sich die­ser Rhyth­mus hält, ist eher schlei­er­haft. Mal dient als Zünd­fun­ke eine bevor­ste­hen­de Wahl und ent­spre­chen­de fami­li­en­po­li­ti­sche The­men, mal die Ver­öf­fent­li­chung von Gebär­sta­tis­ti­ken und Kinderwunschumfragen.

Meis­tens aber scheint mir bei sol­chen groß­an­ge­leg­ten Kin­der ja/Kinder nein-Auf­sät­zen per­sön­li­che Betrof­fen­heit zugrun­de zu lie­gen. Viel­leicht ist ein Redak­teur grad in Eltern­zeit gegan­gen und schreibt sich was von der See­le; die Autorin hat eben ihr Kind ein­gekrippt oder hat erfah­ren, daß ihre „bio­lo­gi­sche Uhr“ abge­lau­fen ist. Was auch immer – die Kin­der­fra­ge, auch wo es um Kar­rie­re­wün­sche geht, ist nun mal genu­in eine per­sön­li­che, auch wenn Poli­tik und Wirt­schaft drein­re­den wollen.

Im Grun­de sind die Bäl­le längst gewech­selt, alle Argu­men­te und Gegen­ar­gu­men­te auf dem Tisch. Die einen sagen, gewollt Kin­der­lo­se sei­en Ego­is­ten – die ande­ren, daß es eh genug Men­schen gäbe und der Repro­duk­ti­ons­ver­zicht in jeder Hin­sicht ein Gebot der Ver­nunft sei. Die einen sagen, Fami­li­en wür­den benach­tei­ligt, die ande­ren, daß sie mit ihren hohen Steu­ern das Kin­der­geld, die Frei­be­trä­ge, die Schu­len, Spiel­plät­ze etc. der frem­den Brut finanzierten.

Die Trenn­li­nie zwi­schen Lohn­ar­beits- und Haus­müt­tern ist ähn­lich harsch und reich­lich oft beschrit­ten. Der berüch­tig­te Müt­ter­krieg halt: Die außer­häu­sig Beschäf­tig­ten rekla­mie­ren Selbst­be­stim­mung und gesell­schaft­lich- wirt­schaft­li­ches Enga­ge­ment für sich, die Mit­tags­es­sen­ko­che­rin­nen hin­ge­gen den Wert des Ein­fü­gens in eine kind­zen­trier­te, selbst­ge­wähl­te Fremd­be­stimmt­heit – sofern man das eige­ne Kind über­haupt als Fremd­be­stim­mer zäh­len mag.

So geht’s seit einer klei­nen Ewig­keit hin und her. Die Schmäh­wor­te lau­ten wech­sel­wei­se auf „Hedo­nis­ten“, „Kar­rie­ris­ten“, „Heim­chen“, „Mutt­chen“ und der­glei­chen. Inter­es­sant ist in die­sem Zusam­men­hang (der weit­ge­hend ein Zicken­krieg ist – Män­ner for­mu­lie­ren in die­sen Fra­gen mode­ra­ter) auch der unten von Baal Mül­ler erwähn­te taz-Arti­kel. Die Autorin Nico­la Lie­bert schrieb, ihr Zorn über ver­hüll­te Mos­lem­da­men rüh­re daher, daß

das Ver­hül­len von Kör­per und Kopf eine Aus­sa­ge dar­stellt, die ich per­sön­lich neh­me.(…) Sie lau­tet auch: Seht her, ich bin züch­tig und keusch, ich bin kei­ne Schlam­pe!“ Und solch eine Aus­sa­ge beinhal­tet wohl auch ihr Gegen­teil: wer sich nicht so klei­det, ist im Umkehr­schluß wohl nicht züch­tig und nicht keusch.“

Das deut­lich Ande­re (und allein des­sen Sym­bol­wert!) als per­sön­li­chen Angriff auf­fas­sen: Genau das ist der ganz typi­sche Wei­ber­kram, der sich mit glei­chem psy­cho­lo­gi­schem Para­dig­ma auch durch die Kind-Kar­rie­re-Mut­ter­schafts-Debat­te zieht. Eine Kin­der­lo­se hockt in der Bahn neben einer Mut­ter und emp­fin­det alles – jedes gesun­ge­ne Lied, jedes Küß­chen – als gegen sie gerich­te­te Pro­vo­ka­ti­on. Und vice ver­sa: Wenn der Mut­ter nicht auf­for­de­rungs­los zwei, drei, vier Plät­ze geräumt wer­den, schwant ihr Kin­der­feind­lich­keit und ein bewuß­ter Affront. So funk­tio­nie­ren die Befind­lich­kei­ten, Orte und Gele­gen­hei­ten sind aus­tausch­bar. Frau gönnt sich da im Nor­ma­fall nichts  – außer die „gro­ße Kri­se“. Und Müt­ter unter­ein­an­der sind oft nicht besser.

Über den seman­ti­schen Wan­del des eins­ti­gen Schmäh- und heu­ti­gen Trend­worts Raben­mut­ter hat­te ich in mei­nem Gen­der-Büch­lein refe­riert. Die FAZ hat nun eins drauf­ge­legt und eine Serie unter dem (via Inter­punk­ti­on leicht hys­te­risch wir­ken­den) Titel „Raben­müt­ter?!“ gestar­tet, die gleich für vol­le Kom­men­tar- und Leser­brief­spal­ten sorgte.

Vor­ge­zeigt wer­den die Ver­ein­ba­rungs­stra­te­gien hoch­do­tier­ter Aka­de­mi­ke­rin­nen, die ihr Leben zwi­schen Beruf und Fami­lie geschmei­dig zu hand­len ver­ste­hen. Tenor: Eine „gute Mut­ter“ muß heu­te nicht viel Zeit für ihre Kin­dern opfern, was zählt, ist die soge­nann­te qua­li­ty time. Na gut. Wer will, wer meint –!

In der FAZ-online-Aus­ga­be vom Sams­tag wur­de nun eine Dame por­trä­tiert, die kein Kind mehr bekom­men konn­te, ein Kos­me­tik­un­ter­neh­men lei­tet, und dar­auf stolz ist. War­um nicht, Frau­en sol­len sich ruhig hüb­schma­chen. Aber wozu immer die­se bis­si­gen Rückzugsgefechte:

„Auf einen dicken Bauch und Stil­len war ich nicht scharf“,

sagt sie bei­spiels­wei­se, usw. Als gäb es reich­lich Müt­ter, die sagen wür­den: Auf einen dicken Bauch und Stil­len war ich so rich­tig scharf! „Weib­li­che Soli­da­ri­tät“ ist eines der ver­lo­gens­ten Bau­sch­wor­te, Soli­da­ri­tät über­haupt eine (lin­ke) Uto­pie. Das The­ma Kind-Krip­pen­kind-Nicht­kind ist aber, so scheint´s, dau­er­haft heiß. Was vom Ursprung her logisch ist: Täg­lich fäl­len hun­dert­tau­send Men­schen in Deutsch­land die Ent­schei­dung über safer- oder unsa­fer Sex, drum zählt die Kar­rie­re – und Eltern­schafts­fra­ge wohl zwang­läu­fig zu den dau­er­vi­ru­len­ten Lebensthemen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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