Das Schwert des Geheimen Deutschland

pdf der Druckfassung aus Sezession 6 / Juli 2004

Von dem Dichter Rolf Schilling, der in einem kleinen Dorf am Fuße...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

des Kyff­häu­ser-Gebir­ges lebt, gibt es einen Text mit dem Titel: Gehei­mes Deutsch­land. Die­se Ele­gie – so die Gat­tungs­be­zeich­nung, die der Dich­ter selbst wähl­te – setzt ganz unver­mit­telt ein:

Stauf­fen­berg, bevor er stand­recht­lich erschos­sen wur­de, soll noch etwas geru­fen haben – eine Losung, ein Ver­mächt­nis, ein letz­tes Wort, in das er faß­te, was ihm zu sagen ver­blie­ben war. Aber hier, noch vor sei­nem Tode, beginnt die Legen­de. Man­che berich­ten, er rief: „Es lebe das hei­li­ge Deutsch­land!“, ande­re über­lie­fern: „Es lebe das gehei­me Deutsch­land!“ oder „Es lebe unser heim­li­ches Deutschland!“

Schil­lings Text ver­knüpft den Atten­tä­ter des 20. Juli 1944, Claus Graf Schenk von Stauf­fen­berg, mit einem der uner­gründ­li­chen Begrif­fe, die das geis­ti­ge Deutsch­land dem Nihi­lis­mus auf der Wen­de vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert ent­ge­gen­stell­te. Das Gehei­me Deutsch­land soll­te den Weg in eine ande­re Moder­ne wei­sen, in Das Neue Reich. So lau­tet der Titel eines Gedicht­bands von Ste­fan Geor­ge, in den auch das Gedicht Gehei­mes Deutsch­land Auf­nah­me gefun­den hat. Es ist dies ein kryp­ti­sches, ein her­me­ti­sches Gedicht, eine simp­le Inter­pre­ta­ti­on ist aus­ge­schlos­sen, und es liegt ja nahe, daß die Rede vom Gehei­men Deutsch­land sel­ber auch heim­lich sein muß. Heim­lich ist auch der berühm­te Akt geblie­ben, in dem eine Grup­pe aus dem Geor­ge-Kreis 1924 am Sar­ko­phag Kai­ser Fried­richs II. einen Kranz nie­der­leg­te mit der Inschrift: „Sei­nen Kai­sern und Hel­den. Das Gehei­me Deutsch­land“. Und Nor­bert von Hel­ling­rath, der im Auf­trag Geor­ges die Gedich­te Höl­der­lins her­aus­gab, schreibt 1916:

Ich nen­ne uns „Volk Höl­der­lins“, weil es zutiefst im deut­schen Wesen liegt, daß sein inners­ter Glut­kern unend­lich weit unter der Schla­cken­krus­te, die sei­ne Ober­flä­che ist, nur in einem gehei­men Deutsch­land zuta­ge tritt.

Schon die Roman­tik hat auf das Geo­lo­gi­sche, die Berg- und Höh­len­hoff­nung der Deut­schen ver­wie­sen und immer wie­der den Kai­ser Bar­ba­ros­sa ange­führt, der am Kyff­häu­ser im Berg ruhe, und mit des­sen Rück­kehr die Erneue­rung des Reichs ver­bun­den sei.
Inner­halb die­ses Gefü­ges ist auch die Haupt­aus­sa­ge von Geor­ges Gedicht nicht schwer zu ent­schlüs­seln: In einer unter­ge­hen­den Welt ruht die Hoff­nung auf den Weni­gen, die Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men beru­fen sind, wobei die­ses Han­deln kei­nes­wegs tages­po­li­ti­scher Natur ist, son­dern den Geist des Gehei­men Deutsch­land auf meta­phy­si­schem Feld zu ver­tre­ten hat. Geor­ges Gedicht spricht auch von eins­ti­gen Trä­gern die­ses Geis­tes und ver­knüpft die­se Ahnen­rei­he mit denen, die die Sta­fet­te auf­neh­men sollen.
Stauf­fen­berg nahm den Auf­trag ernst, den er – aus dem Geor­ge-Kreis stam­mend – ange­sichts der Ver­hee­run­gen Deutsch­lands durch die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ideo­lo­gie und ihre poli­ti­sche Umset­zung ver­spür­te. Das Atten­tat vom 20. Juli 1944 war eine Tat im Geis­te des Gehei­men Deutsch­land, es war – bei allen ver­zwei­fel­ten Ver­su­chen, tat­säch­lich zum Erfolg zu gelan­gen – vor allem eine meta­phy­si­sche Tat.
Nach­dem Stauf­fen­berg und sei­ne Mit­ver­schwö­rer erschos­sen waren, ging das Regime dar­an, Sip­pe und Nach­laß der Atten­tä­ter aus der Erin­ne­rung zu til­gen. Unter den Gegen­stän­den, die in alle Win­de zer­streut wur­den, war auch der Ehren­sä­bel, den der Ober­fähn­rich Stauf­fen­berg als Jahr­gangs­bes­ter auf dem Offi­ziers­lehr­gang der Kaval­le­rie­schu­le in Han­no­ver ver­lie­hen bekam. Nach der Beschlag­nah­mung ging der Säbel durch unbe­kann­te Hän­de und wur­de – wahr­schein­lich von sowje­ti­schen Offi­zie­ren – bald nach dem Krieg an Max Rei­mann, den Vor­sit­zen­den der DKP über­ge­ben: „anti­fa­schis­ti­sches Kul­tur­gut“ soll­te den Deut­schen erhal­ten blei­ben. Rei­mann über­ließ den Säbel sei­nem Nach­fol­ger Her­bert Mies. Allen war er unan­tast­bar. Von Mies erhielt ihn 1999 die Wit­we Stauf­fen­bergs zurück.
In die­sem Ehren­sä­bel nun ver­dich­tet sich so vie­les, sei­ne Ver­knüp­fung mit dem Auf­trag des „Gehei­men Deutsch­land“ ist so zeit­los, daß Begriff und her­me­ti­sche Sta­fet­te in ihm ihr Sym­bol erhal­ten haben. Das „Schwert des Gehei­men Deutsch­land“ ist der begreif­ba­re Gegen­stand einer unbe­greif­li­chen Tiefe.

Aber trotz­dem dau­ern uns­re Reiche
von Rolf Schilling

Alles, was wir spra­chen, was wir sannen,
Was uns groß war, was das Herz bedrängt,
Wird ein Flü­gel­schlag ins Nichts verbannen,
Wenn der Gott die schwar­ze Fackel senkt.

Eis­wind weht uns fort durch lee­re Hallen,
Kaum berührt von sanf­te­rer Beschwer
Gold­ner Pol­len, dem Gesang entfallen,
Da er heim­flog ohne Wiederkehr.

Aber trotz­dem dau­ern uns­re Reiche,
Traument­rückt im Schoß der Mitternacht,
Bis das ewig neue, ewig gleiche
Mor­gen­rot im Däm­mer­grau erwacht.

Längst ver­schol­len, den­noch unverloren,
Strahlt, ein Kron­ju­wel im dunk­len All,
Unser Stern, uralt und ungeboren,
Sieg­reich über Asche und Verfall.

Kei­ne Fes­sel kann der Schwin­ge wehren,
Die dich unver­sehrt durchs Feu­er trug,
Leich­ten Flugs zur Erde heimzukehren,
Wenn die Stun­de der Ver­hei­ßung schlug.

Schau dein Reich: Die gold­nen Her­den schreiten
Furcht­los hin in dei­ner sanf­ten Hut,
Hier, im Jen­seits dei­ner Traurigkeiten,
Sollst du wal­ten, wenn die Waa­ge ruht.

Tau der Grä­ser, Grün der jun­gen Birke,
Sil­bern schim­mernd überm Wiesenrain,
Noch im ferns­ten aller Nachtbezirke
Tönt der Lob­ge­sang von Brot und Wein.

Dei­ne Hand, die gold­ne Ern­te segnend,
Rührt im Schlaf leicht an ein Traumgesicht,
Adler­paa­re, dei­nem Blick begegnend,
Grü­ßen dich im ers­ten Morgenlicht.

Ihrer Fahrt, in Wei­ten ungemessen,
Fol­gend, wenn der Him­mel dich berief,
Sollst du doch der Erde nicht vergessen,
Die dich barg, solang der Fit­tich schlief.

So dein Maß im Irdi­schen erkennend,
Wirst du wan­deln, allem Wan­del fern,
Ewig auf­er­ste­hend, ewig brennend,
Schmet­ter­ling und Flam­me, Staub und Stern.

aus:
Rolf Schil­ling: Stun­de des Widders,
Gesam­mel­te Wer­ke in Ein­zel­bän­den I / 2:
Gedich­te 1977 bis 1980.

Alle Bän­de zu bezie­hen über antaios.de.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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