Das Denken und Theoretisieren der deutschsprachigen utopischen Linken wurde in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten entscheidend von Kurz und der von ihm mitgegründeten und mitverantworteten elitären Theoriezeitschrift Krisis geprägt. Auch in die Milieus der bundesrepublikanischen Linken, die nicht viel von den Grundannahmen der Krisis-Gruppe hielten, zog ein Jargon ein, der von „Wertvergesellschaftung“ und „Wertkritik“ erzählte, in seiner Kritik am Kapitalismus aber oftmals mehr idealistisch-adornitisch als marxistisch argumentierte und von Marx eigentlich nur die in der Einleitung zu dessen Hauptwerk Das Kapital geäußerte Kritik am „Warenfetischismus“ übernahm. Auch die Habitus-Form, nun ganz neue Erkenntnisse zu präsentieren und sich allen möglichen „unaufgehobenen“ Vorläuferbewegungen überlegen zu fühlen, teilten etliche Linke mit der Krisis-Gruppe.
Der Durchbruch gelang Kurz mit seinem 1991 in Hans Magnus Enzensbergers „Anderer Bibliothek“ erschienenen Buch Der Kollaps der Modernisierung. Kurz wendete hierin die elegische Melodie der „Frankfurter Schule“ von der zerstörerischen „Dialektik der Aufklärung“ ins Ökonomische und zum Schwanengesang auf die Marktwirtschaft, die sich durch den mit der mikroelektronischen „Dritten Industriellen Revolution“ einhergehenden Produktivitätsschub ihr eigenes Grab schaufele. Schon im Kollaps der Modernisierung wurde aber auch die Neigung erkennbar, sich nicht als brillanter Essayist zu verstehen, der bewußt zuspitzt, um Zusammenhänge deutlicher werden zu lassen, sondern als Missionar aufzutreten, der überzeugen und bekehren will. Dabei schreckte Kurz keineswegs davor zurück, „heilige Kühe“ der radikalen deutschen Linken zu schlachten, wenn er beispielsweise Stalinismus und Nationalsozialismus als „Diktaturen nachholender Modernisierung“ im Kontext der Durchsetzungsgeschichte des Kapitalismus klassifizierte und damit das in der deutschen Linken besonders mächtige Gleichsetzungsverbot unterlief.
Auch in seinem 1999 bei Eichborn erschienenen Bestseller Schwarzbuch des Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, der sich monatelang in der Verkaufslisten weit oben hielt, wollte Kurz Archipel Gulag und Auschwitz in den Strom einer linear gedachten Modernisierungsgeschichte eingeordnet wissen. Er richtete den Blick allerdings nicht mehr leninistisch nach vorne, sondern wie Walter Benjamins zürnender Engel der Geschichte apokalyptisch nach hinten, auf die Trümmer und Leiden, die der „Fortschritt“ produziert hat. Der Kapitalismus – den Kurz nicht wie die meisten Wirtschafts- und Sozialhistoriker um 1500, sondern mit den schlesischen Weberaufständen um 1780 beginnen läßt – ist plötzlich wie der Springteufel aus der Kiste da, um alle Verhältnisse in einem geradezu dämonischen Akt seiner gnadenlosen Verwertungslogik und seinem Regime der abstrakten Arbeit zu unterwerfen. In seiner Geschichtsmetaphysik lehnt Kurz Aufklärung und Moderne als vollständig von der Wertlogik durchtränkte Irrwege des Westens ab. Er weist die pauschale Disqualifizierung der vormodernen Verhältnisse agrarischer Gesellschaften als dumpf und „naturverhaftet“ zurück, da in diesen immer noch mehr Individualität möglich gewesen sei als in der totalitären „Uniform“ des kapitalistischen Geld‑, Arbeits- und Konkurrenzsubjekts, in der das „Ich“ als spezifisch moderne Schwundform der abstrakten Individualität sich bis in Eros und Intimität hinein nur noch durch die tote, verdinglichte Beziehungsform des Geldes vermitteln könne. Kapitalismus ist für Kurz ganz unmaterialistisch und voluntaristisch eine verhängnisvolle idée fixe von Philosophen und Unternehmern; und Verjährungsfristen kennt Kurz bei seiner Generalanklage nicht: Schon in Hobbes sieht er einen „bitteren, finsteren Propheten der Marktwirtschaft“, mit Denkern aus der Raubritterphase des englischen Bürgertums zu Beginn des 18. Jahrhunderts wie Mandeville und Bentham nimmt er die heutigen Apologeten des Neoliberalismus in Sippenhaft, und der Marquis de Sade gilt Kurz mit seinem abartigen Verständnis von Lust und Erotik sogar als Vorläufer aller konsumistisch verkrüppelten Egomanen.
Auch in seinem letzten großen theoretischen Werk Weltordnungskrieg, das kurz vor dem Beginn des Irak-Krieges erschien, gönnt Kurz sich keine optimistischere Perspektive. Seine These lautet: Während die Dritte Industrielle Revolution der Mikroelektronik der Verwertung lebendiger Arbeit in den Zentren des Weltmarkts aufgrund der eigenen Produktivitätsstandards eine innere historische Schranke setzt und dort in den Metropolen qua Anwendung der neuen, postfordistischen Technologien zu einer strukturellen Massenarbeitslosigkeit, zu globalen Überkapazitäten und einer Flucht des Geldkapitals in den Finanzüberbau mit der Folge der Bildung spekulativer Blasen führt, verhindert der Mangel an Kapitalkraft in der Peripherie die mikroelektronische Aufrüstung; aber gerade dadurch brechen ganze Nationalökonomien und Weltregionen umso schneller zusammen.
So entstehen selbst in Europa „Plünderungsökonomien“, wo nicht mehr produziert wird, sondern mafiose Banden‑, Clan- und Banditenstrukturen (wie im Kosovo) oder Diktaturen nachholender Modernisierung (wie im Irak unter Hussein) entstehen. Die „Arbeiter der Hand“ haben nach Kurz in ihrer globalen Mehrzahl ausgedient, ohne daß sie jedoch aus der Logik des kapitalistischen Systems herauskommen. In den „Weltordnungskriegen“ in Afghanistan, in Jugoslawien oder im Irak begegne der Westen unter der Führung des „ideellen Gesamtimperialisten USA“ dann den totalitären, fundamentalistischen oder auch einfach nur kriminellen Zerfallsprodukten der eigenen Systemkrise und den massenhaft Ausgestoßenen der eigenen Produktionsweise, wobei Kurz die Möglichkeit, daß aus dieser Krise die allgemeine Barbarei hervorgeht, für sehr viel wahrscheinlicher hält als den Schritt zur allgemeinen Emanzipation.
Der einzige Theoretiker, der diese globale „anomische Transformation“ in ihrer ganzen schrecklichen Tragweite begriffen habe ist für Kurz ausgerechnet der „bürgerliche“ Martin van Creveld, der in seinen beiden Büchern Die Zukunft des Krieges und Aufstieg und Untergang des Staates mit aller Deutlichkeit erkannte, „… daß diese neuen Kriege nicht mehr dem politischen Nomos der Moderne folgen, also nicht mehr dem Clausewitzschen Postulat vom Krieg als einer Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln entsprechen“, sondern es sich um Phänomene wie „Unruhen“, „Terrorismus“, „Warlord- Herrschaft“ und „Ethno-Kriege“ handele, die van Creveld als low intensity conflicts klassifizierte, und die einen anomischen Absturz in Zeiten anzeigten, wie sie in Europa vor dem Dreißigjährigen Krieg herrschten, in denen noch kein staatliches Gewaltmonopol durchgesetzt war. Einzig van Creveld beweise in dieser Frage Realismus, „… weil er den realen Zerfallsprozeß der Souveränität beschreibt, ohne deren Erneuerung oder ein Surrogat herbeizuphantasieren“.
Ähnlich wie Adorno in der Dialektik der Aufklärung jede Ontologie nur als Inbegriff von „Negativität“ denken konnte, ist auch Kurz der Gefangene seiner Negationen. Da er nicht erklären kann, wie eine emanzipatorische Vergesellschaftung jenseits von Ware und Geld, von Zivilisation, Aufklärung und Moderne möglich sein soll, bleibt der Kern seiner Theorie – obwohl er inzwischen politischer Bestsellerautor ist – zu einem esoterischen Dasein innerhalb eines minoritären Marxismus verdammt. Da Kurz in seinem negationistischen Furor auch alles verwirft, was einst tragfähig war und noch tragfähig ist und er auch alles Tradierte und Nationale, die „haltenden Mächte“ (Arnold Gehlen) in seine Polemik mit einschließt, bleiben ihm als Zukunftsperspektive nur nebulöse Vorstellungen einer „planetarischen Assoziation freier Individuen“ oder eines „globalen Kibbuz“. Hierbei scheint Kurz zu übersehen, daß gerade die Kibbuzim-Bewegung bodenständig, topisch und von nationalen Motiven getragen war und so „… in der Tat die einzige Erscheinungsform …, in welcher der Sozialismus während des 20. Jahrhunderts ein überzeugendes und erfolgreiches Gesicht zeigte“ (Ernst Nolte).
Kurz Grundthese von einer „finalen Mobilisierung des kapitalistischen Selbstwiderspruchs“ ist insofern ernst zu nehmen, als sich tatsächlich Hinweise auf eine mögliche Erschöpfung der Entwicklungs- und gesellschaftlichen Expansionsfähigkeit des Kapitalismus unter den Bedingungen der „Dritten Industriellen Revolution“ verdichten. Als unlängst bekannt wurde, daß in den USA in den letzten Quartalen des vergangenen Jahres ein hohes wirtschaftliches Wachstum mit einem teilweise dramatischen Beschäftigungsabbau zusammenfiel, wurde dafür auch von neoliberalen und keynesianischen Ökonomen der Begriff jobloss recovery geprägt und darauf hingewiesen, daß es sich um ein in der Wirtschaftsgeschichte qualitativ neues Phänomen handele, das mit schwersten Rückwirkungen für die westlichen Industriegesellschaften verbunden sein könnte. Tatsächlich wäre der Kapitalismus zu Ende, wenn der Mensch in den von ihm entfesselten Produktivkräften nur noch wegzurationalisierender Störfaktor wäre. Die Wertkritik der Krisis-Gruppe ist auch eine Aufforderung über die Zukunft der Arbeit nachzudenken und dabei mittelalterliche und antike Vorstellungen zu berücksichtigen. Im Zusammenbruch des realen Sozialismus wollte Kurz schon direkt nach dem Mauerfall nicht den Sieg des Westens über den Osten, sondern eine generelle Krise der traditionellen, im Protestantismus wurzelnden Vorstellung von Arbeit in Ost und West erkennen – und die Entwicklung, die allen westlichen Industrieländern eine stetig steigende strukturelle Arbeitslosigkeit bescherte, hat ihm seither recht gegeben. In der heutigen postmodernen Linken, die mit ihren poststrukturalistischen und systemtheoretischen Hanswurstereien „alles“ – also sowohl radikal und marktrealistisch, superkritisch und stromlinienförmig – sein will, und die inhaltliche Fragen fortwährend in formale und ästhetische überführt und damit jede fundamentale Auseinandersetzung unterbindet, ist dieser an Kant, Marx und Adorno geschulte elitäre Utopist mit seiner begrifflichen Ernsthaftigkeit und dem Willen zur großen stringenten Theorie eine beinahe singuläre Erscheinung.