Die Verehrung galt in erster Linie England, zumal es Edmund Burke, den Anreger des deutschen Konservatismus, hervorgebracht hatte. Viele Konservative sahen ähnlich wie die Liberalen im englischen ein Verfassungsmodell, dem man nachstreben sollte, auch wenn sie den Akzent auf die ständische Trennung der Kammern legten und die angeblich harmonische Eintracht von Parlament und Krone hervorhoben. Schon die Patrioten der Deutschen Bewegung bewunderten den hartnäckigen Kampf gegen die Revolution, und die Erinnerung an die Waffenbrüderschaft von Leipzig und Waterloo und die Vorstellung einer Seelenverwandtschaft von „Festlands-“ und „Inselgermanen“ hatte im Grunde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Bestand. Allerdings nahm die Irritation zu, und auch das Wachstum der eigenen Macht ließ das Vorbild in einem anderen, weniger günstigen Licht erscheinen. Trotzdem bestimmte die deutsche Sicht Englands bis in den Ersten Weltkrieg hinein stärker das Gefühl verschmähter Liebe als der Haß auf das „perfide Albion“.
Während England traditionell zu den Faktoren europäischer und deutscher Politik gehörte, wird man das von den Vereinigten Staaten nicht sagen können. Trotzdem gab es eine dem englischen Fall ähnliche Ambivalenz in der Beurteilung. Einerseits entstand auf der Rechten schon früh eine antiamerikanische Kulturkritik, die die Fremdartigkeit der neuen Welt betonte und sich mit kaum überbietbarer Schärfe äußerte, andererseits gab es in der rechten Intelligenz auch Bewunderung für die Vitalität und Dynamik der USA. Moeller van den Bruck – den man sonst für den „Osten“ reklamiert – hat in der Vorkriegszeit Hymnen auf Walt Whitman und Theodore Roosevelt geschrieben und noch im Frühjahr 1919 sein Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn Wilsons gesetzt, Oswald Spengler glaubte, daß Selbstbehauptung im Zeitalter der Zivilisation nur möglich sei, wenn man die Amerikanisierung vorantrieb und die dabei freiwerdende Energie politisch nutzte.
Solche Auffassungen waren allerdings niemals populär, sie blieben dem deutschen Gemüt und damit allen jenen fremd, die sich als dessen Wächter verstanden. Seit der Romantik war dieses Gemüt auch von einer „Nordsehnsucht“ (Richard Wolfram) bestimmt, die mit der Vorstellung von der besonderen Reinheit und Klarheit des Nordens zusammenhing, aber selbstverständlich auch von der Idee ursprünglicher Gemeinsamkeit in der germanischen Vergangenheit gespeist wurde. Die Ausrichtung der Eliten Skandinaviens an der deutschen Kultur konnte den Eindruck erwecken, als ob diese Sympathie erwidert würde. Aber eine nüchterne Bestandsaufnahme hätte darüber belehren können, daß sich Dänemark, Schweden und Norwegen seit der Zwischenkriegszeit politisch immer stärker an den Siegermächten orientierten. Die Völkischen hat das an ihrer Neigung für die vagina populorum (Olav Rudbeck) nicht irre werden lassen, während umgekehrt der Lobpreis des Nordens bei vielen, die die eigentümliche historische Unfruchtbarkeit dieses Bodens wahrnahmen, Skepsis wachsen ließ.
Ernst Jünger sprach im Hinblick auf die Völkischen von einem „unangenehmen Bardentypus“, der ihm anfangs sogar den Blick auf die natürliche Schönheit des Nordens verstellt habe. Er selbst zog ihm, wie man seinen Tagebüchern entnehmen kann, den Süden vor. Diese geographische Ausrichtung war für einen größeren Teil der geistigen Rechten in Deutschland schon deshalb naheliegend, weil sie mit der nationalen Bildungstradition übereinstimmte. Obwohl in der Griechenland den Vorrang behauptete, gab es gleichzeitig eine sehr starke, vor allem ästhetische Orientierung an Italien.
Das „heroische“ Italien spielte dafür eine Rolle mit seinen Landschaften und eindrucksvollen Denkmälern. Neben den Überresten der Antike und der Renaissance interessierte man sich aber auch für das lange vernachlässigte mittelalterliche Italien. Mit der Wiederentdeckung der Staufer war es im 19. Jahrhundert in den Blick gekommen, nährte ghibellinische Träume oder bot die Möglichkeit, sich am tragischen Schicksal von Manfred und Konradin zu erbauen. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs wandte man sich stärker einer Gestalt zu, die bis dahin eher irritierte wegen ihrer fremdartigen – wenn man so will: undeutschen – Züge. Nietzsche hatte zwar in Friedrich II. den Vorläufer des von ihm bewunderten Renaissancemenschen gesehen, aber erst Ernst Kantorowicz gab in ihm das Muster des deutschen Retters. Die Niederlegung eines Kranzes an Friedrichs Sarg in Palermo mit der Inschrift „Seinen Kaisern und Helden – das geheime Deutschland“, die im Vorspann des Buches von Kantorowicz erwähnt wird, war selbst ein mythenzeugender Akt.
Jüngers Liebe zum Süden stand in deutlicher Spannung zu seinen politischen Idealen, die ihn Ende der zwanziger Jahre an die Seite des „Nationalbolschewisten“ Ernst Niekisch geführt hatten. Der Nationalbolschewismus bildete innerhalb der Rechten eine am Rand stehende, aber intellektuell glänzende Fraktion. Das macht verständlich, warum er immer etwas Irrlichterndes hatte und nie ganz deutlich wurde, ob die Forderung nach Ostorientierung nur in der Tradition preußischer Staatsraison stand, oder ob man außerdem Sympathien für eine kollektivistische Neuordnung der Gesellschaft hegte. Auch wenn die Verknüpfung mit der Hoffnung auf eine slawisch-barbarische Erneuerung Gesamteuropas (die Untergangspropheten des 19. Jahrhunderts wie Ernst von Lasaulx gehegt hatten) möglich war, gab es für solche Positionen niemals eine breitere Gefolgschaft. Dagegen hielten sich bis in die Zeit nach der Wiedervereinigung im konservativen Lager Anhänger einer realpolitischen Ostorientierung, die eine Tauroggen- oder Rapallo-Lösung der nationalen Frage vorgezogen hätten.
Deutschland als Land der Mitte brachte, wenn auch erst spät, ein besonders klares Bewußtsein vom Zusammenhang zwischen Geographie und Politik hervor. Darüber hinaus erzeugte die Zentrallage ein vitales Interesse an den Nachbarn und eine besondere Leidenschaft für das Übersetzen und die Herstellung von Beziehungen. Es ist naheliegend, daß die Weltanschauungen von alldem nicht ausgenommen blieben.