Beitrag zur Entwicklung einer neuen deutschen Ausländerpolitik ein. Zur Diskussion gestellt wird ein Ansatz zur Förderung der Abwanderung türkischstämmiger ALG II-Empfänger, die unter die sogenannte Optionsregelung der doppelten Staatsbürgerschaft fallen.
Dieser Ansatz könnte zunächst auf kommunaler Ebene erprobt werden. Anders als die Befürworter der “offenen” Einwanderungsgesellschaft vermuten dürften, geht es dabei nicht um “Abschottung” oder die Konservierung eines “ewig gestrigen Zustands”, sondern um die Eindämmung einer fatalen Entwicklung.
Die Förderung der Abwanderung nicht-deutschstämmiger Personen war bereits in der Vergangenheit Bestandteil der Ausländerpolitik. So wurde 1983 in der BRD das sogenannte Rückkehrförderungsgesetz verabschiedet: Gastarbeiter erhielten finanzielle Anreize für die freiwillige Rückkehr in ihre Herkunftsländer (vgl. Körner, 1986). Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Ansatz auch heute noch sinnvoll wäre. Welche Schwerpunkte sollten gesetzt werden? In welchem Rahmen könnte eine solche Initiative umgesetzt werden?
Selbstverständlich können die Probleme einer multiethnischen Gesellschaft natürlich nicht allein durch Maßnahmen zur Rückführung und Abwanderung kulturfremder Ausländer gelöst werden. Der hier vorgestellte Baustein ist überhaupt nur dann sinnvoll, wenn es gelingt, einen Paradigmenwechsel und somit eine Wende in der Einwanderungsfrage herbeizuführen (vgl. Heinsohn, 2008).
Unabhängig davon, wie groß die Resonanz auf eine neue Initiative zur Förderung der Abwanderung in der Praxis tatsächlich wäre, würde ein solcher Ansatz politisch bereits dann sinnvoll sein, wenn es gelänge, die folgende Botschaft in der Öffentlichkeit zu verbreiten:
Eine humanitäre Alternative zu den Verwerfungen der multiethnischen Gesellschaft ist weder der weitere Ausbau von Parallelgesellschaften noch eine erzwungene Integration oder Assimilation. Die Alternative ist die ganz natürliche Rückkehr der „Migranten“ in das Land ihrer Vorfahren.
Ein Rückführungsprogramm könnte dann wie folgt entwickelt werden:
+ Das Programm sollte aus Gründen der Effizienz zunächst Personen türkischer Herkunft vorbehalten bleiben, da diese mit ca. 2,1 Millionen die größte geschlossene ethnische Gruppe unter den nicht autochthonen Einwohnern Deutschlands bilden.
+ Schwerpunktmäßig sollten die besonders zahlreichen „Hartz IV-Empfänger“ (Leistungsempfänger von ALG II bzw. Sozialgeld) berücksichtigt werden. Eine Initiative zur Begünstigung der Abwanderung wäre in diesen Fällen am ehesten zu rechtfertigen und durchzusetzen. Diese Einschätzung wird indirekt bestätigt durch eine kürzlich getroffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, der zu Folge deutsche Behörden Ausländern den Familiennachzug verweigern dürfen, wenn daraus ein Anspruch auf Zahlung des ALG II entstehen würde (Aktenzeichen BVerwG 1 C 32.07).
+ Unter den türkischstämmigen „Hartz IV-Empfängern“ sollte das Programm wiederum speziell für diejenigen jungen Volljährigen vorgesehen werden, die sich als sogenannte „Optionskinder“ in den nächsten Jahren entweder für die türkische oder die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden müssen.
Für die Konzentration auf diese „Optionskinder“ spricht Folgendes:
+ Während Ausländer im „klassischen Sinn“ bei fehlender wirtschaftlicher Grundlage abgeschoben werden können, besteht im Fall der befristeten „Doppelstaatler“ die große Gefahr, daß sich in den nächsten Jahren besonders viele perspektivlose junge Türken für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden werden und damit die Sozialsysteme nachhaltig erheblich belasten. Eine Ausbürgerung dieser „deutschen Staatsbürger“ wäre nach momentan geltender Rechtslage nur nach entsprechender Änderung des Grundgesetzes möglich.
+ Der Ansatz könnte möglicherweise einen Trend aufgreifen und verstärkten, demzufolge bereits jetzt 38% der jungen Akademiker türkischer Herkunft planen, dauerhaft in die Türkei zu gehen (Laninger, 2008; Sontheimer, 2008).
Die Umsetzung der skizzierten Initiative wäre auf Bundes- oder Landesebene zwar besonders wünschenswert (für Österreich wurde 2007 bereits ein umfassender Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik von der AG Freiheitlicher Akademikerverbände erarbeitet). In einer Phase des erst langsam beginnenden Umdenkens in größeren Teilen der autochthonen deutschen Bevölkerung scheinen allerdings die Voraussetzungen auf kommunaler Ebene vorläufig am günstigsten zu sein. Bei der Suche nach überparteilichen Mehrheiten wäre es beispielsweise vielversprechend, wenn es im Rahmen der politischen Basisarbeit gelänge, vor Ort mit den verschiedenen im Aufbau befindlichen islamkritischen Bürgerinitiativen zu kooperieren. Es wird folgendes Szenario zur Diskussion gestellt:
+ Im Jahr 2010 sollte in einer Machbarkeitsstudie zunächst untersucht werden, inwiefern die Durchführung des skizzierten Ansatzes bei geltender Rechtslage überhaupt möglich wäre. Kommunal böte sich Frankfurt an. Dort hielt beispielsweise am 23. September der Islam-Wissenschaftler Hans-Peter Raddatz im Frankfurter Römer auf Einladung der Frankfurter Freien Wähler einen in seiner Deutlichkeit mehr als bemerkenswerter Vortrag. Carlo Clemens hat Inhalte und Atmosphäre dieser Veranstaltung zusammengefaßt und beschrieben und seinen Beitrag im Magazin BlaueNarzisse veröffentlicht. Könnten die Frankfurter Freien Wähler eine Machbarkeitsstudie im Rahmen ihrer parlamentarischen Möglichkeiten erarbeiten und vortragen?
+ Insbesondere müßte die Frage der Finanzierung geklärt werden: Ein Modell könnte sein, daß der junge Volljährige eine Förderung in Höhe der bisher von der Kommune aufgebrachten Sozialleistungen für einen Zeitraum von 5 Jahren in der Türkei erhält, wenn er/sie im Rahmen des Optionsmodells freiwillig auf die deutsche Staatsbürgerschaft verzichtet und Deutschland endgültig verläßt. Welchen finanziellen Spielraum dabei die Kommunen zukünftig haben werden, ist eine zweitrangige Frage: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet mit Kosten von 500.000 Euro für den deutschen Sozialstaat, wenn einem türkischen Jugendlichen der Einstieg ins Berufsleben auf Dauer nicht gelingt (Slavik, 2008; siehe auch Brönstrup, 2008, Lang-Lendorff, 2008).
+ Parallel muß der Ansatz auf Grundlage der erarbeiteten Machbarkeitsstudie offensiv in die Öffentlichkeit und die politische Debatte getragen werden. Ein Meilenstein wäre erreicht, wenn deutlich gemacht werden könnte, daß es sehr wohl humanitäre und konstruktive Alternativen zu einer fatalen multiethnischen Fragmentierung Deutschlands gibt.
+ Die Umsetzung des Konzepts würde nicht zu einer Massenabwanderung führen, setzte aber ein Signal und erweiterte den Handlungsspielraum derer, die zurecht vor dem Kollaps der multiethnischen Gesellschaft warnen.
Ausgewertete Artikel / Literatur
AG Freiheitlicher Akademikerverbände Österreichs (2007): Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik. Burschenschaftliche Blätter Heft 3: 120–121.
Brönstrup, Carsten (2008): Jeder zweite Türke hat keinen Job. Neue Studie: Junge Migranten haben es in Berlin besonders schwer. Institut warnt vor sozialen Spannungen. Der Tagesspiegel vom 27.08.2008, S. 10
Gannot, Susanne (2008): Ausländer sollen sich mehr bemühen – Die Ausländerbehörde erhöht den Druck auf nichtdeutsche Jugendliche, Arbeit anzunehmen. Kritiker befürchten, Arbeitslose könnten sogar abgeschoben werden. Doch soweit soll es nicht kommen, verspricht die Innenverwaltung. taz Berlin vom 22.08.2008, S. 18
Heinsohn, Gunnar (2008): Machen wir es wie Kanada – Deutschland bracht mehr höher qualifizierte Einwanderer. Der Tagesspiegel vom 20.06.2008
Keller, Claudia (2008): Blauer Brief von der Behörde – Ausländische Schulversager müssen in Berlin mit der Abschiebung rechnen. Kein anderes Bundesland legt das Gesetz so rigide aus. Der Tagesspiegel vom 24.08.2008, S. 10
Körner, H. (1986): Das Gesetz zur Rückkehrbereitschaft von Ausländern vom 28. November 1983 – Eine kritische Bilanz. In: Körner, H., Mehrländer, U. (Hrsg.), die „neue“ Ausländerpolitik in Europa. Bonn: 65–72.
Lang-Lendorff, Antje (2008): Türken gehen in Berlin unter – 75 Prozent der Migranten türkischer Herkunft haben keinen Schulabschluss, fast jeder zweite ist arbeitslos. Eine Studie zeigt, dass es Migranten in Berlin besonders schwer haben einen Job zu finden. taz Berlin v. 27.08.2008, S. 21
Laninger, Tanja (2008): Berlin verliert, Istanbul gewinnt. Türkische Akademiker fühlen sich nicht richtig anerkannt. Leder dritte könnte sich vorstellen, die Stadt zu verlassen. Das Ziel: Die Türkei. Berliner Morgenpost vom 09.06.2008, S. 13
Slavik, Angelika (2008): Mit neuem Mut ins Jahr der letzten Chance. In einem Sommercamp bereiten sich Problemjugendliche auf den Schulabschluss vor – sie hoffen, den Absturz in Hartz IV noch zu verhindern. Süddeutsche Zeitung Nr. 194, S. 6
Sontheimer, Michael (2008): Jung, gut, unerwünscht. Hochqualifizierte türkischstämmige Akademiker wandern aus, weil sie sich in Deutschland missachtet fühlen. Der Spiegel Nr. 21: 52–53
Timotheus
Aus diesem Vorschlag spricht eine seltsame Geisteshaltung. Ich sehe überhaupt nur noch einen Weg, auf dem das Gröbste verhindert werden kann. Es müsste ein eisig-kalter Wind durch unseren Sozialstaat wehen, auf das sich das importierte Prekariat z.B. auf nach Schweden macht.
Es würde nur eines paramilitärisch organisierten Arbeitsdienstes bedürfen, einer drastischen Reduzierung der Sozialleistungen oder wenigstens die Bindung an klare und v.a. harte Anforderungen, und schon würden sich die Reihen lichten.
Wieso soll man jungen Menschen, die in ihrem Leben noch nichts geleistet haben, eine Wohnung und den Lebensunterhalt finanzieren? Wieso weist man sie nicht in ein Obdachlosenasyl mit Mannschaftsunterkünften und Suppenküche ein?
In Deutschland muß es unbequem werden, dann gehen unsere Gäste schon von alleine.