So ein Golliwog mit Grinsemund, Kulleraugen und schwarzem Zausehaar lag vor 34 Jahren auch in meinem Kinderwagen; eine Nachbarin hatte ihn selbst genäht und (in hundertprozentig unironischer, lauterer Absicht) hergeschenkt. Ich hatte ihn wohl einigermaßen lieb und kann mich beim besten Willen nicht erinnern, daß da Mitleid oder Höflichkeit eine Rolle gespielt hätten. Thatchers Chef jedenfalls fand ihren Vergleich dermaßen unkomisch, daß er sie vor die Tür setzte. Dort nun wird sie als Hardcore-Rassistin gescholten, ein gefundenes Fressen auch für deutsche Medien von BILD bis WELT.
Und nun hier: Mich muß der Teufel geritten haben, als ich halblaut anläßlich merkwürdiger Winterkleidungsmoden bemerkte, die Briefträgerin habe „auch nicht gerade eine Barbie-Figur“. Ohrenzeugen: Fünf Verlagsmitarbeiter, eine Putzkraft, eine Minderjährige. Ein Raunen ging durch den Raum. Dann erhoben sich zwei Stimmen gleichzeitig: „Frau P. sah doch putzig aus heute!“ und: „Barbie ist doch eh´ grotesk!“ Man hat dann beschlossen, in der nächsten Mitarbeiterkonferenz zu entscheiden, wo Sexismus beginnt und wo er endet, was sagbar ist, was nicht und ob manche „Figuren“ öffentlichen Lebens einfach als sakrosankt zu gelten haben. Dabei hatte ich´s doch gut gemeint: Ich finde Barbie auch nicht schön und die Briefträgerin schon, naja, eher. (Darf man Barbie eigentlich grotesk finden, oder ist man dann links?) Selbst die Putzkraft, an die wir uns gleich hilfesuchend wandten, war ratlos ob meiner Bemerkung. Dabei ist sie Hobby-Semiotikerin.
Gottseidank gelte ich meinem Chef als unverzichtbar, er wird’s so oder so wieder durchgehen lassen.