… wenn auch rot verschrammt, der Arsch, der vorher braun gewesen und dann mit Stalins hartem Besen geschrubbt worden war. Wolf Biermanns Variation auf Heines “Deutschland – ein Wintermärchen” aus den 1960er Jahren trifft die Lage, mit ein paar anderen Vorzeichen, noch immer.
Eine neue Qualität hat allerdings der Versuch, die Position als Arsch der Welt für ganz Europa zu fordern. Schon vor zehn Jahren hatte die Anglistin Aleida Assmann in einem Rundfunkgespräch mit dem trefflichen Herrn Sinnhuber “die Gnade des antifaschistischen Elternhauses” für sich in Anspruch genommen. Unangefochtenen Gewissen verkündet sie daher in der letzten Ausgabe eines recht interessanten österreichischen Journals namens Recherche. Zeitung für Wissenschaft, es könne bei der Suche nach einer “neuen Identität” Europas “nur eine Antwort” geben “auf die Frage nach einem gemeinsamen europäischen Bezugspunkt in der Vergangenheit”.
Den Europäern fehle es noch an Selbstbewußtsein, sie seien “noch nicht wirklich die Bewohner ihres Traumes”, es fehle ihnen “jene mobilisierende und identitätsbildende Kraft, die Nationalstaaten in einer integrierenden Symbolik finden”. Die Vision eines einigen Europa könne indessen nicht von “dem Versprechen eines Neubeginns” ausgehen wie die USA, sondern müsse angesichts zweier Weltkriege von der Erfahrung “einer ungekannten Entfesselung von Gewalt ausgehen”. Was Frau Assmann ergo vorschwebt, ist nichts weniger als der Versuch, den “Holocaust als europäischen Gründungsmythos” zu installieren.
Dies ist einmal wieder ein typisch deutscher Gedanke: jene “mobilisierende und identitätsbildende Kraft” der Nationalstaaten soll für das disparate, bald auch die Türkei einschließende Konstrukt Europa aus einem großen Massaker erzeugt werden, ein Trauma einen Traum gebären und am Leben erhalten, aus einem verzagten Arsch der fröhliche Furz fahren – Herrn Luther, dem im Herzensgrund vernünftigen Mann, wird zugeschrieben, letzteres für unmöglich erklärt zu haben.
Frau Assmann aber kommt aus Bethel bei Bielefeld … Die pfäffische Natur der Deutschen erfuhr ihre extreme Ausprägung in den pietistischen Sekten, den in Laien verwandelten Pfaffen par excellence. In seiner wiederum verweltlichten Natur geriert sich das Pfäffische als Erinnerungsfetischismus und Gedächtnispolitik, was sich in wissenschaftlichen Karrieren im übrigen gut verwerten und in Kapitalbildung überführen ließ – Geschichte wird zur Ware, deren Zirkulation monopolisiert. So far so long, wie der Chinese sagt.
Europa indes ist weit, jene Position als Arsch der Welt in Deutschland aber nah. Was, möchte man Frau Assmann und ihre Freunde fragen, sagen dazu überhaupt und eigentlich ihre muslimischen MitbürgerInnen, jene umworbenen Neudeutschen türkischer oder arabischer Herkunft, die diesen Arsch der Welt bereichern sollen? Ihnen wird doch schon jetzt als deutscher Ursprungsmythos allein der ‘Holocaust’ angeboten – wie sieht es hier denn mit der Akzeptanz hinsichtlich dieses Identifikationsangebots aus? Du bist Deutschland – ewige Schuld Dein Erbe, Deine Kleidung Sack und Asche? Fragen Sie Ihren Küchenpsychologen: Wie muß gestrickt sein, wer sich mit der Position eines Arschs der Welt identifizieren will? Und fragen Sie ihren Historiker: Gab es je irgendwo auf der Welt eine gelungene Massenintegration in einen solchen Arsch?
Fragen Sie am besten gleich einen jungen Araber in Bad Godesberg, einen Albaner in Hamburg, einen Türken in Neukölln. Einem Polen in Polen, dem HErrn sei Dank, stellt sich diese Frage nicht …