Jugend und Demokratie

Gelegentlich macht die Klage von der „unpolitischen Jugend“ die Runde. Die folgenden Sätze beginnen dann mit „Früher …“ oder „Damals, als die 68er …“.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Glaubt man aktu­el­len Sta­tis­ti­ken, dann fühlt sich über die Hälf­te der deut­schen Jugend unpo­li­tisch. Inter­es­sant ist, daß der Sozio­lo­ge Hel­mut Schelsky die­sen Befund der Ent­po­li­ti­sie­rung bereits für die Nach­kriegs­ju­gend in sei­nem Werk Die skep­ti­sche Gene­ra­ti­on ausstellte.

Den Grund für das feh­len­de poli­ti­sche Bewußt­sein der damals 14- bis 25jährigen sah er neben den sozia­len und his­to­ri­schen Umstän­den vor allem in der Demo­kra­tie. Schelsky schreibt:

Der Jugend bleibt im demo­kra­ti­schen Sys­tem als poli­ti­sche Akti­vi­tät vor allem nur die Infor­ma­ti­on und die Mög­lich­keit der Mei­nungs­pro­jek­ti­on und Iden­ti­fi­ka­ti­on mit demo­kra­ti­schen Füh­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und ‑per­sön­lich­kei­ten, wäh­rend das Bekennt­nis zu demo­kra­ti­schen Hand­lungs­for­men, Maß­nah­men und Ein­rich­tun­gen durch deren gerin­gen Sym­bol­wert und damit schwe­re Faß­lich­keit schon auf grund­sätz­li­che Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten stößt.

Durch Staats­kun­de, Schü­ler­par­la­men­te und emo­tio­na­li­sie­ren­de Events „für die Demo­kra­tie“ ver­su­chen Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und Poli­tik heu­te, die­ses Defi­zit zu bekämp­fen. Der Erfolg ist meis­tens gering. Wenn kein außer­or­dent­lich guter Leh­rer vor der Klas­se steht, malen Schü­ler in Staats­kun­de abs­trak­te Sche­ma­ta vom demo­kra­ti­schen Staats­auf­bau ab. Der Tenor: „Ah, wie lang­wei­lig!“ Und in Schü­ler­par­la­men­ten zan­ken sich die weni­gen Akti­vis­ten der Links­ju­gend mit den Kar­rie­ris­ten aus der Jun­gen Uni­on dar­um, wer denn den Etat, der sowie­so nur für irgend­ei­ne Par­ty aus­reicht, ver­bra­ten darf. Ein­zig, wenn die Poli­tik dann doch mal einen Pop­star wie Oba­ma her­vor­bringt, leuch­tet kurz ein Fun­ke an „Par­ti­zi­pa­ti­on“ auf. Mit Demo­kra­tie hat das aber nichts zu tun.

Die Schluß­fol­ge­rung, die Jugend sei anti­de­mo­kra­tisch, weil ihr die Poli­tik egal ist, muß trotz­dem zurück­ge­wie­sen wer­den. Viel­mehr hat sich ein „tie­fes Fremd­heits­er­leb­nis ohne star­ken Zwang zu sei­ner Bewäl­ti­gung“ eta­bliert, wie Schelsky bereits vor über 50 Jah­ren erkannte.

Es gibt nun zwei Mög­lich­kei­ten auf die­sen immer noch gül­ti­gen sozio­lo­gi­schen Befund zu ant­wor­ten. Ers­tens: noch mehr Demo­kra­tie­er­zie­hung. Mei­ne ehe­ma­li­ge Politik‑, Geschichts- und Deutsch­leh­re­rin, mit der wir drei Jah­re lang in drei Fächern „unse­re eige­ne schlim­me Ver­gan­gen­heit bewäl­tigt“ haben, aber sel­ten etwas von lite­ra­ri­schen Stil­mit­teln hör­ten, hat die­sen Weg ein­ge­schla­gen. Sie ist heu­te im Säch­si­schen Kul­tus­mi­nis­te­ri­um für „Demo­kra­tie­er­zie­hung“ zuständig.

Zwei­tens: Man fin­det sich damit ab, daß die Jugend eben nicht reif für die Demo­kra­tie ist. Nach mei­nem Ermes­sen besitzt übri­gens auch die Mas­se des Vol­kes nie­mals die Mün­dig­keit, die eine Demo­kra­tie bräuch­te und voraussetzt.

Wenn wir uns nun abge­fun­den haben mit dem nor­ma­len, unpo­li­ti­schen Jugend­li­chen, hört das Grum­meln im Bauch trotz­dem noch nicht auf. Denn irgend­was fehlt ihr ja doch, die­ser Jugend. Tho­mas Mann ist in sei­nen Betrach­tun­gen eines Unpo­li­ti­schen in einer auf­schluß­rei­chen Pas­sa­ge über sei­ne her­vor­ra­gen­de Novel­le Tonio Krö­ger anders an das Pro­blem her­an­ge­gan­gen. Die Jugend der Jahr­hun­dert­wen­de habe sei­ne Novel­le begeis­tert auf­ge­nom­men: „die intel­lek­tu­el­le und radi­ka­le Jugend, die den Radi­ka­lis­mus damals frei­lich noch nicht poli­tisch mein­te, ergriff den ‚Tonio Krö­ger‘ als ihr gemäß“. Sie habe sich mit den radi­kal-lite­ra­ri­schen, intel­lek­tua­lis­tisch-zer­set­zen­den sowie den gemüt­haft-kon­ser­va­ti­ven, deut­schen Ele­men­ten iden­ti­fi­zie­ren kön­nen und dies als Gegen­ent­wurf zum „unbe­wuß­ten und stum­men Leben“ gesehen.

Der Appell an die heu­ti­ge Gene­ra­ti­ons­eli­te könn­te eben­so anset­zen: Nicht das Poli­ti­sche gilt es wie­der­zu­fin­den, son­dern einen geis­ti­gen Radi­ka­lis­mus, der die Bah­nen des stum­men Lebens und des demo­kra­ti­schen Dau­er­ge­quas­sels verläßt.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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Kommentare (15)

Sebastian

12. Oktober 2009 18:18

Der Appell an die heutige Generationselite könnte ebenso ansetzen: Nicht das Politische gilt es wiederzufinden, sondern einen geistigen Radikalismus, der die Bahnen des stummen Lebens und des demokratischen Dauergequassels verläßt.

D'accord!

Schön, dass ich nicht der einzige meines Jahrgangs bin, der "Thomas Mann I" (frei nach der gänigen Wittgenstein-Nomenklatur) noch zur Hand nimmt und mit - praktischem - Gewinn liest.

Ich hoffe auf viele gelungene Beiträge von Dir!

Hesperiolus

12. Oktober 2009 20:44

Dieser Staat reduziert und bewirtschaftet seine Jugend als humankapitalen und konsumierenden Reproduktionsbestand. An die Stelle "positiver" Vereinnahmung durch pflichtmäßige Jugendverbände ist die "negative", aber gleichfalls in der Breite unausweichbare durch repressive und gelenkte Permissivität getreten. Intuitiv erlebt die nachwachsende Generation Demokratie als eine ihrer zuinnersten Aufgabe als Jugend wesenswidersprüchliche Macht, zumal in Gestalt der postdemokratischen Wirklichkeit. Demosklerose, Marionettentheater des etablierten Spektrums in den unteren und den absurrenden Weltplan in den oberen Etagen. Alle Lebensfragen vorentschieden auf Jahrhunderte. Der Schulraum ist höchstverdichtetste Manipulationskammer, Sprache und Leben seiner Akteure Heuchelei und Hilflosigkeit. Die Sehnsucht der Jugend zum Hohen, zur Gemeinschaft und zum Wettkampf, Zucht und Opfer, zum Vorbild und zum Eigenen, zur Seele und zum Gutenvon der etablierten Dekadenz in den Dreck getreten. Und in den gutmenschlich blitzenden Gesichtern dieser streberhaften Demokratieadepten sieht Jugend die Plastikfratzen der Endstufen schon voraus. Demokratie? Was solls, lathe biosas!

Turmkönig

12. Oktober 2009 21:25

Mir als Angehöriger einer relativ jungen Generation gefällt es, daß endlich auch Felix Menzel die Ehre zuteil wird, sich an "Sezession im Netz" beteiligen zu dürfen.
Die Demokratie ist zu sehr dem Vernünftigen, Rationalen verbunden, als daß sie als Wert an sich in der Jugend etwas Emotionales, irgendein großartiges Gefühl auslösen könnte - erst recht, wenn sie sich in solch trockenen Tüchern befindet wie die unsere.
Insgesamt, so muß man festhalten, ist uns Jungen die Besinnung auf höhere Werte, das große Fühlen überhaupt ausgetrieben worden. Patriotismus als Beispiel ist von uns, wenn ausnahmsweise mal nicht als unanständig und gemeingefährlich, so doch zumindest als lächerlich ferngehalten worden.
Selbst die Liebe zu einem anderen Menschen anzusprechen, die über das Körperlich-Sexuelle hinausgeht, wird mancherorts mit einem Augenrollen quittiert, das sagen soll: Derjenige ist nicht von dieser Zeit, sondern nur ein weltfremder Träumer, der es zu nichts bringen wird. Woanders hingegen finden die Zuhörer solch ein Liebesgeständnis schön, ehrliche und ernstgemeinte Treueschwüre "rooomantisch" und schwelgen selbst in Wunschträumen von einem sinnlicheren Leben in einer wunderschönen Welt; dies alles in der Praxis vorzuleben, fällt ihnen unsagbar schwer. Der Konsumappell, Sex allein sei am "coolsten", macht es ihnen auch wirklich nicht leicht.
Felix Menzel hat in der "Blauen Narzisse" irgendwann einmal angesprochen, daß in dieser Gesellschaft nur noch das Dreieck "Geld, Sex und Aufmerksamkeit", was für sich allein nur kalt, nichtig und leblos ist, etwas zählte. Der lebendige Sinn von Sex ("Rummachen") und Aufmerksamkeit ("Rumquatschen" und Schauspielern), nämlich Liebe und Freundschaft, bleibt Mangelware, weil er sich nun mal schwerlich als Ware verkaufen läßt.
"...einen geistigen Radikalismus, der die Bahnen des stummen Lebens und des demokratischen Dauergequassels verläßt[, wiederzufinden]", das würde bedeuten, gegen seine eigene Bequemlichkeit und gegen die der vorgelebten Gesellschaft zu opponieren; das würde bedeuten, gegen die eigene zufriedengeglaubte Durchschnittlichkeit und die der vorgelebten Gesellschaft zu opponieren; und das alles würde bedeuten, Verzicht üben zu müssen wie ein Alkoholiker, für den ständig ein Bierkasten in seinem Kühlschrank bereitsteht. Durch dieses Gleichnis versteht man, warum der größte Teil der Jugend bereits zum radikalen Andersdenken zu träge ist und zum radikalen Andershandeln und -leben sowieso.

Carlo Clemens

12. Oktober 2009 22:15

Jugendliche, die wirklich noch was bewegen wollen, sollten sich wahrlich nicht Parteiapparaten beim Dauer-Palavern, Fußballturnier-Organisieren und Plakat-Aufhängen verschleißen. Dazu nervt mich bei vielen durchaus konservativen JU'lern diese unbedingte Treue zur Mutterpartei.

Will man mit anderen Jugendlichen, die im Prinzip genauso denken, mal was auf die Beine stellen, dann zeigt sich dazu noch die allgemeine Feigheit, von der die Jugendlichen heute zumeist betroffen sind. "Machen wir das nicht, die Antifa könnte..." "Aber das gäbe doch Ärger mit dem Lehrer." Höhepunkt war für mich persönlich ein vermeintlicher Mitstreiter, der mit mir per Mail nicht mehr über "brenzlige" Themen schreiben wollte - der Verfassungsschutz könnte ja mitlesen!

Viel zu viele haben es sich in ihrer Lethargie und Trägheit eingerichtet. Viele haben eine durchaus skeptische bis kritische Meinung zu vielen aktuellen Entwicklungen - aber das wird alles nur hinter vorgehaltener Hand zugegeben. Bloß Anonym bleiben! Wirkliches Rebellentum (also nicht so ein Antifa-Quatsch, die im Prinzip ja nur die nützlichen Idioten der politischen Klasse sind) und intelligentes "Aufmucken" findet nicht statt. Veranstaltungen kreativ stören, kritische Videos hochladen, nonkonforme Zeitschriften verteilen, authentisch Gesicht und Namen hergeben und offen für seine Meinung einstehen - sowas findet man heute selten, verdammt selten...

Die Frage sollte sein, wie man Jugendliche aus ihrer Trägheit befreit. Hat "geistiger Radikalismus" das Zeug dazu, Menschen zu mobilisieren? Oder schreckt er die ohnehin Schreckhaften nur weiter ab? Sollte man von vornherein nur auf die paar wenigen abzielen, die "mehr wollen" und mehr "können"?

Martin

12. Oktober 2009 22:17

Für mich liest sich dieser Schlussappell doch eher auch nach einem gehörigen Schuss Escapismus an. Durchaus im Sinne des romantischen und idealistischen - aber verbindet man nicht dies normalerweise immer auch mit "der Jugend" ?

Für mich, als Menschen um die 40, zeigt sich immer mehr, dass man Jugend nicht immer mit den Projektionen Erwachsener überborden darf, nur weil bei den meisten Erwachsenen die Jugend dann doch zumeist recht "langweilig" war und man nun meint, vorgeben zu wollen, was und wie Jugend zu sein hat - und sei es auch noch so gut gemeint.

Ich persönlich denke, dass die Jugend weder vor dem Krieg noch nach dem Krieg in großen Teilen wirklich "politisch" war ... das Geschrei von den unpolitischen Jugendlichen ist daher auch so eine Erwachsenen-Projektion. Denn wie viele Jugendliche anno 68 konnten es sich den bspw. überhaupt leisten, "politisch" zu sein ?

Doch wohl zumeist nur die, die von ihren dafür dann von ihnen gehassten Altnazi-Nachkriegsgewinnler-Eltern ein Studium finanziert bekommen haben. Die große Masse der übrigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurde in Lehren und jobs mit 6- Tage- Woche kujoniert und konnten sich den Luxus des "politischen" gar nicht groß erlauben.

Ich persönlich bin auch immer sehr genervt, wenn ich die Vorwürfe höre, dass die "heutige Jugend" so ungebildet, unhöflich etc. sei.

Ich habe das Vergnügen, von Berufswegen mit allen Generationen und Schichten konfrontiert zu sein - und ich möchte die Jugendlichen von heute beruhigen: Die Anzahl von eigentlich dummen und grenz-debilen, verhaltensauffälligen Personen ist in allen Generationen meines Erachtens ziemlich konstant gleich groß - nur haben derartige Menschen früher kein größeres Problem gehabt, irgendeinen job zu bekommen und sich damit dann letztlich in die Gesellschaft eingliedern zu können. Heute dagegen bleibt diesen Schichten nur Hartz4 oder halbkriminelles bis kriminelles Rumgemache, da keiner mehr die nackte Arbeitskraft benötigt.

Ums abzuschließen: Wenn wir die Jugend einfach auch mal wieder Jugend sein lassen würden, ihnen auch die Zeit und bei allen durchaus notwendigen erzieherischen Maßnahmen auch den Spielraum einräumen würden, sich entwickeln zu lassen, statt sie ständig unter dem Stress der sozialen Dauerselektion und Dauerpädagogisierung zu setzen, dann würden wir nicht nur ihnen, sondern der ganzen Gesellschaft einen großen Gefallen tun.

Timotheus

13. Oktober 2009 11:14

Hesperiolus:

Nein, dieser Staat versteht die Jugend eben nicht als Humankapital, das es zu bewirtschaften gilt. Im Gegenteil, er versteht die Jugend als Verbrauchsgut! Überall wird von der Nachhaltigkeit geredet. Wir wollen etwa die Umwelt schützen, damit zukünftige Generationen noch etwas von ihr haben. Wir haben vor lauter Nachhaltigkeit in der Umwelt vergessen, auf die Nachhaltigkeit im Volk zu achten. Jeder dämliche Buchenhain erhält mehr Aufmerksamkeit, als das Volk dieses Landes.

Wir asen mit unserem Humankapital auf eine Art und Weise, die in der Geschichte der Menschheit außerhalb von Kriegszeiten wohl ohne Beispiel ist. Deutsche Frauen bekommen mit Glück noch 1 Kind zusammen, wenn man die Ausländer und Passdeutschen mal abzieht, während sich die Politiker in typisch deutscher Technokratie darüber austauschen, wie man unser Volk und unsere Kultur am besten aufgeben kann, damit sie niemanden mehr stört. Als ich gestern etwa Herr Laschet auf Phönix so zugehört habe, fühlte ich mich bei unserer Regierung an eine Art der Treuhand erinnert, deren Aufgabe die geregelte Abwicklung von allem ist, was uns ausmacht.

Ich, als junger Bürger, habe einen glühenden Haß auf die Generation der heute Vierzig- bis Achtzigjährigen, die mir und den Generationen nach mir eine Bevölkerung hinterlassen, in der Deutsche in ganzen Großstädten die Minderheit im eigenen Volk sind, nur, damit dieses alte **** seinen lächerlichen Hedonismus auch im Alter noch mit ausreichend hoher Rente füttern kann.

Martin

13. Oktober 2009 13:15

Einspruch, Thimotheus!

Die Weichen in Sachen Zuwanderung wurden von Ende der fünziger bis Ende der achtziger Jahre gestellt ... da waren die heute 40-jährigen gerade einmal selbst Kinder bzw. Jugendliche.

Wenn man dann noch hinzuzählt, wie lange es dauert, bis man überhaupt in eine Position kommt, in der man etwas "mitentscheiden" kann, dann ist man locker Ende 40 ...

also beschränken Sie Ihre Anpöbelung auf die älteren - oder noch besser: lassen Sie sie ganz.

Jede Generation lebt mit dem Erbe, welches ihr die vorangegangene mitgegeben hat ... und die heutige "Jugend" wird in der Masse den ihr vorgegebenen Weg gehen, wie alle jugendlichen Generationen voraus. Gewöhnen Sie sich also besser bereits jetzt daran, dass Sie sich mit ab 40 sicher auch ganz üble Vorwürfe der dann jungen Menschen anhören dürfen. So ist das Rad der Geschichte nun einmal ... als Konservativer kennt man die ewige Wiederkehr des Gleichen.

Die Ausreden der älteren sind übrigens auch immer die gleichen: "Das hätten wir nie gedacht ... oder, daran haben wir im Leben nicht gedacht ... wenn wir gewusst hätten, wie es endet etc."

Timotheus

13. Oktober 2009 13:53

Martin:

Es ist mir einerlei, ob die Weichen für die Zuwanderung heute, gestern oder sonstwann gestellt wurden. Wichtig ist, daß ihr bis heute nicht energisch widersprochen wurde.

Was erwarten Sie also von mir? Das ich den Alten dieses Versäumnis nicht vorwerfe, weil junge Generationen ja ohnehin zum undifferenzierten Vorwurf neigen? Weil sich Vorwürfe zwischen den Generationen ohnehin ständig wiederholen? Wo ist denn da bitte das Argument?

Die einzig relevante Ebene der Argumentation ist die Sache an sich, und da sieht es so aus, daß die Ausländer hier sind, um unseren demographischen Verfall zu kompensieren. Bedeutet: Sie sind hier, um mit ihrer Fruchtbarkeit unsere sozialen Sicherungssysteme zu stützen, was heute ganz überwiegend "Kosten der gesellschaftlichen Alterung" sind, die sich in Form von Renten und medizinischer Behandlung darstellen.

Hätte die Generation, die heute in Rente ist oder sich auf sie zubewegt, zu der Zeit, als sie es noch konnte, für ausreichend demographische Nachhaltigkeit gesorgt, anstatt die Wale zu retten und "Freiheit für Tibet" zu fordern, hätten wir heute die gesamte Problematik überhaupt nicht. Würde die Generation, die heute in Rente ist oder sich auf sie zubewegt, nicht die Unantastbarkeit ihrer Rentenansprüche über den Fortbestand unserer herrlichen Kultur und des Volks stellen, könnte man sich wenigstens von der Gruppe der "Problem-Migranten" trennen. Aber nein, selbst der Nachwuchs analphabetischen Ziegenhirten scheint hier dringend benötigt zu werden...

Die Generation der Kinder, die heute geboren werden, besteht bereits zu ~40% aus Migranten, und in Großstadt nach Großstadt kippt die 50%. Das sind keine übrigens Werte für Kreuzberg oder Marxloh, sondern bundesweite! Diese und folgende Generationen von Deutschen werden ethnische Minderheit im eigenen Land sein und als solche u.U. von der Gnade kulturell Fremder abhängen. Wie soll ich da gelassen oder gar höflich bleiben?

jung

14. Oktober 2009 18:47

Nun ja, so unpolitisch ist die Jugend ja nicht. Eigentlich alle Studenten, die ich kenne, würden sich als links bezeichnen und finden sich irgendwo zwischen SPD und KPD/ML wieder, finden Gysi, Döner und Bio gut und lehnen Typen wie mich sowie Deutschland ab.

Lapidarium

15. Oktober 2009 10:03

..."wir die Jugend einfach auch mal wieder Jugend sein lassen würden..." Ja, aber nach dem Akt der 'Entlassung' aus der Kindheit. Nach dem Schwur, dem Versprechen, der Verankerung in der neuen Welt der Bruch mit der alten; Aufbruch und/oder Ausbruch - Aufbruch: Kavalierstour, Wanderschaft, Er-Fahren von Land/Landschaft, ob Tippeln, per Anhalter oder Fahrrad, egal Studentenzeit/Lehre - immer ein Verhältis zwischen Meister und Schüler/Scholar/Lehrling, im schlimmsten Fall, die Anmaßung des "Zauberlehrling": Seine jugendliche Potenz erprobt die Position des Meisters. Die Katastrophe jugendlichen Leichtsinns folgt auf den Fuß. Auf den Fuß folgt auch Räson/Staatsreäson. Heute nicht im geringsten.
Ausbruch: Revoluzzer, Chaostage, Demo, Häuser besetzen, nicht selten Verwahrlosung, Treibenlassen, Umhertreiben.
Naturgemäß wählen schon die Kinder bei Pseudoabstimmungen ihren eigenen Vorteil. Es wurde aber nicht thematisiert, dass der eigene Vorteil (schulfrei) etwas ganz anderes ist als der Nachteil beim Lernen (weniger Lernstoff). Die Politik ist eine Begabung wie Malen oder Mathematik. Wir sehen es an den Nobelpreisen. Dass der Homo politicus per se der bessere Mensch sei, die politisierte Gesellschaft der Retter der Mernschheit, ist dem Humbug der 68er geschuldet. Mehr denn je bedarf der erruptive Zorn, die helle Begeisterung der Jugend der Rituale einer einer Sitte und Sittlichkeit in Gemeinschaft, die leider, siehe Fußball, immer monströser gerät und/oder immer krimineller (Schwarzer Block von rechts bis links). Da waren die 'schlagenden' Verbindungen doch gar nicht so schlecht. Als Kulturleistung ist das Mystische, Geheime, Ein-Geweihte allemal geeignet, das Verbindende, Bindende zu leisten. Aber wo gibt es das noch, außer in der hohen Vollkommenheit katholischer Eucharistie, Blut getrunken, Menschenfleisch gegessen ohne daß ein Blutstropfen vergossen wird. Nicht nur im Religiösen (seit Luther) , auch im Säkularen weniger und weniger feierliche Rituale, Bräuche, Mutproben, um eigene unkalkulierbare Kräfte spielerisch und ernst zu erfahren, zu bändigen, zu messen. Diese Rituale sind als reaktionär, faschistisch, neofaschistisch usw. verschrieen. Und nun weiß die Jugend mit ihren explosiven Kräften nicht wohin und pöbelt, in Schule, auf dem Bürgersteig, im Bus wo auch immer den Nächstbesten an, Todesfolge mit einberechnet.

Marco Reese

15. Oktober 2009 14:08

Geistiger Radikalismus ist notwendig. Radikalismus bedeutet ja eben nicht flachen, tendenziell oder offen gewalttätigen Protest ohne Alternativvorstellungen, sondern gemäß der Etymologie einfach nur das Ansetzen an der Wurzel, d. h. an der Wurzel des Eigenen, an der Wurzel des aufgekommenen Übels, wie auch immer. Dies kann freilich nur durch eine geistige Durchdringung erreicht werden, die mit dem, was so unter "radikal" verstanden wird, nichts zu tun hat.

Insofern ist die Antifa auch nicht radikal. Radikal ist ebenfalls nicht das wirkliche Neonazistische. Radikal im notwendigen Sinne sind allerdings auch nicht die allermeisten deutschen oder europäischen Jugendlichen, auch zu gutem Teil diejenigen nicht, die sich vielleicht doch irgendwie als konservativ verstehen würden.

Radikalismus im eigentlichen Sinne muß konstruktiv sein, sonst handelt es sich lediglich um Zerstörungswut.

Ich will es mal wieder mit dem geschätzten Edelmann aus Tirol ausdrücken, der mal schrieb, er sei "kein Konservativer im üblichen Sinne des Wortes, also auch ganz und gar kein Freund des heutigen Establishments, sondern ein doch eher revolutionärer Neuerer im Rahmen bleibender Wahrheiten, ein rechtsradikaler Stockliberaler, der entschlossen gegen den Strom der Zeit zu schwimmen versucht.“

Lapidarium

15. Oktober 2009 20:39

1984 in der damaligen Hauptstadt Bonn gelandet, blieb mir, trotz 'Anschwärzung' bei der Stasi und deren versuchter 'Zersetzung' der wache Blick. Recht bald fielen mir die älteren Kopftuchfrauen auf, die ca. 5 m hinter ihrem Mann hergehen mussten, bepackt mit dicken Einkaufstüten, statisch, stumm, frei von situationsbedingten offenen Blicken, Gesten, Worten (z. B. 'danke', 'Entschuldigung'), gegenüber Passanten, was ein anonymes Stadtleben automatisch braucht, damit es fließt. Dieser Anschauungsunterricht wurde durch detailgenaue monatliche oder 1/4jährliche statistische Veröffentlichungen auf losen Blättern im Bürgeramt über das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, (jugendlichen)Kriminellen, Geburtenraten ergänzt. Die Verhältnis negativer Fakten war, relativ gesehen, derselbe wie heute Deutsche - Ausländer. Dies nicht wahrzunehmen, sondern einseitig zu deuten, ist der Ignoranz der Behörden geschuldet. Die Ausländer/Einwanderer verhalten sich nach dem typischen Muster der 'Kulturdiffernz' ohne die kein Diplomat ins Ausland eordet wird. Unsere vermeintliche Toleranz lehnt es ab, daß das Fremde fremd auf Natürliche Weise fremd ist - Distanz zum Eigenen; nur die hochkultivierten Formen der Gast-Freundschaft vermögen das Fremde des Gastes auf Zeit zu überbrücken. Aber wir Deutschen wollten es wieder einmal viel besser machen als alle anderen in der Welt, wir Xenophilen wollten sie alle einverleiben, als sei ein Einwanderer ein Einheimischer. Es dauert mindestens eine Generation bis das Fremdsein im Alltäglichen herausgewachsen aus den eigenen Wurzeln herauswächst - ich kenne das aus eigener Erfahrung als Deutsche in Schweden, und das war verwandte Kultur, dieselbe Religion. In allen großen Einwandererstädten der Welt haben sich ethnografische Bezirke gebildet.
Wäre es nicht nach 25 Jahren erbärmlichen, aber teuren 'Bleibt-bei-uns,-sonst-herrscht-Langeweile-Versuchen an der Zeit, diese Bezirke, Stadtteile mehr und mehr jenen in Selbtverwaltung (samt Kosten) zu überlassen, so schmerzlich es auch ist, die dort leben? Sind wir Deutschen zu unserem eigenen Schaden, aber auch zum Schaden der anderen, die zu uns gehören sollen, aber nicht wollen, nicht zu idealistisch, was man gemeinhin "blauäugig" nennt? Allein an den Speisen ist Offenheit und Abgrenzung (der Begriff 'Ausgrenzung ist ein Hohn!) ersichtlich. Ich kenne kaum einen Deutschen, der nicht schon Döner, Suschi, Pizza, Tapas, Bagette, gegessen hat. Fragen Sie einen Türken, ob er Rotkraut, Kartoffelbrei, Spätzle, Sauerteigbrot, Bagel, von Schweinefleisch ganz zu schweigen, probiert hat. (Stattdessen dürfen deutsche Kinder im Kindergarten zum gemeinsamen Frühstück keine Leberwurstbrote auftischen.) Seltsamerweise sind die Träger überbordende Liebedienerei (so schön exotisch, so schön folkloristisch) für welche fremde Kultur auch immer, Hauptsache nicht deutsch, also unter Verleugnung der eigenen Identität, häufiger Frauen (Lehrerinnen, Pastorinnen, Kindergärtnerinnen) und - fast durchgängig die protestantische Kirche samt ihrer wohlwollend säuselnden Gemeindemitglieder.
Eine Frage - wie haben es die Hugenotten geschafft, sich einzugliedern, so dass sie es nicht mehr nötig hatten, sich auf Herkunft, Status, Lebensart, Religion zu berufen? Wäre das ein Modell gelungener Integration des Fremden, Fremdartigen? (Herr Sarrazin ist übrigens hugenottischer Herkunft!)
Andere Frage - viel wird darüber spekuliert, daß die Türken als Gastarbeiter nicht von Deutschland angeworben wurden, sondern die Türkei - im Hintergrund amerikanische Stationierungen - bei der deutschen Regierung angefragt haben. Trtansatlantische Abhängigkeiten, wenn nicht gar eine Frage der Souveränität der Bundesrepublik?

Martin

15. Oktober 2009 21:27

"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft" (A.H.)

und hier und heute:

Wer die alten hat, gewinnt die Wahl ...

vielleicht auch ein Grund, warum junge Menschen instinktiv sich von Wahlen etc. fern halten ...

Martin

15. Oktober 2009 21:36

... oh, ich denke, A.H. hat diesen Spruch wohl von Napoleon geklaut ..

Vulture

17. Oktober 2009 00:28

Felix, nenn doch mal einen handfesten Grund warum irgendjemand einen geistigen Radikalismus suchen sollte, einen Grund der nicht in der Welt des Intellektuellen und der Ideale wurzelt.

In der intellektuellen Welt gibt es genug billige und bewährte Angebote, vom Linksextremismus bis zum Neuheidentum. Da kann man nicht viel falsch machen. Zum Abreagieren reicht es allemal. Was also sollte junge Leute zur Suche nach einem geistigen Radikalismus bewegen?

Hunger, Lebensgefahr, Platznot was weiß ich. Vielleicht. Haben wir aber Gott sei Dank (noch) nicht.

Ich möchte keiner Untaetigkeit und keinem bequemen Einrichten im Vorhandenen das Wort reden. Aber wenn einer "geistigen Radikalismus" fordert, sieht das fuer mich stark nach intellektuellem Sich-im-Kreis-Drehen aus, eine Phrase mit der ich jedenfalls bis jetzt exakt nichts anfangen kann.

Wenn ich schon einige andere Kommentare hier lese, von wegen "Massen mobilisieren" usw. Die werden sich schon selbst mobilisieren (wenn es nichts mehr zu fressen gibt spaetestens), und euch gleich mit, wenn auch nicht in dem von euch gewünschten Sinn.

Die Leute hatten eben Zeit zum Wale retten, weil sie u. a. kein demografisches Problem hatten bzw. spürten. In jeder Zeit wird sich wohl mit dem beschaeftigt was unmittelbar das naechstliegende ist (Im Moment Saufen und Internet, oder?). Überblick und strategisches Denken ist den wenigsten vergönnt. Was die jeweilige "Jugend" dafür kann, ist mir schleierhaft.

Oder bin ich schon zu alt um diese Diskussion zu verstehen?

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