Ist das nicht geschmacklos?

… dachte ich zunächst, als ich (auch hier auf der Seite) die Werbung 100oplus der Frauenhilfsorganisationen Birke e.V. und Stiftung Ja zum Leben sah.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Unser Abtrei­bungs­recht als wenigs­tens kri­tisch und die Abtrei­bungspra­xis als furcht­bar anse­hen – für mich kei­ne Fra­ge. Aber darf man, bes­ser: soll man mit solch einem Scho­cker kommen?

Zehn put­zi­ge Krab­bel­kin­der schau­en uns an, und dazu die Fra­ge: „Und wel­ches hät­ten Sie abge­trie­ben?“ So nach dem Mot­to: Wel­ches Schwein­derl hätten´s denn gern? Ist das nicht ein biß­chen kraß, zu effektheischerisch?

Seit­dem die Wer­bung läuft, hab ich etli­che emails erhal­ten: Wie siehst Du das denn? Muß man so obs­zön wer­den? Ist das nicht eine Ver­mi­schung von Pri­vat­an­ge­le­gen­heit und Politik?

Es gilt, die Refle­xe zu über­prü­fen. Das The­ma Abtrei­bung ist ja kein rand­stän­di­ges, auch wenn es auf­grund sei­ner Pola­ri­sie­rung durch Radi­ka­le so scheint. Nahe­zu jede und jeder Erwachsene/r (die Tren­nung nach Geschlech­tern ist hier sinn­voll, mich berührt´s immer selt­sam, wenn Män­ner bei die­sem The­ma laut­stark und ent­schie­den die Stim­me erhe­ben) hat sich schon mal mit dem The­ma befaßt. Zumin­dest in Annä­he­run­gen: Sexu­el­le Akti­vi­tät und Fort­pflan­zung sind selbst für die meis­ten Chris­ten und Lebens­recht­ler weit­ge­hend von­ein­an­der abge­kop­pelt. Drum wird ver­hü­tet, drum sind Kin­der heu­te und hier­zu­lan­de meist Wunsch­kin­der. Was tun, wenn´s schief­geht, zu äußerst unge­le­ge­ner Zeit?

Es heißt immer wie­der: Kei­ne Frau treibt doch leicht­fer­tig ab! Eine rela­ti­ve Aus­sa­ge. Ich ken­ne eine Frau, die sie­ben Abtrei­bun­gen hatte´(und sie wür­de die­se Ein­grif­fe sicher als unan­ge­neh­me Pro­ze­du­ren bezeich­nen), und wars nicht Jut­ta Dit­furth, die mal bekun­de­te, sie hal­te ihre zwei Abtrei­bun­gen im Rah­men eines jahr­zehn­te­lan­gen erfüll­ten Sexu­al­le­bens für erträg­lich? Also: Weil frau meist aus einer Not­la­ge her­aus abtreibt und nicht aus „Spaß“ – des­halb sei die­se Wer­bung der Bir­ke e.V. „gemein“? Darf man die inti­men See­len­grün­de von Frau­en so laut­hals ans Licht zer­ren und hinterfragen?

Wich­tig scheint mir, zu beto­nen, daß es nicht die Sei­te der Abtrei­bungs­ge­ner war, die die Abbruchs­fra­ge zum Poli­ti­kum gemacht hat. In der Som­mer­aus­ga­be der Emma hat­te Ali­ce Schwar­zer zum x‑ten mal ihr Ein­tre­ten für eine mög­lichst libe­ra­le Abtrei­bungs­pra­xis Revue pas­sie­ren las­sen. Ich fin­de: Das ist geschmack­los! Wo kalt­lä­chelnd geleug­net wird, daß „Zell­hau­fen“ bzw. „Föten“ natür­li­che Vor­stu­fen des­sen sind, was Wochen oder Mona­te als Kind das Licht der Welt erbli­cken wird, wo der Aus­druck „wer­den­des Leben“ höh­nisch in Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt wird – das ist Käl­te, da ist auch Frau­en­feind­lich­keit im Spiel ! Und, ver­mut­lich, wenn man sich die kaput­ten Reak­tio­nen und Paro­len der Abtrei­bungs­freun­de auf der letz­ten Anti-Abtrei­bungs­de­mo in Ber­lin anschaut (“Hätt´Maria abge­trie­ben, wärt ihr uns erspart geblieben“etc.), ein ganz schlech­tes Gewis­sen, das mit Lärm über­tüncht wird. Psy­cho­lo­gen hät­ten bei der­lei Schrei­häl­sin­nen ver­mut­lich ein leich­tes Spiel. Wenn die Wer­bung der Bir­ke auf­rüt­telt und scho­ckiert, ist das gut. Vor allem: Gera­de die­se Orga­ni­sa­tio­nen pre­di­gen nicht, sie han­deln, indem sie Frau­en in Not hel­fen. Und deren (unge­bo­re­nen) Kin­dern. Geschmack­los und unmensch­lich ist etwas anderes.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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