Gerd-Klaus Kaltenbrunner ist siebzig

pdf der Druckfassung aus Sezession 28 / Februar 2009

Im August 2007 beantwortete der Privatgelehrte Gerd-Klaus...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Kal­ten­brun­ner den Fra­ge­bo­gen der Wochen­zei­tung Jun­ge Frei­heit. Für die­je­ni­gen, die sein Werk noch ken­nen, war es ein über­ra­schen­des Signal, daß er sich zur Betei­li­gung an der Häpp­chen­kul­tur eines Fra­ge­bo­gens hin­rei­ßen ließ: Sei­ne bei­den letz­ten Wer­ke näm­lich, Johan­nes ist sein Name (1993) sowie Dio­ny­si­us vom Areo­pag (1996), umfas­sen 490 und 1380 Sei­ten, und einen lan­gen Atem benö­tigt, wer in die­se Tie­fen der Mys­tik hin­un­ter­stei­gen möch­te. Die Ant­wor­ten auf den Fra­ge­bo­gen also das seit lan­gem ers­te pro­fa­ne Zei­chen aus Kal­ten­brun­ners Klau­se bei Freiburg.

Wohin ver­schwand Kal­ten­brun­ner (gebo­ren 1939 in Wien) und von woher kam er? Er kam aus dem Zen­trum der deut­schen Rech­ten und ver­schwand in ein Haus am Ende eines Schwarz­wald­dorfs. Er trug den Ruf eines bele­se­nen, wort­ge­wal­ti­gen Publi­zis­ten der Kon­ser­va­ti­ven, der Tra­di­tio­nen bewahr­te, The­men setz­te und Fra­ge­stel­lun­gen auf den Punkt brach­te. Kal­ten­brun­ner schrieb die Vor­wor­te zu der von ihm über ein Jahr­zehnt her­aus­ge­ge­be­nen Rei­he Initia­ti­ve des Her­der-Ver­lags mit der Selbst­si­cher­heit eines Man­nes, der weiß, daß sich in ihm Tra­di­ti­ons­li­ni­en kreu­zen. Neben den dick­lei­bi­gen Bän­den Euro­pa. Sei­ne geis­ti­gen Quel­len in Por­traits aus zwei Jahr­tau­sen­den ist es vor allem die­se Rei­he Initia­ti­ve – grup­piert um das Schlag­wort einer »Ten­denz­wen­de von rechts« –, die in jede Biblio­thek gehört (man kann sie sich im Inter­net zusam­men­kau­fen). Kal­ten­brun­ner mar­kier­te mit die­ser Rei­he sei­nen Stand­punkt eines an der Ver­nunft, am Durch­dach­ten ori­en­tier­ten Konservativen.
Daß die­se Beto­nung des bes­se­ren Argu­ments ein­her­ge­hen kann mit einem dring­li­chen Ton, bewies Kal­ten­brun­ner in den vie­len Arti­keln für Cri­ticón und in den Büchern, die er her­aus­gab oder sel­ber schrieb. Eine Kost­pro­be aus dem Jahr 1974: »Der Haupt­feind der bür­ger­li­chen Gesell­schaft ist nicht der ortho­do­xe Mar­xis­mus, der inzwi­schen ohne­hin schon eine kon­ser­va­ti­ve Phy­sio­gno­mie ange­nom­men hat, son­dern der nur auf dem Boden der bür­ger­lich-libe­ra­len Gesell­schaft über­haupt mög­li­che Nihi­lis­mus. Daß gro­ße Tei­le des libe­ra­len Estab­lish­ments die­sen Nihi­lis­mus nicht als Feind, son­dern als ›eine neue Gele­gen­heit für glän­zen­de Geschäf­te‹ (Irving Kris­tol) anse­hen, ist eines der kras­ses­ten Sym­pto­me für die kon­sti­tu­tio­nell oppor­tu­nis­ti­sche und prin­zi­pi­en­lo­se Hal­tung einer bür­ger­li­chen Gesell­schaft, die auf­grund der von ihr prak­ti­zier­ten Maxi­men unfä­hig ist, Selbst­ver­wirk­li­chung mit Selbst­zer­stö­rung nicht zu verwechseln.«
Kal­ten­brun­ner gehört zu der sel­te­nen Spe­zi­es, die nicht nur sel­ber den­ken und irgend­wo mit­ma­chen, son­dern eige­ne Pro­jek­te auf­zie­hen möch­te. Er stieg mit hohem Ein­satz in den Kampf um den Bestand von Volk, Nati­on, rech­ter Welt­sicht und kon­ser­va­ti­vem Lebens­stil ein. Zwar hielt auch er den irra­tio­na­len Sie­ges­zug der Neu­en Lin­ken nicht auf, aber er bewahr­te die Flam­me und wur­de durch die Wen­de von 1989 doch in einem ent­schei­den­den Punkt bestä­tigt. Den­noch scheint gera­de die­se Wen­de eini­gen rech­ten Strei­tern die Kraft geraubt oder Ent­täu­schung berei­tet zu haben – jeden­falls gin­gen Män­ner wie Ber­nard Will­ms und eben Gerd-Klaus Kal­ten­brun­ner von Bord. Lag es dar­an, daß man nach einer kur­zen Erwar­tungs­span­nung (wie wäh­rend der Ouver­tü­re vor dem noch geschlos­se­nen Vor­hang) vom Büh­nen­bild total ent­täuscht war und über­all den alten Trott zu kon­sta­tie­ren hatte?
Kal­ten­brun­ner jeden­falls zog sich zurück und äußer­te sich nicht mehr poli­tisch. Er hat über die­sen Rück­zug nie Aus­kunft erteilt, auch nicht auf Nach­fra­ge. So blei­ben die Fra­gen ste­hen: Ist er gegan­gen, weil jeder, der heu­te noch im Ober­flä­chen­ge­schäft der Poli­tik tätig ist, sei­ne Zeit ver­geu­det? Ist er gegan­gen, weil er sah, daß selbst sein nicht gerin­ger Ein­fluß als Her­aus­ge­ber und Publi­zist nichts aus­trug? Oder fra­gen wir falsch, und Kal­ten­brun­ner hat­te ein­fach alles gesagt, was er poli­tisch zu sagen hatte?
Wir wis­sen es nicht. Kal­ten­brun­ner jeden­falls wird am 23. Febru­ar sieb­zig Jah­re alt – wir gra­tu­lie­ren herzlich!

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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