Rezensionskriege

Damit ein Buch zum Bestseller wird, ist Qualität nur ein Kriterium. (Und nicht mal ein obligatorisches.) Großverlage investieren ...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

… in ihre Favo­ri­ten erst mal Hun­dert­tau­sen­de an Autoren­vor­schuß und Wer­bung – vor allem letz­te­res garan­tiert, daß das Buch gewinn­brin­gend ver­kauft wird.

Ein Buch, das nicht rezen­siert wird, fin­det kein gro­ßes Publi­kum. Der Ver­lag Klei­ne Klit­sche kann ein noch so gutes Buch her­aus­brin­gen – nur der Zufall wird einen der maß­geb­li­chen Rezen­sen­ten der Leit­me­di­en dazu brin­gen, es per Bespre­chung zu wür­di­gen. Unter den 150 Büchern, die die Kri­ti­ker­rie­ge etwa des Deut­schen Buch­prei­ses jähr­lich auch nur „prüft“, sind fast aus­schließ­lich Pro­duk­te aus gro­ßen Häusern.

Stolz ver­wei­sen unse­re Netz­jün­ger nun dar­auf, daß es auch anders geht: ein paar Bücher völ­lig unbe­kann­ter Hob­by­schrei­ber kur­sier­ten nur im Inter­net, fan­den dort aber so gro­ße Ver­brei­tung, daß Ver­la­ge drauf anspran­gen, die Manu­skrip­te kauf­ten – zum (Geld)Segen für Ver­lag und Autor. Wie schön! Das durch die Ken­ner­schaft der User nun die Macht der Groß­lek­to­ren und – ver­le­ger in die Hän­de der Ver­brau­cher (sprich: Leser) über­gin­ge, ist aber ein Kurzschluß.

Im Netz toben Rezen­si­ons­krie­ge, von denen wir wenig ahnen. Und doch haben sie deut­li­che Aus­wir­kun­gen. Ein Buch, daß beim füh­ren­den online-Händ­ler ama­zon mie­se Leser­be­wer­tun­gen erhält, wird spür­bar weni­ger gekauft als eins, das viel­fach mit 5 Ster­nen klas­si­fi­ziert wird.

Klei­ne­re Ver­la­ge spre­chen von einer Rezen­si­ons­ma­fia, die ihnen das Leben schwer macht: Kon­kur­ren­ten bewer­ten das Buch ein­fach x‑mal mit nur einem Stern oder kicken posi­ti­ve Bewer­tun­gen durch viel­fa­ches Drü­cken auf „Rezen­si­on unzu­mut­bar“ her­aus. Unvor­stell­bar, wel­cher Ehr­geiz die­se Leu­te treibt!

Die Zeit­schrift Lite­ra­tu­ren hat sich nun einem ähli­chen Kurio­sum gewid­met: Ein Mann namens Thors­ten Wie­dau „arbei­tet“ als “Top-Rezen­sent” für ama­zon. Der lese­freu­di­ge Kauf­mann hat in den letz­ten Jah­ren- Ach­tung!- 1950 Bücher gele­sen (?) und bespro­chen. Ein stein­har­tes Geschäft. Ama­zon sei „eine Schlan­gen­gru­be, in der jeder irgend­wie nach oben will“, Wie­dau ist zu sei­nem gro­ßen Ärger nur Top-Rezen­sent Nr.2, und zu sei­ner Ver­wun­de­rung hat noch kei­ne gro­ße Zei­tung ihn abgeworben.

Aber: Er erhält fast jedes ange­for­der­te Buch kos­ten­los von den Ver­la­gen. Weil: Wie­dau bespricht grund­sätz­lich posi­tiv. Alles. Roma­ne, Bücher über Hun­de­hal­tung, über die „Welt der che­mi­schen Ele­men­te“, Koch­bü­cher, ein Buch zu Prin­zes­sin Lil­li­fee (weil sein Sohn rosa liebt und sich gern als Prin­zes­sin ver­klei­det) usw., usf.

Was Wie­dau mit all den Büchern macht, ist unbe­kannt. Wenn er sie auch nur zu 10 Euro pro Buch wei­ter­ver­kauft, hät­te er wenigs­tens eine beschei­de­ne Auf­wands­ent­schä­di­gung für sei­nen Knochenjob.

Klar ist: Der Mann bringt kei­ne Best­sel­ler­lis­ten durch­ein­an­der. Die Geschich­te ist nur ein Argu­ment­bau­stein dafür, was vom angeb­lich trans­pa­ren­ten, ver­brau­cher­freund­li­chen web 2.0 und der viel­ge­rühm­ten „Weis­heit der Mas­sen“ zu hal­ten ist.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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