… in ihre Favoriten erst mal Hunderttausende an Autorenvorschuß und Werbung – vor allem letzteres garantiert, daß das Buch gewinnbringend verkauft wird.
Ein Buch, das nicht rezensiert wird, findet kein großes Publikum. Der Verlag Kleine Klitsche kann ein noch so gutes Buch herausbringen – nur der Zufall wird einen der maßgeblichen Rezensenten der Leitmedien dazu bringen, es per Besprechung zu würdigen. Unter den 150 Büchern, die die Kritikerriege etwa des Deutschen Buchpreises jährlich auch nur „prüft“, sind fast ausschließlich Produkte aus großen Häusern.
Stolz verweisen unsere Netzjünger nun darauf, daß es auch anders geht: ein paar Bücher völlig unbekannter Hobbyschreiber kursierten nur im Internet, fanden dort aber so große Verbreitung, daß Verlage drauf ansprangen, die Manuskripte kauften – zum (Geld)Segen für Verlag und Autor. Wie schön! Das durch die Kennerschaft der User nun die Macht der Großlektoren und – verleger in die Hände der Verbraucher (sprich: Leser) überginge, ist aber ein Kurzschluß.
Im Netz toben Rezensionskriege, von denen wir wenig ahnen. Und doch haben sie deutliche Auswirkungen. Ein Buch, daß beim führenden online-Händler amazon miese Leserbewertungen erhält, wird spürbar weniger gekauft als eins, das vielfach mit 5 Sternen klassifiziert wird.
Kleinere Verlage sprechen von einer Rezensionsmafia, die ihnen das Leben schwer macht: Konkurrenten bewerten das Buch einfach x‑mal mit nur einem Stern oder kicken positive Bewertungen durch vielfaches Drücken auf „Rezension unzumutbar“ heraus. Unvorstellbar, welcher Ehrgeiz diese Leute treibt!
Die Zeitschrift Literaturen hat sich nun einem ählichen Kuriosum gewidmet: Ein Mann namens Thorsten Wiedau „arbeitet“ als “Top-Rezensent” für amazon. Der lesefreudige Kaufmann hat in den letzten Jahren- Achtung!- 1950 Bücher gelesen (?) und besprochen. Ein steinhartes Geschäft. Amazon sei „eine Schlangengrube, in der jeder irgendwie nach oben will“, Wiedau ist zu seinem großen Ärger nur Top-Rezensent Nr.2, und zu seiner Verwunderung hat noch keine große Zeitung ihn abgeworben.
Aber: Er erhält fast jedes angeforderte Buch kostenlos von den Verlagen. Weil: Wiedau bespricht grundsätzlich positiv. Alles. Romane, Bücher über Hundehaltung, über die „Welt der chemischen Elemente“, Kochbücher, ein Buch zu Prinzessin Lillifee (weil sein Sohn rosa liebt und sich gern als Prinzessin verkleidet) usw., usf.
Was Wiedau mit all den Büchern macht, ist unbekannt. Wenn er sie auch nur zu 10 Euro pro Buch weiterverkauft, hätte er wenigstens eine bescheidene Aufwandsentschädigung für seinen Knochenjob.
Klar ist: Der Mann bringt keine Bestsellerlisten durcheinander. Die Geschichte ist nur ein Argumentbaustein dafür, was vom angeblich transparenten, verbraucherfreundlichen web 2.0 und der vielgerühmten „Weisheit der Massen“ zu halten ist.