1. Juni 2009
Vielfalt statt Einfalt? Normalismus in der BRD
Gastbeitrag
pdf der Druckfassung aus Sezession 30 / Juni 2009
von Adolph Przybyszewski
In Köln fand wieder ein Aufmarsch der Anständigen statt. Ihrem Anführer, dem regierenden CDU-Funktionär, gelang es, deutsche SPDund Antifa-Genossen mit türkischen Nationalisten und religiösen Lobbygruppen, emanzipierte ProtestantInnen mit islamischen Antifeministen, aufgeklärte Tolerante mit tribalistischen Homosexuellenhassern zu vereinen. Solche Einheitsfront der Vielfalt bedarf freilich des einigenden Feindes, damit zusammenwächst, was nicht zusammengehört. Daß dieser Feind als »Republikfeind« Fetischcharakter hat, wissen wir längst: »Die Rechten« bilden – gleichermaßen Wunsch- und Angstprojektion – das ganz Andere, das Anormale schlechthin für eine Gesellschaft, die sich als universal, zivilisiert und tolerant begreift. Der hier herrschende flexible Normalismus, wie ihn Jürgen Link analysiert hat (Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Göttingen 2006), fährt vor diesem Fetisch seinen Toleranzen-Thermostat herunter und nähert sich damit einem Protonormalismus, wie er bei den National-Sozialisten auf die Spitze getrieben war: Deren Modell gesellschaftlicher Normalisierung entsprach dem Typ einer Industrienorm, und entsprechend rigid fiel damals die »Aussortierung« nicht normgerechter Elemente aus. Tatsächlich geht Link von einem »unvermeidlichen Umschlagen« des einen Normalismustyps in den anderen aus.
In der »Marktwirtschaft« sind freilich Marktgängigkeit und Renditen die entscheidenden Orientierungsgrößen: »Konto rhei« könnte man heraklitisch kalauern, hier ist Kapitalfluß alles. Traditionen und Sonderrechte stören, Produzenten und Konsumenten müssen liquid sein, der Mensch als Persönlichkeit wird liquidiert. Dennoch braucht der einzelne Marktteilnehmer geistigen Treibstoff über den Sozialneid hinaus: das Versprechen der »Selbstverwirklichung«. Wer aber ein »Selbst« will, muß doch wieder Absonderung, Verfestigung und damit Beharrung anstreben. Folgerichtig kam es in der Massenkultur der BRD zu einer »Institutionalisierung der Ambivalenz«, die es erlaubte, daß eigentlich »inkompatible Motive«, Konformismus und Individualismus, vereint und »komfortabel lebbar« wurden.
»Unterschiede mit ontologischem Anspruch «, natürlich vorgegebene also, kommen für den konformistischen Individualismus nicht in Frage: »Ihre Unverfügbarkeit ist ja der demokratische Skandal.« Also werden sie diskursiv »in Deutungs- und Umwertungsunterschiede« verwandelt, »in gemachte und machbare« überführt. Damit lassen sich die »dem utopischen Impuls im Gleichheitsmotiv entgegenstehenden Unterschiede « bekämpfen, ohne »die Opferkosten einer physischen Revolution riskieren zu müssen. « Die zur »Selbstverwirklichung gebrauchten Unterschiede« indes dürfen gefahrlos »von der Normalität der Versandkataloge bis hin zur Provokation der Exzentrik ausprobiert werden«. Der »bürgerliche Unterschied von Privatheit und Öffentlichkeit« verschwimmt, normative Ansprüche werden Geschmackssache.
Furth beschreibt hier nichts anderes als die ideologische Praxis des wohlstandsbedingten flexiblen Normalismus. Wenn dieser nun in Köln und anderswo umzuschlagen scheint, die »Toleranz« gegen indigene Deutsche offen repressiv wird, fragt sich, ob das nur örtliche Ausschläge jenes Thermostaten an den inneren Rändern des Normalismus sind – oder zeichnet sich ein Umschlag größeren Maßstabs ab?
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